Aleksandra Bilcane

keine hochzeit Teil 5

14. Juli.
"Was ist das denn?", frage ich und schaue erstaunt auf das Dokument, das Hans gerade vor mir hingelegt hat.
"Ein Ehevertrag", erklärt er. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf. "Unterschreibe es!", sagt Hans.
"Sollte ich es vorher nicht durchlesen?", frage ich.
"Ja, das solltest du tun", meint Helena, "aber Zuhause. In einer halben Stunde reist ihr, du und Patrick, ab, darum solltest du auch etwas essen."
Ich nehme das Dokument, falte es und stecke es in meine Hosetasche. "Das ist doch nicht schlimm, oder?", frage ich als ich Hans' und Helenas Blicke bemerke.
"Nein, auf keinen Fall", antwortet Hans und öffnet die Tür für mich.
Ich gehe aus dem Kabinett ins Esszimmer, wo Patrick schon am Tisch sitzt. Er erklärt mir, dass wir uns beeilen müssen, denn er müsse noch vieles erledigen. Ich setze mich neben ihm und trinke einen Schluck Saft. Er fragt mich, was los sei, doch ich antworte nicht und trinke das Glas leer. Er steht auf und lässt mich allein. Ich schaue auf den gedeckten Esstisch und seufze - es gibt nichts, was ich üblich esse, denn Brot, Marmelade, kalter Kaffee und Butter gehören nicht auf meine tägliche Speisekarte. Der Appetit ist weg und nicht nur, wegen dem Essen, sondern mehr wegen dem Ehevertrag in meiner Hosentasche. Natürlich, habe ich schon gedacht, dass ich einen unterschreiben muss, aber das war trotzdem eine Überraschug für mich. Patrick ist schon lange weg und mir wird es ungemütlich. Doch bevor ich schon ihn suchen gehen will, kommt er und legt eine Tasse und einen Teller vor mir.
"Warmer Cappuchino und Salat für meinen Sonnenschein", sagt er und küsst mich auf die Wange.
"Uh! Das hab ich aber nicht erwartet", lächle ich.
"Wir müssen bald fahren, also, beeile dich, ja?" Ich nicke.
 
 Die Fahrt zurück in die Stadt dauert eine Weile und ich kann in Ruhe nachdenken. Einfach über alles: über Nadines Lüge, über das Treffen mit Patrick, über die Zeit ohne ihn, über Ines und ihre Gefühle, über den Ehevertrag und über meine Gefühle. In der letzten Zeit hatte ich keine Möglichkeit mal darüber nachzudenken, was ich fühlte, obwohl das merkwürdig klingt. Die ganze Zeit habe ich versucht den Einblick in mein Inneres zu vermeiden, weil zu gut wusste, wie's da drin aussah. Die Leere und die Verzweiflung sollten ignoriert werden, denn so war's leichter alles zu ertragen. Jetzt sieht es anders aus. Sogar besser als früher.
Ich spüre wie Patrick Gas gibt und mehrere Autos überholt und schaue zu ihm. Er lächelt mir zu und schaut zuruck auf den Weg während er seine Hand auf mein Knie legt und es streichelt. "Es ist so schön mit dir zusammen zu sein", sagt er ernst. "Mach das nie wieder!" Ich will ihn fragen, was er damit meint, aber bleibe still. Schon nimmt er seine Hand von meinem Knie, schaltet den Gang um und überholt einen LKW. Dann schaltet er den CD-Player ein und laute Musik ertönt. Das Lied ist mir bekannt aber ich kann nicht auf anhieb sagen, wer es singt. Ein Versuch mich an den Sänger oder die Band zu errinern endet mit meinem Versinken in den Gedanken.
 
Zuhause rufe ich in der Botschaft an und nehme mir frei. Während dessen stöbert Patrick in seiner Wohnung rum und sucht mir irgendetwas zum anziehen. Schließlich muss ich mich mit seinen Schorts und seinem T-Shirt abfinden. Er grinst, als er mich in seinen Anziehsachen sieht. Na ja, das kann ich ihm wohl kaum übel nehmen. Ich sehe nun mal wirklich albern aus. Die Shorts und das T-Shirt sind zu groß für mich. 
 
"Was ist das?" Patrick schaut mich wütend an und nur dann bemerke ich, dass er ein paar Blätter Papier in der Hand hält. "Was soll das? Kannst du's mir erklären?" Ich schüttele den Kopf und lasse ihn in seinem Zimmer allein. "Hey! Das kann doch nicht wahr sein! Komm zurück!", höre ich seine Stimme, aber gehe trotzdem schnurstraks in die Küche.
Ich will nicht riskieren, dass jetzt das Essen anbrennt. Dabei bezweifle ich, dass es um etwas sehr wichtiges geht. In der letzten Zeit (Ha! Die letzten paar Stunden schon wahrscheinlicher.) bin ich ruhiger geworden. Liegt es vielleicht am Kochen? Wohl kaum. Vor drei Stunden hat uns der Hochzeits-Planer besucht und wir haben geredet. Na ja, es gibt viele Neuigkeiten und viele Änderungen seit dem. Sehr viele... Ich sollte eigentlich meine Eltern, Amelie&Florian, Patricks Eltern und Lisa&Tom anrufen, aber ich habe irgendwie keine Lust dazu. Es macht mir Spaß zu wissen das, wovon sie keine Ahnung haben. Patrick hat auch gemeint, dass wir abwarten sollten. Wir warteten schließlich auf einen Anruf!
"Erkläre mir das", Patrick legt die Blätter Papier auf den Küchentisch vor mir. Jetzt bin ich sprachlos, da kann ich nun mal gar nichts erklären. Ich starre auf die Blätter und versuche Wörter in meinem Kopf zusammen zu knüpfen. Patrick schubst mich zur Seite und rennt zum Herd. Ich setze mich auf den Stuhl und verstecke mein Gesicht in den Händen. Vor mir liegt der Ehevertrag und offensichtlich hat Patrick ihn auch gelesen. Was soll ich denn dazu sagen?
Ich könnte sagen, dass da nichts zu erklären gibt, dass er seine Eltern fragen soll... Na, mir könnte ja auch einiges einfallen, wenn ich nicht so geschockt und sprachlos wäre. Ich selbst habe den Ehevertrag durchgelesen und es gab Sachen, die mich geschockt haben. Ich las ihn mehrmals durch um wirklich zu verstehen, was da geschrieben war, und mit jedem Mal verstand ich weniger. Von mir wurde verlangt so viel... Zu viel! Ich hab keinen Moment gezweifelt, dass es einen Ehevertrag geben wird, aber ich hatte nie gedacht, dass er so sein wird, wie er, leider, ist.
Der Ehevertrag ist eigentlich ziemlich gut gemeint. Ich bekomm sogar Geld, dafür dass ich Patrick heirate! Das ist verrückt! Na ja, das ist auch die einzige, positive Sache beim Vertrag – so etwa 20 Zeilen sind der Geld-Sache gewittmet, die Anderen – den Sachen, die ich machen muss, z.B., wird mir da vorgeschrieben, dass ich in den kommenden zwei Jahren ein Kind gebähren muss. Ja, genau so steht da geschrieben! Ich fühlte mich wie ein Haustier als ich das las und dieses Gefühl ist noch da. Darf man einer Frau überhaupt Vorschriften dieser Art machen? Also, ich hatte schon immer irgendwie Zweifel wegen der Hochzeit gehabt, aber jetzt spüre ich, dass diese Zweifel nicht mehr grundlos sind und das macht mir Angst... Ich will schließlig nicht zu einer Hausfrau mutieren. Hallo?! Warum hört der liebe Gott nicht meine Gebete, denn langsam habe ich das Gefühl, dass ich mich verändere und nicht weil ich es will, sondern weil andere mich verändern – sie machen aus mir den Menschen, den sie sehen wollen, z.B., Amelie. Sie hat stundenlang gemeckert, dass mein Hochzeitskleid keine Schleppe hat. Na ja, die hatte es auch nicht bis zu dem Moment, jetzt hat es eine und ob ich das mag, hat mich ja keiner gefragt, denn Amelie ist doch die perfekte, ältere Schwester, die einen guten Geschmack hat und immer recht hat. Das macht mich verrückt! Und nervt!
Ich höre wie Patrick hinter mir flucht und dann sitzt er schon mir gegenüber. Ich sehe garnichts, es ist plötzlich dunkel geworden, dann bemerke ich seinen Blick; ich will etwas sagen, alles erklären, doch dann, als ich den Mund öffne um das zu machen, merke ich, dass ich nichts zu sagen habe. Es ist traurig, aber da bin kraftlos – ich hab ein Gefühl, dass ich einem riesigen Felsen gegenüber stehe und diesen Felsen nicht vom Platz bewegen kann. Und wie so oft fliegen meine Gedanken weg, sie lösen sich von meinem Körper, gegen meinen Willen, und ich sehe alles in einem vollkommen anderen Licht – ich bemerke, dass es riecht, als ob etwas verbrannt hätte, dass Patrick sich nicht gekämmt hat und muss zugeben, dass er umwerfend aussieht.
„Was soll das?“, fragt er und lehnt sich über den Tisch zu mir; seine Hand berührt leicht meine Wange und streicht eine Haarsträne aus meinem Gesicht. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, kein Wort kommt über meine Lippen.
Das Telefon klingelt. Patrick steht grinsend auf und ich kann mich jetzt auch nicht zurückhalten und grinse. Im Wohnzimmer höre ich seine fröhliche Stimme, er lacht. Es scheint so, als hätte er alles vergessen und ich merke auch dass ich schon fast alles vergessen habe. Vielleicht ist es auch besser so.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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