Elle Kay
Das Leben des Herrn W. (2): Einkaufen bei Ikea
Am
Samstag wachte W. auf. Seine Freundin K. war bereits seit Stunden
fertig mit der Morgentoilette und kochte in der Küche Tee. Sie war
hungrig, gewiss, doch W.’s Kühlschrank ist meistens von ähnlicher Leere
wie sein Schädel. Es machte ihr nichts aus, sie konnte auch warten, bis
ihr Freund erwacht und mit ihm darüber reden, was sie essen sollen. W.
stolzierte knurrend in die Küche und sie begannen darüber zu reden, was
sie denn heute Essen würden. Für Frühstück war es bereits zu spät, für
das Mittagessen bald auch. Da W. keine sonderliche Lust auf einkaufen
und kochen verspürte, schlug er vor, anderthalb Stunden Fahrt durch die
Stadt auf sich zu nehmen um bei Ikea zu Mittag zu speisen. So fuhren
sie wenige Zeit später los, in W.’s üblichem Müßiggang, in welchem er
alles zu erledigen schien. W. war in Streitlaune. Er diskutierte die
ganze Fahrt darüber, ob sie denn nun einen Becher nähmen, da es doch
Free refill gäbe und sie sicherlich beide nicht verdursten würden.
Außerdem seinen zwei Becher zu teuer. Nur müssten sie sich darauf
einigen, was sie beiden denn trinken würden, aus diesem einen Becher.
W.’s Freundin K. war kein komplizierter Mensch, sie trank alles,
schwedische Cola, schwedische Orangenlimonade, Mineralwasser und auch
diese Preiselbeerelimonade. Allerdings war sie auf den
Geschmacksverstärker in der Zitronenlimonade allergisch. W. bestand
darauf, Zitronenlimonade zu trinken, da ihm selbst das Mineralwasser
dort nicht schmecke und die anderen Getränke bei ihm Sodbrennen
verursachen würden. K. verhielt sich wie immer diplomatisch und bot an,
ihren Becher selbst zu zahlen, sie könne auch auf eine Einladung
verzichten, denn zur Einigung käme es nie. W., mit grimmiger Miene,
erklärte sich sofort bereit, zwei Becher zu zahlen. So vertrieben sie
sich die Zeit auf der langen Fahrt in der U-Bahn quer durch die die
Stadt.
Angekommen bei Ikea war auch die einbetonierte Gelassenheit
in W.’s Gesichtszüge heimgekehrt. Mit K. an der Hand spazierte er nun
in die Kantine. Natürlich sollten sie sich wieder eine Speise teilen,
denn alles andere sei zu teuer. Nur einigen müssten sie sich. Da K. die
Küche von Ikea kannte, wusste sie, dass das einzig schmackhafte diese
Fleischbällchen in Preiselbeersoße waren, von denen hatte auch W.
einmal geschwärmt und so freute sich K., dass sie sich nun vielleicht
una Anima für dieses Gericht entscheiden könnten. Doch W. sah dies ganz
anders, er wollte unbedingt diese winzige Portion gewürzlos gedünsteten
Lachs mit Kartoffelrösti essen, natürlich erst, sobald er vernahm, dass
K. mit den Fleischbällchen einverstanden wäre. So diskutierten sie
abermals vor der Theke, was sie nun teilen würden, einig wurden sie
sich nicht. So bekam K. eine kleine Portion Fleischbällchen in
Preiselbeersoße und belgische Fritten, auf dem Kinderteller. W. nahm
sich den Lachs mit dem Kartoffelrösti und häufte sich eine unanständige
Portion Salat auf den Teller. Es war wahrhaftig ein Akt der Balance,
diesen Teller zur Kasse zu tragen, ohne das der 40cm hohe Salatberg
einstürzte. Der Blick der Kassiererin sprach für sich.
Sie nahmen
Platz, K. äußerte, sie habe die Mayonnaise für die Fritten vergessen
und stand auf, um welche zu kaufen. „Bloß nicht!“, protestierte W. und
entleerte seine Jackentaschen. Nun lagen einige kleine Döschen
Mayonnaise auf dem Tisch. W. hatte welche von zuhause mitgenommen, denn
hier würden sie ja ganze 25 Cent kosten, dies sei doch viel zu teuer.
Die anderen Gäste schauten ungläubig zu dem Tisch, wo W. und K. speisen
wollten, wandten sich aber schnell wieder ihren Tellern zu. W. betete
vor dem Essen und ermahnte K., dass sie dran denken solle, ihm die
Hälfte ihrer Portion zu überlassen, denn er könne nicht satt werden.
Nachdem sie fertig gegessen haben, stand W. bestens gelaunt auf und
erklärte sich bereit, für beide noch ein Dessert auszusuchen. Er kam
zurück mit einem schmalen Stück Blaubeertorte, vielleicht 3cm breit,
7cm lang und einem Glas Mousse au Chocolat. W. dachte sogar an das
Besteck, zwei Kuchengäbelchen, einen Esslöffel und einen Dessertlöffel.
Natürlich würden sie sich auch das Dessert teilen, denn sie teilen auch
sonst alles. W. teilte das Kuchenstück, vielmehr schnitt er von ihm
einen Drittel ab und legte es K. auf den Teller „Für dich das kleinere,
du musst auf deine Linie achten.“. Dabei war an K. kein Gramm
Übergewicht und W. war eher derjenige, der so langsam nicht mehr in
seine klassischen Anzüge passte. K. dankte lächelnd, mit einem Groll im
Innern, und sie speisten weiter. Als es zur Mousse au Chocolat
überging, reicht W. seiner Freundin den Teelöffel, mit dem gleichen
Kommentar als Begründung. Er selbst nahm natürlich den Esslöffel. Doch
nun gab es ein Problem: W. wollte die Sahne auf der Mousse au Chocolat
gänzlich verspeisen und stritt wieder darum, wer die Sahne nun essen
dürfte, teilen wollte er sie nicht. K. gab nach. Als sie fertig waren,
brachten sie ihre Tabletts weg. W. durchsuchte den Tablettwagen nach
brauchbaren Resten. Er fand ein Waffelhörnchen, unbenutzt natürlich,
bei Ikea kann man sich das Vanillesofteis selbst zapfen, und nahm es
mit.
Nach dem Essen liefen sie noch eine Runde durch das Möbelhaus
Ikea. In der Abteilung für Stofftiere hielt W. an einem Regel mit
Mängelexemplaren, welche um 70% reduziert waren, und fragte in seinem
üblich seriösen Ton: „Soll ich dir ein Stofftier für deine Wohnung
kaufen?“. Daraufhin fing er an, pingelig sein Geld abzuzählen. K. war
nun wirklich nicht auf ein solches Stofftier angewiesen und darüber
hinaus gab es eine freundlichere Art Geschenke zu machen. W. zählte das
Geld vor ihrer Nase und beschloss ihr dieses Stofftier zu kaufen.
Im
ikeainternen, schwedischen Supermarkt wollten beide noch ein paar
Pakete Blaubeersuppe kaufen, doch leider war nur noch eins übrig. W.
begann wieder eine Diskussion um das letzte Paket, wer von ihnen beiden
dürfte es denn nun kaufen. K. gab auch hier nach, sie war diplomatisch
genug, um diese kindischen Diskussionen schnell zu beenden.
An der
Kasse beschloss W. ein Eis zu essen. Auch K. wollte eins, doch W.
bestand darauf, dass sie seins mit ihm teilt, sie müsste kein Geld
ausgeben, denn er habe ja noch ein Waffelhörnchen. So teilten sie ein
Softeis, W. leckte fein säuberlich das Hörnchen aus und zapfte ein
neues. Diese Prozedur wiederholte er mehrmals, bis er genug Vanilleeis
gegessen hatte. Nun begann er eine Diskussion darum, wer das
Waffelhörnchen verspeisen dürfte. Er wollte es nicht teilen, denn er
mochte die Waffel so sehr. Nach einem minutenlangen Vortrag gab K. auch
hier nach.
Sie fuhren heim und ordneten ihre Einkäufe. Es war ein
ermüdender Tag von 5 Stunden gewesen, W. beschloss sich zu betten, was
auch automatisch hieß, dass K. es ihm gleich tun sollte. Seine letzte
großzügige Tat war, dass er das einzige Paket Blaubeersuppe in K.’s
Tasche gleiten ließ, mit einem Gesicht, als hätte er ein großes Opfer
gebracht. So konnte er ruhigen Gewissens einschlafen, denn nun hatte er
K. endgültig den Tag verdorben und vielleicht ist dies tatsächlich
immer sein Ziel gewesen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2008.
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