Jessica Bel

Die Zeugin (Kapitel 2)

Sie kannte zwar nicht seinen Namen, wusste aber 100prozentig, dass er auf ihre Schule, in ihre Parallelklasse ging. Trotzdem wusste sie absolut nicht wie sie ihn einschätzen sollte. Was war, wenn er ein brutaler Schläger war und sie jetzt an seine Kumpels ausliefern würde? Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Plötzlich sprach er mir ihr. „Pass auf ich nehme jetzt meine Hände von deinem Mund, aber nur wenn du die Klappe hältst und nicht schreist verstanden?“ Sie nickte und lies langsam seine Hände sinken. „Verdammt was zum Teufel machst du hier?“ Sein Stimmer klang alles andere als aggressiv, sie war ruhig und verständnisvoll trotzdem fand Anna auf die schnelle keine Antwort auf die Frage. Er setzte sich neben sie, lies sie allerdings keine Sekunde aus den Augen. Ihr war klar, dass abhauen sinnlos gewesen wäre, also versuchte sie erst mal ruhig zu bleiben. Leider klappte das nicht so ganz, Tränen stiegen ihr in die Augen und sie begann erneut zu weinen, sie  konnte einfach nicht anders, das was in der letzten halben Stunde passiert war, war einfach zuviel für sie gewesen. Der Typ legte einen Arm um ihre Schulter, anscheinend war er wirklich nicht so ein brutales Arschloch wie seine Freunde, doch Anna blieb weiterhin misstrauisch. „Hey ich werd dir nichts tun, das schwör ich dir.“ Es dauerte eine Weile bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte, dann sah sie ihm für einen Moment direkt in die Augen. „Verrätst du mir deinen Namen?“ sie wich seinem Blick aus und überlegte kurz bis sie ihm antwortete. „Damit du mich bei deinen Freunden verpfeifen kannst?“ „Quatsch warum sollte ich das tun?“ „Weil ich gesehen habe was ihr getan habt, ihr haben jemanden umgebracht.“ Er verschränkte einen Moment lang die Hände vor seinem Gesicht. „Wirst du mich bei den Bullen verpfeifen?“ Sein Blick schien ein wenig ängstlich. „Nein ich weiß ja schließlich auch gar nicht so richtig wer du bist.“ „Nick.“ Er hielt ihr die Hand hin und wartete auf ihre Reaktion. Sie dachte kurz nach und nahm dann seine Hand. „Ich bin Anna.“ Plötzlich waren wieder Stimmen zuhören, Anna bekam es mit der Panik, waren die Kerle etwas zurückgekommen? Die zwei sahen sich um und erblicken schließlich einen Obdachlosen mit seinem Hund einige Meter entfernt. Nick sprang auf und nahm Anna an die Hand. „Wir müssen sofort hier verschwinden.“ Er rannte los und zog sie hinter sich her, die beiden liefen so lange bis sie vollkommen außer Atem eine U-Bahnstation erreichten. Anna sah ihn ängstlich an. „Und was machen wir jetzt? Der Typ hat uns gesehen und es bestimmt nur ne Frage der Zeit bis er…“ Sie brach mitten im Satz ab, es wäre wohl besser wenn sie in der Öffentlichkeit nicht über die ganze Sache sprach, obwohl der Bahnsteig Menschenleer war. Nick setzte sich auf eine der herumstehenden Bänke, im Licht sah sein Gesicht noch viel schlimmer aus. Anna setzte sich neben ihn. „Der Typ hat dich ganz schön erwischt. Sieht echt schlimm aus.“ „Halb so schlimm.“ „Und wie geht’s jetzt weiter?“ „Keine Ahnung.“ „Ich muss erstmal nach Hause, is ja schließlich schon kurz vor drei. Oder hast du vor mich hier noch länger festzuhalten?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, aber wir treffen uns morgen, vielleicht is mir dann was dazu eingefallen wies nun weiter geht.“ „Okay wann und wo?“ „Um 11.00 Uhr am Sportplatz Kölnerstraße.“ „Gut also bis dann.“

 

Kommissarin Alexa Peters saß gegen halb vier morgens immer noch im Büro an ihrem Schreibtisch. Der Kaffee in der großen, roten Tasse war mittlerweile kalt. Seit Stunden saß sie an der selben Stelle und blätterte zahllose Akten durch, langsam war sie so Müde, dass sie ihr bereits gelegentlich die Augen zu vielen. Sie wurden aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Kollege Thomas Lennart in ihrer Bürotür erschien. Er sah im Gegensatz zu ihr recht ausgeschlafen aus und schenkte ihr eins seiner gewohnten grinsen. „Na du machst wohl nie Feierabend was?“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und strich sich anschließend mit den Händen durchs Gesicht. „Ich bin immer noch mit dieser Drogendealer Sache beschäftigt, aber irgendwie komme ich einfach nicht weiter.“ „Du solltest erstmal ne Runde schlafen vielleicht kannst du dann wieder normal denken.“ „Ja du hast Recht ich glaub ich werd mich ein paar Stunden hinhauen.“ Das Gespräch der beiden wurde durch das klingeln von Alexas Telefon unterbrochen. Sie ging um den Schreibtisch herum, ließ sich in den Stuhl fallen und nahm schließlich den Hörer in die Hand. „Peters.“ meldete sie sich mit müder Stimme. Am anderen Ende sprach ein Kollege aus dem Streifendienst, er schien ziemlich aufgeregt. Lennart beobachtete seine Kollegin die sich konzentriert ihrem Telefongespräch widmete und wartete darauf, dass sie auflegte. Ein paar Minuten später tat sie das auch, sah dabei aber alles andere als erfreut aus. „Tja scheint so als müsste mein Bett noch warten.“ „Was is passiert?“ „Ein toter jugendlicher am Güterbahnhof. Schuss in die Brust, Selbstmord ausgeschlossen.“ „Okay ich fahr dich hin.“ „Du hast doch bestimmt anderes zu tun.“ „Ja aber in deiner Verfassung werde ich dich ganz bestimmt nicht fahren lassen.“ Da diskutieren hier sinnlos gewesen wäre, nahm Alexa ihre Jeansjacke von dem Garderobenständer und folgte Lennart auf den Parkplatz. Die zwei stiegen in einen 5er BMW, den Lennart anschließend auf die Straße Richtung Güterbahnhof steuerte. Bereits nach 10 Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Überall wimmelte es von Streifenpolizisten, sowie jede menge Presseleuten. Die zwei stiegen aus und gingen unter der Polizeiabsperrung hindurch. Sofort kam ein Kollege, ebenfalls in Zivil angelaufen und schien dabei ganz außer Atem zu sein. „Kommissarin Peters? Mein Name ist Paul Koch, Morddezernat Süd, wir erwarten sie schon.“ Alexa erkannte sofort das hier einen Neuling vor sich hatte, der wahrscheinlich frisch von der Polizeischule kam, sie schenkte ihm also keinerlei große Beachtung und ging weiter in Richtung Tatort. In einiger Entfernung sah sie ein vertrautes Gesicht von der Spurensicherung und machte einen Abstecher dorthin. „Hallo Klaus, was habt ihr?“ „Ach Alexa lange nicht gesehen, bis jetzt leider noch nicht allzu viel. Wie du wahrscheinlich weißt ist der Junge durch einen Schuss in die Brust getötet worden, ganz klar Mord, der Typ der Waffe wird zurzeit noch überprüft. Wir haben Zigarettenstummel, ein paar Flaschen aber das war’s auch schon. Ach ja und die Fingerabdrücke an der Leiche müssen noch überprüft werden.“ „Na ja das ist ja schon mal besser als gar nichts, danke erstmal.“ Sie wandte sich wieder Lennart zu und ging mit ihm weiter zur Leiche. Der Junge lag noch so da wie er gefunden wurde, er war blass und starrte mit seinem leeren Blick in den Himmel. Ein weiterer Polizist trat an Alexa heran. „Hallo Frau Peters, schein ja wieder eine lange Nacht für sie zu werden.“ „Ja das kann man wohl sagen. Könnten sie den Jungen bereits identifizieren.“ „Allerdings er hatte ein Portmonee bei sich mit Ausweis und allem. Sein Name ist Phillip Schubert, 17 Jahre alt, laut Schülerausweis war er Schüler an der Morgenstern Gesamtschule. Mehr wissen wir noch nicht, wir versuchen gerade die Eltern zu erreichen.“ „Wer hat ihn gefunden?“ „Ein Obdachloser, er sagt er war zusammen mit seinem Hund auf der Suche nach einem Schlafplatz.“ „Sonst irgendwelche Zeugen?“ „Nicht direkt, der Mann sagt er hatte aus einiger Entfernung zwei Jugendliche abhauen sehen einen Jungen und ein Mädchen mit blonden Haaren. Allerdings muss ich dazu sagen der Mann riecht wie eine ganze Schnapsbrennerei was natürlich nichts heißen muss na ja ich muss dann weitermachen, falls sie keine weiteren Fragen haben?“ „Nein für den Moment nicht danke.“ Alexa sah wie die Leiche des Jungen abtransportiert wurde, sie sah sich noch einen Augenblick um und forderte dann ihren Kollegen Lennart zum gehen auf.

Auf dem Rückweg ins Büro herrschte schweigen. Irgendwie kam dieser Junge der Kommissarin bekannt vor, allerdings wusste im Moment noch nicht genau wo sie ihn hin stecken sollte. Als sie den Parkplatz der Polizeiwache wieder erreichten hatten war es kurz nach fünf. Alexa spürte jeden Muskel und Knochen in ihrem Körper, daher beschloss sie kurzer Hand, dass es doch besser wäre erstmal ein paar Stunden zu schlafen.

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Jessica Bel).
Der Beitrag wurde von Jessica Bel auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Jessica Bel als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Versengte Flügel: eine Seelenreise zwischen Trauer und Trost von Sonja Rabaza



Traurige und schmerzerfüllte Zeiten müssen durchlebt werden, das heißt, es muss Trauerarbeit geleistet werden; wenn man verdrängt, so holt sie uns doch immer wieder ein. Nur wenn wir uns auf diesen schweren Weg einlassen, haben wir eine Chance - trotz ewig dauernden Schmerzes - wieder glücklich zu werden.

Meine Botschaft: Auch wenn das Leben nicht immer freundlich mit uns umgeht, nicht aufzugeben!

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Krimi" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Jessica Bel

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Zeugin (Kapitel 5) von Jessica Bel (Krimi)
Der Türsteher von Goren Albahari (Krimi)
Die Pendeltür von Rainer Tiemann (Hoffnung)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen