Andreas Rüdig

Besuch in Mönchengladbach

Groß, dunkel und vor allem leer erscheint die mönchengladbacher katholische Citykirche, die zentral in der Innenstadt liegt.
Gotisch ist die Hallenkirche angelegt, in dunklen Farben (grau, dunkelblau, dunkelgrün, weinrot) die künstlerisch gestalteten gotischen Fenster gehalten. Mehrere Standbilder sind hier zu sehen; der Altarraum enthält einen Altartisch aus Stein, ein Doppelkreuz mit Jesusfigur und zwei Frauenstandbildern auf dem zweiten Querbalken sowie jeweils 3 Kerzen auf jeder Seite des Kreuzes und eine Opferkerze auf der rechten Seite.
Zwei Beichtstühle auf der linken Seitenwand und jede Menge Ikonen auf der rechten Seite vollenden die Inneneinrichtung. "Aber es gibt doch bestimmt Kirchenbänke," höre ich Sie jetzt sagen. Aber nicht doch, mitnichten. Mehrere Reihen Stühle in der Nähe der Beichtstühle sind die einzigen Sitzgelegenheiten in der Kirche. Die traditionellen Kirchenbänke fehlen tatsächlich völlig. Ob es daran liegt, daß die Kirche derzeit (zumindest von außen) renoviert wird, kann ich nicht beurteilen. Ein wenig wie Turnhalle sieht die Kirche aber trotzdem aus.


Erzbischof Gero von Köln gründet 974 die Abtei Gladbach zu Ehren des Heiligen Geistes, der Gottesmutter Maria und des Märtyrers Vitus. 985 wird der heilige Sandrad erster Abt. Die erste Abteikirche wird um das Jahr 1000 vollendet. Neubauten sowie An- und Umbauten folgen bis zur Aufhebung der Abtei am 30.5.1805. Das Münster wird der Hauptpfarre Gladbach als Annexkirche zugewiesen. Die Erhebung zur Päpstlichen Basilica Minor folgt 1974.

Die Entscheidung, den Bildhauer Franz Gutmann mit einer Skulptur für die Apostelkapelle des Münsters St. Vitus zu beauftragen, fiel den Verantwortlichen, der Hauptpfarre und dem Münster - Bauverein, nicht schwer. Hatte der Mataré - Schüler und Studienkollege von Joseph Beuys, Erwin Heerich und Elmar Hillebrand doch schon das Südportal udn das bronzene Becken des romanischen Taufsteins gestaltet. Für die Initiatoren waren zwei Dinge wichtig: Einerseits sollten Teile des Münsterschatzes - in diesem Fall der Apostelschrein - besser präsentiert, andererseits die Apostelkapelle durch ein Kunstwerk bereichert werden.
Bei der Suche nach einem geeigneten Künstler spielte unter anderem ein Gedanke, der bereits in den 70er Jahren diskutiert worden war, eine wichtige Rolle: Der Bildhauer Ewald Mataré hatte den Altar des Hochchores gestaltet, seine Schüler sollten mit der weiteren Ausgestaltung beauftragt werden. Allerdings kamen nur Elmar Hillebrand (Triumpfkreuz, Ambo und Leuchter) und Franz Gutmann zum Zuge.
Der 69jährige hat eine 3,50 Meter hohe Skulptur aus Eichenholz geschaffen. Die frauenähnliche Gestalt hät die 15 Zentner schwere Figur in einer Vitrine den vergoldeten Apostelschrein, ein Geschenk des Bürgervereins "Concordia". Dieser Schrein wurde bisher in der Münsterschatzkammer aufbewahrt, ebenso wie ein kleines, altes und kostbares Bild der Ecclesia auf dem Tragaltar aus dem Jahre 1160.
Franz Gutmann, der nicht nur, aber mit Vorliebe das Material Holz bearbeitet, hat sich bei der Gestaltung der Skulptur an der räumlichen Situation der Apostelkapelle orientiert und eine passende Ergänzung geschaffen. Die leicht gebogene Skulptur hebt sich bewußt von den klar gegliederten Säulen der Ostwand der Apostelkapelle ab.
Nachdem es nach der Säkularisation Ende des 18. Jahrhundertes gelungen war, die zum Abbruch bestimmte Abteikirche vor dem "Aus" zu retten, bemühten sich Mönchengladbacher Bürger Mitte des 19. Jahrhunderts um den Neuaufbau des größtenteils zerstörten Münsterschatzes. Dank ihrer Spenden erhieten die seit 1795 nicht wieder gefaßten Reliquiare neue kostbarer Gehäuse. Der Bürgerverein "Concordia" stiftete zur Heiligtumsfahrt 1874 den Apostelschreib. Er ist aus vergoldetem Messing und birgt unter anderem Reliquien der Apostel Andreas, Jakobus dem Älteren, Simon, Matthias und Barnabas.

Ernst Coester: Münsterschatzkammer Mönchengladbach (Reihe Kleine Kunstführer); 19 Seiten; Verlag Schnell & Steiner München und Zürich 1988

Unterstützt durch diverse farbige und Schwarz - Weiß - Fotos bringt der Autor uns Leser den Münsterschatz der Mönchengladbacher Kirche näher. Sehr umfangreich, sehr detailliert und kenntnisreich, aber auch sehr kunstwissenschaftlich und kunstgeschichtlich anspruchsvoll sind die Ausführungen gehalten. "Mal eben so nebenbei" kann man sich die Texte nicht zu Gemüte führen. Ein gewisses Basiswissen, ein gewisses Interesse an und ein Grundverständnis für sakraler Kunst muß schon beim Leser vorhanden sein. Ansonsten wird der Leser das eigentlich ganz interessante Heft schnell beiseitelegen.

Sie merken es sicher, liebe Leser: Ich bin jetzt in der katholischen Hauptpfarre St. Mariä Himmelfahrt angekommen.
Schlicht und hell - mein Eindruck der Münsterkirche ist durchaus positiv. Auch sie ist eine gotische Hallenkirche. An der Decke hängende Lampen erleuchten sie. Stuhlreihen füllen den Innenraum aus. Bunt leuchtende, aber auch schlichte Glaskunst schmückt die Fenster des Gotteshauses. Ein künstlerisch gestaltetes Kreuz hängt im Altarraum; das Triumphkreuz aus dem Jahre 1975 stammt von Elmar Hillebrand und läßt sehr leicht den Eindruck aufkommen, das eigentliche Kreuz sei in einer Kiste verpackt. Auch das Sprecherpult - Ambo genannt - stammt von Elmar Hillebrand. Er schuf es im Jahre 1991. Das Kreuz von Ingo Wegerl sei hier auch erwähnt. Es stammt aus dem Jahre 1997, ist Blattgold auf Papier und trotz seiner modernen Gestaltung doch sehr ansprechend gelungen. Das Werk von Mataré erscheint da fast schon ein wenig unspektakulär.
Die Schatzkammer wird nach Absprache mit dem Pfarrbüro geöffnet. Ihre Öffnungszeiten sind dienstags bis samstags von 14.00 bis 18.00 und sonntags von 12.00 bis 18. Uhr. Der Eintritt kostet 12 Euro für Erwachsene und 15 Cent für Kinder. Wer sie sehen möchte, kann sich unter der Nummer 02161 - 462330 anmelden. Ich komme an einem Sonntag Mitte Januar 2008; auch wenn ich ein paar liturgische Gewänder und ein paar Gemälde zu sehen bekomme, ist die Schatzkammer im Grunde doch geschlossen.
Ich habe allerdings Glück. Ich treffe eine nette Dame, die mir die Türe öffnet. Als ich die Büsten, Monstranzen, Bibel, Ostensorien, Holzschnitte und andere Kostbarkeiten sehe, bin ich eigentlich meinem Glück dankbar. Die Schatzkammer ist klein, aber prächtig und auf jeden Fall einen Besuch wert. Als Besucher kann man nur über die Fähigkeiten der Kunsthandwerker staunen.
"Was war das doch für ein Gesindel, das den Kirchenschatz von vor der Franzosenzeit um des schnöden Mammons willen zerstörte," schießt es mir unwillkürlich durch den Kopf, als ich mich auf den Weg nach Hause mache.


"Das Museum Abteiberg ist ein Museum internationaler Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Mit seiner gegenwartsbezogenen Konzeption von Sammlung aus Ausstellungsprogramm behauptet es seit Jahrzehnten seine Position in der Museumslandschaft, die gerade im Rheinland zu den interessantesten und dichtesten der Welt zählt.
Wegweisend wurde auch die mehrfach preisgekrönte Architektur von Hans Hollein, die nicht nur intensive Raumerlebnisse und außergewöhnliche Dialoge von Kunst und Architektur eröffnet, sondern auch selbst Geschichte ist. Das Museum Abteiberg stand am Anfang des großen Booms neuer Museumsbauten der 80er und 90er Jahre und setzte weltweit Maßstäbe für die Entwicklung der Museen für Gegenwartskunst.
Expressionismus, Konstruktivismus, ZERO und Op Art, Nouveau Réalisme, Pop Art, Neue Konkrete Kunst, Minimal und Concept Art, Arte Povera, Künstlerräume und -konvolute der aktuellen Gegenwartskunst seit 1980, Werkskomplexe von Man Ray, Lucio Fontana, Joseph Beuys, Macel Broodthaers, Dieter Roth, Gerhard Richter, Sigmar Polke, Ulrich Rückriem, Palermo, Richard Serra, Imi Knoebel, Günter Umberg, Joseph Marioni, Allen Ruppersberg, Martin Kippenberger, Franz West, Mike Kelley, Günther Förg, Isa Genzken, Kai Althoff, Paulina Olowska, Rodny McMillian, Richard Wright; graphische Sammlung: Zeichnungen, Aquarelle, Fotographien und Druckgraphik des 20. und 21. Jahrhunderts machen die Sammlung aus.
Seit Juni 2002 besitzt das Museum Abteiberg einen Skulpturengarten mit Werken von Larry Bell, Giuseppe Penone, Franz West, Jorge Pardo, Dan Peterman, Mauro Staccioli, Anaton, Berhard Luginbühl, Francois Morellet, Maria Lehnen, Stefan Kern und Claes Oldenburg, die sich über Holleins `Rheinterassen' bis zur alten Stadtmauer im unteren Bereich des ehemaligen Klostergartens erstreckt," berichtet das Museum.
Hell und freundlich ist das Museum gestaltet, großzügig und auf jeden Fall besuchenswert. Gemälde, Fotos und Objekte sind hier zu sehen, moderne Kunst eben. Grell und bunt sind viele Exponate. Ob sie jedermanns Geschmack sind, sei einmal dahingestellt. Man muß allerdings einen Zugang zum aktuellen Kunstgeschehen haben, um diese Präsentation zu mögen. Die Architektur ist - so ganz nebenbei bemerkt - wirklich ansprechend. Die vielen Winken und Verschachtelungen bieten diverse Möglichkeiten, Kunst hervorzuheben (oder auch zu verstecken?)
Hier jetzt alle Exponate vorzustellen, würde sicherlich zu weit führen. Dafür sind es zu viele und zu unterschiedliche Ausstellungsstücke. Allein zu Joseph Beuys und Sigmar Polke ließe sich schon viel erzählen. Wer sich für moderne Kunst interessiert, sollte dieses Museum kennen. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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