Schnell
lief ich wieder auf die andere Seite der Ladefläche. Cassandra deutete in die
Nacht hinaus. Zuerst konnte ich nichts erkennen. Aber dann vernahm ich einen
schwachen roten Lichtschein in einigen Metern Entfernung. Und plötzlich sah
ich, wie sich direkt neben der Bordwand, so nahe, dass ich sie hätte berühren
können, eine der Blüten, die ungefähr so groß wie meine Handfläche war, öffnete.
Je weiter sie sich entfaltete, umso intensiver wurde das Leuchten in ihrem
Inneren. Die äußeren Blätter leuchteten blutrot und die inneren in einem
strahlenden Hellrot. Ich hatte so gebannt auf diese Pracht gestarrt, dass ich meine
Umgebung nicht beachtet hatte. Als ich wieder hochsah, hielt ich vor
Überraschung die Luft an, denn das Laubdach leuchtete, so weit mein Blick
reichte, rot wie Feuer. Ich suchte Cassandras Blick. Der Lichtschein, der von
den Blüten ausging, spiegelte sich in ihren Augen wider und überzog ihr Gesicht
mit einem rötlichen Schimmer. Sie lächelte mich an und Harpon und Cassandra nahmen
mich in ihre Mitte und legten ihre Arme um mich, als wäre ich ein kleines Kind.
Aber das Naturereignis hatte noch gar nicht seinen Höhepunkt erreicht. Plötzlich
mischten sich weitere Farbtöne in die rote Pracht. Gelbe und orangefarbene
Punkte erschienen zwischen den Blüten und stiegen über die Gipfel der Bäume
auf.
„Was
ist das?“, fragte ich.
„Insekten“,
erklärte Harpon. „Harmlose Insekten. Sie treffen sich zum Hochzeitsflug. Die
männlichen Tiere sterben danach. Die weiblichen Tiere leben noch solange, bis
sie ihre Eier abgelegt haben.“
Ganze
Schwärme dieser Insekten stiegen nun auf und schwirrten dicht um uns herum. „Aua!“
Ich schloss erschrocken die Augen, als eines der Insekten gegen meine Stirn stieß.
Es war auf die Ladefläche gefallen, und Cassandra nahm es vorsichtig auf und
hielt es mir auf ihrer Handfläche entgegen. Fasziniert betrachtete ich das
Tier, das etwa so lang wie Cassandras Zeigefinger war. Es schien gänzlich von Innen
heraus zu leuchten. Deutlich konnte ich die tastenden Fühler, die Augen, die
Beine, die Flügel und den grazilen Körper erkennen. Das Insekt krabbelte
suchend auf Cassandras Handfläche herum und erklomm schließlich ihren ausgestreckten
Zeigefinger. Als es an der Fingerspitze angelangt war, tastete es mehrmals ins
Leere, dann breitete es seine Flügel aus und schwirrte davon.
Ich
weiß nicht mehr, wie viele Stunden lang wir auf der Ladefläche gestanden und das
Farbenspiel dieses Naturschauspiels beobachtet haben. Der Flug der
Leuchtinsekten über den roten Blüten des Feuerwaldes wollte kein Ende finden.
Wir waren mitten unter ihnen, innerhalb einer schwirrenden Wolke aus Lebewesen,
fast als wären wir ein Teil der Natur des Waldes. Ich spürte die Faszination meiner
Begleiter und sie griff auch auf mich über.
Irgendwann
zeigte sich am Horizont der erste Schimmer des beginnenden neuen Tages. Die Blüten
begannen sich wieder zu schließen, die strahlende Pracht verblasste langsam und
die Insektenwolken zogen sich zwischen die Baumkronen zurück. Das Naturereignis
war vorbei. Erst in vielen Jahren würde der Feuerwald wieder seine Blüten
öffnen.