Sabrina Hofmann

Der Vampirzahn


Louis öffnete die Augen. Seine eisig blauen Augen starrten
hasserfüllt auf den Obersten des Ordens herab. „Und wieso
sollte ich das tun? Wieso? Ich bin nicht wie ihr, Sir Sharne! Ihr
mögt ein starker Mann sein, aber Euer Verhalten ist das eines
Kindes! Wir dürfen diese Frau nicht angreifen! Nicht, wenn wir
nicht das Vertrauen der Menschen verlieren wollen und genau das ist
unser Trumpf! Wenn die Menschen uns Vertrauen – blind Vertrauen –
werden sie leichte Opfer sein! Es wäre töricht jetzt
anzugreifen!“ Ein Glitzern huschte über seine Augen, als er
seine langen spitzen Zähne zu einem Lächeln entblößte.
„Vielleicht
habt ihr Recht, Sir Louis, aber trotz allem befehle ich ihnen –
tötet diese Frau und bringt sie mir – Als Vampir!“ Ein
sanftes Lächeln umspielte sein Gesicht als er an Louis herab
blickte.
Louis
presste die Lippen zu einem einzigen weißen Strich zusammen.
„Wollt Ihr wirklich so dumm handeln, wie es eure vorfahren getan
haben? Wie es Dracula getan hat! Wieso sonst wohl haben die Menschen
früh genug von unseren Plänen erfahren? Wieso wohl? Weil er
dumm war! Weil er zu dumm war als dass die Menschen nichts hätten
merken können! Allein deshalb hat er versagt! Nur deswegen!
Sagt, wollt Ihr genauso dumm handeln? Wollt ihr genauso versagen wie
Graf Dracula es tat? Wollt ihr das!?“
„Nein,
mein Freund. Ich werde nicht
genauso dumm handeln, wie mein Vater es tat! Deshalb sage ich Euch,
befehle ich Euch,
findet dieses Mädchen und beißt es! Und dann bringt es
hier her vor den Rat!“

„Regina ist die Tochter eines Fürsten und es wird dem
entsprechend nicht leicht an sie heran zu kommen , aber ich werde
mein bestes tun um Euren Wünschen nach zu kommen.“ Damit
drehte der junge Vampir sich auf der Hachse um und verließ hoch
erhobenen Hauptes den Raum.



Louis lächelte. Nun stand er also hier, direkt vor der Haustür
des Feindes und vor der Haustür Reginas, der Frau, dessen Leben
er heute Abend auf alle Zeit verändern sollte. Er konnte nicht
leugnen, dass er sich auf das Abendessen freute. Er hatte schon lange
mehr kein frisches Menschenblut geschmeckt.

Der Wind heult um das Haus, wie ein Vorbote des Schicksals, zerzauste
das Schwarze Haar des Vampirs und ließ dessen schwarzen Mantel
flattern.

Seine knochige, blasse Hand griff nach dem Türklopfer. Dreimal
pochte er gegen die Tür. Das Echo der Schläge schien
unnatürlich lange in der Luft zu hängen.

Louis grinste. Jedes Mal., wenn ein Mensch bald gebissen werden
würde, war es so. Es schien fast, als würde die Luft
merken, das etwas schlimmes sich anbahnte, unumgänglich war. Er
sog die Luft ein. Ein Duft von frischem Menschenblut stieg in seine
Nase und ließ seinen Magen knurren. Eines zumindest war gut
gewesen am Entschluss Sharnes, denn nun würde er endlich bald
wieder Menschenblut schmecken dürfen und noch dazu so junges...

Jemand öffnete die Tür. Ein gleißendes Licht fiel
durch den Türspalt. Ein stechender Schmerz schoss in Louis'
Augen. Er presste die Augen zusammen. Ein schwarzer Schatten tanzte
über seine Augen. „Bitte, macht das Licht aus!“, presste er
gequält zwischen den Zähnen hervor.

„Aber... Es ist doch nur Kerzenlicht! Das ist doch gar nicht hell!“
Der Junge schien reichlich schockiert über das Verhalten des
Fürsten.

„Mach das Licht aus!“, zischte Louis wütend.

„Sehr wohl, Sir!“ Hastig blies der Junge die Kerze aus, die er in
seiner Hand hielt. Ein kleiner Tropfen Wachs tropfte auf seine Hand
und hinterließ einen kleinen Fleck.

Louis nahm die Hand von den Augen und musterte den Jungen kritisch.
Der hochgewachsene Junge war in feine Kleider gekleidet. Sein wohl
geschnitztes Gesicht würde von Braunem leicht lockigem Haar
umrandet und seine dunklen Augen strahlten eine Güte und
Vernunft aus, die wenige Kinder in diesem Alter besaßen. Der
Vampir lächelte unwillkürlich. Ein solcher Junge wäre
einfach brillant für seinen Orden... Vielleicht würde er
heute ja mehr als einen Menschen beißen... Ja, wieso eigentlich
nicht... gleich!

Louis sprang nach vorne und öffnete den Mund. Kurz entblößte
er seine spitzen Zähne. Dann gruben sie sich in das Fleisch des
Jungen.

Er hörte einen kurzen spitzen Aufschrei, dann fühlte,
schmeckte er Blut.
Menschenblut. Eine unbändige Gier füllte seine Augen.
Menschenblut! Endlich nach so langer Zeit durfte er wieder
Menschenblut schmecken! Endlich! Mit dem Mund saugte er das Blut aus
den Adern des Menschenkindes, immer mehr, immer mehr. Und mit jedem
Zug wurde das Glücksgefühl in ihm stärker, breitete
sich aus. Er merkte wie sein Opfer immer blasser wurde. Doch er
spürte nicht die Leere, die sich um ihn herum ausbreitete, sah
nicht, wie die Portraits an den Wänden plötzlich ihre
Stellungen veränderten und ihn entrüstet anstarrten, hörte
nicht den Wind entrüstet aufschreien, nein er bekam ganz und gar
nichts mit von den Zeichen des Unheils, das sich ausbreitete. Warum
sollte er auch? Sie gehörten zu seiner Welt und normalerweise –
normalerweise –
hielten sie zu den Vampiren... Wieso hätte er glauben sollen,
dass es sich dieses Mal anders verhielt?

Endlich versiegte der Strom des Blutes. Louis zog seine
messerscharfen Zähne aus dem Hals des Junge. Der Blick des
Vampirs strich über das Gesicht des Knaben. Es war blutleer.
„Mach den Mund auf, Junge.“ sagte er sanft. Er gehorchte sofort.
Vier Spitze Eckzähne ragten aus seinem Mund.

„Gut, sehr gut. Und nun sag mir, bist du Richolf, der Sohn des
Fürsten?“

Er nickte stumm.

„Und deine Schwester ist Regina?“

Wieder nickte er.

„Gut, dann geh jetzt zu deinem Vater und sag ihm, dass Sir Louis
doch abgesagt hat. Komm, geh!“

„Aber...“ Zum ersten Mal seit dem Biss öffnete er den Mund.
„ ... Aber Ihr seid doch da! Wieso soll ich...?“

Louis seufzte. „Tu es einfach. Hab keine Angst, es wird nichts
schlimmes passieren.“ Louis lächelte sanft und strich Richolf
über das braune Haar. Zum ersten Mal seit Jahren hatte er das
Gefühl einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. Einen Freund.

Richolf wandte sich ab, doch kurz bevor er den Raum verließ,
wandte er sich noch einmal um. „Und was wirst du tun, Louis? Was
wird geschehen? Louis, ich habe Angst!“ Eine leichte Panik klang in
seiner jungen Stimme mit.

„Das haben wir alle, Richolf, das haben wir alle. Ich werde mich um
deine Schwester kümmern.“

„Du wirst sie beißen, nicht wahr? Wirst du doch, oder? Sag
mir die Wahrheit!“

Louis starrte in die Leere. Sein Blick striff den jungen Fürstensohn,
doch er schaute ihn nicht direkt an. „Ich muss es, Richolf. Ich
will es nicht, aber ich muss es tun. Es tut mir Leid, Richolf. Aber
ich verspreche dir, es wird ihr nicht weh tun.“

„Danke, Louis.“

„Bitte.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Aber
nun geh! Bitte, hilf mir!“

„Das werde ich.“ Mit diesen Worten verließen sie das
Zimmer. Richolf um seinem Vater Louis' Nachricht zu überbringen
und Louis um das Gemach der Edlen Lady Regina auf zu suchen.



Louis öffnete vorsichtig die Tür. Das Gemach der
Fürstentochter war ein großer Raum mit verziertem
Holzboden. Die Decke zierte ein Gemälde von einem gigantischen,
jedoch gutmütig aussehendem, blauen Drachen. Mitten im Raum
stand ein Himmelbett aus Ebenholz, dessen blaue Vorhänge im
Mondlicht glitzerten.

Louis stieß einen leisen Pfiff aus. Ein kleine Fledermaus
schoss aus seiner Jackentasche heraus. „Luna, sag Sharne, dass ich
jetzt im Gemach der Fürstentochter bin.“ Die Fledermaus stieß
einen schrillen, für das menschliche Ohr nicht hörbaren
Pfiff aus und verschwand in der Dunkelheit.

Der Vampir trat neben das Himmelbett und schob vorsichtig den Vorhang
zur Seite. Er riss die Augen auf. Das Mädchen, dass dort lag,
war nicht nur hübsch. Sie war... atemberaubend schön. Ihr
silberblondes Haar glänzte und ihr schmales, wohl geformtes
Gesicht verriet eine Sänfte, Unschuld und zu gleich Kraft, die
Louis nie bei einem Mädchen erwartet hätte.

„Muss es sein?“ Aber es musste und er wusste das.

Louis holte tief Luft...

...Und biss zu.

Blut strömte in seinen Mund, frisches Blut. Und genauso wie ihre
Gestalt wirkte es nicht nur erfrischend, es wirkte geradezu wie eine
Medizin. Je mehr Blut in seinen Körper strömte, desto
ausgelassener fühlte er sich, desto wacher wurden seine Sinne,
desto wohler wurde ihm.

Doch die Quelle des Blutes versiegte, sie wie schon zuvor und aber
mal musste er die Zähne aus dem Körper seines Opfers
ziehen.

Er merkte dass sie aufwachte, aber er konnte nicht anders, er musste
dastehen, sie betrachten. Ein leises Kribbeln kitzelten ihn im Bauch.
Als würden tausende von Nachtfaltern darin herum flattern...

Regina setzte sich auf. Ihr Blick huschte über das Gesicht des
Vampirs und ein Lächeln huschte ihr Gesicht. „Ihr müsst
Sir Louis sein. Mein Vater hat mich über Euer Kommen
unterrichtet. Aber sagt, wieso sucht Ihr mich gleich in meinem Gemach
auf? Was bringt Euch zu diesem Entschluss?“

Louis lächelte. „Eine kleine Bitte, mir zu folgen, nichts
weiter. Auch Euer werter Bruder wird mit mir kommen.“

„Dann werde auch ich Euch folgen, denn mein Bruder ist mir sehr
teuer und Ihr scheint mir ein guter, wohlhabender und starker Mann zu
sein. Dem möchte ich mich gerne anvertrauen.“

„Dann folgt mir.“

Er führte das Mädchen aus ihrem Gemach. Richolf wartete
schon vor dem Zimmer.

„Richolf, Regina, Nehmt meine Hände und schließt die
Augen!“

„Was wollt Ihr tun?“ Reginas Stimme zitterte vor Angst.

„Ich verfüge über... gewisse Kräfte, mit denen ich
Euch gerne in mein Schloss geleiten möchte.“, lächelte
er.

Daraufhin schloss auch sie die Augen. Louis murmelte zwei Worte.
„Erengil Horisto!“

Ein leises Zittern lief durch den Boden. Ein kräftiger Wind
zerzauste ihnen die Haare. Dann begannen sie sich rasend schnell um
sich selbst zu drehen.

Endlich verlangsamte sich die Fahrt und sie blieben stehen. Louis
öffnete die Augen. Hätte er seinen Auftrag erfüllt,
wäre dies das Haus des Rates gewesen, der Ort an dem er Regina
hatte vorzeigen sollen... aber das war es nicht .

„Wo sind wir?“ fragte Regina.

„An... einem geheimen Ort. Eigentlich wollte der Oberste meines
Ordens dich sehen und er wollte dich für sich.“ Louis Stimme
war leise. Sanft blickte er ihrin die Augen. „Aber ... ich liebe
dich und deshalb wähle ich lieber ein Leben in Flucht, als ein
Leben ohne dich.“

Regina starrte ihn einen Moment lang verdutzt an, dann fiel sie ihm
um den Gals und umarmte ihn so fest, als wolle sie ihn nie mehr
loslassen, nicht um alles in der Welt...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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