Joana Angelides

Albträume

Man kann sich in schlaflosen Nächten, wie Pygmalion, jene Wesen selbst erschaffen, die so sind, wie man sie sich wünscht. Man kann nur hoffen, dass sie sich nicht verselbständigen.
Man kann in solchen Nächten, in Vollmondnächten, durch den nahen Wald streichen und zwischen den Bäumen nach weiß gekleideten Mädchen Ausschau halten, die ihr Haar aus den Zweigen lösen während sie im Wind flattern.
Man nimmt die Geräusche des Waldes wahr und ahmt das laute Rufen des Uhus nach.
Wenn wir in unseren Träumen diesen Lichtgestalten folgen, treibt es uns immer tiefer in den Wald, unmerklich verlassen wir die uns bekannten Gebiete und dringen in die Finsternis ein. Es sind dies jene Nächte in denen wir unruhig sind, unser Blut immer schneller durch die Adern rauscht und die Sinne vernebelt.
Die helle Scheibe des Mondes wandert mit und wir sehen sie immer in anderer Silhouette, halb verdeckt oder klar und groß, als Krone am Wipfel eines Baumes oder als geheimnisvolle Laterne zwischen den Felsen halb verschwinden.
Plötzlich beleuchtet sie die Szene auf der Lichtung, wo einige dieser Lichtgestalten sich wiegen und von geheimnisvollen Dämonen in dunklen Umhängen und glühenden Augen beobachtet werden.
Die Zweige knacken unter den Schritten und wie auf Kommando blicken diese dunklen Dämonen in unsere Richtung, stecken ihre Köpfe, die von Kapuzen bedeckt sind, zusammen und blicken uns an.
Sind es Albträume, treiben sie uns den Schweiß aus den Poren, wälzen wir uns auf unserer Liegestatt? Oder wähnen wir uns noch immer in diesem düsterem Dickicht?
Was holt uns zurück aus dieser Traumwelt, wo wir uns durch Wälder und Täler, sogar eiskalte Fluten durchkämpfen? Wir können niemals an Erwachen denken, es schnürt uns die Kehle zu.
In unseren Träumen erfassen uns bleiche gierige Hände und zerren uns in den Kreis der dunklen Gestalten, zwingen uns in den Takt der Bewegung und wir verschmelzen mit ihnen, werden zu einem Teil von ihnen.
Plötzlich sind diese weißen, biegsamen Mädchengestalten unendlich weit weg, scheinen unerreichbar. Wir strecken unsere Arme nach ihnen aus, doch sie verschwinden irgendwann wieder in der Tiefe des Waldes und wir finden uns alleine mit den Dämonen, die hämisch grinsen und uns ihre leeren, glühenden Augenhöhlen zeigen.
Wir beginnen nun keuchend den Weg zurück zu laufen, stoßen uns an Baumstämmen, stolpern über Wurzeln, Zweige und Dornen zerkratzen uns Gesicht und Hände.
Keuchend und verwirrt wachen wir auf und ringen nach Luft. Es ist eine drückend heisse Nacht, irgendwo heult ein Wolf und wir sinken in die Polster zurück.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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