Hardy Schneck

Der Splitter

                                                     Der Splitter                                                                                                                            
                 
Jörg de Fries stutzte, gerade war er beim spaten auf etwas hartes gestoßen. Er hob den Gegenstand hoch, klopfte die Erde ab und besah sich das Stück verrosteten Stahls . Ein Splitter! Von einer Granate konnte er nicht stammen, dafür war er zu dick. Granaten hatte es gehagelt, im November 1944 als die Alliierten hier auf der Halbinsel >Walcheren< in Süd-Holland landeten. Woher also stammte er dann? Jörg wog das Metallstück in der Hand und betrachtete es von allen Seiten, es ähnelte in seiner Form einem Ahornblatt. "Wenn dieser Splitter erzählen könnte, diese Geschichte würde mich interessieren," sinnierte er .
Hier ist sie nun, die Geschichte des Splitters:
April 1944, Konzentrationslager Buchenwald, Deutsche Ausrüstungswerke, Halle IV. Maschinenlärm, Geschrei, Kommandos. Die ausgemergelten Häftlingen in ihren gestreiften Anzügen arbeiten im Schweiße ihres Angesichtes an den Fräs-und Drehmaschinen, welche als Beutegut aus der Tschechei und Ungarn stammten. Granaten wurden hier gefertigt. Artilleriegeschosse verschiedenster Kaliber stapelten sich in den Hängewagen. Gerade schob ein Häftling eine Granate des Kalibers 8,8cm in die Kartusche, sie hatte die Seriennummer WM-H-115229!
September 1944, Flak-Stellung des 51. Flugabwehr Regiments in der Nähe des holländischen Städtchens Middelburg  auf der Halbinsel Walcheren.Der 17 jährige Hans Barweiler, Flakhelfer bei der II. 8,8cm Flak-Batterie, fluchte leise. Die Granaten waren auch verdammt schwer. Einen ganzen LKW hatte man zu entladen. Die Granaten mußten vom Fahrzeug in die bereit gestellten Munitionskörbe verlastet werden, eine schweißtreibende Arbeit. Doch jetzt war er fast fertig, nur noch ein Geschoss. Er hielt es im Arm wie eine Puppe und sein Blick fiel auf die Seriennummer:-WM-H-115229!
Oktober 1944, 20.12 Uhr, der Bomber vom Typ >Lancaster< der Royal-Air-Force mit dem Kennzeichen YO-BC-2012 hatte seinen Auftrag erfüllt. Seine Bombenlast hatte er über Freiburg abgeworfen. 15 Bomben hatten ihr zerstörerisches Werk vollbracht, doch... ! Eine Bombe hatte sich im Abwurfschacht verkeilt. Trotz aller Anstrengungen gelang es nicht, das Ungetüm zu lösen. Dies war nicht weiter schlimm, das kam vor. Also mußte man die brisante Fracht wieder mit zurück nach England holen. Zum Glück war der Aufschlagzünder nicht beschädigt und so bestand keine Gefahr für die acht Mitglieder der Besatzung.Flight Lieutenant Peter Jonas gab jetzt den Befehl:"Kurs Heimathafen!" Eingereiht im Strom der 340 anderen Maschinen ging es nun im großen Halbkreis zurück. Aber.. wie aus dem Nichts schossen auf einmal deutsche Nachtjäger duch den dunklen Himmel! ME 262! Die ersten einsatzfähigen Düsenjäger der Luftwaffe! Leuchtspurgarben zischten durch die Luft, sägten sich in die Rümpfe der Bomber und schon explodierten die ersten in aufplatzenden Feuerbällen. Die Bordschützen der Lancaster sahen die schwarz lackierten und höllisch schnellen Jäger überhaupt nicht. Sie schossen aufs geradewohl .
So schnell, wie sie kamen, so schnell waren sie auch wieder abgetaucht, Nachzügler abzuschießen, das war ihr Hauptauftrag. Wie auch immer, 22 Bomber hatte es erwischt! Auch unsere Lancaster hatte was abbekommen: Ein Raketengeschoss hatte den rechten Außenmotor zerfetzt und nun hieß es ausscheren aus dem Verband und versuchen, auf eigene Faust England zu erreichen. Da es mondhell war, konnte man auf Sichtflug gehen. Tief unten sah man das fahle silberne Band des Rheins. Der Funkpeilstrahl der britischen Leitzentrale war ebenfalls ausgefallen. Man verglich die Zeit und stellte fest:Bei dieser Geschwindigkeit würde man den Heimathafen gegen 23.15 MEZ erreichen.Die Bordschützen an ihren Maschinenkanonen starrten mit äüßerster Aufmerksamkeit hinaus ins Dunkel, jeden Augenblick konnten Nachtjäger auftauchen.
Die Flak-Stellung in der Nähe von Middelburg hatte einen ruhigen Tag gehabt. Nichts hatte sich getan, nur von Ferne hörte man das brummen der Bomberströme, aber Holland blieb unangetastet. Es war so gegen 22 Uhr, da vernahm man das Geräusch eines Bombers, der nur mit drei Motoren flog. "Da kommt eine lahme Ente, den knipsen wir ab!"schnarrte der Geschützführer, ein Hauptfeldwebel vom alten Schlag. Schnell wurden die Scheinwerfer klar gemacht, die Geschütze besetzt und die E-Meß Trupps warfen ihre Rechner an. Am Geschütz Siegfrids-Zorn, schob der Ladeschütze die erste Granate in die Kammer. Das Geschoß hatte die Seriennummer:WM-H-115229!
Der Bomber flog jetzt in einer Höhe von 4000 Metern. Der Pilot hatte sofort beim aufblitzen der Geschütze , die Maschine ins sogenannte "tanzen" gebracht. Das hieß er veränderte ständig die Seite, die Höhe und die Geschwindigkeit. "Flakalzer" nannten es die Soldaten.
Die Granate verließ das Rohr mit einer Anfangsgeschwindigkeit  von 560 km/Sek. Das bedeutete, sie brauchte etwa 8 Sekunden, bis sie die Flughöhe erreicht hatte. Die Detonationshöhe hatte man auf 4200 Meter eingestellt. Während des Fluges rollten sich im Inneren des Geschosses die beiden Stahlkugeln, bedingt durch die Rotation der Granate, ab und entspannten eine Druckfeder, welche genau in der vorbestimmten Höhe die Detonation auslöste. Das geschah etwa 30 Meter über der Lancaster. Ein Splitterregen prasselte auf die Maschine. Doch die Treffer waren nicht bedeutend, bis, ja bis auf einen! Ein Splitter hatte die Bodwand von oben durchschlagen, traf den an der Bordwand befestigten Feuerlöscher, prallte ab und traf... genau den Zünder, der im Schacht hängenden Bombe. Ein Feuerball! Das Flugzeug zerriss in der Mitte in zwei Hälften. Die Besatzung: Sekundentod! Durch den Druck der Explosion wurde der zerfetzte  Körper des Heckschützen gegen seine Waffe geschleudert, die Abzugsvorrichtung löste aus: "Dauerfeuer"!
Unten sahen die Soldaten der Batterie mit aufgeissenen Augen dieses Schauspiel. Im sich überschlagenden, trudelnden Heckteil feuerte die Maschinenkanone, spiralförmige "Schlangen" in den Nachthimmel. "Mann oh Mann, der feuert noch im Sturz" murmelte einer der Bedienungsmannschaft. "Ein wahrer Held!"stimmte ihm ein anderer zu.
Die Maschine zerschellte letztlich am Boden. Der Splitter aber fiel, nachdem er die Bombe ausgelöst hatte, nicht weit von dem Städtchen Middelburg in einen Vorgarten. Sie ähnelte in ihrer Form einem Ahornblatt!


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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