Klaus Eylmann

Der McDonald´s Mord

Eine Kommissar Schneider Geschichte

Heinrich Schneider hängte seine Jacke an den Haken und setzte sich an den Küchentisch.
“Tut mir Leid, dass es wieder so spät geworden ist.”
“Hast du gewusst, dass es schwangere maskuline Wesen gibt?”, rief Emma, seine Frau, über das Brutzeln der Bratkartoffeln hinweg.
“Nee, wieso? Bumsen die sich selbst? Die Natur macht doch die tollsten Experimente. Und dann regen wir uns darüber auf, wenn ein paar Knalltüten Menschen klonen wollen. Wenn ich mir vorstelle, dass es Lebewesen gibt, die sich ohne Weibchen fortpflanzen können.”
Schneider sah seine Frau, die an den Tisch getreten war und die Bratkartoffeln auf die Teller lud, bedeutungsvoll an. “Wer oder was sind sie denn?”
“Seepferdchen.” Emma öffnete den Kühlschrank und holte zwei Warsteiner heraus. “Aber, es ist ganz anders, als du nun denkst, mein Lieber. Es gibt sie schon, die Seepferdchenweibchen. Nur, sie haben die Schwangerschaft an die Männchen delegiert, indem sie ihre befruchteten Eier in deren Brustbeutel abladen. Dort entwickeln sich die Kleinen, bis sie schlüpfen.”
“Donnerwetter,” brummte Schneider. “Wenn ich so einen Brustbeutel hätte, dann würde ich zu Hause rumhängen, und du müsstest meine Arbeit übernehmen, wo du doch kein Blut sehen kannst.
Lassen wir es lieber. Mich wundert sowieso, dass noch keiner angerufen….”
Das Telefon klingelte. Emma griff zum Hörer. “Für dich, Heinrich.”
Schneider meldete sich und sagte nach einer Weile. “Ok, ich komme.”
“Was ist denn passiert?”
“Bei McDonald’s wurde eine Angestellte erschossen.”
“Erst isst du deinen Teller leer,” drohte Emma, goss die Gläser voll und setzte sich an den Tisch. “Wir wollen uns doch wegen so einem Mord nicht um das Abendessen bringen lassen.”
“Na, du siehst die Sache aber ziemlich gelassen.”
“Wenn ich das nicht könnte, wäre unsere Ehe schon längst kaputt, und du hättest dir deine Kartoffeln selber braten können.” Emma erhob das Glas. “Prost, Heinrich.”
“Prost, Emma.” Schneider stand auf und stürzte das Bier hinunter. “Jetzt muss ich aber doch los, sonst fängt die Leiche noch an zu stinken.”
“Immer zu einem Scherz aufgelegt, was, Heinrich?” rief Emma ihrem Mann hinterher und schüttelte den Kopf.

Die Polizei hatte das Lokal und den Bürgersteig davor abgesperrt. Schneider bahnte sich einen Weg durch die Neugierigen und ging in das Restaurant hinein.
“Wie sieht es aus, Dr. Petersen?”
Der Polizeiarzt sah von der Leiche hoch.
“Hallo, Herr Schneider, sehen Sie selbst.” Petersen deutete auf das blutüberströmte Gesicht der jungen Frau.
“Schuss aus etwa acht Meter Entfernung in die rechte Schläfe, mit einer grosskalibrigen Pistole. Ich tippe auf Magnum 44. Sie war sofort tot.
Ihr könnt sie abtransportieren!”, rief Petersen in den Raum hinein und stand auf.
“Und seit wann?”
“Der Tod muss etwa gegen 21:00 Uhr eingetreten sein.”
“Da war schon weniger los. Ich sehe, der Schuss kam durchs Fenster.”
Schneider sah sich um. Die Leute von der Spurensicherung waren mit ihrer Arbeit fast fertig.
“Herr Schneider. Morgen Nachmittag haben Sie meinen Bericht auf Ihrem Tisch. Wünsche noch einen schönen Abend.”

Wo war der Geschäftsführer? Schneider sah sich um. Dort stand sie, in ihrer dunklen Uniform, die sich von der burgunderfarbenen ihrer Mitarbeiter abhob. Eine stämmige, junge Frau, deren blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. Sie war dabei, die Abfallbehälter zu öffnen, die vollen Plastiksäcke gegen leere auszutauschen.
“Alles muss man hier selber machen,” stöhnte sie, als Schneider auf sie zuging.
Sie lächelte freundlich. Sommersprossen, grüne Augen und dieses Lächeln.
“Kommissar Schneider,” stellte er sich vor.
Schneider sprach mit ihr, erfuhr, dass sie Lisbeth Müller hiess, die Tote Jessica Lange war, und dass es mit ihr nie Probleme gegeben habe.
“Hat sie keine Feinde unter ihren Kollegen gehabt?”
Die Frau schüttelte den Kopf. “Jessica war stets freundlich, hat auch in angespannten Situationen nie ihre gute Laune verloren. Es war einfach unmöglich, sie nicht gern zu haben.”
“Kann ich noch kurz Ihre Mitarbeiter befragen?”
Schneider war versucht albern zu sein und zu fragen: ‘Kann ich Sie zu einem Hamburger einladen?’.
Er fühlte sich wohl in ihrer Gegenwart. Stattdessen setzte er sich an einen der Holztische und interviewte das Personal der Reihe nach. Doch auch hier erfuhr er nichts von Interesse.

Am nächsten Morgen im Büro unterrichtete Schneider seinen Mitarbeiter.
“Ökoterroristen. Heinrich, das waren eindeutig Ökoterroristen,” meinte Udo Schmitz. “Erinnerst du dich noch an Jose Bovè, der in Frankreich eine McDonald’s-Filiale verwüstet hatte?”
“Und wenn schon,” meinte Schneider. “In den Augen der Protestierer sind die Mitarbeiter von McDonald’s doch arme Schweine, die ausgebeutet werden, wenn sie für’n Appel und ‘n Ei arbeiten müssen. Ihr Protest richtet sich doch nicht gegen diese Leute!”
“Ach was. Sie meinen, die Angestellten seien Teil des kapitalistischen Systems und trügen dazu bei, dass es sich weiter ausbreitet.”
“Warten wir lieber auf die Berichte, ehe wir uns in Spekulationen ergehen.”
Schneiders Telefon klingelte. Er nahm ab.
“Gerichtsmedizinisches Institut,” sagte er zu Udo. “Die haben was für uns, lass uns da hingehen.”
Sie gingen zu Fuss, das Institut war nur ein paar Strassen entfernt. Müller-Hermann, der Gerichtsmediziner, wartete im Obduktionsraum auf sie.
“Also, meine Herren, das wollte ich Ihnen zeigen.” Müller-Hermann zog das Laken von der Leiche. Sie lag auf dem Bauch.
“Betrachten Sie mal ihr Gesäss. Sehen Sie die gerötete Epidermis? Typische Zeichen von Verbrühung.”
“Eigenartig,” Schneider wandte sich an Udo. “Was meinst du dazu?”
“Arbeitsunfall?” Udo zuckte die Achseln.
“Wieso das? Halten sie dort ihren Hintern in den Ofen, um zu sehen, ob er warm genug ist? Wir fahren noch mal zu McDonald’s.”


Lisbeth Müller stand hinter dem Tresen, wo sie eine lange Menschenschlange abarbeitete und die Bestellungen entgegennahm.
“Komm, wir essen hier was. BigMac, Pommes Frittes und eine Cola, ist das ok? Besorg schon mal einen Platz.” Schneider reihte sich in die Schlange ein.
Lisbeth strahlte, als sie ihn sah. “Ah, Herr Kommissar, was kann ich für Sie tun?”
“Zwei BigMacs, zwei Pommes Frittes und zwei Cola bitte. Ach so, und dann noch Ketchup. Und können Sie sich für einen Moment ablösen lassen und zu uns an den Tisch kommen? Wir hätten noch ein paar Fragen.”

Schneider sah, wie Lisbeth auf sie zukam. Stämmig, und doch stimmten bei ihr die Proportionen, dachte er. Bei ihrem Anblick wurde ihm heiss. Und dieses Lächeln, und diese Sommersprossen, und diese grünen Augen. Ich fange an zu halluzinieren. Wo ist mein Brustbeutel?
Schneider stellte Udo vor, doch Lisbeth hatte nur Augen für Schneider.
“Was wollen Sie wissen, Herr Kommissar?”
“Wie lange hat Jessica Lange bei Ihnen gearbeitet? Hatte sie jemals einen Unfall, oder war sie krank während dieser Zeit?”
“Sie war zwei Monate bei uns und hat nie gefehlt.”
“Frau Müller, geben Sie mir bitte die Telefonnummer der Filiale hier, falls wir noch weitere Auskünfte benötigen.”
“Wollen Sie auch meine?” Lisbeth blickte ihn schmachtend an. Dann nahm sie eine Serviette aus dem Ständer und schrieb die Telefonnummern darauf.
“Vielen Dank, Frau Müller. Wir möchten Sie nicht länger aufhalten.”
Lisbeth schenkte Schneider ihr strahlendstes Lächeln und verschwand hinter dem Tresen.

“Also dort hat sie sich ihren Hintern nicht verbrüht.” Schneider und Udo waren auf ihrem Weg ins Büro.
“Dann führt die Spur zu den Ökoterroristen,” meinte Udo und hielt vor dem Polizeipräsidium.
“Ich weiss nicht recht. Diese Art von Terroristen legt doch eher Bomben oder demoliert Einrichtungen. Das überzeugt mich nicht.”

Gegen Abend machte sich Schneider wieder auf den Weg zu McDonald’s. Lisbeth hatte frei und er liess sich vom diensthabenden Schichtleiter Jessica Langes Personalakte zeigen. Er sah, dass die Lange bereits früher in einer anderen McDonald’s Filiale gearbeitet, dann aber zwei Monate Pause gemacht hatte.
Schneider fuhr dorthin. Der Schichtleiter erzählte ihm, die Lange sei für ein paar Monate bei ihnen gewesen, dann aber ohne Angabe von Gründen verschwunden.

“Das ist wie in einem Kriminalroman. Man muss die Mosaiksteine finden und zusammensetzen. Und die liegen bei McDonald’s, da bin ich ganz sicher.”
Udo sass vor dem Bildschirm und erledigte Büroarbeit.
“In Ordnung, legen wir die Ökoterroristen-Theorie erst mal auf Eis. Wie willst du nun weiter vorgehen?”
“Heute abend werde ich noch einmal zu Frau Müller fahren.”
“Warum denn nicht jetzt?”
“Weil sie abends mehr Zeit für mich hat.”
“Und was sagt deine Frau dazu?”, lachte Udo.
“Lassen wir das,” winkte Schneider ab. “Wir müssen alle Opfer bringen. Ich rufe mal an, um zu sehen, ob Frau Müller abends Dienst hat.”

Schneider sah auf die Uhr und stand auf. “Halb zehn, ich muss noch mal los. Weisst du, der McDonald’s Mord. Der Geschäftsführer hat jetzt mehr Zeit für mich.”
“Lass dir keinen überbraten und bleibe ruhig ne Stunde weg, dann brauch ich mir wenigstens nicht die blöde Sportsendung anzusehen.” Emma zappte zwischen den Kanälen hin und her.

“Alles klar, Herr Kommissar?” Lisbeth schien die einzige in dem Restaurant zu sein und kam hinter dem Tresen hervor. Schneider blickte sich um. In der Tat, das Lokal war leer.
“Ich habe meine Mitarbeiter nach Hause geschickt. Warten Sie einen Augenblick.” Lisbeth ging zur Tür und drehte ein Schild um. Schneider las: ‘geöffnet’. Dann wird wohl draussen stehen: ‘geschlossen’.
Sie ging zu einem Schalter und knipste das Licht aus, trat dicht an ihn heran und legte ihre Arme um seinen Hals.
”Alles klar, Herr Kommissar?” hauchte sie ihm ins Ohr, schob ihn in die Küche. Schwach leuchteten einige Notlampen unter den Aggregaten.
Schneiders Blut kam in Wallung. Er presste sie an sich, beugte sich zu ihr hinab und verschmolz seine Lippen mit ihren in einem leidenschaftlichen Kuss.
“Heb mich hier hoch!” flüsterte sie. “Nein, nicht hier! Hier!” Sie deutete auf den chromblitzenden Arbeitsbereich. Schneider verschränkte sein Hände unter ihrem prallen Gesäss und hob sie auf die Arbeitsfläche.
“Halt an!” schrie sie und sprang herunter. “Fast wäre ich mit meinem Hintern in der Frittenpfanne gelandet. Da ist noch heisses Öl drin.”
Lisbeth deckte das Becken mit einem Deckel zu, dann umarmte sie ihn wieder.
“So, jetzt bitte nochmal. Wie heisst du eigentlich?”
Schneider war wie vom Schlag getroffen. Frittenpfanne, das wars. Da hatte sich die Lange ihren Hintern verbrüht. Er versuchte sich von ihr zu lösen.
“Lisbeth, vielen Dank. Ich glaube, ich habe jetzt genügend Informationen und gehe besser.”
“Nichts da, Heinrich! Jetzt hebst du mich hier rauf!” Lisbeth hielt ihn eisern umklammert. Es hatte keinen Zweck, sie war zu kräftig.

Am nächsten Morgen: Der Rest war Kinderspiel. Die Schichtpläne gaben Auskunft darüber, wer mit der Lange am letzten Tag bis zum Schluss in der anderen Filiale gearbeitet hatte. Der Mann wurde verhört. Er gab zu, mit Jessica Lange ein Verhältnis gehabt zu haben, welches abrupt geendet hatte, als ihr Gesäss in das heisse Öl der Frittenpfanne abtauchte. – Er hatte nicht verwinden können, dass sie danach nichts mehr von ihm hatte wissen wollen und sie erschossen.

Heinrich Schneider hängte seine Jacke an den Haken und setzte sich an den Küchentisch.
“Fall gelöst, Emma. Ohne dich hätte ich das nicht hinbekommen.”
“Was habe ich denn damit zu tun?”, fragte Emma und schüttete die Spaghetti ins Sieb.
“Weil du so verständnisvoll bist und mich auch zu später Stunde noch gehen lässt, wenn der Dienst es verlangt.”
“Nun,” meinte sie, und mischte das Ragout unter die Spaghetti, “irgendwie blühst du dann am Tag darauf richtig auf und der Erfolg gibt dir ja auch recht. Ich freue mich mit dir. - Mein Erfolgsmensch.” Emma beugte sich zu ihm herab und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus Eylmann).
Der Beitrag wurde von Klaus Eylmann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.10.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Klaus Eylmann als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

In Schattennächten: Prosa und Reime von Rainer Tiemann



Was wäre ein Tag ohne die folgende Nacht? Die tiefschwarz, aber auch vielfarbig sein kann. In der so manches geschieht. Gutes und Schönes, aber auch Böses und Hässliches. Heiße Liebe und tiefes Leid. Dieser stets wiederkehrende Kreislauf mit all seinen täglichen Problemen wird auch in diesem Buch thematisiert. Schön, wenn bei diesem Licht- und Schattenspiel des Lebens vor allem Liebe und Menschlichkeit dominieren. In Prosa und Reimen bereitet der Autor ernsthaft, aber auch mit einem Augenzwinkern, diverse Sichtweisen auf. Auch ein Kurzkrimi ist in diesem Buch enthalten. Begleiten Sie Rainer Tiemann auf seinen Wegen „In Schattennächten“.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Krimi" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Klaus Eylmann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

!muarT nie run tsi se ,rim tgaS von Klaus Eylmann (Science-Fiction)
Der Türsteher von Goren Albahari (Krimi)
Rügen wurde etwas teurer von Rainer Tiemann (Reiseberichte)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen