Thomas Frank

Frankyboy

Frankyboy, so nannten sie mich früher. Ich muss so 7 Jahre alt gewesen sein, als ich es zum ersten mal hörte. Leider weiß ich nicht mehr wer es war, der mich als erstes so nannte, aber das spielt auch überhaupt keine Rolle, denn heute nennt mich eh keiner mehr so.

Es war damals eine einfache und schöne Zeit. Mann war so klein, dass man noch zum Spielen raus ging. Freunde klingelten an der Türe und fragten, ob man Lust hat Fußball zu spielen. Man ging gemeinsam zur Schule und erlebte an Wochenenden unglaubliche Abenteuer. Wie gerne wäre ich wieder in dieser Zeit. Sorgenlos und frei von Suizidgedanken, einfach nur leben.

Wenn man mich heute fragen würde welches das schönste Erlebnis meiner Kindheit war, dann würde ich antworten: „Kettcar fahren im Garagenhof". Es ist zwar nicht wirklich ein Erlebnis, aber es war einfach das, was mich am glücklichsten gemacht hat. Würde man mich nach dem schlimmsten Ereignis meiner Kindheit fragen, dann würde ich sofort antworten: „Schule".

Der allererste Schulltag war das Beschissenste, was ich je erlebt habe. Man muss sich das so vorstellen, ein verrücktes aufgedrehtes Kind spielt an dem einen Tag noch Murmeln, fährt Kettcar und klettert auf Bäume, geht Abends wie immer ins Bett und wird plötzlich am nächsten Morgen ohne Vorwarnung aus dem Bett gerissen, in eine komische Hose gequetscht und zur Schule gebracht. Ich hatte keinen Plan was abging. Schule, ja gut, aber was war eigentlich Schule? Heute weiß ich, es war die verdammte Hölle.

 

Zwischenzeugnis von 1987/88

Thomas ist ein Kind, das seine Verhaltensweisen noch nicht unter Kontrolle bringen kann. Häufig fällt er vom Stuhl. Am Platz Ordnung zu schaffen, gelingt ihm kaum. Immer wieder ist er in Raufereien verwickelt. Am Unterrichtsgeschehen nimmt er nur kurzzeitig aktiv und interessiert teil, dann stört er lieber die Nachbarn oder beschäftigt sich mit irgendwelchen Dingen. Im Gegensatz zu seinem unangepaßten und auffälligen Verhalten stehen die schulischen Leistungen. Thomas erliest auch fremde Sätze aus den bekannten Buchstaben schon recht fließend und fehlerfrei. Er hat eine klare Zahlvorstellung und löst die gestellten Rechnungen ohne Schwierigkeiten. Für schriftliche Arbeiten fehlt ihm allerdings die ruhige Hand. Der Junge schreibt schnell, doch die Zeichen werden ungenau und stehen nicht in den Zeilen. In Kunsterziehung dagegen schafft er mitunter ansprechende Zeichnungen. Die Hausaufgaben fertigt er in der Regel vollständig an. Wenn Thomas insgesamt ruhiger wird und Aufträge beim ersten Erklären hört, kann er sicher ein guter Schüler werden.

 

Jahreszeugnis von 1987/88

Auch in der zweiten Hälfte des Schuljahres hat es Thomas nicht geschafft, sein Verhalten soweit unter Kontrolle zu bringen, um über einen längeren Zeitraum ruhig und konzentriert dem Unterrichtsgeschehen zu folgen. Zu oft ist er mit seinen Gedanken nicht bei der Sache, spielt mit etwas am nicht aufgeräumten Arbeitsplatz oder stört andere Kinder. Diese müssen vor allem auch während der Pausen völlig grundlos größere und kleinere Angriffe von ihm ertragen. Wegen seiner Unaufmerksamkeit überhört der Schüler immer wieder Anweisungen und kann so Aufgaben, die er problemlos bewältigen könnte, nicht richtig ausführen. Es ist erstaunlich, dass Thomas unter den genannten Bedingungen immer noch brauchbare Leistungen erzielt. Er erliest fremde Texte schnell und sinnentnehmend, Diktate schafft er mit nur wenig Fehlern. Rechnungen im Zahlenraum bis 20 löst er ohne Schwierigkeiten, wenn die Leerstelle ganz rechts steht. Schreibschrifteinträge gelingen ihm mitunter recht ordentlich. Die Hausaufgaben fertigt er vollständig an.

 

Zwischenzeugnis von 1988/89

Nach wie vor hat der Junge Schwierigkeiten, sich über einen längeren Zeitraum konzentriert am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen und sich mit einem angemessenen Verhalten in die Klassengemeinschaft eizufügen. Einmal lenkt er sich dadurch ab, dass er am Platz mit irgendetwas spielt oder träumt, bald nimmt er mit Nachbarn Kontakt auf, was mitunter für die ganze Klasse störend wird. Thomas schafft es kaum, neben anderen Kindern zu gehen oder zu stehen ohne sie, wenn auch nur im Spaß, zu stoßen. Es ist erfreulich, wie er sich in der freien Zeit mit Gesellschaftsspielen beschäftigen kann, er bevorzugt dann aber wieder laute und schnelle Aktivitäten. Für die geringe Beteiligung bei der Erarbeitung von Lerninhalten sind die Leistungen relativ gut. Thomas gehört zu den besten Lesern, das Diktat gelingt ihm mitunter fehlerfrei, die Großschreibung ihm auch bei geübten Wörtern Schwierigkeiten. Beim Aufschreiben von Geschichten braucht der Junge bei jedem Satz eine Rückmeldung, sonst gibt er sehr schnell auf. Ebenso verhält er sich bei Rechnungen, die er lieber nicht angeht, wenn sie ihm nicht ganz einfach erscheinen. Die Hausaufgaben erledigt Thomas in der Regel vollständig.

 

Soviel zu meinen ersten beiden Jahren in der Hölle.

 
 

                  "Für mich gibt es wichtigeres im Leben als die Schule"

                                                                                                                                                                                 Mark Twain

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.03.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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