Dieser
weiße Kasten mit den vielen Geräten, Schaltern und Lampen neben unserem
Kopfende hatte uns vollkommen im Griff.
Ab
und zu betastete Cordes seinen aufgequollenen Bauch, das hörte ich am Rascheln
seiner Bettdecke. „Ich bin froh, wenn ich hier wieder raus bin“, murmelte er.
„Morgen werde ich punktiert. Die wollen wissen, warum mein Bauch nicht dünner
wird.“
Zwei
Tage und zwei Nächte lag ich zur Beobachtung auf der Intensivstation.
Mein
Bett wurde nun benötigt und ich mußte zurück auf meine Station.
Endlich
war wieder in meiner Nische, in der üblicherweise die Betten und die
Nachtschränkchen stehen.
Ich
wollte nicht auf ein Drei-Bett-Zimmer.
Man
möge mir das Folgende verzeihen, aber alte Männer frieren meist und brauchen
anscheinend keine frische Luft.
Außerdem
stöhnen und schnarchen sie, pupsen, erzählen dummes Zeug und freuen sich auf
Fernsehsendungen wie den Musikantenstadl oder Gute Zeiten – Schlechte Zeiten.
Wegen der Mädels vielleicht?
In
der Nische aber hatte ich meine Ruhe, konnte schreiben, zeichnen und
meditieren.
Ich
brauche keinen Fernseher.
Schwester
Veronika von den Salvatorianerinen besuchte mich fast jeden Tag.
Wir
lachten oft und viel, bis ihr die Tränen flossen.
Sie
verulkte mich wegen der Trennwände, die mich vor neugierigen Augen schützen
sollten und nannte mich einen Einsiedler.
Auch
das Pflegepersonal schüttelte zwar ab und zu den Kopf über meinen seltsamen
Wunsch, aber es war sehr aufmerksam und hilfsbereit.
Sogar
den Oberarzt hatte ich davon überzeugen können, daß ich dort besser aufgehoben
war.
Von
meinem Bett aus entdeckte ich Cordes zwei Tage später durch einen Türspalt im
Zimmer gegenüber, erstes Bett links.
Wahrscheinlich
konnte er endlich nach Hause.
Ich
fühlte mich verdammt elend, aber am Nachmittag raffte ich mich auf und quälte
mich mit schmerzenden Gliedern in den Rollstuhl.
Ich
hatte mir vorgenommen, den Fröhlichen zu mimen.
Kurz
klopfte ich an der Tür und rollte hinein.
Matt
hob er einen Becher Cola, als er mich erkannte.
„Guck
mal, die Ärzte haben gesagt, ich darf alles trinken.“
Bleich
war er, seine Stirn glänzte schweißig und sein Bauch wölbte sich unter der
Bettdecke. „Na, kommste nach Hause?“
Er
schaute mich durchdringend aber liebevoll an: „Machs gut Peter ... ich muß
sterben … morgen oder übermorgen“.
Das
war ein Schlag in den Magen.
Ich
mußte schlucken und konnte nicht anders, ich streichelte seine schweißnasse
Stirn.
Er,
mit leiser Stimme: „Geh Junge, ich bin müde, ich muß schlafen“.
Kurz
blickte er auf die Flimmerkiste - nur Bilder - der Ton war ausgeschaltet, und
ihm fielen die Augen zu.
In
der Nacht hörte ich von meiner Nische aus, wie er seine letzten Atemzüge tat.
Die
Tür stand einen spaltbreit offen, und ab und zu huschte die Nachtschwester ins
Zimmer, um nach ihm zu sehen.
Immer
wenn sie herauskam, warf ich ihr einen fragenden Blick zu, aber sie schüttelte
nur leise den Kopf.
Es
gab wohl keine Hoffnung mehr.
Schwer
atmete er ein und lang atmete er aus, die ganze Nacht hindurch.
Zwischendurch
fiel ich in einen leichten Schlaf, aber daß dort drüben jemand starb den ich
kannte, machte mir doch zu schaffen.
Mensch,
vor zwei Tagen haben wir doch noch zusammen gelacht.
Ich
versuchte zu meditieren und den Tod als selbstverständlich zu nehmen, aber es
gelang mir kaum.
Gegen
halb elf vormittags flüsterte der Oberarzt vor dem Krankenzimmer mit einer Frau
und einem Mann in Schwarz.
Man
sah ernst aus und da wusste ich, Cordes war tot.