Harry Schloßmacher

Wein, Frauen + Gesang in ALTENAHR


 

Gerd war gerade 35 geworden - ein richtiger Zeitpunkt für eine

kritische Rückschau:

 

Tja... er hatte viele Jobs in verschiedenen Berufszweigen ausprobiert.

Doch es zog ihn immer wieder zurück an den Schreibsekretär. Aus einigen

Außendienstaktivitäten hätte vielleicht mehr werden können.

Doch zu schreiben, verwurzelte sich mit der Zeit immer tiefer in ihm.

 

Es gab verschiedene Schreibideen, die er in Phasen zu Papier

brachte:
 

- ventilisierende, also Probleme aus sich rausschreibende

- gesellschaftskritische

- nur unterhaltende wie auch fantastische (Scifi)

 
 

Zwischen seinen Berufsgastspielen gab es Freiheitsinseln, auf die er sich

zurückzog, um seelische Wunden zu lecken oder eben zu schreiben. Vielleicht

so etwas mehr Freiheit und Freizeit haben als der Durchschnitt ...

 

Durch seine Frauengeschichten gelang es Gerd, gegenzusteuern

und so auch seelisch - insbesondere als Mann - zu überleben. Ein berufsloser

Mann oder Ernährungsversager war und ist gesellschaftlich so gut wie tot.

Keine neue Weisheit.

 

Er hat eben nicht bei Ausstiegen, seelischen Krankheiten oder

Karriereschwierigkeiten das 'Haushalts- und Mutternetz', welches viele

Frauen mit gleichen Schwierigkeiten auffangen kann, wenn Berufs- oder

Jobstricke gerissen sind.

Alle Änderungs- und Rollentauschversuche hier sind ja bislang gescheitert.

 

So blieben Gerd nur seine Schreibe und besagte Frauenaffären.

In kleinerem Rahmen konnte er so oft beachtlich Ersatz finden. Viel Frust,

gar Depression, Unlust, Sinnlosigkeit, etc., kompensieren, besser

wegstecken; zumindest die Schärfe nehmen.

 

Mit Evastöchtern erlebte er mit der Zeit vieles und machte zumindest kleinere Reisen zu

und mit ihnen.

Die Gegenwart einer aufregenden Frau ließ ihn wahrhaftig manchen beruflichen

Mißerfolg und Veröffentlichungsabsagen vergessen. Zauberhaftes Lächeln, Küsse,

Schmusereien und "potente Augenblicke" ;-) verbesserten noch...

 

                                                          ---

 

... Eine Tag-Nachtfahrt nach Altenahr hatte Gerd gebucht. Jetzt stand er

am frühen Nachmittag am Bus-Sammelplatz. War sogar einmal pünktlich.

So hatte er jetzt das Nachsehen, wartete sich die Beine in den Bauch.

Hätte er wenigstens mit irgendjemandem talken können. Aber nein: er stand

ganz alleine auf weiter Flur. Sollte ich vielleicht der einzige Mitreisende

sein? Kann ja heiter werden, dachte er noch.

 

Quatsch, meldete sich sein kritischer Hirnbereich. Erstens dauert es noch,

bis der Bus kommt und zum Zweiten gibt es nicht nur diese Wartestelle.

Und eine andere Stimme sagte ihm: Sieh es doch positiv. Kämpfe überall gegen

deine ausgeprägte Infantilität an. So auch hier. Du bist nicht gerne alleine.

Meinst, immer und überall reden  zu müssen. Und es geht dir nicht schnell

genug, bis der Bus kommt. So kannst du hier und jetzt fleißig üben, erwachsener

zu sein, dich zu disziplinieren und Geduld zu haben.

Gut, gut. Da ist ja was dran - aber was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr...

führte er - wohl ersatzweise - sein innerpersönliches Gedankengespräch.

 

Plötzlich - er schaute einmal hin: Seitenansicht mit langem, brünettem Haar.

Für den Monat September noch herrlicher Sonnenschein. Wären es blonde Haare

gewesen, wäre er versucht zu sagen: Wenn Engel reisen...

Zweiter Blick: Jetzt konnte Gerd ihr Gesicht erkennen. Ein Gefühlsblitz

durchzuckte ihn.

Dritter Blick: Tatsächlich, es war die Traumfrau, die ihm vor

kurzem in der Disco total auffiel!! Angenehm. Sehr angenehm sogar.

 

...Im Bus saß Gerd in der letzten Reihe. Um ihn herum nur Frauen: elf

eines Kegelclubs aus dem Jülicher Raum. Doch die gewisse saß ganz vorne, leider.

Im Laufe der Fahrzeit kam er mit seinen Nachbarinnen ins Gespräch. Die Zeit

verging besser. Ein wirklich lustiger Verein, diese Keglerinnen. Gerd

ahnte, was erst auf der Rückfahrt los sein würde.

 

Immer wieder dachte er nur an Sie, die ganz vorne saß. Daran, daß jene Frau ihn so stark

beeindruckte. Gar ein Gedicht hatte er im Überschwang der Gefühle ihr gewidmet - am

frühen Morgen, sofort nach dem Discobesuch. Dabei gab es bislang nicht den geringsten

Kontakt zu ihr!

Es waren nur Äußerlichkeiten, die ihn faszinierten. Aber gerade die hatten es in sich.

 

...Lockere, lustige Sätze wechselten im Bereich Busende hin und her. Und

Gerd war 'natürlich' mit dabei. Auch, als der Bus sein Ziel erreichte.

So war er einer der letzten, die den Bus verließen. Ein großer Fehler; denn

die faszinierende Frau war nicht mehr zu sehen!

 

Gerd tobte innerlich mit sich: Bin ich ein Trottel. Ein Super-Trottel!

Bei den Dinos wäre ich gar ein Riesenrindvieh gewesen. Aber pardon. Es gab

damals ja nur winzige Säuger.

Er lacht halt nicht nur über andere - lacht auch gerne über sich selbst.

Und das ehrt ihn.

 

Im Ernst: Als ehemals zeitweiliger Privatschnüffler - pardon Detektiv -

war es tatsächlich kein Ruhmesblatt, daß ihm die verborgen Angehimmelte

so schnell durch die Lappen ging. Er war mal viel besser in diesem Medier...

 

Was sollte er nun lange im Ort herumirren und Sie suchen. Er schloß sich

dem Damen-Kegelclub an und hoffte, daß der Zufall es in dem kleinen Ort

bringen würde.

Sie kehrten hier ein, kehrten da ein. Tranken hier Wein - tranken da Wein.

Auf einmal war Gerd super drauf. Auch die Damen des Kegelvereins waren

voll in Ordnung; doch seine Position schwankte zwischen 'Fünftem Rad am Wagen'

und 'Hahn im Korb'. Bis zum Abend hatte Gerd fast mit jeder gewitzelt

oder getanzt.

 

Altenahr kannte er jetzt auch ziemlich; doch noch immer keine Spur von seinem

Disco-Schwarm! Sollte er nicht doch besser alleine sämtliche Lokalitäten des

Weinortes durchforsten?

Diesen Gedanken verwarf er. Zu blöde und anstrengend. Wird schon werden,

dachte er schließlich. Wäre doch gelacht, wenn ich Sie hier nicht irgendwo

zu Gesicht bekäme. - Aber, Pustekuchen...

 

Es war so um Mitternacht, als die meisten wohlgelaunt wieder im Bus Einzug

hielten. Zunächst wollte Gerd sich auf der Rückfahrt neben Lydia setzen,

mit der er schon ganz gut konnte. Dann war ihm trotz angetrunkener leichter

Bewußtseinsveränderung klar, daß Sie ja spätestens jetzt zurückkommen mußte.

Und dann ging es auch bereits los: Erster Blick, zweiter Blick...

 

...und im nächsten Augenblick saß er neben ihr; nur durch den Gang getrennt.

Tatsächlich - auch und gerade aus der Nähe - ein Traum von einer Frau! Es

lohnte sich wirklich, akut aktiv zu werden. Aber 'wie sag ich's meinem Kinde?'

Schon gut, daß seine angeborene Hemmschwelle jetzt alkoholic-unterdrückt war.

So fand er schließlich Worte, die auch bei ihr Gehör fanden. Marion hieß sie.

Natürlich zeigte er ihr das Gedicht. Sie versuchte - im schummrigen Nachtlicht

und Hin und Her des Busses - zu lesen. Dann ihr zauberhaftes Lächeln. Marion

freute sich deutlich, daß er nur ihr diese Zeilen gewidmet hatte.

 

"Danke - darf ich sie behalten und mich bedanken?" ... schon saß Marion neben ihm.

Gerd's Pulsschlag war mindestens auf Hundert, als sich ihr Mund näherte.

Wie selbstverständlich und gut bekannt küßten die beiden sich innig; während

im Bus die Lärmhölle los war.

Der Recorder lief ganz schön laut. Zu den Stimmungsliedern wurde gesungen

und - soweit wie möglich - feste geschunkelt.

Gerd und Marion machten gelegentlich mit, wenn sie zwischen dem Küssen

noch Zeit fanden. Gerd hätte nicht gedacht, daß die Weintour nach

Altenahr noch so happy enden würde.

 

...Gleich am anderen Tag rief Gerd erwartungsvoll bei ihr an. Dann kam

die Ernüchterung:

"Ja, weißt du Gerd, du bist bestimmt ein lieber Kerl und du gefällst

mir auch, wirklich. Aber..."

"...Ja, aber?"

"Ich bin verheiratet. Mein Mann hatte sich so darauf gefreut, mitzufahren.

Dann mußte er doch noch einen wichtigen beruflichen Termin wahrnehmen. Ich war

gestern bei dir, wie ich sonst nicht bin."

Pause..."Tja, dann bleibt mir nur noch...schluchz, schluchz..."

"Dein dickes Kompliment mit dem Gedicht hat mir gut gefallen.

Ich denke gerne an dich ... Und sei bitte nicht zu traurig..."

 

                                             ENDE

 

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(c)  by Harry Schloßmacher

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.03.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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