Rebecca B.

Regen im Haar

Regen im Haar

 

 

Ich laufe schneller. Noch schneller, bis ich schliesslich mein Tempo verringern muss, weil ich einfach nicht mehr weiter kann. Ausser Atem halte ich an und merke wie mir schwindlig wird, ich bin zu weit gegangen, ich hätte nicht so schnell rennen sollen. In meinem Kopf dreht sich alles, ich erkenne nur ein paar Umrisse von den umliegenden Wiesen und einigen vereinzelten Häusern. Und dann sehe ich ihn, mein geliebter See, eingebettet zwischen den Hügeln und er liegt einfach nur da. Ob er schon auf mich wartet? Ich weiss es nicht, ich weiss nur ich bin da und hier werde ich auch bleiben bis ich mich wieder beruhigt habe.

Eine Spannung liegt in der Luft, der leicht kühle Wind zersaust mein Haar und ich rieche den wunderbaren Duft des aufkommenden Regens. Ein wenig später, als ich mich hingesetzt habe und in das dunkel-graue Wasser des kleinen Sees blicke, spüre ich die ersten schweren Regentropfen auf meinem Gesicht, auf meinen Kleidern, und ich beobachte wie sie auf der Wasseroberfläche kleine sich ausbreitende Ringe schaffen. Ich werde immer nässer, meine Haut weist kaum noch ein trockenes Fleckchen auf, aber es ist mir egal. Manchmal merke ich, dass es nicht nur immer kühler werdende Regentropfen sind auf meinem Gesicht, sondern auch kleine warme Tränen. Sie schmecken salzig. So sitze ich hier, schaue dem Regen zu, und versuche alles was mir vorher während des Laufens durch den Kopf gegangen ist zu vergessen. Es tut weh, immer noch. Und ich versage, denn ich kann es nicht vergessen, auch wenn ich dachte der Regen könne alle Sorgen von mir abwaschen.

Mein Freund hat mich betrogen mit einer anderen und das Schlimmste war, er tat es vor meinen Augen. Ich versuchte nicht zu weinen, schluckte nur und fing an zu rennen, meiner Meinung nach aber viel zu spät. In meinen Gedanken war ich schon viel früher verschwunden, ich sah mich schon durch Wälder stolpern, und in Tränen aufgelöst an einem Abhang stehen, um mich in die Tiefe zu stürzen. Gleichzeitig wünschte ich mir unsichtbar sein zu können und wegzufliegen wie ein kleiner Schmetterling. Leider hielt er mich auf, als er sah dass ich alles mitbekommen hatte, was sich zwischen ihm und meiner besten Freundin abgespielt hatte, und ich nur noch den richtigen Moment abwartete unbemerkt und möglichst schnell wegzukommen. Keine Sekunde länger hielt ich es noch aus und als er mir dann auch noch nachkam, dachte ich, ich würde sterben. Ich konnte ihm nicht mehr in die Augen schauen, am liebsten wollte ich ihm gar nicht mehr nahe kommen. Und ich fragte mich immer wieder was ich falsch gemacht habe, dass ich zur gleichen Zeit zwei meiner engsten Freunde verlor. Ich wollte nicht hören, was er zu seiner Verteidigung sagen wollte. Also riss ich mich von ihm los, schaute ihn ein letztes Mal an und spürte gar nichts mehr, als ich anfing zu rennen. Wenn ich jetzt an ihn denke, sehe ich ein verzehrtes Bild von ihm, wie er mich unschuldig angrinst, und auf einmal habe ich das Gefühl von zwanzig Pfeilen gleichzeitig getroffen zu werden. Mitten ins Herz und da wo einst er war, klafft nun ein riesiges Loch. Es schmerzt. Es regnet weiter, immer weiter. Der Regen tut mir gut, er lenkt mich ab. Auch meine Tränen vermischen sich nicht mehr mit dem Wasser, sie versiegen. Ich weiss nicht wie lange ich daliege, aber irgendwann hört der Regen auf, und die Sonne kommt wieder hinter den Wolken hervor. Ich richte mich auf, und frage mich wie lange ich wohl hier gelegen habe.

Lächelnd sehe ich mich um, und obwohl ich ganz nass bin, weiss ich jetzt das Leben kann weitergehen, nie werde ich vergessen, wie mir die Natur an diesem Tag geholfen hat, obwohl ich am Anfang nicht daran geglaubt habe, dass sie mir helfen kann... 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Rebecca B.).
Der Beitrag wurde von Rebecca B. auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.03.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Rebecca B.

  Rebecca B. als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Sturmwind von Bernd Rosarius



Wenn erst ein laues Lüftchen weht,
das sich naturgemäß dann dreht
und schnelle ganz geschwind,
aus diesem Lüftchen wird ein Wind,
der schließlich dann zum Sturme wird,
und gefahren in sich birgt-
Dann steht der Mensch als Kreatur,
vor den Gewalten der Natur.
Der Mensch wird vielleicht etwas klüger,
seinem Sturmwind gegenüber.


Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Erinnerungen" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Rebecca B.

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Schatten an der Wand von Mirjam Horat (Erinnerungen)
Rund um das Fliegen von Norbert Wittke (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen