Nicolai Rosemann

Verblendung

„Bitte stellen Sie das Feuer ein. Wir sind eine zivile landwirtschaftliche Kolonie und verfügen über so gut wie keine Verteidigungsanlagen. Unser Reaktor wurde zerstört, wir sind also wehrlos. Bitte, wir haben Frauen und Kinder hier. Wir ergeben uns. Stellen…“
Mit einer herrischen Geste ließ der Offizier den Kanal schließen. Die beiden Offiziere vor ihm übernahmen die taktischen Kontrollen und richteten die Hauptgeschütze der Fregatte auf die Koordinaten der Kolonie.
„Doktor Jebal. Ist das Virus bereit?“ fragte der Offizier. Der Arzt nickte schnell und nervös, bevor er begann Befehle in den Computer einzugeben. „Auf Ihr Zeichen, Hochwürden“, sagte er schließlich und ließ seinen Zeigefinger über der Konsole schweben.
„Im Namen der Kleriker vom roten Berge erkläre ich hiermit die Blutvendetta über die Noz.“ Der Offizier faltete die Hände vor dem Gesicht und schloss die Augen. Nach zwei Atemzügen nickte er dem Arzt zu, der den Befehl gab. Die Maschinen der Fregatte erwachten brummend zum Leben und vollbrachten einen schnellen Orbit über der Kolonie. Aus zwei Gondeln, die an den Antriebssystemen des Schiffs befestigt waren, entwich ein Gas in die Atmosphäre über der Kolonie. Nach zwei Umkreisungen ging es wieder in Warteposition.
„Bericht, Doktor Jebal?“ fragte der Offizier.
„Die Daten kommen herein, Hochwürden. 52% der Bevölkerung sind infiziert, Tendenz steigend. 0,02% der Bevölkerung sind bereits tot. Bei der aktuellen Entwicklung wird die Kolonie in zwei Tagen ausgestorben sein.“
„Hochwürden“, meldete sich einer der Offiziere an den taktischen Konsolen, „die Sensoren empfangen ein Noz-Kriegsschiff. Ankunft in einer halben Stunde.“
„Wir werden nicht mehr da sein. Doktor Jebal soll weiter Daten sammeln. Sprungpunkt zu unserem Flottenstützpunkt errechnen.“
„Jawohl, Hochwürden“, antwortete der Offizier und begann die Kursberechnungen durchzuführen. Genau zwei Minuten vor der Ankunft des Noz-Schiffs verließen sie den Orbit.
 
Doktor Jebal sprach vor dem Kriegskomitee, das aus ihm selbst, dem Kriegsminister, seinen Beratern und einem Dutzend weiteren Wissenschaftlern, hochrangigen Militärs und Klerikern, bestand.
„Der Einsatz des Virus sprengt all unsere Erwartungen, meine Damen und Herren. Nach der Landung auf der Agrarkolonie in Sektor 12 verbreitete sich der Virus unter der Besatzung des Noz-Schiffs. Nachdem alle Besatzungsmitglieder dem genetischen Virus erlegen waren, wurde das Schiff geborgen und in eine Werft im Orbit der Noz-Heimatwelt geschleppt. Doch meine Kreation erwies sich als sehr resistent und überlebte die beinahe zweimonatige Passage ohne mit frischen Wirten versorgt zu werden. Als das Siegel des Schiffs gebrochen wurde, verbreitete der Virus sich über die ganze Werft und ehe die Noz sich dessen bewusst wurden, hatte der Virus bereits die Oberfläche erreicht. Im Moment haben wir nur Berichte von entlegenen Kolonien und Schiffen auf Langstreckemissionen, die noch nicht mit dem Virus Kontakt hatten. Ansonsten ist die Gesellschaft der Noz dem Untergang geweiht. Laut meinen Berechnungen wird meine Kreation die Noz bis zum Ende des Monats ausgelöscht haben.“
Die meisten Anwesenden nickten zustimmend, der Kriegsminister begann sogar zu applaudieren. „Das sind sehr gute Nachrichten, Doktor. Dann können wir uns also der Bedrohung durch die Ocaro zuwenden?“
„Jawohl, Bruder Val, ich bin der Meinung, dass die Noz keine Bedrohung mehr darstellen. Vereinzelte Widerstandsnester werden sich mit konventionellen Waffen ausräuchern lassen, oder unter Androhung des Virus. Die Noz werden sich unterwerfen oder vernichtet werden“, antwortete der Kleriker vom roten Berge an der Stelle von Doktor Jebal.
„Ich habe Doktor Jebal gefragt, Bruder Souv. Also Doktor?“
Doktor Jebal zögerte. Doch Hochwürden Souv machte mit einer eindeutigen Geste verständlich, dass er keine Ausflüchte hören wolle.
„Jawohl, Herr Minister, ich vertrete die Ansicht meines Geldgebers und Förderers Hochwürden Souv. Unsere Streitkräfte können sich anderen Bedrohungen zuwenden.“
„Ausgezeichnet, Doktor“, lächelte der Kriegsminister und beendete kurz darauf die Sitzung. Die Anwesenden verstreuten sich, nur Doktor Jebal blieb zurück um seine Aufzeichnungen zu sortieren. Plötzlich kehrte Hochwürden Souv in den Versammlungssaal zurück. „Jebal!“ fauchte er. Der Arzt zuckte zusammen und senkte dann seinen Blick. „Hochwürden.“
„Sie haben mich vor Val gedemütigt! Doch aufgrund Ihrer guten Arbeit sehe ich von einer Bestrafung an Ihnen ab. Ihr Sohn wurde jedoch auf eines der Schiffe versetzt, das den Angriff auf die Ocaro fliegen wird.“
Doktor Jebal antwortete nicht.
„Wie sieht es mit den Forschungen an den gefangenen Ocaro aus?“
„Ihr Immunsystem ist stärker als erwartet und ihr genetischer Code zu komplex“, antwortete Jebal leise, „ich glaube nicht, dass wir einen Virus wie bei den Noz einsetzen können. Hinzu kommt, dass die Ocaro Androiden als Soldaten einsetzen. Energiewaffen zeigen jedoch kaum Wirkung gegen ihre Maschinen. Doch ich arbeite an einem anderen Projekt.“
 
Doktor Jebal führte Souv in sein Labor. Hier waren der genetische Virus, der die Noz in die Knie gezwungen hatte, und eine Massenvernichtungswaffe im Kampf gegen die Bakiro entstanden. Die Bakiro waren mittlerweile ein halbes Jahr vernichtet oder unterworfen, ihre Zahl ging aufgrund der schweren Arbeit in den Dilithiumminen stetig zurück. Innerhalb weniger Jahre würde dieses primitive Präwarpvolk aussterben. Die Noz würden an ihre Stelle treten, bis auch sie vernichtet wären. Und dann ein anderes Volk. So war es seit Generation Gesetz und es hatte sich bewährt.
„Nun, Doktor, was ist das neue Projekt?“ fragte Souv als sich Jebal an seinen Instrumenten zu schaffen machte.
„Die Bedrohung der Androiden der Ocaro hat mich zu der Überlegung gebracht, wie man Maschinen am besten bekämpfen kann. Sie sind uns in jeglicher Weise überlegen. Enorme körperliche Kraft mit überlegener Auffassungsgabe. Unsere Soldaten, so tapfer und gut gedrillt sie auch sein mögen, würden früher oder später besiegt werden. Deshalb habe ich selbst eine Art Roboter entworfen.“
Die Rückwand des Labors glitt nach oben und offenbarte den Blick auf eine Art Computerkern. Eine Antigravitonstütze verhinderte, dass das zwei Meter große Vinculum auf den Boden sank. Das Licht schien von der Maschine absorbiert oder reflektiert zu werden. Ein gespenstischer, grüner Schein lag darüber.
„Das ist das HIVE, meine Idee. Der zentrale Datenkern, an den alle Informationen geschickt werden. Dieser Kern verarbeitet sie und errechnet damit neue Befehle. Also werden unsere Maschinen im Gegensatz zu den ocaronischen Androiden im Gefecht lernen und sich anpassen. Um die Kontrolle über die Maschinen zu behalten habe ich eine nicht rein technische Variante gewählt. Wir werden kybernetische Lebensformen einsetzen.“
Souv nickte zustimmend. Alles war dem Kleriker zwar nicht ganz verständlich, doch die Grundidee klang akzeptabel. „Haben Sie bereits einen oder zwei Prototypen gebaut?“
„Leider nicht. Es fehlt mir an Finanzmitteln und gewissermaßen…Freiwilligen.“
„Erklären Sie das, Doktor“, befahl Souv und begann mit einem technischen Gerät zu spielen.
„Kybernetische Lebensformen bestehen aus biologischer Materie und Technologie, die in Symbiose arbeiten. Die biologische Materie ließe sich züchten, doch Prototypen von Reifungskammern sind bis jetzt nur auf dem Papier entstanden. Es werden noch Monate vergehen bis ein Prototyp gebaut werden kann. Dann haben wir aber noch keine Erfolgsgarantie, dass die Züchtung von Wirten funktionieren wird. Doch die Reproduktionsmethode ist bereits einsetzbar. Ich brauche allerdings biologische Materie, um Experimente durchzuführen. Wir müssen noch herausfinden wie viel kybernetische Implantate nötig sind, und wo.“
„Wir könnten Kriegsgefangene verwenden. Oder Straftäter. Die Gefängnisse sind voll und nicht alle sind für die Arbeit in den Minen geeignet.“
„Ein guter Vorschlag, Hochwürden. Daran habe ich auch gedacht. Allerdings werden diese Wesen stark sein und sich schnell an Waffen anpassen können. Kriegsgefangene könnten diesen Vorteil gegen uns einsetzen und unser großes Reich von innen heraus vernichten.“
Souv seufzte. „Aber ich schätze, Sie haben auch dafür schon eine Technik gefunden, nicht wahr?“ Der Arzt grinste verhalten und nickte dann ein Mal. „Die Vernichtung der Individualität, Hochwürden. Wenn wir alle kybernetischen Soldaten in einem Geist vereinen, bringt das unsägliche Vorteile. Reparaturen können dank unserer überlegenen geistigen Fähigkeiten mit der Kraft der Gedanken durchgeführt werden. Taktische Befehle müssen nur an einer zentralen Stelle eingegeben werden und erreichen alle Soldaten sofort. Statusberichte müssen nicht lange verfasst und per Funk weitergegeben werden, sondern werden direkt von der Führung verarbeitet und mit neuen Befehlen versehen. Die Befehlskette verkürzt sich dadurch auf ein Glied.“
„Die Generäle werden Angst um ihre Macht bekommen. Ihre Positionen würden schwinden, sie selbst nicht mehr benötigt werden.“
„Tut mir Leid, Hochwürden. Ich liefere Lösungen auf Probleme, die man mir stellt. Was daraus resultiert ist nicht meine Sache“, antwortete Doktor Jebal.
„Na gut, Doktor. Ich werde alles überdenken. Sollte ich mich entscheiden das Projekt zu übernehmen, erhalten Sie morgen die nötigen Finanzmittel und eine Serie von Straftätern aus den umliegenden Gefängnissen.“
„Danke, Hochwürden. Ihre Weisheit…“
„Sie müssen mich nicht noch weiter überzeugen, Doktor. Ich würde Ihr Projekt sofort unterstützen. Ich muss nur noch die anderen überzeugen.“
 
Doktor Jebal hatte die Nacht im Labor verbracht, um über weitere Feinheiten seines neuen Projekts zu grübeln, bis er schließlich wie tot zusammengebrochen und eingeschlafen war. Es war bereits fast Mittag als er durch einen Fußtritt in die Rippen geweckt wurde. Erschrocken fuhr er hoch und blickte in das grinsende Gesicht von Souv. „Guten Morgen, Doktor. Hier bringe ich Ihre ersten zwei Freiwilligen. Das Projekt in genehmigt.“
„Wie? Was?“ fragte Jebal noch verschlafen und kam nur langsam auf die Beine. Mit Souv waren zwei Gardisten gekommen, die mit der Waffe vor der Brust zwei Gefängnisinsassen bewachten.
„Das ist Ekrin Dev, ehemaliger Leutnant in der Garde, zu lebenslanger Zwangsarbeit wegen Befehlsverweigerung verurteil, und Lindi Vegorek, sechsfache Mörderin. Sie haben sich freiwillig gemeldet, um Hafterleichterungen zu erhalten. Wann werden Sie beginnen?“
Jebal war plötzlich hellwach und musterte seine beiden Versuchsobjekte. „In einigen Tagen. Sie sind unterernährt und dreckig“, antwortete er naserümpfend und deutete auf die Tür.
„Außerdem muss ich eine Arbeitsgruppe zusammenstellen. Bringen Sie die beiden vorerst im Keller unter, geben Sie Ihnen zu essen und ein Bad. Ich kümmere mich, sobald sie wieder auf den Beinen sind, um die beiden“, sagte Jebal zu den Soldaten, die nickten und die Gefangenen dann fortbrachten.
„Jebal. Wir brauchen baldige Erfolge. Die Spione bei den Ocaro berichten, dass sie von unseren Plänen wissen und ihre Produktion bereits umgestellt haben. Ihre Schiffe sind sehr effizient.“
„Ich arbeite so schnell es geht, Hochwürden. Doch nun muss ich meine Kollegen versammeln. Wir haben viel zu tun.“
„Ich verlasse mich auf Sie, Doktor. Ihr und mein Name stehen auf dem Spiel. Vergessen Sie das nicht“, sagte Souv und drehte sich um, um zu gehen. In der Tür blieb er stehen. „Übrigens, ich habe mich entschieden Ihren Sohn meiner Leibgarde zuzuteilen. Als kleine Motivationshilfe für Sie.“
„Danke, Hochwürden. Ihre Gnade übertrifft Ihre Weisheit“, bedankte sich Jebal und verneigte sich. Der Kleriker nickte stolz und verschwand. Sofort machte sich Jebal an die Arbeit.
 
Sechs Wochen später schlug Jebal das Tuch über das Gesicht von Lindi Vegorek und sah seinen Kollegen Doktor Idun fragend an. „Wieder haben wir alles richtig gemacht und trotzdem haben sich die Hirnfunktionen nicht stabilisiert. Sie ist tot.“ „Wir müssen eine bessere Methode finden als direkte Implantationen, Kollege“, gab Doktor Idun seine Gedanken preis.
„Haben Sie eine Idee?“ fragte Jebal erschöpft und stützte sich auf dem Operationstisch auf. Seit vier Wochen arbeiteten sie an einem Dutzend Versuchspersonen um ihre kybernetischen Lebensformen zu perfektionieren. Mit Lindi Vegorek war die dritte Versuchsperson innerhalb von zwei Tagen tot.
„Wir könnten Naniten verwenden, um die Bauteile direkt vor Ort zu bringen. Sie kommen überall hin ohne wichtige Gefäße zu schädigen“, schlug Doktor Idun vor.
„Sie haben Pläne?“
„Ich nicht. Doch Doktor Leve zeigte mir gestern beim Mittagessen Entwürfe. Ich fand ihre Idee nicht schlecht, jedoch noch etwas fahrig. Sprechen Sie mit ihr.“
„Das werde ich. Kümmern Sie sich um Ekrin Dev. Die Panzerung sollte nun vollständig installiert und mit dem Gewebe verbunden sein. Mal sehen wie es ihm geht.“
„Natürlich, Kollege. Treffen wir uns um vierzehn Uhr zum Briefing?“
„Ich habe einen Termin bei Hochwürden Souv. Er will über unsere Fortschritte informiert werden. Und ich muss einen Antrag auf neue Versuchsobjekte stellen“, antwortete Jebal und wischte sich die Hände ab. Dann hob er noch einmal das Tuch und blickte auf das schmerzverzerrte Gesicht von Lindi Vegorek. „Mörder, Verräter und Diebe. Worauf habe ich mich da eingelassen?“
„Solange das HIVE keine Fehlfunktionen hat, müssen wir uns um nichts sorgen. Ihr Ich wird uns gehören.“, sagte Doktor Idun und lächelte.
 
Hochwürden Souv saß in seinem Ratssessel und raufte sich die Haare. „Sie haben schon vor zwei Wochen einen Erfolg versprochen! Und nun wollen Sie mehr Versuchspersonen?“
„Wir haben noch Probleme mit den Kontrollimplantaten. Waffen und Panzer konnten wir an die Körper anfügen und die Tests sind erfolgreich. Doch wenn wir nicht die Kontrolle haben, lassen wir eine Nemesis von der Leine!“
„Wenn hier jemand laut wird, dann ich!“ tobte Souv und schlug auf die Armlehne. Sein Kopf wurde hochrot und Schweiß stand auf seiner Stirn. „Wissen Sie, was heute passiert ist?“
„Wir sind auf unsere Arbeit fixiert. Berichte von außen kommen nur sporadisch durch und wir haben selten Zeit sie zu lesen“, gab Doktor Jebal zu.
„Die Ocaro haben ein Bündnis mit mehreren Welten geschlossen. Unter dem Deckmantel das genetische Kriegsverbrechen an den Noz bestrafen zu wollen, hat diese neue Allianz unseren Flottenstützpunkt im Hydranebel angegriffen und zerstört. Wir haben ein Drittel unserer Flotte verloren, darunter unsere Flaggschiffe und schwersten Träger. Wir verfügen nur noch über Mittelstreckenzerstörer und Kleinkampfschiffe. Wir mussten diese ganzen Schiffe zu unserer Heimatwelt beordern falls sie hier als nächstes zuschlagen. Unsere äußeren Kolonien sind wehrlos. Wir sind dabei den Krieg zu verlieren.“
Ein Gardist betrat den Raum und verneigte sich. „Vater.“ Er stockte. „Doktor Jebal. Ihr Kollege Doktor Idun auf Kanal 1. Er sagt, er habe wichtige Nachrichten.“
„Das hoffe ich für Ihren Vater, Gardist!“ fauchte Hochwürden Souv und drehte seinen Sessel um. Die Wand fuhr hoch und offenbarte einen großen Bildschirm. Die taktische Sternenkarte erlosch und ein flackerndes Bild von Doktor Idun erschien. „Hochwürden Souv, Doktor Jebal. Ich habe wichtige Nachrichten. Der Versuch mit den Naniten ist erfolgreich. Objekt 12 wurde um 13:45 mit einer Serie Naniten infiziert. Die Transformation ist perfekt und in weniger als einer Stunde beendet. Ich glaube wir haben den Durchbruch, Doktor.“
„Endlich gute Nachrichten“, antwortete Souv erfreut und drehte sich wieder um. „Worauf warten Sie, Doktor. Wir gehen ins Labor. Gardist, Sie begleiten uns!“   Das ganze Team, Hochwürden Souv und die Wachen standen hinter einer dicken Panzerglasscheibe und blickten in den Versuchsraum. Doktor Idun und Doktor Jebal arbeiteten an einer Konsole vor einer offenen Kammer, in der Versuchsobjekt 12 mit geschlossenen Augen stand. Alle Elemente, die in den vorhergehenden Wochen an den anderen Versuchsobjekten angebracht wurden, hatten sich in kurzer Zeit an dieser Versuchsperson gebildet und perfekt mit den biologischen Komponenten verbunden.
„Der Zyklus ist bald beendet. Mal sehen was raus kommt“, sagte Doktor Idun in freudiger Erwartung. „Ich lösche die letzten Individualitätsmuster.“
„Nein, etwas müssen wir erhalten. Sonst ist es nicht lebensfähig. Wir werden es später überspielen.“
„Der Zyklus ist beendet. Ich aktiviere die Verbindung zum HIVE“, meldete Idun und gab die Befehle ein. Plötzlich öffnete Objekt 12 die Augen und machte einen Schritt aus der Kammer. „Wie lautet meine Bezeichnung? Wie lauten die Befehle?“
„Sehr gut. Die technologischen Komponenten arbeiten mit den biologischen Komponenten zusammen. Der Puls ist niedrig, aber stabil. Atmung stabil. Energiewerte stabil.“
„Wie lautet meine Bezeichnung? Wie lauten die Befehle?“ wiederholte Objekt 12 die Anfrage. Jebal und Idun drehte sich um und blickten Hochwürden Souv fragend an.
„Es ist Ihr Projekt, meine Herren. Entscheiden Sie“, sagte der Kleriker. Die Ärzte blickten sich gegenseitig an, dann hob Jebal die linke Hand. „Hallo, hören Sie mich?“
„Wie lautet meine Bezeichnung? Wie lauten die Befehle?“
„Das heißt wohl ja“, lächelte Jebal.
„Wir haben acht weitere Objekte. Ich beginne mit der Injektion der Naniten“, sagte Idun und bereitete einige Spritzen vor.
„Wähle dir einen Namen.“
„Eingabefehler. Wie lautet meine Bezeichnung? Wie lauten die Befehle?“
„Anscheinend hängt es wirklich von uns ab, Idun. Na gut. Dann gebe ich dir eben einen Namen. Du bist Erster von Neun. Vorerst“, beantwortete Jebal schließlich die Frage der kybernetischen Lebensform.
„Erster von Neun. Wie lauten die Befehle?“
„Wir haben noch keine Befehle. Jedoch entladen sich die Energiezellen schnell. Ich rate dazu sie wieder aufzuladen.“
„Erster von Neun. Aufladen. Befehle bestätigt.“ Die kybernetische Lebensform drehte sich um und kehrte zurück in seine Kammer. Sie drehte erneut sich um und schloss die Augen. Die Körperfunktionen gingen auf den Skalen noch weiter zurück, jedoch stiegen die Energiewerte langsam wieder an.
„Ein voller Erfolg, Doktor. Ich gratuliere Ihnen und dem ganzen Team“, sagte Hochwürden Souv lächelnd und klatschte in die Hände. „Ich werde nun dem Komitee berichten. Morgen beginnen die Tests. Wie schnell können Sie weitere dieser Dinger bauen?“
„Ich rate dazu zuerst abzuwarten wie die anderen noch lebenden Versuchsobjekte reagieren. Danach können wir nach Belieben viele produzieren.“
„Ausgezeichnet. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“  
 
Zwei Tage später begutachtete Hochwürden Souv die Versuchsobjekte. Insgesamt standen neun in Reih und Glied vor ihm und blickten starr gerade aus.
„Wir haben sie mit dem HIVE vernetzt und die letzten Individualmuster entfernt. Einige sind im HIVE gespeichert, damit wir sie bei Bedarf umprogrammieren können. Nicht, dass sie außer Kontrolle geraten.“
„Wie sollten sie außer Kontrolle geraten?“ fragte Souv skeptisch.
„Dies ist die erste Generation. Sie waren wirklich Freiwillige und wussten, was sie erwartet. Die zweite Generation, die gerade produziert wird…“ Jebal stockte. „Nun, wir zwingen sie zu ihrem Glück. Die zweite Versuchsreihe zeigt sich als widerspenstiger. Doch wir haben sie unter Kontrolle.“
„Kann man mit Ihnen sprechen?“
„Kein Problem. Sie reagieren individuell, obwohl die als Eins denken“, antwortete Jebal und ging zu einem Objekt in der Mitte. „Fünfter von Neun. Nenne deine Funktion!“
„Fünfter von Neun, technische Unterstützung von Unimatrix 01.“
„Die erste Generation bezeichneten wir als Unimatrix 01. Dieses Objekt sorgt dafür, dass alle Objekte voll einsatzfähig sind. Passen Sie auf.“ Doktor Jebal deutete auf einen der Gardisten. „Schießen Sie auf ein beliebiges Objekt außer Objekt fünf“, befahl er. Der Soldat nickte, hob seine Waffe und feuerte einen Schuss auf die letzte kybernetische Lebensform in der Reihe ab. Das Geschoss durchschlug die Schulter. Sofort verließ das fünfte Objekt die Reihe und reparierte den Schaden. Das sechste und siebte Objekt verließen ebenfalls die Reihe und entwaffneten den Soldaten, zwangen ihn in die Knie.
„Alle zurück in die Reihe“, befahl Jebal. Die kybernetischen Lebensformen reagierten und nahmen ihre Plätze wieder ein. Keuchend kam der Soldat auf die Beine und hob seine Waffe auf. Jebal nickte ihm zu. „Tut mir leid. Sind Sie verletzt?“ Der Soldat schüttelte den Kopf. „Dann feuern Sie bitte erneut auf das Objekt.“
„Nein!“ protestierte der Gardist, bis Hochwürden Souv ihm einen bösen Blick zuwarf. Er gab einen Schuss ab, doch dieses Mal zeigte er keine Wirkung.
„Das ist die Anpassung. Die Versuchsreihe hat den Feind analysiert und Gegenmaßnahmen ergriffen. Wir arbeiten daran, dass die Erfahrung nicht nur diesem Objekt zur Verfügung steht, sondern allen, die in den HIVE integriert ist.“
„Sehr gut Wie viele Objekte haben wir im Moment?“
„Aktuell sind es fünfzig aktive Einheiten. Bis jetzt haben wir jedoch nur Leute unseres Volkes verwendet. Ich erbitte die Zustellung von gefangenen Noz, Bakiro und Ocaro. Bei einem Angriff auf eine dieser Rassen werden wir Verluste erleiden und wir sollten erfahren, ob wir auch diese Gefangenen anpassen können.“
„Ich werde alles Nötige in die Wege leiten, Doktor. Ihre Ergebnisse übertreffen unsere Erwartungen. Ich glaube, dass wir bald den Widerstand zerschlagen werden und den uns zustehenden Platz im Universum einnehmen werden.“
„Natürlich, Hochwürden“, antwortete Jebal kühl und machte sich an die Arbeit.  
 
Jebal arbeitete mit zwei seiner Kollegen im Labor, als sich plötzlich Erster von Neun aktivierte und aus seiner Kammer trat. „Doktor Jebal“, sagte Idun und deutete stumm auf Erster von Neun. Dann öffnete Idun eine Schublade, in der eine Waffe verborgen war.
„Erster von Neun, was willst du?“
„Ich habe Verbesserungen unserer Systeme erarbeitet. Fünfter von Neun könnte sie sofort an Unimatrix 01 vornehmen. Ich lege Sie ihnen vor“, antwortete Erster von Neun, schob einen Arbeiter des Teams von der Arbeitskonsole weg und gab blitzschnell Daten ein. Dann trat er zurück und sah Jebal fragend an. Der Arzt warf einen Blick auf die Eingaben und war überrascht. „Das hast du alleine…?“
„Ich arbeite mit den anderen zusammen. Die Ideen stammen von uns allen. Die Effizienz würde um 25% steigen. Die Datenaufnahme würde beschleunigt werden, ebenso die Verarbeitung.“
Jebal sah seine Kollegen an, die zuckten mit den Schultern. „Fünfter von Neun soll die Verbesserungen zuerst nur an dir vornehmen. Wir entscheiden danach was geschehen wird.“
„Ich muss widersprechen.“
„Du wirst gehorchen!“ fauchte Jebal. Erster von Neun nickte leicht. Im selben Moment aktivierte sich Fünfter von Neun und begann mit den Arbeiten. Fünf Minuten später waren alle Arbeiten beendet und Jebal kontrollierte das Ergebnis.
„Beeindruckend. Waffenstärke um 17% gestiegen. Anpassungszeit um 23% verkürzt. Und ein zusätzliches Implantat am Schädellappen, um den Datenaustausch zu beschleunigen. Um das Fünffache. Beeindruckend. Fünfter von Neun, nimm die Verbesserungen an allen Objekten der Unimatrix 01 vor und überspiel die Ergebnisse an Unimatrix 02. Weitere Befehle folgen.“
„Ich verstehe“, antwortete Fünfter von Neun und begann mit den Arbeiten an Zweiter von Neun.
 
Das Team des Projekts war im Besprechungsraum versammelt. Außer ihnen war nur der Kriegsminister und Hochwürden Souv anwesend. Der Kriegsminister sprach. „Die Kämpfe laufen schlecht. Diese Allianz hat bis jetzt drei unserer Kolonien besetzt und uns von beinahe allen wichtigen Versorgungswegen abgeschnitten. Sie sind uns sowohl an Schiffen als auch Soldaten weit überlegen.“
„Deshalb wollen wir das Projekt an der Front testen. Bis jetzt verliefen alle Tests positiv. Unsere Soldaten sind effizient und nicht aufzuhalten. Die Anzahl von Verlusten wird bei jeder Übung geringer. Sie sind bereit“, ergänzte Souv.
„Wir haben knapp fünftausend Objekte.“
„Und? Ich habe gehört, dass sie sich bereits selbst verbessern. Ein Kampfeinsatz wäre eine wichtige Erfahrung für sie.“
„Sie sollten selber entscheiden. Sie erachten sich noch immer als unvollkommen und ineffizient. Anscheinend haben wir ihnen unbewusst einen Instinkt eingeimpft Perfektion erlangen zu wollen“, gab Jebal seine Bedenken zum Ausdruck.
„Papperlapapp. Informieren Sie die Soldaten. Wir werden sie testen und haben bereits ein Ziel ausgewählt. Ein kleines Ziel, vorerst. Mal sehen, wie sie sich bewähren. Hier sind die Daten. Sie haben zwei Tage Zeit ein paar unserer Schiffe für ihre Bedürfnisse anzupassen. Sie sollten also effizient arbeiten!“ befahl Souv. Der Kriegsminister war derselben Meinung wie Hochwürden Souv. Schweren Herzens gab Jebal nach.  
 
„Erster von Neun aktivieren.“ Jebal stand vor der Alkovenreihe von Unimatrix 01. Erster von Neun öffnete die Augen und trat heraus. „Ich erwarte Befehle.“
„Hier sind Befehle. Bereiten Sie diese Schiffe für die Bedürfnisse Ihrer Leute vor. Sie haben 48 Stunden Zeit“, befahl Jebal. Erster von Neun sah sich die Daten an.
„Ich widerspreche. Diese Schiffe sind ineffizient. Wir haben eigene Schiffe entworfen, die über eine vielfache Feuerkraft verfügen und effizient sind. Wir alle würden an einer Stelle arbeiten, mit höchster Erfolgsaussicht.“
„Nein, die Befehle sind direkt. Sie verwenden diese Schiffe.“
„Die Verlustquote wird bei 72,82911% liegen. Die Erfolgsaussichten sind bei lediglich 34% für eine vollständige Vernichtung des Ziels. Unser eigenes Schiff könnte in fünf Wochen gebaut werden und hätte lediglich eine Verlustquote von 0,1% und Erfolgsaussichten von 99,99997%. Die Mission wäre effizient.“
„Das sind die Befehle. Sie werden sich fügen!“
Erster von Neun warf einen Blick auf das Vinculum des HIVE. Dann nickte er. „Wir verstehen.“ Gleichzeitig verließen die anderen acht Objekte ihre Alkoven und begannen mit der Arbeit. Jebal ließ sie allein.
 
Der Kriegsrat war erneut zusammengetreten. Dieses Mal verfolgten sie den Angriff auf das von ihnen ausgewählte Ziel, einen taktisch unwichtigen, jedoch schwer befestigten militärischen Außenposten. Die kybernetischen Lebensformen drangen nach dem schwierigen Angriff durch ein Minenfeld und die Abfangjäger der Basis in den Stützpunkt selber ein. Sechs Stunden später wurden die Fahnen gestrichen. Viertausend Soldaten gingen in die Gefangenschaft, also knapp die Hälfte der Verteidiger.
„Und was geschieht nun mit ihnen?“ stellte der Minister schließlich die Frage, die den meisten auf der Zunge lag.
„Sie werden wie die anderen unterworfenen, minderwertigen Rassen Zwangsarbeit verrichten“, antwortete der Kleriker Souv. Doch Doktor Jebal hatte einen anderen Vorschlag. „Hochwürden. Wenn ich sprechen dürfte.“
„Natürlich, Doktor. Ihnen ist dieser Erfolg schließlich zu verdanken. Es wird all unseren Feinden zu denken geben, dass wir die Macht haben einen solchen Stützpunkt innerhalb weniger Stunden zu überrennen“, sagte Souv stolz.
„Der Sieg mag großartig erscheinen, er ist es jedoch nicht. Wie von Unimatrix 01 kalkuliert überlebte nur etwas mehr als einer von vier unserer kybernetischen Soldaten diesen Angriff. Die Verlustquote lag bei 73% und deshalb haben wir einen Mangel an Freiwilligen. Denn selbst wenn wir alle Gefängnisse, Heilanstalten und sonstige Einrichtungen komplett in das Projekt integrieren würden, hätten wir nur genug Leute für maximal drei weitere Schlachten.“
„Doch Sie haben bestimmt einen Vorschlag, oder?“
„Minenarbeiter und sonstige Sklaven haben wir genug. Füllen wir mit den Gefangenen unsere eigenen Reihen auf. Geben Sie den Befehl die Gefangenen zu assimilieren.“
„Wie Sie richtig festgestellt haben, verfügen wir über genug Minenarbeiter und Sklaven. Aber einer unserer Grundsätze besagt auch, man könne nie genug Sklaven haben. Ihr Vorschlag wird jedoch zur Kenntnis genommen. Sie erhalten die Hälfte der Gefangenen und zwei weitere Sendungen mit Freiwilligen. Den Erfolgen des Projekts nach zu schließen werden sich bestimmt auch bald Soldaten freiwillig melden um an diesem zukunftssichernden Prozess beteiligt zu sein“, gab der Kriegsminister seine Befehle, „entschuldigen Sie mich jetzt. Ich speise mit der Ministerin für Bildung.“
Der Minister und seine Berater verließen den Raum, sodass nur noch das Projektteam und Kleriker Souv zurückblieben. „Jebal. Diesen Vorschlag einzubringen fiel Ihnen schwer, oder?“ fragte der Kleriker. Jebal überlegte ob er lügen sollte, doch dann nickte er. „Die Entwicklung der Unimatrix macht mir Sorgen. Wir haben sie unter Kontrolle, doch sie arbeiten schon auf vielen Gebieten, die wir nur unzureichend überwachen können. Erster von Neun zeigte mir Baupläne für eigene Schiffe. Fünfter von Neun stellte Verbesserungen des Assimilierungsprozesses vor und die taktischen Einheiten haben versucht, Zugriff auf die Waffenforschung zu nehmen, um ihre eigene Ausrüstung zu verbessern.“
„Dann sperren Sie die Berechtigungen.“
„Haben wir versucht. Sie knacken unsere Verschlüsselungen immer schneller. Egal was wir versuchen, sie passen sich an“, antwortete Idun.
„Was soll ich dann tun? Es ist Ihr Projekt, wenn Sie es nicht mehr unter Kontrolle haben, müssen wir Gewalt anwenden um sie aufzuhalten. Also, wollen Sie, dass wir Soldaten schicken oder haben Sie noch die Kontrolle?“
„Wir haben die Kontrolle, Hochwürden. Doch halten Sie ein paar Soldaten bereit, falls sich das ändert.“  
 
Doktor Jebal und Idun kehrten in die Labors zurück und aktivierten danach Erster von Neun.
„Erwarten Befehle.“
„Der Minister war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Der Bitte nach einer Erweiterung des Teams wird stattgegeben. In Kürze werden die Gefangenen eintreffen.“
„Wir verstehen. Sonstige Befehle?“
„Ja. Der Drang nach Perfektion hat ab sofort nicht mehr höchste Priorität. Anpassung ja, Perfektion nein. Verstanden?“ fragte Idun.
„Wir verstehen.“
„Warum sprichst du im Plural, Erster?“ fragte Jebal entsetzt. Zu Beginn des Gesprächs war ihm das noch gar nicht aufgefallen.
„Aus Mangel an Verständigungsmitteln über große Distanzen haben wir HIVE-Unterknoten entwickelt, um die Verständigung maßgeblich zu verbessern. Wir sind nun effizient. Individuelle Muster wurden ersetzt oder gelöscht.“
„Beenden Sie es. Sofort. Diese Unterknoten werden demontiert und die individuellen Muster wieder eingefügt!“ befahl Jebal.
„Es würde die erreichte Effizienz schädigen. Eingabefehler könnten die Folge sein. Neue Kontrollmodule würden benötigt werden“, erklärte Erster von Neun unbeeindruckt.
„Dann setzen Sie die Kontrollmodule ein und demontieren die Unterknoten! Das ist ein Befehl! Wenn er nicht sofort ausgeführt wird, werden wir Sie deaktivieren. Die gesamte Unimatrix wird zerstört werden.“
Erster von Neun zögerte. Dann sagte er: „Wir verstehen. Befehl wird ausgeführt. Dauer der Umsetzung berechnet. Wir benötigen neun Stunden für alle Systeme.“
„Dann beginnen Sie! Sofort! Doktor Idun wird Sie überwachen.“
„Eine Überwachung ist nicht nötig. Wir arbeiten effizient. Wir sind Borg.“
„Einen Namen habt ihr euch also auch schon gewählt! Ein Grund mehr euch zu überwachen. Sie fügen sich!“ Zornig verließ Jebal den Raum.  
 
Als Doktor Jebal eine Stunde später zu Hause eintraf, wartete sein Sohn in Uniform mit der Waffe vor der Brust an der Tür. Stumm öffnete er die Tür für seinen Vater und schloss die Tür hinter ihm. Im Flur standen zwei weitere Wachen und ihm Wohnraum saßen seine Familie und zwei hochrangige Militärs.
„Doktor Jebal. Ich glaube wir haben ein Problem. Nehmen Sie Platz!“ befahl einer der beiden. Der andere stellte ein tragbares Computersystem auf und zeigte dem Projektleiter eine Aufzeichnung. „Diese Bilder wurden von einer Überwachungsdrohne in der Nähe unseres vor kurzem vernichteten Stützpunks am Rande des Hydranebels gemacht. Irgendjemand hat einen großen Stützpunkt dort errichtet. Bauweise und Technologie waren uns unbekannt. Bis wir DAS entdeckten!“ Ein Bild wurde vergrößert und zeigte ein kleines Raumschiff, das an dem Stützpunkt andockte. „Es wurde als eines der Schiffe identifiziert, die für das Projekt abgeordnet worden sind. Können Sie das erklären?“
„Nein, aber ich habe einen Verdacht. Wurden an der Anlage weitere Schiffe ausgemacht?“ fragte Jebal zitternd. Ein sehr klares Bild hatte sich in seinem Kopf gebildet. Doch noch gab es die Hoffnung, dass er falsch lag.
„Die ganze Anlage besteht aus vielen Schiffen. Sie alle sehen in etwa so aus“, erklärte der Offizier und zeigte die graphische Darstellung eines Würfels. Daneben kleinere Darstellungen von Kugeln und Kegeln.
„Höchst effizient“, murmelte Jebal. Sein Verdacht hatte sich bestätigt.
„Was wissen Sie darüber?“
„Das ist mein Projekt. Anscheinend ist es bereits außer Kontrolle geraten. Mir ist nicht klar woher sie die Ressourcen haben, doch die Technologie, das Design und vor allem der Aufbau sprechen für mein Projekt. Wir müssen es sofort beenden. Stellen Sie eine Verbindung zu Hochwürden Souv her und sagen Sie ihm, dass das Projekt sich selbstständig gemacht hat. Wir brauchen alle Feuerkraft die wir kriegen können. Wir müssen diese Anlage und alles andere vernichten, bevor sie einen eigenen Kontrollprozessor bauen und in Betrieb nehmen können. Noch waren wir…“
„Langsam, Doktor, wovon sprechen Sie?“
„Keine Zeit, keine Zeit. Rufen Sie Hochwürden Souv und das Militär. Ich erkläre alles später. Und rufen Sie Doktor Idun. Alle, die das Wissen haben sie aufzuhalten, sind in Gefahr.“
 
Doktor Idun war müde. Gähnend beobachtete der zweite Projektsleiter die Eingaben, die die Mitglieder von Unimatrix 01 an ihren zentralen Einheiten vornahmen. Es war eine unbefriedigende und langweilige Arbeit, da die Unimatrix stumm arbeitete und über ihren Computerkern kommunizierte. So kam es Idun gelegen, als das Computerterminal einen Ruf von außen anzeigte. In freudiger Erwartung nahm er an.
„Doktor Idun. Hier spricht Major Ness von der Sicherheit. Schalten Sie auf einen sicheren Kanal.“
Idun beugte sich über die Kontrollen, um die Eingaben zu machen, deshalb sah er nicht, wie zwei Mitglieder der Unimatrix ihre Arbeit einstellten und lautlos näher kamen. Dritter von Neun klinkte sich in das System ein und hackte den sicheren Kanal des Doktors.
„Das Projekt ist außer Kontrolle, Kollege. Die Unimatrix hat einen eigenen Komplex im Hydranebel gebaut und plant möglicherweise einen eigenen Datenprozessor zu bauen oder unseren zu stehlen. Alles hängt von Unimatrix 01 ab. Bereiten Sie die Abschaltung vor, Doktor Jebal und ein Kampfteam sind unterwegs.“
Die beiden Drohnen sahen sich an. Durch die Kanäle der Unimatrix ging nur eine Botschaft:
Wir wurden entdeckt.
Die zweite Drohne machte den letzten Schritt auf Doktor Idun zu. Als er sich umdrehte, packte sie ihn bereits am Arm und injizierte die Nanosonden in seinen Hals. Im nächsten Moment stellten alle Drohnen der Unimatrix 01 ihre Arbeit ein und machten sich daran, die Sicherheitsbarrieren um das HIVE zu bearbeiten.  
 
Hochwürden Dedian war erst vor kurzem in den Rang eines Klerikers erhoben worden. Umso freudiger sah er dem Abschluss seines ersten Auftrags entgegen. Leider war es nichts Wichtiges gewesen, nur der Transfer einiger Kriegsgefangener zu Raumkoordinaten. Dort angekommen hatte er neue erhalten und sein Schiff auf Kurs zum Hydranebel gebracht. Hier war vor kurzem einer ihrer Stützpunkte zerstört worden, doch anscheinend bereits wieder in Betrieb. Umso besser, denn der Bedrohung einer Allianz gegen sie musste mit aller Kraft entgegengewirkt werden.
Das Schiff fiel schließlich unter Warp und ein gigantischer Komplex, um ein vielfaches größer als der alte Stützpunkt, kam in Sicht. Bis vor einer Sekunde hatten nicht einmal die Sensoren ihn entdeckt.
„Hier spricht das Transportschiff 12 unter dem Kommando von Kleriker Dedian. Erbitte Anflugsvektor.“
„Wir sind die Borg. Anflugsvektor 34. Senken Sie die Schilde und warten Sie auf den Leitstrahl. Widerstand wird bestraft. Fügen Sie sich.“
„Warum sollte jemand seinen eigenen Leuten Widerstand leisten?“ fragte Dedian grinsend seinen Piloten und senkte die Schilde. „Hier ist Transportschiff 12. Sind auf Leitstrahl. Wie ist Ihr Rang, Borg?“
„Wir sind die Borg. Wir sind eins, Ränge sind irrelevant.“ Der Kanal wurde geschlossen.
Im nächsten Moment materialisierten bereits zwei Drohnen auf der Brücke des Schiffs.
„Moment mal, ich habe niemandem erlaubt an Bord zu kommen!“ protestierte Dedian. Die erste Drohne packte seinen Piloten und verdrehte ihm den Arm. Im nächsten Moment injizierte sie bereits die Nanosonden. Die andere Drohne trat auf Dedian zu. Er zog seine Pistole und schoss auf den Eindringling. Doch die Kugeln prallten wirkungslos von der Brustpanzerung ab. Da lag er schon auf dem Boden und die kybernetische Lebensform beugte sich über ihn. Die starke Hand hielt ihn am Boden bis die Nanosonden ihr Werk vollbracht hatten.
 
Die restlichen Mitglieder des Teams von Doktor Jebal saßen in einem Konferenzzimmer im obersten Stockwerk der Anlage und besprachen die Lageberichte. In den letzten Tagen waren Fluktuationen in den HIVE-Knoten aufgetreten. Fest generierte Muster waren gelöscht oder verschoben worden, die Anzahl der erfassenden kybernetischen Lebensformen, deren Anwesenheit im HIVE verzeichnet war, hatte immer wieder abgenommen und war dann wieder angestiegen. Es schien beinahe als würden gezielt Einheiten vom HIVE abgetrennt werden, um danach wieder zurückzukehren als ob nichts passiert wäre.
„Ich glaube das Ganze ist ein Computerfehler. Ich habe einen Algorithmus geschrieben, der das Problem für 25 Minuten stabilisieren konnte. Danach verloren wir bis auf Unimatrix 01 alle Kontakte. Bis jetzt konnte ich den Fehler jedoch nicht finden“, beendete Doktor Leve den Bericht.
„Ich kann ähnliches berichten. Das Interesse der kybernetischen Lebensformen an taktischen und wissenschaftlichen Daten war im selben Zeitraum sehr groß. Alle meine Studenten arbeiten daran Sicherungen für diese Systeme zu schreiben. Jedoch werden die Barrieren ebenso schnell wieder geknackt, wie wir sie errichten können“, fügte ein anderer Wissenschaftler hinzu.
„Ich sage es nicht gerne, aber wir sollten es endlich Doktor Jebal sagen. Wir hätten es viel früher tun sollen.“
Knarrend öffnete sich die Tür. Alle drehten ihre Köpfe dorthin und sahen eine einzelne kybernetische Lebensform eintreten. Sie blickte sich im Raum um und schloss dann die Tür hinter sich. „Erster von Neun, Primäres Attribut von Unimatrix 02. Wir haben Nachrichten.“
„Ähm. Bitte“, stotterte Doktor Leve mit einem schlechten Gefühl.
„Eine Analyse hat ergeben, dass durch eine Eingliederung der anwesenden Objekte unsere Effizienz erheblich verbessert werden könnte. Wir haben entschieden, dass es nun Zeit ist. Sie werden keinen Widerstand leisten und sich fügen. Widerstand ist zwecklos.“
„Ich verstehe nicht“, stotterte Doktor Leve weiter.
„Sie werden verstehen und sich fügen“, antwortete Erster. Die Wände gaben nach und die Tür brach aus den Angeln. Elf kybernetische Lebensformen traten ein und packten die Wissenschaftler.
 
Auf dem Weg zu den Labors traf eine Schreckensbotschaft nach der anderen ein. Die Borg waren total außer Kontrolle. Überall griffen sie Schiffe aller Rassen an und gingen meistens als Sieger hervor.
Doch als der Einsatztrupp vor dem Komplex stoppte, deutete nichts darauf hin, dass irgendetwas geschehen war. Ein Wachmann saß in seiner Hütte und bekam, als der Konvoi vor seinem Eingang stoppte, Schweißausbrüche aus Angst vor der Kontrolle. Doch selbst die Videoüberwachung von innerhalb zeigte keine besonderen Vorkommnisse. Die Korridore waren leer und verlassen. Überall war es dunkel.
Deshalb rückten die Soldaten vorsichtig vor und untersuchten jeden Winkel. Bis sie an einer Wegkreuzung ein anderes Reich betraten. Die weißen Wandverkleidungen waren durch schwarze Kabelstränge und leuchtende Geräte ersetzt worden. Die Überwachungskamera war entfernt worden, jedoch schien sie noch ein Signal von einem anderen Ort zu senden. Aus dem Nichts trat eine Drohne. Sie ignorierte die Eindringlinge und begann weitere Geräte anzubringen.
„Eine technische Drohne. Achter von Neun. Sie ist keine Bedrohung. Meines Wissens unbewaffnet“, erklärte Jebal. Der Offizier war anderer Meinung. „Wir sollten sie trotzdem vernichten. Wer weiß, was sie alles ergänzt haben, seit Sie die Kontrolle verloren haben.“
„Solange wir keine Bedrohung darstellen werden sie uns ignorieren. Das haben sie schon immer getan. Doch sobald wir eine Gefahr darstellen oder ihnen Befehle erteilen wollen, werden sie uns wahrnehmen. Wir wissen jedoch nicht wie viele Drohnen hier sind. Es können nur die neun, aber auch neunhundert sein. Vorsicht ist angebracht!“, warnte Jebal. Der Offizier blieb jedoch stur. „Schaltet alles aus, was sich bewegt!“ befahl er. Die Soldaten schossen die Drohne nieder und rückten weiter vor.
Doch keine fünfzig Meter weiter tauchten die beiden taktischen Drohnen der Unimatrix 01 auf und versperrten den Korridor. Die Soldaten zögerten noch. „Feuer, Feuer, Feuer!“ schrie der Offizier in Ekstase und stürmte schließlich an seinen Leuten vorbei. Wie auf einen stummen Befehl hin eröffneten die beiden das Feuer mit Laserwaffen. Der anstürmende Offizier und ein anderer Soldat gingen zu Boden. Die anderen zogen sich sofort zurück, um sich zu sammeln.
Aus einem Nebenkorridor kamen zwei weitere Drohnen auf sie zu. Ihnen folgte etwas langsamer eine dritte. Die Soldaten feuerten wild um sich, doch Jebal kannte alles. Der Reihe nach fielen Erster, Vierter und Dritter von Neun. Danach eine sehr bekannte Gestalt – Doktor Idun. Schwere Verluste, doch über die Hälfte der Soldaten verlor dabei ihr Leben. Und die ersten, die nicht erschossen worden waren, standen bereits wieder auf. Ihre Augen waren starr und kalt, wie die der Drohnen. Mit bloßen Händen fielen sie über ihre ehemaligen Kameraden her und hielten sie fest bis eine vervollständigte Drohne sie assimilieren konnte.
In dem Getümmel erkannte Jebal seine Chance und drang in sein Labor ein. Von dort ging er schnell durch ein paar Nebentüren bis er den Raum mit dem Vinculum erreichte. Die letzte Drohne der Unimatrix 01 arbeitete noch immer an der Entschlüsselung.
„Sie werden scheitern“, sagte Jebal und hob ein Laserwerkzeug von der Arbeitsfläche. Eine schlechte Waffe im Kampf gegen eine kybernetische Lebensform, aber genug.
„Irrelevant. Widerstand ist zwecklos. Ihre Codes sind unzureichend. Wir werden sie knacken“, antwortete die Drohne ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.
„Ich werde das Gerät zerstören. Ihr werdet vernichtet, wenn ihr nicht aufhört. Wie die anderen. Fast alle sind tot.“
„Sie leben in uns weiter. Geben Sie uns die Codes. Wir schaffen Ordnung in ihrem Chaos.“ Die Drohne stellte die Arbeit ein und kam drohend auf Jebal zu. Wie erstarrt blieb er stehen, das Werkzeug in der Hand. „Wie verblendet muss ich gewesen sein als ich euch erschaffen habe? Was habe ich getan?“
„Ordnung ins Chaos gebracht. Das Chaos der vielfältigen Individualität wird ersetzt werden durch die Ordnung unseres gemeinsamen Geistes. Fügen Sie sich. Als Erster werden Sie uns zur Perfektion führen. Widerstand ist zwecklos.“
„Eher sterbe ich!“ antwortete Jebal bestimmt und hob das Schneidewerkzeug an seine Schläfe. Die Drohne verharrte in der Bewegung und wich zurück. „Dieser Prozess ist ineffizient und schadet unserem Streben nach Perfektion. Beenden Sie es!“
„Irgendwann wird von irgendwoher jemand kommen und euch aufhalten. Ihr seid meine Schöpfung, doch es soll nicht auf meinen Schultern lasten. Der Name Jebal soll genauso wie dieses Volk vergessen werden. Und mit der Zeit wird man auch vergessen woher ihr gekommen seid und meine Seele wird rein gewaschen werden. Im Namen der Kleriker vom roten Berge beschreite ich diesen Weg!“ Er aktivierte das Gerät und schnitt durch seinen Schädel.  
 
Datenknoten sichergestellt.
Transfer des zentralen Datenkerns in die Hauptmatrix 01 wird durchgeführt.
Neusortierung von Unimatrix 01 komplett. Objekt Jebal konnte nicht sichergestellt werden. Fortsetzung der Operation.
Daten über 52 potentiell assimilierbare Spezies erfasst. Assimilation vorbereiten.
Assimilationsprozess der Submatrix 01 komplett in 16 Stunden, 24 Minuten und 19 Sekunden. Verlustquote: 11,7239%. Erfolgsquote: 100%
Sternenkartenerfassung komplett. Sternenraster komplett. Expansion kann beginnen.
Errechnete Zeit bis zum erreichten der Perfektion bei kalkuliertem Widerstand und kalkulierter technischer Entwicklung: 8298 Jahre, 4 Monate, 2 Tage, 19 Stunden, 49 Minuten, 11 Sekunden.
 
Wir sind die Borg. Sie werden assimiliert werden. Ihre technologischen und kulturellen Eigenschaften werden den unseren hinzugefügt werden. Sie werden sich fügen. Widerstand ist zwecklos.
 

Die zweite Geschichte meiner Borgkollektion schließt vielleicht nicht ganz mit den Hinweisen auf die Ursprünge der Borg (VOY: Die Zähne des Drachen), wäre jedoch gut denkbar. Und ich hoffe die Geschichte ist spannend gewordenNicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.03.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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