Gaby Schumacher

Schlachtfeld Wohnzimmer

Heute Kinder, wird`s was geben, heute werden wir uns freu`n ... Welch` ein Chaos, wehelch ein Leheben werden in meinem Hause sein ...
 
Heute wird nämlich die alte Küche abgebaut. Es lässt sich nicht mehr umgehen, denn die Kunststoffoberflächen blättern zu Boden wie das Laub draußen im Winde. Zwei Herdplatten sind hinüber, der Backofen heizt in seinen letzten Zügen und der Kühlschrank fällt beinahe von alleine auseinander.
 
Im einem Anfall von Wahnsinn hatte ich mir damals vor nun zweiundzwanzig Jahren eine strahlend weiße Arbeitsplatte ausgeguckt. Leider besaß sie eine geriffelte Oberfläche, auf der  mit meist gutem Erfolg nur zu gerne die Winzigkrümel festpappten. Ich schrubbte mir fast die Hände wund ...
 
Vorgestern habe ich angefangen, die Schränke leer zu räumen. Ich muss mich loben, denn ich habe nirgendwo etwas wieder gefunden, was ich vielleicht bereits jahrelang vermisst hatte. Porzellan und Gläser stapelte ich auf dem großen Esstisch im Wohnzimmer. Kurz darauf leisteten ihnen dort Pfannen, Bretter, Besteckkästen, Pinnwände und Plastikschüsseln Gesellschaft. Soweit, so gut.
 
Dann kamen die Unterschränke an die Reihe. Für die Speiseöl- und Essigflaschen wählte ich den Platz auf dem Boden vor dem Rundbogen in der Nähe des Fensters.
„Nee, das geht nicht!“, sagte ich.
Genau dort hin schien nämlich die Sonne, wenn sie denn mal schien.
 
Also wanderte die Flaschenarmada in den Rundbogenschatten. Kaffeemaschine, Toaströster, Brottrommel, Entsafter, Küchenwaage, Zerkleinerer fanden ihren Platz auf der zugehörigen Eckbank. Eingerahmt wurde dieses entzückende Stillleben beidseits von den Backblechen.
 
Ich öffnete den nächsten Unterschrank. In dem standen leider noch mehr Porzellan und noch mehr Flaschen, die ich dann auf den Couchtisch packte. Dreißig Gewürzflaschen folgten sowie alle möglichen Kuchenformen samt Kuchenrollen sowie vier Küchensiebe verschiedener Größe.
 
Zweifelnd schätzte ich den noch verbliebenen Platz auf dem Tisch ab, seufzte, griff mir meine Koch- und Backbucharmee und gestaltete den schiefen Turm von Pisa Nummer Zwei. Zum Glück hielt er meinen Architekturkünsten stand.
 
Die Tische schwankten fast unter ihrer ungewohnten Last, jedoch waren die Küchenschränke bei weitem noch nicht alle ausgeräumt.
„Was soll es. Der Rest muss eben auf den Boden!“
 
Alles Übrige reihte ich streng an der Wand entlang auf, denn die Mitte des Zimmers brauchten wir unbedingt für die Sitzecke aus der Küche. Irgendwo wollten wir ja schließlich sogar an diesen ver-rückten Tagen noch frühstücken!
 
Als sich alles dort befand, wo es nun so gar nicht hin gehörte, bat ich meine Tochter, dieses Schlachtfeld zur Erinnerung an den Vorher/Nachher-Effekt zu fotografieren.
 
Abends kam der Papa nach ause und hatte Hunger. Hunger und hatte Hunger.
„Wo ist denn jetzt ... ??“
„Du findest das Besteck im Besteckkasten neben der Kuchenrolle auf dem Esstisch ziemlich weit hinten rechts etwa zwanzig Zentimeter vom Tischrand entfernt zwischen den Putzmitteln. Kannst Du eigentlich gar nicht verfehlen!!“ 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.04.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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