Angelika Röhrig
Notizen von Irma und dem Kater Milkyway
Traum und Wirklichkeit
Nichts ist so, wie sie es sich einmal erträumt hat, und doch ist ihr Leben
mehr, als sie erwartet hat. Sie kennt den Unterschied zwischen Traum und
Wirklichkeit. Dazwischen liegt der
kreative Raum, indem die Fantasie uns alles erlaubt.
"Weißt du " sagt sie zu Milkyway, dem grauen Tigerkater,
"dazwischen ist mehr als viel - alles!" und sie lächelt und strahlt.
Sie streichelt den Kater über das Fell und sät ein Samenkorn in den roten
Blumentopf. Während sie aus dem Fenster schaut, schwebt ein gelbes Blatt vom
Apfelbaum.
Dazwischen ist alles - die Fülle.
Traum und Wirklichkeit, das weiß sie schon lange, gehören zusammen wie Tag und
Nacht.
Die Katze schnurrt zufrieden und streicht um ihre Beine. Ihr ist warm ums Herz,
und sie freut sich an diesem Augenblick.
Einfach sein
Die Küche ist ihr liebster Ort. Oft in ihren Mußestunden sitzt sie allein am
großen Holztisch, das Schreibzeug vor sich, und hört Radio. Gerade spricht eine
Frauenstimme des lokalen Senders über die Zunahme von Gewalt an den städtischen
Schulen.
Vor dem Fenster wächst ein Apfelbaum. Damals, als das Haus gerade
gebaut war und zum ersten Mal Frühling wurde, hatten sie ihn gepflanzt. Das ist
nun schon eine Weile her. Jetzt ist Herbst. Die letzten Früchte sind geerntet.
Sie schaut gerne in das lichte Laub, sieht in diesem Augenblick gerade noch aus
dem Augenwinkel heraus, dass Milkyway in den Baum geklettert ist. Ein paar
Kohlmeisen fliegen hoch. Es knackt in den Zweigen, und plötzlich - sie muss
lauthals lachen - purzelt ihr alternder Liebling vom Baum. Noch im Fallen - ein
Bruchteil von Sekunden - dreht er sich so, dass er unbeschadet auf seinen
Pfoten landet.
Sie geht zur Haustür, entriegelt und betritt den Vorgarten, der im Mittagslicht
flirrt. Wie das Laub unter ihren Füßen raschelt. Und dieser herbe Geruch, der
sie melancholisch stimmt und an die Vergänglichkeit aller Dinge erinnert. Sie
bückt sich, um die Katze zu streicheln. Aber Milkyway rennt an ihr vorbei und
flüchtet ins Haus.
Ein paar Minuten später sitzt sie mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch und
genießt die Stille der Mittagsstunde. Wie einfach das Leben doch sein kann,
denkt sie.
@angelika röhrig
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.04.2008.
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