Inga Rothe

Mit Zuckerbrot und Peitsche

Zuckerbrot und Peitsche

Am 13.3.1934 erblickt Edda, als sechstes Kinder der Familie Kaltenbach, das Licht der Welt. In einer Zeit, wo überall auf der Welt Unruhen waren, aber auf dem kleinen Dorf bei Posen war noch nichts davon zu spüren.

Die kleine Edda wuchs auf einem Bauernhof heran und es fehlte ihr an nichts. Im Alter von 2 Jahren bekam sie noch eine Schwester, dann aber wurde der Vater krank und verstarb ein Jahr danach. Nun musste die Mutter noch härter arbeiten, um die Familie zu ernähren. Auf dem Feld und was es sonst noch zu tun gab. Die Oma lebte auch mit auf dem Hof und passte auf die kleinen Kinder auf. Die älteren Geschwister mussten bereits mithelfen in der Landwirtschaft.

Die Oma war sehr streng und auch nicht gerecht. Edda, ein kleiner Windfang und Trotzkopf bekam mehr Prügel von ihr als die anderen Kinder. Als sie in die Schule kam war der Krieg schon im Gange.

In dem kleinen Dorf aber merkte man vorerst nichts. Das Leben ging weiter, als ob nichts sei. Natürlich war die Angst da, aber so gut es ging wurde sie verdrängt.

Nach der Schule musste nun auch Edda mithelfen und die Oma passte besonders auf.

Es war an einem herrlichen Sommertag, Edda machte sich sofort nach der Schule auf dem Weg, die Gänse zu hüten. Sie legte sich ins Gras und träumte vor sich hin. Plötzlich hörte sie Schritte und die Oma stand da. Keifend, mit einem Riemen bekam Edda mal wieder eine Tracht Prügel. Die Gänse hatten sich derweil über das Weizenfeld her gemacht. Edda musste sie einfangen. Die Schläge machten sie aber noch trotziger und Edda schwor Rache.

Jeden Morgen wurde den Kindern von der Oma die Haare mit Kernseife eingerieben, damit die Haare trotz Naturkrause glatt aussahen, aber sobald sie an der Wasserpumpe kamen, wuschen die Kinder diese schnell wieder raus. Bis die Oma ihre Haare ganz kurz schnitt.

Eines Mittags gab es wieder einmal nur Pellkartoffeln, aber Edda fiel auf, die Oma aß nie mit. Aber irgendetwas musste sie doch es essen, dachte sie und beobachtete Oma durch das Küchenfenster. Diese hatte sich aus dem Keller ein Riesen Stück Schinken geschnitten und in der Pfanne angebraten, dazu wollte sie ein paar Pellkartoffeln essen. Scheinbar hatte sie etwas vergessen und verließ die Küche. Schnell war Edda durch das offene Fenster, packte sich den Schinken in eine Tüte und weg war sie.

So machte das Gänsehüten doppelt Spaß.

Alsbald wurden die beiden älteren Brüder eingezogen und auf den Kindern und der Mutter lastete deren Arbeit mit.

Lehrer fehlten, der Unterricht fiel immer mehr aus, stattdessen wurden die Schüler auf die Äcker geschickt um zu arbeiten, es war Erntezeit.

Völlig kaputt kam Edda und ihre Geschwister nach Hause. Wieder einmal gab es nur Pellkartoffeln und Oma aß den Speck.

Das wollte Edda ändern und sprach Oma darauf an. Das brachte aber nur eine tracht Prügel ein und Edda wurde so wütend, dass sie Oma einfach in ihrem Zimmer einschloss. Danach zog sie mit ihrer kleinen Schwester und den Gänsen zur großen Wiese.

Am Abend kam die Mutter heim und ließ die Oma heraus. Schon von weiten ahnte Edda, als sie zurück kam, es gibt Ärger. Diesmal aber nicht nur von Oma, sondern auch Schläge von der Mutter. Edda schrie schon gar nicht mehr vor Schmerzen, sondern nur damit es schneller ging.

Auch der Hof wurde von den deutschen Soldaten zum Erholen und genesen hergerichtet und so kam etwas Abwechslung in Eddas Leben.

Als der Krieg zu Ende war, dachten alle, es sei vorbei, aber es sollte erst richtig los gehen. Eddas Brüder kamen aus dem Krieg, abgemagert und verletzt. Kurze Zeit nach dem sie zu Hause waren, starben sie an ihren Verletzungen.

Gegen Ende des Krieges, die Polen wussten, Deutschland würde den Krieg verlieren, hatte auch Familie Kaltenbach ein schweres Leben. Sie wurden bestohlen, bespuckt und beschimpft. Plötzlich waren sie Feinde im eigenen Land.

An einem Sonntag im Januar 1945 saßen alle beim Frühstück und plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Edda blickte in Maschinengewehrläufe.

Die Familie wurde aufgefordert sofort das Haus zu verlassen, es blieb keine Zeit mehr Sachen zu packen oder Winterschuhe anzuziehen, die Angst war groß.

Zum Glück durften sie den Pferdewagen mit einem Pferd mitnehmen. Kaum fuhren sie los, hörten sie auch schon Schüsse und das Schreien der Tiere. Edda und ihre Geschwister weinten, denn sie mussten ihren Hund zurücklassen.

Es wurde eine lange Fahrt und sie trafen auch mehrere Flüchtlingstrecks. Die Mutter hatte unterwegs aus ihrem Heuschober noch Weizen für das Pferd und Heu mitnehmen können. Überall wurde gebettelt, damit die Kinder etwas in den Magen bekamen. Manche Leute gaben etwas und andere verscheuchten sie. So vergingen fünf lange Wochen. Man sollte meinen, auf einem Pferdewaren sei es nicht so schlimm, , der muss bedenken, das Pferd war schwach geworden, und wenn die Strassen nicht durch Matsch kaum passierbar waren, dann durch hohen Schnee. So dass geschoben werden musste.

Edda wird nie vergessen, das die Füße blutig waren und blau gefroren. Sie kamen an einem Bauernhof, bekamen etwas zu essen und die Mutter machte es den Kindern vor, sie steckte ihre Füße in einen frischen Kuhfladen.

Sie näherten sich der großen Brücke über der Wolga. Es war bitter kalt, aber die Angst war stärker als das Frieren.

Kaum hatten sie die Brücke verlassen, gab es einen Riesen Knall. Sie schauten zurück und etwas schlimmeres haben sie nie wieder erlebt. Die Brücke wurde gesprengt und tausende Menschen starben im Wasser, das mittlerweile rot war, Viele schrieen zum erbarmen, aber niemand konnte helfen, alle waren zu geschwächt. Nach langer Zeit verstummten die Schreie in der Ferne.

Endlich, nach über 6 Wochen, kamen sie in Götz bei Brandenburg an, in der ehemaligen DDR. Dort wollten sie bleiben. Man wies ihnen dort ein Haus zu und die LPG nahm ihnen das Pferd und den Wagen weg, wegen Eigenbedarf.

Der Krieg war endlich zu Ende.

Sie bezahlten das Haus in Raten ab und lebten sich in Kürze ein.

Dann, nach einem Jahr fanden sie ihr Hab und Gut auf der Strasse, sie sollten verschwinden. Die Kaltenbachs waren für diese Leute keine Deutschen und für die Polen keine Polen. Das war damals leider so, als neue Grenzen gezogen wurden.

Einer im Dorf hatte Mitleid mit ihnen und sorgte dafür, dass sie in einer Gartenlaube unter kommen konnten.

2 Jahre nach dem Krieg verstarb die Oma, sie war der Aufregung nicht gewachsen, aber Edda trauerte ihr keiner Träne nach. Sie begann später eine Lehre als Näherin und verstand sich überhaupt nicht mit den Leuten da.

Als sie 17 war, bekam sie Säure ins Auge, die man zum Reinigen der Maschinen benutzte und sollte sofort ins Krankenhaus fahren.

Edda hatte die Nase voll von diesem Land und stieg erst aus, als sie im Westen war.

Dort meldete sie sich als Flüchtling der DDR und kam in einem Auffangslager in der Nähe vom Flugplatz Berlin. Ein Bett, eine Waschgelegenheit, das war es. Sie bekam Papiere und musste arbeiten.

Nachdem sie erfuhr, wo ihre Verwandten im Westen wohnten, machte sie sich auf dem Weg, mit dem wenigem Geld was sie bekam. Später kam auch ihre Mutter nach und einige ihrer Geschwister.

Sie verteilten sich und Edda zog zusammen mit ihrer Mutter ins Wiehengebirge.

Dort bekamen sie auch schnell Arbeit.

Edda ging eines Tages ins Tanzlokal und es dauerte gar nicht lange, da begegnete sie Hubert. Aus Edda war eine hübsche Frau geworden. Kurze Zeit später war sie schwanger, aber eigentlich wollte sie nicht heiratet. Die Mutter aber drängte sie in die Ehe. Das Erste was Edda sich anschaffte war ein Kinderwagen. Sie arbeitete so schnell es ging weiter und sparte jeden Pfennig für später. Sie stellte auch fest, dass ihr Hubert doch nicht so zuverlässig war, wie sie dachte, er trank immer mehr.

Drei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter bekam sie einen Sohn.

Kaum waren die Kinder so weit, das man sie alleine lassen konnte, mühte sich Edda wieder ab. Und sie schaffte es. Nach langem Hin und Her konnte sie sich ein Haus kaufen, das Ersparte reichte für die Anzahlung. Hubert versprach viel zu tun, was er anfangs auch tat. Er baute einen Hühnerstall, hielt Tauben und Kaninchen.

Edda hatte gelernt, sich nichts gefallen zu lassen, sie schlug verbal zurück. Ein Nachbar wollte das Grundstück selber kaufen, aber Edda war schneller. So versuchte er die Familie da rauszuekeln, ohne Erfolg. Hubert trank noch mehr und nahm es mit der Treue auch nicht mehr so genau. Es gab Zeiten, da hatte er keinen Lohn mehr und gab an, ihn verloren zu haben. Edda gönnte sich keine Pause mehr und arbeitete was sie nur konnte. Nahm sogar Heimarbeit an. Ihre Kinder sollten es einmal besser haben und eine gute Berufsausbildung machen. Inzwischen verstellte sich Hubert nicht mehr, er trank nicht nur heimlich und wurde auch gewalttätig Edda gegenüber und besonders den Kindern. Einmal fiel er in die Rosen und rief seinen Sohn zur Hilfe, der aber achselzuckend wegging. Dafür bekam er später beinahe einen Hammer ins Kreuz. Edda stellte sich schützend vor ihren Kindern und sagte, wehe den Kindern passiere etwas… Das machte Hubert nur noch wütender. Tagelang zog er durch die Bars und Da hatte sie die Nase voll und ließ ihn nicht mehr herein. Er jammerte, aber es half nichts. Edda reichte die Scheidung ein, Hubert kroch bei seiner Mutter unter.

Er zeigte Reue und auch vor dem Scheidungsrichter. Edda wollte es noch einmal versuchen, den Kindern zuliebe.

Lange hielt Hubert nicht durch, im Gegenteil, nun brachte er sogar seine Freundin mit nach Hause. Diese schaute sich ungeniert um und meinte, die Hühner und überhaupt das Vieh müsste abgeschafft werden. Da platzte Edda der Kragen, sie griff dieser Person im Nacken und warf sie hinaus. Obwohl sie klein war, hatte sie mehr Kraft als man vermuten konnte.

 

Edda musste sich plagen. Er hatte ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn, war Mitglied im Schützenverein, gab gerne einen aus und erzählte von dem Leid mit seiner keifenden Edda. Ja, Edda ließ sich nichts gefallen und drohte ihm auch schon mal öffentlich zu verprügeln. Sie wurde allgemein belacht. Niemand sah einmal hinter den Kulissen. Sie sahen nur eine keifende, zänkische Frau. Das machte wiederum Edda wütend. Neben ihrer harten Arbeit nahm Edda ihre Pflegebedürftige Mutter auf. Tagsüber kam der Pflegedienst. Mittlerweile gab es auch Krach in der Verwandtschaft, keiner gönnte Edda das Haus und sie munkelten, ihre Mutter würde es bezahlen. Diese bekam aber nur eine kleine Rente, aber das war denen Egal.

Edda stand allein mit ihren Sorgen. Die Kinder waren längst aus dem Haus, da starb ihre Mutter. Wie die Hyänen stürzte sich die Verwandtschaft nun auf sie, um ihr Erbe anzutreten. Edda konnte aber nachweisen, dass sie allein für ihre Mutter aufgekommen ist und auch die Kosten alleine übernommen hatte. Edda gewann, aber Geld sah sie auch nicht, denn ihre Schwester hatte sich die Pflegeversicherung an Land gezogen, keiner weiß wie sie es geschafft hat. Das Geld konnte auch nicht mehr eingeklagt werden, da es im Spielkasino verschwand.

Hubert tat gar nichts mehr zu Hause, war nur noch unterwegs. Entweder war er zum Arbeiten bei den Nachbarn oder er zog um die Häuser.

Kurz nach dem er in Rente ging, wurde er krank. Edda kümmerte sich um das Haus, um die Tiere und auch um ihren Mann. Brachte ihm saubere Wäsche ins Krankenhaus und was er sonst noch wünschte.

Eines abends, sie hatte sich verspätet, traf sie auf seine Freundin, die sie frech angrinste und fragte, was sie denn hier wolle. Wieder rastete Edda aus und wäre der Arzt nicht hellhörig durch den Lärm geworden, hätte Edda diese Frau die Treppe heruntergeworfen.

Dann stellten die Ärzte eine Geschlechtskrankheit bei Hubert fest und Edda ließ sich sofort untersuchen. Zum Glück hatte sie seit Jahren kein Verkehr mit ihrem Mann mehr und somit war sie gesund.

Hubert kam nicht mehr auf die Beine, er hatte Krebs und in seinen letzten Stunden, die Edda trotz allem an seinem Bett verbrachte, sagte er zu ihr, es täte ihm leid, aber nun war es zu spät. Sie solle das Haus verkaufen und sich ein schönes Leben gönnen. Somit verstarb er. Edda war am Ende ihrer Kraft.

Sie verkaufte das Haus dennoch nicht, widmet sich ihren Tieren und begann eine Freundschaft zu einer Mutter, die ihr auch beisteht.

Polen sind für sie wie ein rotes Tuch, aber wenn man ihre Geschichte kennt, kann man es verstehen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.04.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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„Krachen, Scheppern und dann gewaltiger Lärm, als ein schwerer Gegenstand an die Wand geworfen wurde. Oh verdammt, die Verrückte spielte drüben in der Küche schon wieder ihr absolutes Lieblingsspiel – Geister vertreiben. Gleich würde sie hierher ins Wohnzimmer stürzen, wo ich versuchte, in Ruhe meine Hausaufgaben zu machen. Und dann würde sie mir wieder lang und breit erklären, welches Gespenst gerade versucht hatte, durch die Wand zu gehen und sie anzugreifen. Ich hasste sie! Ich hasste dieses Weib aus ganzem Herzen!“ Die 13-jährige Eva lebt in einer nach außen hin heilen, kleinbürgerlichen Familie. Hinter der geschlossenen Tür herrscht Tag für Tag eine Hölle aus psychischer und physischer Gewalt durch die psychopathische Mutter und den egomanischen Vater. Verzweifelt versucht sie, sich daraus zu befreien. Vergebens - bis ihr ein altes Buch in die Hände fällt. Als letzten Ausweg beschwört sie daraus einen Teufel. Er bietet ihr seine Hilfe an. Aber sein Preis ist hoch...

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