Andreas Altwein

Biologisch unbedenklich

Thomas schloss die Augen und versuchte krampfhaft seinen Höhepunkt noch einige Sekunden hinauszuzögern. Es war schwer. Er fühlte die Hitze ihres Körpers, den Schweiß auf ihrer Haut, der mittlerweile das Bettlaken durchtränkt hatte. Nein, es war nicht nur schwer, sondern verdammt schwer, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Er dachte an Fußball, an das Spiel vom vergangenen Wochenende, das seine Mannschaft und er so haushoch gewonnen hatte. Das funktionierte.

Sanft reitend bewegte sich Janine auf ihm. Er blickte sie an und sah, dass sie die Augen geschlossen hatte, sich völlig den Gefühlen hingab, die zwischen ihnen herrschte. Nicht nur das körperliche Gefühl, sondern auch dem des Vertrauens und der Liebe. Schwer atment zog sie die Luft zwischen den Zähnen ein. Ihr Rhythmus steigerte sich, sowohl der des Atems als auch die Geschwindigkeit ihres Beckens, und Thomas wusste, dass sie gleich im höchsten Taumel der Lust über ihm zusammenbrechen würde. Auch er schloss die Augen und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Es gab keinen Grund mehr sich weiter zurückzuhalten. Mit fast aggressiver Wucht drückte er seine Hüften den ihren entgegen, schneller und schneller. Die Lust griff nach ihm und raubte alles rational denkende in seinem Kopf. Noch ein paar Stöße.

Dann kam der entsetzliche Schmerz. Als hätte ihm jemand eine glühende Gabel in den Hals gestoßen. Das Stöhnen von Janine ging unter in dem lauten Schmerzensschrei seinerseits. Mit einem wilden Ruck warf er sie von sich herunter, setzte sich blitzartig im Bett auf und drückte seine Hand auf die linke Halsseite. Sie blutete.

„Aua!“ Sein Gesicht verzog sich. „Sag mal, bist du bescheuert, oder was?“

Schwer atmend lag Janine auf dem Rücken und ließ die Wogen ihres Höhepunktes ausklingen.

„Janine!“, raunzte Thomas und rüttelte an ihren Schultern, um sie wieder in die Realität zurück zu holen. „Was sollte das? Du hast mich gebissen?!“

„Hmm..?“ Janine torkelte immer noch auf den Wellen ihrer Lust dahin, drehte sich langsam zur Seite und schlang ihren Arm um seine Hüfte. „Tut mir leid, Schatz, das wollte ich nicht. Ist einfach so über mich gekommen.“ Sie klang müde, so als würden ihr in jedem Moment die Augen zuklappen und sie in das Reich der Träume dahingleiten. Und das tat sie tatsächlich. Ihre letzten Worte klangen mehr geflüstert als gesprochen. „Sorry... aber als ich gekommen bin... dachte ich... ich bin... ein Vampir...“

Mit verdutztem Gesicht saß Thomas im Bett und hielt weiter die Hand an seinen blutenden Hals. „Nicht mehr alle Tassen im Schrank, was?“, grunzte er, befreite sich aus Janines Umarmung und ging ins Badezimmer, um seine Wunde zu begutachten. Er schaute in den Spiegel und sah überdeutlich den Abdruck ihrer Zähne an der Innenseite seines Halses. Kein Vampirbiß! Bei dem sah man ja bekanntlich nur 4 Einstiche, auf seiner Haut waren allerdings wunderbare Abdrücke aller Schneidezähne seiner Freundin zu sehen. An zwei Stellen war die Haut aufgerissen, und ein wenig Blut sickerte hervor. „Wunderbar.“, dachte er sich und sprühte ein wenig Desinfektions-Spray auf die Wunde, bevor er sie mit einem Pflaster abdeckte. „Was ist bloß in die gefahren?“

Auf der anderen Seite, war das nicht ein Beweis dafür, dass er ein genialer Liebhaber war? Wow! Tatsächlich hatte er Janine so in Ekstase gebracht, sie völlig ihrer Sinne beraubt, dass diese scheinbar kaum noch wusste, was sie tat. Ein Gefühl wahrer Männlichkeit schlich sich in seinen Kopf, und automatisch wurde er ein paar Zentimeter größer. Ja. Das war es wohl. Er hatte dieser Frau wirklich nach allen regeln der Kunst verführt. Er blickte an sich herab und sah die Beule in seiner Schlafanzughose, die er sich übergezogen hatte, bevor er ins Badezimmer gelaufen war. Es rief zwar wahrlich machohafte Gefühle in ihm wach, dass er eine Frau so befriedigen konnte, wie es scheinbar kein anderer konnte, aber was nutzte das Ganze, wenn er dabei selber auf der Strecke blieb? Er verblieb noch etwa zehn Minuten im Badezimmer, bevor er sich befriedigt zu seiner Freundin ins Bett kuschelte, die bereits tief und fest schlief.


Am nächsten Morgen hatte Thomas das Fiasko der letzten Nacht schon fast vergessen. Es war Montag und er stand in der Küche, um für sich und Janine ein leckeres Frühstück zuzubereiten. Rühreier mit gebratenem Speck und diesen kleinen, fast leuchtend-roten Würstchen, die sie aus dem letzten England-Urlaub mitgebracht hatten. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass die Zeit knapp wurde. Er fragte sich, wo Janine wohl blieb, als er im selben Augenblick die Schritte hörte, die eilig die Stufen vom Schlafzimmer herunterpolterten. Bereits mit Schuhen, Jacke, Handtasche und Sonnenbrille bewaffnet kam Janine in die Küche.

Sonnenbrille?

„Hallo, Schatzi!“, sagte sie flüchtig, ging auf den Obstkorb zu und nahm sich einen Apfel heraus. Dann stutzte sie eine Sekunde lang. „Oh.. Du hast Frühstück gemacht. Das ist super süß von dir, aber habe ich dir gestern nicht erzählt, dass ich heute eine halbe Stunde früher los muss, weil ich dieses Meeting mit Frau Brehmer habe?“

„Äh, nein, hast du nicht.“, erwiderte Thomas leicht resigniert. „Willst du nicht trotzdem vorher noch ein bisschen was von den Eiern und dem Speck essen?“

„Sorry, keine Zeit“, sagte Janine und küsste ihn flüchtig auf die Wange, während sie sich die Sonnenbrille von der Stirn auf die Nase schob und dabei genüsslich in den Apfel biss. „Oh man, was ist mit deinem Hals passiert? Hast du dich beim Rasieren geschnitten?“

„Ich..“

„Sorry, aber ich muss echt los“, waren ihre Worte zum Abschied und dann fiel auch schon die Tür ins Schloss und Thomas stand mit seinem Speck, den Rühreiern und mit einem etwas komischen Gefühl in der Magengegend alleine in der Küche.

„Na toll!“ Enttäuscht setzte er sich an den gedeckten Tisch und griff nach einem Apfel aus dem Obstkorb. Er sah nicht gut aus. Leicht verschrumpelt, und an einigen Stellen hatte er kleine braune Einschusslöcher, fast so als wären das die Zugangswege für die Würmer, die sich im inneren des Apfels ausbreiten.

„Bio-Scheisse“, murmelte er und warf den Apfel zurück in den Korb. Der Appetit war ihm gründlich vergangen. Vor seinen Augen ließ er die letzten 12 Stunden Revue passieren. Janines merkwürdiges Verhalten beschäftigte ihn mehr, als er vor sich selbst zugeben wollte. Es war ja die ganze letzte Woche schon so komisch. Obwohl das Wetter draußen nicht gerade sommerlich war und dicke Wolken den Himmel bevölkerten, rannte Janine permanent mit einer Sonnenbrille durch die Gegend. Dann der Biss gestern nacht. Entweder er wurde verrückt, oder Janine war es bereits. Nachdenklich nahm er wieder einen Apfel in die Hand, drehte ihn hin und her, um ihn von allen Seiten zu begutachten.

Oder... Ja! Vielleicht lag es an diesem ganzen Bio-Müll, den seine Freundin tagtäglich einkaufte und zu sich nahm. Alles nur noch biologisch angebaut, biologisch abbaubar und angeblich gesund. Bio-Obst, Bio-Joghurt, Bio-Brot, Bio-Eier, Bio-Duschgel, fehlte eigentlich nur noch die Bio-Antibabypille. Ein Schaudern durchfuhr ihn, und er überlegte, ob er sich nicht lieber eine Packung Kondome in den Nachtschrank legen sollte, falls Janine wirklich auf den Gedanken kam, eine natürliche Verhütungsmethode auszuprobieren. Wie dem auch sei, ihr komisches Verhalten musste an dem Bio-Zeugs liegen. Fast, als wäre ihm eine Erleuchtung gekommen, sprang er auf, riss die Küchenschublade auf und nahm ein kleines Obstmesser heraus. Die Spitze des Messers stach in die ledrige Haut des Apfels, durchzog ihn wie einen rostigen Draht und teilte ihn in zwei Hälften.

„Ähh.. Würmer...“ Tatsächlich fand er im Kerngehäuse zwei fett aussehende, weiße Larven, die den Apfel scheinbar als ihren persönlichen Besitz betrachteten. Angewidert warf er die beiden Apfelhälften in die Mülltonne. Sein Appetit war vollständig dahin. Stattdessen würde er diesem Bio-Müll-Komplott ein wenig auf den Grund gehen.


Er zog die Tür hinter sich ins Schloss und wäre fast mit seinem Nachbarn zusammengestoßen, der gerade die Treppe hinauf kam.

„Ups.. schönen guten Morgen“, warf ihm Herr Schultze freundlich entgegen. Es war ziemlich offensichtlich, dass er es eilig hatte, in seine Wohnung zu kommen, und an einer Konversation wenig Interesse zeigte. Thomas ließ sich dennoch nicht beirren.

„Entschuldigung, Herr Schultze“, began er, und sein Nachbar wandte beiläufig sein Gesicht in sein Richtung.

„Ja?“

„Sie kaufen doch auch dieses Bio-Obst in dem Supermarkt unten an der Friedrichstrasse, oder?“

Herr Schultze schaute ein wenig verdutzt, nickte dann aber. „Ja, wieso? Ist etwas nicht in Ordnung damit?“

„Ich weiß nicht“, entgegnete Thomas, „Es ist nur. Also.. seitdem wir das Zeug kaufen, verhält sich meine Freundin ein wenig merkwürdig. Verstehen sie, was ich meine?“

Herr Schultze schüttelte nur den Kopf. Thomas unternahm einen weiteren Angriff auf die geistige Gesundheit seines Nachbarn. „Ich meine. Sie.. ist ihnen an ihrer Frau nichts aufgefallen, seit dem sie den Kram essen? Ich meine, hat sich ihr Wesen vielleicht verändert? Ist sie lichtempfindlich geworden? Oder werden sie beim Sex von Ihr gebissen?“

Ein ungläubiger Ausdruck machte sich auf dem Gesicht seines Nachbarn breit. Er schien es plötzlich sehr eilig zu haben, das Gespräch zu beenden. War klar. Thomas war auch zu blöd, wenn er dachte, dass er seinem biederen Nachbarn gegenüber das Wort „Sex“ aussprechen könne, ohne dass das ernsthafte Konsequenzen hätte.

„Nein, nichts dergleichen“, entgegnete Herr Schultze leicht pickiert und schloss seine Wohnungstür auf. „Entschuldigen sie, aber ich muss mich leider ein wenig beeilen.“ Mit einer katzenartig eleganten Bewegung huschte er in seine Wohnung und schlug Thomas die Tür vor der Nase zu.

„Fantastisch“, murmelte er, „nun mache ich mich auch noch bei meinen Nachbarn zum Horst.“ Er hoffte nur, dass Herr Schutze gegenüber Janine seine Klappe halten würde, aber eigentlich hatte er wenig Bedenken, denn das böse Wort mit „X“ würde sein Nachbar niemals aussprechen, schon gar nicht einer Freundin gegenüber. Kein Wunder, dass er und seine Frau keine Kinder hatten. Wahrscheinlich machten sie in ihrer Beziehung von Grund auf etwas falsch. Mit einem Kopfschütteln machte Thomas sich auf den Weg die Straße herunter um den Supermarkt aufzusuchen. Dabei ertappte er sich immer wieder, wie er nach Menschen mit Sonnenbrille Ausschau hielt oder solchen, die ein Pflaster am Hals trugen. Natürlich fand er keine.


Der Supermarkt war nun mäßig besucht. Keine Besonderheit für diese Uhrzeit. Nur vereinzelt liefen ein paar leicht pummelige Hausfrauen durch die Gänge, nahmen Konservendosen in die Hand, drehten diese einmal um die eigene Achse, um sie dann wieder an ihren ursprünglichen Ort zurück zu stellen. Unauffällig drehte auch Thomas seine Runden und zur Tarnung nahm auch er eine Dose in die Hand und begutachtete sie. „Echte italienische Tomaten“ verriet das Etikett auf der Dose, und in noch größerer Schrift darüber „Garantiert biologischer Anbau“. Er grunzte und stellte die Dose zurück ins Regal, während er in Richtung Obstabteilung schielte. Und dann sah er sie! Eine Frau, etwa Ende 30, gute Figur, langes brünettes Haar. Während sie vor den Bananen stand reckte sie den Kopf leicht in die Höhe, zog ihre Oberlippe leicht gekräuselt nach oben und schien mit der Nase Witterung aufzunehmen, wie ein Tier. Ihre Augen glühten, zumindestens sah es aus der Entfernung so aus. Das war der Beweis. Seine Freundin wurde zum männermordenden Vamp, und hier im Supermarkt liefen scharfe Brünette herum, die zum Werwolf mutierten. Wahrscheinlich alles hervorgerufen durch vergiftetes Obst. Fast sprang er hinter dem Regal vor und lief in Richtung Bananen. Doch er hatte nicht mit der Raffinesse der Werwölfin gerechnet, die ihn scheinbar aus dem Augenwinkel heraus ankommen sah. Schlagartig senkte sie den Kopf, und der raubtierähnliche Ausdruck entwich ihrem Gesicht. Mit einem lässigen Griff nahm sie ein Bündel Bananen aus der Menge und legte sie in ihren Einkaufswagen.

Zu spät. Thomas konnte sie nicht mehr stellen. Er hatte seine Chance verpasst, dennoch warf er einen Blick auf ihre Waren und fühlte sich bestätigt: Bio-Aufbaucreme für die Haut ab 30, Zahnpaste mit natürlicher Zahnbleiche, Bio-Äpfel, Bio-Banenen und Kaffee aus garantiert biologischem Anbau.

Die Frau schob ihren Einkaufswagen ohne Hast an ihm vorbei, und Thomas keifte ihr ein bösartiges „Ihr Bio-Vamps“ zu. Der Kopf der Frau fuhr herum und sah ihn mit großen Augen an. „Wie bitte?“

„Ach nichts.“, sagte er.

Mit einem Kopfschütteln setzte die scharfe Brünette ihren Einkauf fort. Thomas währenddessen began die Bananen genauer zu durchsuchen. Er hob jede Staude einzeln hoch und begutachtete die Früchte. Drückte auf ihnen herum, als wolle er prüfen, ob sich ein Alien darin befand, bereit herauszuspringen und die Welt zu unterjochen. Die nächste Hausfrau betrat die Obstabteilung. Unauffällig schob sie ihren Wagen, natürlich auch randvoll mit Bioprodukten, an den Rand und näherte sich den Banenen. Unglaube erschien auf ihrem Gesicht, als sie Thomas dort stehen sah, jede Banane einzeln betatschend, mit einer Vorsicht als würde er Reagenzgläser mit Nitroglyzerin in der Hand halten.

„Was tun sie da?“, fragte die Frau. Thomas blickte auf und sah eine unauffällige Frau Ende 50, die Lockenwickler im Haar trug. Alles Tarnung. Wahrscheinlich würde sie nur eine dieser Bananen essen, und der Vampir oder Werwolf würde aus ihr herausplatzen wie die Stripperin aus der Torte einer Junggesellen-Abschiedsparty.

„Na, wonach sieht das denn aus, was ich hier tue?“, herrschte er die Frau an, „Ich suche nach Beweisen für die tödlichen Gifte, die diesem Teufelszeug hier entweichen. Nach den Giften, die uns alle zu mordenden Bestien machen!“

Ein Schrei lag auf ihren Lippen, aber sie schien ihn herunterzuschlucken, packte ihren Einkaufswagen und rannte fast, um innerhalb weniger Sekunde hinter dem Gang mit den Bio-Kosmetika zu verschwinden. Erst als sie außer Sichtweite war, hörte Thomas den quietschenden Aufschrei. Doch er ließ sich nicht beirren. Auch wenn die Bananen unauffällig erschienen, stopfte er sich eine in seine Jackentasche. Er würde sie in einem Labor genauer untersuchen lassen und diesen ganzen Schwindel aufdecken. Damit wandte er sich den Champignons zu. Nachdem er die oberste Palette aus Tollpatschigkeit heruntergerissen hatte und die Dinger über den ganzen Boden purzelten, begann er die Plastikfolie der 250g Schalen aufzureissen und jeden Pilz sorgsam in der Hand zu rollen, zu drücken und zu begutachten.


Zur Beweissicherung stopfte er sich zwei Champignons in die Jackentasche, in der bereits die verseuchte Banane verweilte. Er wollte sich gerade den Bio-Zucchini zuwenden, als er die wütende Stimme hinter sich hörte.

„Hey, was glauben sie, was sie hier tun?“, schrie ihn ein Mann im weißen Kittel an. Unbeirrt fuhr Thomas herum und keifte zurück, „Ganz einfach – ich beschlagnahme ihre Teufelsware und bringe euch alle hinter Gitter.“ Ohne sich weiter um den Marktleiter zu kümmern began er die Zucchini in seiner Hand prüfend auf den Boden zu klopfen.

„So nicht, guter Mann“, der Marktleiter packte Thomas am Arm und wollte ihn vom Gemüse wegreissen, doch dieser befreite sich mit einem einzigen Ruck und sah dem Mann drohend in die Augen. Thomas' Blick spie Feuer und Schwefel, als er losbrüllte. „Sie lassen mich mal schön in Ruhe meinen Job machen, okay?“

Voller Schreck sprang der Mann einen Schritt zurück. „Sie.. sie.. ich habe die Polizei gerufen, sie wird jeden Moment hier sein.“

Mittlerweile hatten sich einige Kunden am Rand der Obstabteilung versammelt und beobachteten das Schauspiel aus sicherer Entfernung. Alles Menschen, die bereits infiziert sind, dachte Thomas. Das würde ihn nicht davon abhalten alles ans Licht zu bringen. In seinem Kopf blitzten Bilder auf. Talkshows und Fernsehinterviews, in denen er für sein mutiges Auftreten gelobt wurde, dass die Menschheit davor bewahrt hatte zu reißenden Bestien zu werden. Zeitungsartikel mit seinem Konterfei und langen Berichterstattungen über sein Kampf gegen den Teufel höchstpersönlich. Keiner würde ihn je zurückhalten können. Doch dann ging alles sehr schnell. Er war gerade dabei die Bio-Kiwis aus Alaska auf dem Boden zu zertrampeln, als zwei uniformierte Beamte den Supermarkt betraten und auf ihn zukamen.

„Junger Mann, würden sie bitte mitkommen?“.

Thomas würdigte den Polizisten keines Blickes und zermatschte weiter die Kiwis. „Nein! Ich habe zu tun, wie sie sehen!“

„Hey“, sagte der zweite Polizist und versuchte ihn am Arm zu ergreifen, aber Thomas rutsche galant zur Seite und sah mit einem süffisanten Lächeln zu, wie der Beamte auf dem Kiwibrei ausrutsche und mit den Armen wedelnd in die Auslage mit Kopfsalat fiel.

„Okay, das reicht!“, rief der zweite Polizist. Thomas bemerkte am Tonfall, dass es nun ernst wurde, doch genau in dem Augenblick, als er sich kurzzeitig von seinen Kiwis abwandte um dem Angriff des Polizisten zu entgehen machte es auch schon „Klick“ und seine Arme waren durch ein paar Handschellen auf dem Rücken gefesselt.

„Man, oh man, scheinbar ist die Welt heute voller Verrückter“, stöhnte der erste Polizist, der sich mittlerweile wieder aus dem Kopfsalat befreit hatte. „Komm, raus mit dem ins Auto, und dann ins Revier. Oder fahren wir lieber gleich zur Psychiatrie?“

Unfähig irgendetwas zu tun, musste Thomas mit ansehen, wie sich Polizist Nummer zwei, derjenige, der ihm die Handschellen angelegt hatte, einen Kaugummi in den Mund stopfte und nickte. Er wurde grob am Oberarm gepackt und aus dem Supermarkt gezogen. Als er zurück blickte sah er, wie das Publikum im Supermarkt teilnahmsvoll den Kopf schüttelte, und sich der Marktleiter mit einem Besen daran machte die Sauerei auf dem Boden zu entfernen. Die Polizisten schoben ihn in den Polizeiwagen. Die Handschellen wurden ihm nicht abgenommen.

„Warte mal.“, rief Polizist Nummer eins, als sein Kollege bereits mit Thomas zusammen im Wagen saß. „Ich gehe eben nochmal in den Supermarkt und hole ein paar Äpfel. Die zwei Minuten haben wir jetzt auch noch Zeit.“ Mit diesen Worten machte er kehrt und schritt wieder auf den Eingang des Supermarktes zu.

„Bring aber die Bio-Äpfel mit!“, rief ihm sein Kollege nach, „die haben mehr Geschmack als das gespritzte Zeug aus Holland.“

Die Hände auf dem Rücken gefesselt musste Thomas zusehen, wie der Polizist den letzten Apfel aus der Packung zwischen den Vordersitzen nahm. „Garantiert biologische Anbau“, prangte in großen grünen Buchstaben auf der Packung.

Mit einem lässig coolen Handbewegung nahm der Polizist seine Sonnenbrille von der Ablage und setzte sie auf. Er drehte seinen Kopf zu Thomas und grinste. Genüsslich führte er den Bio-Apfel in Richtung Mund, öffnete seine Lippen. Scharfe Fangzähne, die aus seinem Oberkiefer ragten, und von denen Gift tropfte, bohrten sich in den Apfel und bissen zu.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.04.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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