Regine Stahl

Liebe tut nicht weh...

„Liebe tut nicht weh“, sagte die Seele zum Verstand.
„Wir werden sehen,“ erwiderte der Kopf , der grundsätzlich immer etwas zu mäkeln hatte, wenn die Seele etwas mitzuteilen hatte „das hatte ich dir schon mal abgekauft und bin voll
reingerasselt – vielen Dank auch dafür.“
„..und am meisten darunter gelitten habe ich“, räusperte sich das Herz, das sich immer noch nicht ganz erholt hatte.
„Liebe tut wirklich nicht weh – ich versuche es euch jetzt mal zu erklären: Lieber Verstand, du bist sehr nützlich, wenn es um praktische Dinge geht, doch bei Fragen in Sachen Liebe bist du leider eine Katastrophe. Du kannst Liebe nicht denken, sie muss gefühlt werden! Würdest du dich nicht immer einmischen, müsste unser armes Herz nicht immer
wieder leiden…“
„Was du nun wieder schlaumeierst“ brüllte auf einmal das Ego dazwischen „du hast doch keine Ahnung was ich will! Ständig funkst du dazwischen und alle müssen leiden!“
Der Verstand nickte zustimmend und das Herz hörte verschüchtert aus der Ecke zu.
Die Seele versuchte geduldig ihre Erklärung fortzuführen: „Ich habe gehofft, dass du dich zu Wort meldest, liebes Ego, und ich  muss dir leider sagen, dass du der eigentliche Übeltäter bist, der den ganzen Kummer verursacht… der Verstand lässt sich von dir leider auch immer wieder einwickeln. Würdet ihr nur einmal versuchen still zu sein um zu hören, was ich euch zu sagen habe, dann würde sich unser kleines Herz vielleicht endlich einmal erholen können.“
Der Verstand lief gerade zu Hochtouren auf – was könnte die Seele denn so brillantes auf
Lager haben, dass es auf einmal allen gut gehen würde?!
Dem Ego ging es gerade gar nicht gut. Zuhören war nicht gerade seine Stärke und ihm war so
als wolle man ihm jetzt wirklich ans Leder.
Das Herz saß weiter schüchtern in seiner Ecke. Ihm war alles recht – Hauptsache, es ging ihm
endlich wieder besser…
„Was ich euch jetzt sage“ fuhr die Seele fort „wird gerade unserem lieben Ego nicht gefallen.“ Dabei sah sie es ein wenig mitleidig an: „Du musst leider gehen, für dich ist hier kein Platz mehr. Im Grunde genommen hast du nie wirklich zu uns gehört, denn du hast immer gegen die göttlichen Gesetze verstoßen. Und das oberste Gesetz ist nun mal LIEBE! Leider hast du von Liebe überhaupt nicht den geringsten Schimmer, denn du willst immer nur deinen Kopf durchsetzen und die anderen sind dir dabei völlig egal. Ich weiß, es schmerzt dich jetzt sehr, dass du gehen musst. Aber wenn wir alle wollen, dass es dem Herz wieder besser geht – und dies solltet ihr wollen, denn schließlich sorgt es ja dafür, dass wir alle
überhaupt leben können, dann sind nun mal Konsequenzen notwendig.“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ heulte das Ego und stampfte mit dem Fuß auf. „Einen Teufel werde ich tun! Ich WILL hier bleiben und was ich will, das setze ich auch durch, basta!“
Der Verstand wollte gerade zustimmend nicken, immerhin war er dem Ego ja schon fast hörig geworden, als die Seele fortfuhr: „Lieber Verstand, du bist uns wert und wichtig, deshalb musst du sogar bleiben, denn manchmal braucht unser Herz schon deinen Rat. Aber du bekommst eine ganz wichtige Auflage: Du hältst dich grundsätzlich in Liebesangelegenheiten raus bis du gefragt wirst – ohne Ausnahme! Keine Einmischungen mehr!“
 Der Verstand wurde plötzlich ganz klein. Er überlegte und überlegte… und letztendlich musste er der Seele recht geben. Nicht sie war Schuld, dass es dem Herz so schlecht ging, sie wollte für alle immer das Beste. Es war dieses böse Ego, das immer alles durcheinander brachte, er sollte wirklich nicht mehr auf es hören! „Einverstanden“, sagte er und schaute das
Ego an: „Ich glaube wirklich, es ist Zeit für dich von hier zu verschwinden!“
„Ihr könnt mich alle mal – ich bleibe! Wo wäret ihr denn alle ohne mein Wollen? Hä? Wolltet ihr etwa überhaupt mal irgendetwas? Manchmal muss man etwas wollen um Erfolg zu haben!“
Die Seele hielt sich zurück und überließ dem Verstand darauf zu antworten, sie wusste, dass sie sich immer auf ihn verlassen konnte, wenn es um Überlebensfragen ging.
Der Verstand überlegte eine Weile, dann sagte er: „Ich habe nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass etwas zu wollen, nicht mehr in unser Leben passt. Das Herz hat durch dein Wollen schon viel zu viel gelitten und ich habe es zusätzlich immer wieder verwirrt, weil ich mich eingemischt habe und von dir hab beeinflussen lassen. Ich denke wenn wir nichts mehr wollen, dann vertrauen wir darauf, dass unsere Seele weiß was gut für uns ist. Das hat sie schon immer gewusst, wir haben nur nicht auf sie hören können, weil du immer zu laut geschrieen hast. Damit ist jetzt Schluss!“
Die Seele war zufrieden. Das Ego würde sicher noch nicht sofort verschwinden, aber es würde langsam verhungern, weil es keine Nahrung mehr vom Verstand bekam. Sie lächelte dem Herz entgegen, das langsam aus seiner Ecke kam und anfing wieder leuchtend zu
strahlen…
„Jetzt wird alles gut, mein Herz, denn nun darfst ganz allein du entscheiden…“
 
© Regine Stahl
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.05.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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