Georges Ettlin
Der Eisenmacher
In der Schlosserei musste ein armer Knabe mithelfen bei den Schmiedearbeiten
seines Vaters : Die Arbeit war hart und gefährlich, Brandwunden
und leichte Verletzungen entstanden fast jeden Tag.
Alle Wünsche und Träume zerflogen mit den Funken des offenen Schmiedeofens
wärend den langen Jahren der Schinderei ohne Lohn.
Wen wunderts? : Zauberkräfte erdachte sich der Knabe und wünschte sich eine
rettende Macht, die ihn von der Sklaverei erlösen sollte.
Edelmetalle waren selten zu verarbeiten, das Lager war nicht gross, aber der Eisenstapel im Innenhof
der Schlosserei wurde immer grösser und die Plackerei mit dem Hereintragen von Röhren,
Stangen und anderen Metallabfällen wurde immer mühsamer.
Die Motivation zur schnellen Arbeit des Knaben wurde durch Knüffe und
Schläge mit den eisernen Fäusten der Arbeiter angetrieben.
Eines Tages fiel der Knabe in ein wegen dieser Schläge erzeugtes, jahrelanges Koma.
Als er nach langer Zeit im Spital aufwachte, entdeckte der Knabe, der inzwischen
ein Jüngling war, ein Gabe, die ihm ermöglichte, Gegenstände zu bewegen...und
nur mit der Konzentration seiner Gedanken kinetische Energie zu erzeugen. Als
Nachteil dabei erwies sich ein Phänomen, das sich immer in solchen Momenten
einstellte : Der bewegte Gegenstand veränderte seine atomare Struktur und wurde
zu Eisen !
Münzen, Schmuckstücke, Kleider, ja selbst lebendiges aus der Tier- und -Menschenwelt,
wurde innerhalb von einer Stunde zu Eisen, sodass ein Wertverlust entstand
und auch ein eiserner Tod wurde den Menschen dadurch bereitet.
Ein schnippisches Mädchen, welches sich dem Jüngling verweigerte, bekam ein
eisernes Höschen, das lange dahinrostend, nur mit der Säge und dem Schneidbrenner entfernt werden konnte !
Nach einigen Spielereien hat der Jüngling angefangen, seine Umwelt auf eine ihm
angenehme oder nützliche Weise zu manipulieren : Sprengstoffe wurden zu
Eisengranulat, aus verschiedenen Materialien gefertigte Apparate wurden zu Eisen,
ohne ihren ursprünglichen Aufbau zu verändern : Was dem Jüngling nicht passte,
was sich ihm entgegenstellte, wurde zu Eisen auf eine so diskrete Weise, dass er
nie als Urheber in Verdacht geriet : Man dachte, das Ende der Welt kündige sich an,
in Form dieser Plage als biblische Gottesstrafe. Das Gold der Banken, die Computer
der religiösen Kriegstreiber, dunkle Labors und geheime Atombombenlager, alles wurde zu Eisen,
sodass nur noch Teile des zivilisierten Europas und ein Drittel
Israels -glaube ich- verschont blieb.
Der religiöse Friede und die Liebe war dort jetzt die herrschende Macht...Und
auf riesigen Rosthalden wuchsen bald wieder lebendige Blumen und bunte Vögel
bauten ihre Nester.
Nach Jahrhunderten fanden die Archeologen im Iran unter eisernen Gräsern und
eisernen Blumen und Tonnen von Eisenstaub einen verrosteten Muezin, der von einem eisernen
Minarett aus wie rufend seine eiserne Hand an den eisernen Mund hielt...
und im rostenden Vatikan fand man unter dicken Schichten von eisernen Klerikern einen eisernen Stuhl,
eiserne Mäuse und -Ameisen und einen
eisernen Papst, mit einem eisernen Kreuz in der eisernen Hand.....
***
c/G.E.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.05.2008.
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