Oliver Zorn

De Burscheverän

Ich wohne am Rande des Westerwalds, man könnte auch sagen am Rande der Zivilisation.
Auch hier hat sich in den letzten Jahren der Fortschritt nicht ganz aufhalten lassen, und so habe ich das Glück in einem Haus, mit fließend warmen Wasser, sogar Stromanschluss und einer tollen Erfindung die sich Internet nennt, zu wohnen.
Bei dieser Erfindung, muss man den Telefonhörer von der Gabel nehmen, auf eine Aufnahme legen, glaube die nennt sich Modem oder so, und mit der Wahlscheibe eine bestimmte Nummer wählen. Dann kann man sich am Computer, ist so eine Art moderner Rechenschieber, Sachen angucken.
Für Euch sicher nichts Neues, aber in einem Provinzkaff wie dem meinem, eine riesen Sensation. Jetzt können sich zum Beispiel Jugendliche Dörfler, neue, lustige Sauf-Spiel-Ideen aus dem Netz holen, um das bereits sehr breite Sortiment zu erweitern.
In diesem Zusammenhang, zeigt sich ein weiterer Vorteil des Fortschritts. Könnte man diese Ideen nicht digital speichern, müsste man wohl eine Bibliothek mit einer Fachabteilung „Sauf-Spiele-Und-Anderer-Schabernack“ in der Größe, der des antiken Alexandrias bauen.
Zurück zum Dorf-Fortschritt. Auch wenn wir jetzt tolle Sachen, wie das Internet und ein funktionierendes Abwassersystem haben, ist in manchen Bereichen der Fortschritt wohl noch nicht eingetroffen. Genau gesagt bleibt er schon seit einigen Jahren auf dem Stand früher Bronze-Zeit stehen.
Ich denke da an unseren Burscheverän. Einer lustigen, drolligen Vereinigung von Jugendlichen und Lebensformen die vor einigen Jahren und noch mehr Hekto-Litern Bier, Schnäppsken und anderen sinnes-raubenden Substanzen, das auch mal waren.
Das Betätigungsspektrum dieses Vereins, beschäftigt sich im Allgemeinen mit der Ursache und Wirkung von gegorenen Trinkprodukten und deren Anwendung in besagten Gesellschaftsspielen.
Der Forschungsbereich des Vereins ist stark expandiert seit dem Zugriff auf das Internet. Es müssen natürlich sämtliche neuen Alkohol-Exzess-Ideen, genau ausprobiert und bei Erfolg zelebriert werden.
Ich will mich in dieser Hinsicht nicht frei sprechen. Seit einiger Zeit, erforsche auch sehr genau die Reaktionen von-und-mit Alkohol, allerdings eher auf einer wissenschaftlichen Ebene.
Bei meinen Studien werde ich tatkräftig von meinem besten Freund unterstützt. Unsere Studien sind bis jetzt aber noch nicht sonderlich aussagekräftig, da die Dokumentation gegen Versuchsende sich meistens als sehr kompliziert erweist.
Allerdings möchte ich mich doch, als das „weiße Schaf der schwarzen Dorfjugend“ oder dem „Schaf im Wolfspelz“ bezeichnen.
Aber nicht Jeder kann einfach so Mitglied im Burscheverän werden. Es gibt genau festgelegte Eckdaten, wie das allgemeine alkoholische Fassungsvermögen, die Widerstandfähigkeit gegen Dummlaberei und den daraus resultierenden Ohrenblutungen. Auch muss man dazu in der Lage sein, ab einem Alkohol-Spiegel von ca. drei Promille ausreichend viele Liaisons bilden zu können, dass man seinen eigenen, in unserem geographischen Standort sehr ausgeprägten, Dialekt nicht mehr verstehen kann.
Für die Begleitung höherer Führungsrollen innerhalb dieses Vereins, ist ein abgeschlossenes Studium; Master-Studien-Gang wird auch aktzeptiert, wenn auch nicht gerne gesehen; im Bereich Stammtischpolitik und Alkoholwissenschaften nötig. Im Gegenzug dazu, bietet der Verein aber auch die Chancen auf eine Promotion, in den genannten Fachbereichen. Nach erfolgreichem Abschluss, steht einem steilem Weg nach ganz nach Unten, also Richtung Thekenboden, Toilettenboden, Fußboden nach Fall von Barhocker, usw. nichts mehr im Weg.
Aber die wichtigste Grundvoraussetzung für eine Aufnahme, sind ein Paar Eier aus Stahl. Ja, ist kein Witz, frei nach dem Grundsatz „keine Eier, kein Gemeinschaftssaufen“.
Man kann sich das so vorstellen: In der Mainacht, haben pubertierende Jugendliche die Chance, mit der Zerstörung ihres Daseins, indem sie in den Burscheverän eintreten, zu beginnen. Nur die oben genannten Voraussetzungen müssen stimmen.
Aber Erbanlagen wie beispielsweise, ein ausreichendes alkoholisches Fassungsvermögen, sind auf dem Dorf sowieso weit verbreitet und werden fleißig von Generation zu Generation weiter gegeben.
Da ist allerdings noch die Eier-Aus-Stahl-Sache zu klären. Dabei dürfen sich die Anwärter nach einander vor versammelter Burschenschaft entblößen und überprüfen lassen, ob der Umfang des besten Stückes, ausreichend für diesen männliche Verein ist. Dafür hat der Vorsitzende, ein Sammelsurium von Ringen. Der kleinste in der Größe eines Fingerrings bis hin zu einem Kettenring. Wenn das Beste Stück des Anwärters, einen der Ringe ausfüllt, hat er die letzte Hürde gemeistert. Noch mal: Ist echt wahr!
Ich frag mich nur: Bei den beschriebenen Ringen, im beschriebenen Größenspektrum, dürfte nur schwerlich Einer es schaffen durch zufallen!
Warum guckt sich also eine Gruppe von Männern, Jahr für Jahr dieses Schauspiel an??? Na ja, ich lass die Frage einfach mal so im Raum stehen, bevor hier falsche Schlüsse gezogen werden.
Man muss aber zugeben, dass man auch eine Alternative Aufnahme-Prüfung wählen kann, die darin besteht ein Weizenbier-Glas mit hochprozentigem Schnäppsken in einem Schluck weg zukippen, was für einen 16 jährigen heut zu Tage kein wirkliches Problem mehr darstellt, wenn man kurz davor den Drogenkonsum etwas zurück geschraubt hat.
Nach bestandenen Prüfungen ist man nun Mitglied des Burscheveräns. Nun darf man auch bei der Versteigerung der Mai-Mädsche teilnehmen. Dabei wird auf die ansässigen Mädchen im Dorf geboten. Der Meist-Bietenste darf sie dann, „mit ihrer Zustimmung“, wenigstens hier ist ein Fortschritt zu sehen, zum Tanzen ausführen.
Ich hab mir sagen lassen, dass diese Versteigerung Früher gemacht wurde, um eher unattraktiven Junggesellen, die Chance zu geben, auch mal Einen Weg zu stecken. Aber braucht man diese alt-ehrwürdige Tradition noch, jetzt wo wir das Internet, mit all den tollen Kontaktbörsen haben? Da kann man sich doch auch, gut selbst belügen, ein nettes Pimp-Profil anlegen und sich vorgaukeln, dass man Jede bekommt.
Ich hoffe ich konnte ein bisschen Interesse, in Sachen Gepflogenheiten und Dorftraditionen des Westerwalds, oder bevor sich die eingefleischten Wäller beschweren, eines Dorfes am Rande des Westerwalds, wecken.
Falls Ihr nähere Informationen möchtet oder Kontaktdaten zum beschriebenen Burscheverän, meldet euch einfach. Ich helfe Euch dann gerne weiter, solange ich mich dann noch in dieser Region aufhalte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.05.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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