Ich wohne am Rande des
Westerwalds, man könnte auch sagen am Rande der Zivilisation.
Auch hier hat sich in den
letzten Jahren der Fortschritt nicht ganz aufhalten lassen, und so
habe ich das Glück in einem Haus, mit fließend warmen
Wasser, sogar Stromanschluss und einer tollen Erfindung die sich
Internet nennt, zu wohnen.
Bei dieser Erfindung,
muss man den Telefonhörer von der Gabel nehmen, auf eine
Aufnahme legen, glaube die nennt sich Modem oder so, und mit
der Wahlscheibe eine bestimmte Nummer wählen. Dann kann man sich
am Computer, ist so eine Art moderner Rechenschieber, Sachen
angucken.
Für Euch sicher
nichts Neues, aber in einem Provinzkaff wie dem meinem, eine riesen
Sensation. Jetzt können sich zum Beispiel Jugendliche Dörfler,
neue, lustige Sauf-Spiel-Ideen aus dem Netz holen, um das
bereits sehr breite Sortiment zu erweitern.
In diesem Zusammenhang,
zeigt sich ein weiterer Vorteil des Fortschritts. Könnte man
diese Ideen nicht digital speichern, müsste man wohl eine
Bibliothek mit einer Fachabteilung
„Sauf-Spiele-Und-Anderer-Schabernack“ in der Größe,
der des antiken Alexandrias bauen.
Zurück zum
Dorf-Fortschritt. Auch wenn wir jetzt tolle Sachen, wie das Internet
und ein funktionierendes Abwassersystem haben, ist in manchen
Bereichen der Fortschritt wohl noch nicht eingetroffen. Genau gesagt
bleibt er schon seit einigen Jahren auf dem Stand früher
Bronze-Zeit stehen.
Ich denke da an unseren
Burscheverän. Einer lustigen, drolligen Vereinigung von
Jugendlichen und Lebensformen die vor einigen Jahren und noch mehr
Hekto-Litern Bier, Schnäppsken und anderen sinnes-raubenden
Substanzen, das auch mal waren.
Das Betätigungsspektrum
dieses Vereins, beschäftigt sich im Allgemeinen mit der
Ursache und Wirkung von gegorenen Trinkprodukten und deren Anwendung
in besagten Gesellschaftsspielen.
Der Forschungsbereich des
Vereins ist stark expandiert seit dem Zugriff auf das Internet.
Es müssen natürlich sämtliche neuen
Alkohol-Exzess-Ideen, genau ausprobiert und bei Erfolg zelebriert
werden.
Ich will mich in dieser
Hinsicht nicht frei sprechen. Seit einiger Zeit, erforsche auch sehr
genau die Reaktionen von-und-mit Alkohol, allerdings eher auf einer
wissenschaftlichen Ebene.
Bei meinen Studien werde
ich tatkräftig von meinem besten Freund unterstützt. Unsere
Studien sind bis jetzt aber noch nicht sonderlich aussagekräftig,
da die Dokumentation gegen Versuchsende sich meistens als sehr
kompliziert erweist.
Allerdings möchte
ich mich doch, als das „weiße
Schaf der schwarzen Dorfjugend“ oder dem
„Schaf im Wolfspelz“ bezeichnen.
Aber nicht Jeder kann
einfach so Mitglied im Burscheverän werden. Es gibt genau
festgelegte Eckdaten, wie das allgemeine alkoholische
Fassungsvermögen, die Widerstandfähigkeit gegen Dummlaberei
und den daraus resultierenden Ohrenblutungen. Auch muss man dazu in
der Lage sein, ab einem Alkohol-Spiegel von ca. drei Promille
ausreichend viele Liaisons bilden zu können, dass man seinen
eigenen, in unserem geographischen Standort sehr ausgeprägten,
Dialekt nicht mehr verstehen kann.
Für die Begleitung
höherer Führungsrollen innerhalb dieses Vereins, ist ein
abgeschlossenes Studium; Master-Studien-Gang wird auch aktzeptiert,
wenn auch nicht gerne gesehen; im Bereich Stammtischpolitik und
Alkoholwissenschaften nötig. Im Gegenzug dazu, bietet der Verein
aber auch die Chancen auf eine Promotion, in den genannten
Fachbereichen. Nach erfolgreichem Abschluss, steht einem steilem Weg
nach ganz nach Unten, also Richtung Thekenboden, Toilettenboden,
Fußboden nach Fall von Barhocker, usw. nichts mehr im Weg.
Aber die wichtigste
Grundvoraussetzung für eine Aufnahme, sind ein Paar Eier aus
Stahl. Ja, ist kein Witz, frei nach dem Grundsatz „keine Eier, kein
Gemeinschaftssaufen“.
Man kann sich das so
vorstellen: In der Mainacht, haben pubertierende Jugendliche die
Chance, mit der Zerstörung ihres Daseins, indem sie in den
Burscheverän eintreten,
zu beginnen. Nur die oben genannten Voraussetzungen müssen
stimmen.
Aber Erbanlagen wie
beispielsweise, ein ausreichendes alkoholisches Fassungsvermögen,
sind auf dem Dorf sowieso weit verbreitet und werden fleißig
von Generation zu Generation weiter gegeben.
Da ist allerdings noch
die Eier-Aus-Stahl-Sache zu klären. Dabei dürfen sich die
Anwärter nach einander vor versammelter Burschenschaft entblößen
und überprüfen lassen, ob der Umfang des besten Stückes,
ausreichend für diesen männliche Verein ist. Dafür hat
der Vorsitzende, ein Sammelsurium von Ringen. Der kleinste in der
Größe eines Fingerrings bis hin zu einem Kettenring. Wenn
das Beste Stück des Anwärters, einen der Ringe ausfüllt,
hat er die letzte Hürde gemeistert. Noch mal: Ist echt wahr!
Ich frag mich nur: Bei
den beschriebenen Ringen, im beschriebenen Größenspektrum,
dürfte nur schwerlich Einer es schaffen durch zufallen!
Warum guckt sich also
eine Gruppe von Männern, Jahr für Jahr dieses Schauspiel
an??? Na ja, ich lass die Frage einfach mal so im Raum stehen, bevor
hier falsche Schlüsse gezogen werden.
Man muss aber zugeben,
dass man auch eine Alternative Aufnahme-Prüfung wählen
kann, die darin besteht ein Weizenbier-Glas mit hochprozentigem
Schnäppsken in einem Schluck weg zukippen, was für einen 16
jährigen heut zu Tage kein wirkliches Problem mehr darstellt,
wenn man kurz davor den Drogenkonsum etwas zurück geschraubt
hat.
Nach bestandenen
Prüfungen ist man nun Mitglied des Burscheveräns.
Nun darf man auch bei der Versteigerung der Mai-Mädsche
teilnehmen. Dabei wird auf die
ansässigen Mädchen im Dorf geboten. Der Meist-Bietenste
darf sie dann, „mit ihrer Zustimmung“, wenigstens hier ist ein
Fortschritt zu sehen, zum Tanzen ausführen.
Ich
hab mir sagen lassen, dass diese Versteigerung Früher gemacht
wurde, um eher unattraktiven Junggesellen, die Chance zu geben, auch
mal Einen Weg zu stecken. Aber braucht man diese alt-ehrwürdige
Tradition noch, jetzt wo wir das Internet, mit
all den tollen Kontaktbörsen haben? Da kann man sich doch auch,
gut selbst belügen, ein nettes Pimp-Profil anlegen und sich
vorgaukeln, dass man Jede bekommt.
Ich
hoffe ich konnte ein bisschen Interesse, in Sachen Gepflogenheiten
und Dorftraditionen des Westerwalds, oder bevor sich die
eingefleischten Wäller beschweren, eines Dorfes am Rande
des Westerwalds, wecken.
Falls
Ihr nähere Informationen möchtet oder Kontaktdaten zum
beschriebenen Burscheverän,
meldet euch einfach. Ich helfe Euch dann gerne weiter, solange ich
mich dann noch in dieser Region aufhalte.