Hardy Schneck

Der Mann aus dem Bunker

                                                    Der Mann aus dem Bunker
Juli 1949, ein winziges Dorf in der hohen Eifel. 11 Bauerngehöfte, 1 Krämerladen, 1 Kneipe. Hier sollte sich in den nächsten Tagen etwas ereignen, was in der Geschichte seinesgleichen sucht. Vier Jahre waren seit dem II. Weltkrieg vergangen. Hier, in diesem Flecken hatten sich noch in den letzten Kriegsmonaten unvorstellbare Kampfhandlungen zugetragen. Drehen wir die Zeit zurück:
Am 16. Dezember 1944 traten deutsche Divisionen zu einem letzten Großangriff gegen die Amerikanischen Streitkräfte an. Es war die sogenannte 'Ardennenoffensive'. Im hohen Schnee und bei bitterkalten Temperaturen stießen die Angriffskeile tief in die alliierte Front ein. Der Angriff kam jedoch bald zum Stillstand. Nach dem ersten Schreck hatte die US Army mit verheerenden Luftschlägen die deutschen Panzerspitzen vernichtet.Die Wehrmacht mußte schließlich zurück in die Ausgangsstellungen, zurück in den Westwall.
Jetzt schrieb man den 28. Januar 1945 und hier beginnt unsere Geschichte:
Paul Schreiber, Obergefreiter der Wehrmacht, geb. am 04. Januar 1918 starrte angestrengt durch sein Fernglas.Hier in dem Bunker fühlte er sich einigermaßen sicher. Rechts und links von ihm gab es noch zwei Bunker, von denen jedoch einer durch Bombenvolltreffer zerstört war. In dem anderen befanden sich noch drei Kameraden, ansonsten war hier niemand mehr. Etwa 3oo Meter vor seinem Bunker zog sich die kilometerlange Panzersperre, die sog. 'Höckerlinie' entlang. Sie bestand aus fünf Reihen ungleichmäßigen zahnähnlichen Betonpyramiden, die einen Schutz vor Panzer bilden sollten. Dies taten sie aber nicht, denn die US Streitkräfte schossen ganz einfach Lücken in das System, um danach dort durchzufahren.Doch das nur nebenbei.So sehr Paul sich auch anstrengte, er konnte keinen Feind ausmachen. Nur in der Ferne war das grollen der Artillerie, der "Frontgesang", zu hören.'Sein Bunker' war etwas besonderes. Er ging zwei Stockwerke in die Tiefe und von den dortigen Räumen führte ein Stollen etwa 3oo Meter tief in den Fels, auf dem der Bunker stand.Am Ende dieses Ganges gab es einen hallenähnlichen Bereich der es in sich hatte.Hier lagerten Konserven tonnenweise,,Wasser,Säfte,Marmelade eimerweise,Dauerkonserven von Wurst und Fleischwaren, ein wahres Schlaraffenland. Bloß, Paul wußte davon nichts. Es war ein Versorgungsdepot einer SS-Division, dass aber von ihrer Besatzung Hals über Kopf verlassen wurde.Als es dunkelte begab sich Paul in das Innere,verriegelte die Stahltüre und schloß die Schartenluken. Dann legte er sich auf das Feldbett und fiel in einen tiefen Schlaf.
Mitten in der Nacht wurde er urplötzlich durch ein donnerndes Geräusch abrupt aus dem Schlaf gerissen. Das ganze Bauwerk erzitterte, Stein und Betonstücke prasselten von der Decke. "Scheiße, Volltreffer", dachte Paul sofort und zündete seine Taschenlampe an.Er machte sich sofort auf den Weg zum Eingang, den es nicht mehr gab.Schutt versperrte den Weg. Nachdem sich der Staub etwas gelegt hatte sah er das ganze  Ausmaß der Verwüstung."Hier komme ich nie mehr raus" dachte er und Verzweiflung packte ihn.Sollte alles aus sein? Mit 27 Jahren vermißt, verschollen? Er mußte was tun, er mußte handeln. Vielleicht gab es ja noch einen Notausgang. So machte er sich auf, den Bunker zu erkunden.Nach stundenlangem umherirren in dem finsteren Gebäude stieß er auf einmal auf das Versorgungslager.Sofort kehrte sein Lebensmut zurück, als er die ganzen Lebensmittel erblickte."Na ja, verhungern werde ich wohl nicht", so etwas wie ein leichtes schmunzeln glitt über sein Antlitz. Er fand auch mehrere Kisten mit sog. >Hindenburglichtern<, eine Art Kerzen, die eine lange Brenndauer hatten. Nachdem er einige davon angezündet hatte, machte er es sich mit einer Dose 'Corned Beef' und Dosenbrot, sowie einer Flasche 'Tokaier' gemütlich.
Während den nächsten Tagen und Wochen forschte er weiter in dem Stollensystem und er bemerkte, dass von irgendwoher Frischluft, kühle Winterluft in das unterirdische Verließ strömte. Dann machte er eine Entdeckung, die sein Herz schneller schlagen ließ:Irgendwo in dem Labyrint fiel von oben ein Lichtstrahl in das Dunkel. Als er hoch blickte, sah er eine Stahlröhre, die senkrecht nach oben führte und.. einen blauen Fleck  Himmel."Das ist des Rätsels Lösung, von dort kam die Frischluft.
Wie wäre es, wenn ich ein Feuer entzünde, starken Rauch, der nach oben steigt, vielleicht bemerkt das jemand?"Doch er verwarf sogleich den Gedanken, was ist wenn der Rauch nach unten sinkt? Er schöpfte aber Hoffnung. In dem Hallenbereich gab es auch mehrere kleine Büroräume, sogar mit Telefonanschlüssen, doch die waren schon lange außer Betrieb. Er fand Kalender und einige Uhren, so wußte er wenigstens in welchem Datum er lebte.
Es vergingen Wochen, Monate, Jahre. Paul hatte längst aufgegeben, jemals gefunden zu werden. Alles was er an lesbarem Material gefunden hatte, war schon x-Mal durchgelesen. Die Vorräte waren geschrumpft, Wasser hatte er im Überfluß denn es gab einen Brunnen und eine Pumpe.Die Einsamkeit und die unheimliche Stille hier unten hatten ihn manchesmal schier verzweifeln lassen, doch noch siegte sein Lebenswillen. Oft stand er unter der Röhre und hin und wieder blitzte die Sonne mal durch, für wenige Minuten.
Er sprach mit sich selber, machte Übungen, lief im Stollen auf und ab. Haare und Bart schneiden hatte er längst aufgegeben. Jetzt saß er auf einem Drehstuhl und sein Blick fiel auf den Kalender:Donnerstag, 14.Juli 1949!
Ein Knall, eine Detonation, wie damals, erschütterte das Bauwerk! Paul warf sich auf den Boden und bedeckte seinen Kopf mit den Händen.Dann hörte er Motorengeräusche.
Der Fahrer der schweren Raupe schob das Geröll aus Betonklumpen und Eisenstäben zur Seite.Ein Bagger nahm die Brocken auf und verlud sie auf einen LKW. Der Bunker mußte weg, hier soll die neue Trasse für die Eisenbahnlinie Wittlich-Neuerburg entstehen und dann..! Aus dem Staub taumelte ihnen eine Gestalt entgegen, über und über mit Staub bedeckt, langes graues Haar, ein langer Vollbart und in einer verschlissenen Wehrmachtsuniform. Die Maschinen stoppten sofort. Männer, Bauarbeiter liefen auf den Mann zu, Fragen prasselten auf ihn ein, doch Paul reagierte nicht, Tränen liefen über seine Wangen, gruben Linien in den Staub, dann sank er auf die Knie und küßte die Erde und ein langes lautes "JAAAAAAAHHHHH" drang aus seinem Mund.Er war gerettet.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.05.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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