Seine
Augen fixieren das Ziel mit einer Entschlossenheit, die mir nur sehr
selten über den Weg lief und die ich selber aufzubringen nicht
in der Lage bin. Sie weichen nicht einen Quadratzentimeter ab. Sein
Federkleid glänzt mir bedrohlich braun entgegen. Seine Flügel
sind weit ausgestreckt, sodass er einfach auf dem Wind gleitet. Sein
Ziel bin ich!
Das
Ziel des Adlers sind meine leblosen Überreste.
Was
passiert ist?
Ich
erzähle es euch...
Zwölf
Stunden zuvor war alles noch in bester Ordnung. Sagen wir lieber in
für meine Verhältnisse normaler Ordnung. In bester Ordnung
war mein Leben schon lange nicht mehr. Nicht das ich mich beschweren
möchte, aber mein Leben war eine Schlampe und meine Frau auch.
Vielleicht
folgerte eins aus dem anderen, doch letztendlich entschieden wir uns,
unsere Ehe zu annullieren. Was natürlich heute nichts
ungewöhnliches mehr ist.
Fünf
Jahre waren wir verheiratet und sie ließ sich scheiden, weil
ich in ihren Augen ein Trottel war. Gutgläubig und naiv.
Doch
wie dem auch sei, ordnete ich mein Leben neu. Zog wieder in meine
kleine Wohnung am Bahnhof und entschloss erstmal alleine mein Leben
in den Griff zu bekommen.
Wie
der Zufall es wollte, wurde mir kurz nach der Scheidung auch mein
Auto gestohlen.
Spontan
wie ich nun mal bin, nämlich gar nicht, hab ich das bis heute
noch nicht gemeldet.
So
beschloss ich also vor ziemlich genau zwölf Stunden, meinen
Kummer mit dem althergebrachten Heilmittel zu beseitigen. Dem
Alkohol!
Nach
sieben Bier und zwei Tüten Erdnüssen war ich pleite, aber
glücklich. „Es dreht sich doch alles um den Schwanz“, schrie
ich noch beim Verlassen der Bar.
„Für
ein paar Scheine würde ich ein paar Runden mit ihm drehen,
Süßer.!“flüsterte mir Betty die Nutte zu.
„Vergiss
es Betty, soviel hab ich noch nicht getrunken!“, fuhr ich sie an.
Ein Fehler. Betty war nicht nur Nutte, sondern eine neurotisch,
überempfindlich, 280 Pfund schwere Nutte.
Während
mir ihr Hinterteil, bei dem ich nicht erkennen konnte, wo dieses
anfängt und der Rücken aufhört, die Luft aus den
Lungen presste, hörte ich jemanden rufen:
„Betty
lass den Kleinen in Ruhe. Der erkennt eine gute Frau nicht, selbst
wenn sie auf ihm drauf sitzt.“
Sie
stand auf und stampfte zufrieden davon. Ein einfaches Kompliment hat
gereicht? Manchmal sind Frauen so simpel gestrickt, dass sie schon
wieder kompliziert sind.
Mein
Retter, eine dunkel gekleidete Person, kam näher.
„Da
bin ich aber platt! Was machst du denn hier!?“, fragte ich, noch
immer auf dem Boden liegend.
Es
war Jens, mein bester Kumpel.
„Glaub
ich dir gern! Deinen Arsch retten. Oder glaubst du ich will mit
ansehen, wie du zur Flunder wirst.“, Er lächelte mich an.
„Los
setze deine Masse, die du Körper nennst, in Bewegung! Ich muss
dir was zeigen.“
Okay,
was hatte ich schon zu verlieren? Also verbrachte ich den Rest der
Nacht damit die Masse, die ich meinen Körper nannte, in Bewegung
zu halten, um mit Jens Schritt halten zu können.
„Da
sind wir!“. Er strahlte über das ganze Gesicht und schaute
mich erwartungsvoll an.
„Du
latscht mit mir durch die Nacht, um mir einen alten, vergammelten
Wagen zu zeigen?“
Mit
Taschenlampen bewaffnet standen auf einem verlassenen Fabrikgelände
und leuchteten auf einen VW Jetta 2 Bj 1981. Weiß, mit einer
Beule in der Fahrertür und einer abgeknickten Antenne.
„Das
ist mein Auto!“, empfuhr es mir schlagartig.
Freudig
leuchtete ich ins Innern und sah meine Deep Purple MCs dort liegen.
„Geile
Sache. Mal schauen ob es noch läuft.“, sprach ich und trat
näher an meinen Wagen. Ich klopfte einmal kräftig an die
Fahrertür, die sofort aufsprang, und startete den Wagen mit
einem Penny.
Er
sprang tatsächlich an. Röchelnd zwar, aber das war normal.
„Komm
Jens! Zurück wird gefahren!“, rief ich ihm glücklich zu.
Wir
fuhren vom Gelände und ich fragte ihn, wo er denn hin wollte.
„Irgendwie
nimmt mich die Trennung von Jenny noch mit.“, unterbrach ich
schließlich die Stille.
„Ach
Junge, deine Frau war eine Schlampe! Glaub es mir! Ohne sie sind wir
deutlich besser dran.“ Jens schien sehr erregt zu sein.
„Hier
links rein!“, befahl er.
Der
Wagen bog in einen schmalen Waldweg hinein und nach ungefähr
1700 Metern stellte ich den röchelnden Motor ab.
„Und
nun?“, fragte ich Jens.
„Genießen
wir diese wunderbare Untergangsstimmung und Stille. Komm steigen wir
aus“
Schon
schnallte er sich ab, sprang aus den VW und ich hinterher.
Auf
der Motorhaube sitzend, begann er zu erzählen.
„Weißt
du Manuel, ich mag dich. Doch muss ich dir folgendes Beichten: Ich
hatte was mit deiner Frau und das nicht nur einmal. Ich liebte sie.“
Ich
war geschockt.
„Es
überrascht mich nicht, dass du es nicht wusstest. Du siehst nur
das, was du sehen willst. Die vielen Telefonate deiner Frau, die
Frauenabende. Mensch Manuel! Du hast mich sogar mal morgens in deinem
Bademantel gesehen.“
„Ja
und? Du hast mir doch gesagt, dass deine Dusche kaputt sei und du
deshalb zu uns zum Duschen vorbei gekommen wärst und deinen
vergessen hättest!“
Er
schüttelte mitleidig seinen Kopf.
„Jedenfalls
liebte ich sie und du hast mal wieder die Augen verschlossen, wie du
es immer tust. Aber die Schlampe wollte es mit mir und mit dir
beenden! Sie meinte, sie könne etwas besseres haben als uns! Ich
war nicht bereit das hinzunehmen. Nachdem du ausgezogen warst, teilte
sie es mir mit. Es kam zum Streit und ich erschlug sie mit einem
Hammer. Danach klaute ich deinen Wagen und lagerte die Leiche in
deinem Kofferraum. Habe nur darauf gewartet, dass du deinen Schmerz
mit Alkohol ertränken würdest und nun sind deine
Fingerabdrücke und Spuren überall im Auto.“
Er
sah mich mit kalten Augen an.
„Mein
Gott....!“, so langsam begriff ich, warum wir in den Wald gefahren
waren.
Mit
seiner Pistole auf mich gerichtet sprach er: „ Hast du noch etwas
zu sagen?“
„Und
ich dachte du trägst Handschuhe, weil du dich wegen deiner
Wurstfinger schämst.“
Die
Kugel trat in die rechte Schläfe ein und es verdunkelte sich
alles.
Jetzt sehe ich meinen Körper, immer kleiner werdend, auf dem Waldboden liegend, wie der Adler mir meine Augen aus dem Schädel pickt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.05.2008.
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