Engelbert Blabsreiter

Wundervolle grüne Fliesen

 

 
Es war ein mal
ein kleiner aber sehr neugieriger Junge.
Seine Eltern modernisierten gerade ihr Haus und es gab jeden Tag etwas neues und interessantes zu sehen.
Sein Vater war Landwirt und arbeitete nach den täglich anfallenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten auch noch an der Fertigstellung der Umbauarbeiten am und im Haus.
Der Junge beobachtete ihn sehr oft dabei und bewunderte Können, Klugheit und Stärke des Vaters. Ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit durchströmte den Jungen all die Jahre seiner Kindheit und wenn er Angst oder Unsicherheit spürte so wusste er immer wo er Rat und Kraft finden konnte.

Zu seinem 5. Geburtstag bekam der Junge einen kleinen Handwerkerkoffer geschenkt. Zweifellos ein passendes Geschenk für diese Zeit und diesen Jungen.
Viele interessante Dinge, wie eine kleine Säge, Bohrer mit Handkurbel und auch ein kleiner Hammer befanden sich neben anderen Dingen in diesem Koffer, dessen Inhalt natürlich sofort auf seine Tauglichkeit geprüft wurde.
 
Zu dieser Zeit ergab es sich auch, das der Vater die neue Toilette fertiggestellt hatte und vollen Stolzes seiner Frau präsentierte. Er hatte alles perfekt gefliest und montiert.
Die ganze Familie begutachtete stolz die wundervollen grünen Fliesen und geizte nicht mit Lob. Jeder freute sich über dieses moderne Örtchen und auf die erste Gelegenheit der Nutzung.
Der kleine Junge beobachtete die restliche Familie bei der Besichtigung sozusagen aus zweiter Reihe und hatte die Hände mit irgendwelchen Werkzeugen aus seinem neuen Werkzeugkasten bestückt. Er sah wie sein Vater strahlte und sich über Lob und Anerkennung freute.

 


Nachdem sich der Rest der Familie wieder an ihre Arbeit gemacht hatte verspürte der kleine Junge sofort den Drang die neue Toilette einzuweihen.
Also nichts wie rauf auf die große Schüssel und die neue Umgebung in vollen Zügen genießen dachte er, immer noch die Hände mit Werkzeug gefüllt.
Jetzt konnte er in aller Ruhe und ungestört die neue Toilette inspizieren.

Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er ja auch noch ein kleines Hämmerchen in seiner Hand hatte.

 

Hmmm...dachte er... was würde wohl passieren wenn man mit dem Hämmerchen an die wunderschönen grünen Fliesen klopfen würde...?
Gesagt getan...auf der Schüssel sitzend klopfte er direkt unter dem Toilettenpapierhalter mit der spitzen Seite des Hammers auf eine Fliese.
Leider passierte beim ersten Versuch nichts, aber er wäre nicht er gewesen wenn es nicht noch einen zweiten Versuch geben sollte.
Beim zweiten Versuch, mit etwas mehr Schwung in der Bewegung, platzte dann schließlich auch etwas von der grünen Fliesenglasur der nagelneuen Fliese ab und ein weißer Keramikhintergrund kam zum Vorschein.
Jetzt brach der Forschergeist des Jungen gnadenlos durch und der mitgebrachte Handbohrer beförderte den Mörtel hinter der Keramik hervor. Erst als der Bohrer am Anschlag war und roter Ziegelsteinstaub die Bodenfließen bedeckte war der Junge sozusagen am Ende seiner Erkundungsmöglichkeiten angelangt und die Untersuchung in seinen Augen als abgeschlossen zu betrachten.
Grüne Glasur... dahinter weiße Keramik...dahinter brauner Mörtel...dahinter rote Ziegelsteine...alles klar.
Erst jetzt wurde dem Jungen bewusst, dass ein Loch unter dem Toilettenpapierhalter nicht unbedingt die Zustimmung seiner Eltern finden würde. So reinigte er sicherheitshalber den Boden von den Folgen seiner Forschertätigkeit.
Nur .... ein unschönes Loch in den wundervollen grünen Fliesen blieb, nachdem er eilig die Toilette verlassen hatte.
 
Nach einiger Zeit hörte er einen Aufschrei seiner Mutter....
Sie war bei der Erstbenutzung der neuen Toilette auf das Loch unter dem Toilettenpapierhalter gestoßen.
Der eilig herbeigeholte Vater konnte ebenfalls keine Erklärung für dieses Loch in den Fliesen finden und so hörte der kleine Junge seinen Namen rufen.
Das Tatwerkzeug sicherheitshalber im Werkzeugkasten verstaut, kehrte der kleine Täter damit zwangsweise an den Ort der Schandtat zurück.
Mit dem Blick eines unschuldigen Engels beantwortete er die Fragen seines Vaters nur mit einem Augenrollen und Schulterzucken, um dann gleich so schnell wie möglich wieder einen etwas größeren Sicherheitsabstand zu bekommen und aus dem Blickfeld seiner Eltern zu verschwinden.

 


Seine Eltern wussten natürlich sofort was wirklich passiert war.
Nur ...irgendwie waren sie über das Erscheinen und den Blick des Jungen so belustigt, dass sie Ihn nicht tadeln konnten.
Irgendwie hatten sie dem Täter  ja auch das Werkzeug dazu geliefert und so fühlten sie sich wohl etwas mitschuldig...so dachte es sich der Junge jedenfalls.
Tagelang spürte der Junge noch den strengen Blick seines Vaters auf sich, der offensichtlich immer noch ein  Geständnis zu dieser respektlosen Tat von dem Jungen erwartete.
Der Junge wich diesem Blick allerdings immer wieder gekonnt aus, obwohl er seiner Mutter die Tat schon längst gestanden hatte.

 


Mehr als 40 Jahre später war aus dem kleinen Jungen ein erwachsener Mann geworden und der Vater spürte zunehmend die Last des Alters auf sich. Nach dem Tod seiner Frau empfand der Vater oft Einsamkeit in sich und auch Familie und Freunde die sich sorgsam um ihn kümmerten konnten ihm diese nicht immer nehmen. Ängstlich erwartete er das Heimkommen seiner Familie wenn diese einmal für ein paar Tage in Urlaub waren oder eine Reise unternahmen.
Und die Abschiede, wenn auch nur für kurze Zeit fielen ihm immer schwerer.
Seine Leidenschaft, das Traktorfahren ließ ihn aber auch im Alter nicht im Stich und so kam es, dass er wie immer das Gras im großen Garten mit dem Traktor mähte.
Sein Sohn hatte mit dem Enkel wenige Tage vorher einen schönen Apfelbaum liebevoll im Zentrum des Gartens gepflanzt und fachgerecht mit einem Holzpflock gegen Sturm gesichert.
Ein prächtiges Bäumchen stand jetzt dort zwischen anderen Obstbäumen und erfreute die Besitzer des Hauses mit seinem Anblick.
Ganz so ideal war der Ort der Einpflanzung jedoch offensichtlich nicht, denn unglücklicherweise übersah der Vater beim Rückwärtsfahren mit dem Traktor den neu gepflanzten Baum und riss ihn samt Holzpflock aus dem Boden.
Mit den Worten ... da war doch noch nie ein Baum... stieg er vom Traktor und kratzte sich am Kopf.
Sofort machte er sich auf den Weg um das nötige Werkzeug zu holen und den Baum wieder an Ort und Stelle einzupflanzen. Den Holzpflock wie vorher in den Boden zu schlagen und den Ort wieder herzustellen als wäre nichts geschehen.
Die abgeschälte Rinde am Stamm des Bäumchens schmierte er mit Rindenwundverschlussmittel kunstvoll zu, damit man keine Verletzung sehen konnte.
 Die Frau des Sohnes hatte das Missgeschick beobachtet und war über die Aktivitäten des Schwiegervaters amüsiert.
Als der Sohn am Abend nach Hause kam, wollte er den frisch gepflanzten Baum wegen der Trockenheit gießen und entdeckte sofort die Beschädigung und die veränderte Stellung des Baumes.
Sofort war ihm klar ,dass die Verwundung des Baumes nur aus einer massiven Beschädigung durch ein Fahrzeug resultieren konnte, was ihm seine Frau dann auch bestätigte.
Nochmals ging er in den Garten, inspizierte den Baum und kam zu dem Schluss, dass es der Baum vermutlich überleben würde. Sein Vater beobachtete ihn dabei und auf die Frage was denn mit dem Baum passiert sei, antwortete dieser nur mit einem Schmunzeln und dem hilflosen Schulterzucken eines alten Mannes.
Nach ein paar Tagen beichtete er das Missgeschick seiner Schwiegertochter.

 


Dem Sohn fiel daraufhin die Sache mit dem Loch in den wundervollen grünen Fliesen der damals nagelneuen Toilette ein, worauf er laut lachen musste.
Wie sich doch im Lauf der Zeit alles umkehrt...dachte er.

 

Als der Sohn den Baum wegen der Trockenheit in den nächsten Tagen wieder einmal bewässerte erschien der Vater und stellte sich neben den Sohn an den Baum um ihn zu begutachten.

Da meinte der Vater....moanst dass er es schafft?
Der Sohn antwortete... wenn a ned zamgmaht wird ....

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.05.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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