Zögernd erwachst du aus deinem langen Schlaf. Noch verbirgst du unter Nebelschwaden deine Täler, überschäumend von Leben, deine tiefen Flüsse und deine Dörfer mit einmaligen Menschen.
Unschuldiger Tag! Du willst nichts weiter als aufwachen und Jenen, die ein Teil von dir sind, pures Leben und Freude schenken. Du weist nicht, was du unter deinen Nebeln mit dir bringst. Du bist nicht Schuld…
Du ahnst nicht, wie wir dein Kommen erwarten. Viele ungeduldig, einige ängstlich und andere haben noch die Hoffnung, dass sie etwas Besseres vorfinden, wenn sich deine Nebel aufgeklärt haben.
Aber wir finden nichts weiter, als das was wir selber gesät haben und was wir immer noch säen.
Der Mann der ungeduldig um 4 Uhr morgens aufsteht, um endlich wieder Geschäfte machen zu können, um seine Reichtümer zu vermehren, von denen er jetzt schon nicht mehr weiß, wie er sie genießen soll, weil ihm die Zeit fehlt.
Der Mann, der um 11 Uhr morgens wach wird, mit Angst im Herzen, Angst von der er nicht weiß, vor was er sich fürchtet. Er fürchtet sich vor sich selbst, vielleicht weil er weiß, zu was der Mensch in der Lage wäre…
Der Krieger, der schon wenn er die Augen aufmacht, daran denkt, wie er seinen Feind zerstören und ihm sein Land wegnehmen könnte, obwohl er nicht weiß, warum er ihn hasst und wozu er neuen Boden braucht
Die Frau, die lustlos aufsteht, weil sie weiß, dass ihre Arbeit nicht anerkannt wird, dass ihre Söhne auch keine bessere Zukunft haben und obendrein ihr Mann schon vor langer Zeit aufgehört hat zu kämpfen… und sie will nichts weiter als glücklich sein.
Die Frau, die mit Bauchschmerzen aufwacht, hervorgerufen durch den Hunger, ängstlich… weil sie weiß, dass ihre Kinder sie wartend ansehen werden, ohne Hoffnung auf ein Frühstück, und sie will nichts weiter, als ein bisschen Nahrung.
Der Mann, den es stört aufzuwachen, weil er weiß, dass er keine Drogen mehr übrig hat um seine Frau zu vergessen, die ihn verließ, ohne sich an seinen Sohn in der Wiege zu erinnern, der Milch braut.
Und nicht zu vergessen, den leidenschaftlich Gläubigen, der glaubt, die Ungläubigen missionieren zu müssen, obwohl sie in Frieden mit sich und der Erde leben.
Die Frau, die flüchtig durchs Fenster den Morgen dämmern sieht, während sie schon seit gestern arbeitet und das Haus aufräumt, weil sie unschlagbar ist, und die Ärmsten die schlafen müssen, nicht versteht.
Die Tochter, die sich aufregt, weil ihre Eltern nicht Willens sind, ihr eine Nasenkorrektur zu bezahlen, weil sie meint, dass sie nicht hübsch währe.
Das alte Ehepaar, das die Trümmer ihres Hauses und des Gemüsegartens sieht, für das sie ihr ganzes Leben gearbeitet haben, unfähig es zu glauben, zerstört durch den Vulkan, den sie schon zu fürchten vergessen hatten, weil er ihnen niemals Schaden zugefügt hatte.
Unschuldiger Tag, vielleicht währe es besser, wenn du weiter schlafen würdest. Aber wenn du es tätest, was wäre dann mit den Schätzen, die du für uns bereithältst?
Das Unkraut, noch feucht vom Tau, beleuchtet von den ersten Sonnenstrahlen.
Der Nachbar, der dem Alten hilft, seine Einkäufe die Treppe herauf zu seiner Wohnung zu tragen, obwohl er in Eile ist.
Der Mann, der sich entscheidet, seine Freizeit denen zu opfern, die alles verloren haben.
Die Frau, die glücklich ist, einem Sterbenden zu helfen, obwohl sie weiß, dass niemand ihr dafür danken wird.
Der Krieger, der mit Absicht danebenschießt um den Feind nicht zu töten, der später eine Tochter zeugen wird, die Jahre später ein mittel gegen AIDS erfindet.
Die Frau, die ihren behinderten Sohn aufzieht, und sich über seine Freude am Leben erfreut.
Die Glück des Paares, das unter bescheidenen Umständen nahe am Vulkan lebt, und das seine Söhne großzieht, von denen eines Tages einer Politiker wird und einen Krieg verhindert.
Der Vater, der akzeptiert, dass sein Sohn den Erfolg nicht erreichte, den er wollte, und der ihn trotzdem weiter liebt.
Tag, lüfte deine Morgennebel in Ruhe, denn mit jedem Morgen der heraufzieht, bin ich neugierig, was du mir bringst. Ich bin überzeugt, dass es heute mehr gute, als böse Dinge gibt. Eines Tages vielleicht, weit in der Zukunft, wird einer meiner Urgroßenkel privilegiert sein, einen Tag heraufdämmern zu sehen, ohne Angst, Krieg und Unzufriedenheit…
Regina Sedelke