Felix Fritzsche

Je oller, desto doller!

Pressekonferenz im Bundesinnenministerium.

„Hallo, Meier, Abendzeitung. Herr Innenminister, Sie kommen ja nicht umhin, ständig in Ihrem Wahlkampf die zunehmende Alterskriminalität zu betonen. Wie reagieren Sie auf den Populismusvorwurf der Opposition?“
„Wenn Sie sehen würden, wie unsere Vororte aussehen, dann würden Sie diese dämliche Frage nicht stellen. Ganze Straßenzüge sind verwüstet, Scheiben eingeschmissen oder Autos in Brand gesteckt. Es ist kein Populismus, wenn ich sage, Schluss damit. Schließlich geht uns das alle an. Ich vertrete hier nicht nur eine populäre Meinung der Leute, hier geht es ums nackte Überleben. Nur weil man auf eine allgemeine Bedrohung der öffentlichen Ordnung reagiert, muss man sich nicht vorwerfen lassen, populistisch zu sein. Oder was machen Sie, wenn ein grauhaariger Typ mit einem T-Shirt „Hooligan 70 plus“ und Schnürstiefeln auf Ihrer Matte steht und Ihnen die massive Edelstahlkrücke vor den Latz knallt?“
„…äh…“
„Sehen Sie, Sie schreien nach der Politik.“
„Aber die Opposition wirft Ihnen vor, gerade jetzt im Wahlkampf dieses Problem hoch zu stilisieren. Schließlich ist das Problem der Kriminalität im Alter nicht neu.“
„Die Opposition soll mal ganz ruhig sein, ja, schließlich stellen die den Alterpräsidenten des Bundestages, der neulich erst mit seiner Bande den Stadtpark verunstaltet hat. Alle Bänke haben sie zerschlagen und Hunde der Parkgäste volluriniert. Die Opposition schürt das ganze doch noch, um mich jetzt in die Ecke zu treiben. Dafür habe ich Zeugen. Nächste Frage!“
„Tag, Müller, Morgenzeitung. Herr Innenminister, finden Sie dieses neue Gesetz bezüglich der Einweisung von über 70ig Jährigen in Erziehungslager nicht etwas übertrieben?“
„Ich erzähle Ihnen mal eine Geschichte: Letzte Woche kam mein Junge nach Hause, blut überströmt, mit gebrochenem Jochbein. Ich habe sofort den Notarzt und die Polizei verständigt. Da er sich auch nach einer Stunde immer noch nicht beruhigt hatte, mussten meine Frau und ich noch einen Psychologen hinzuziehen. Es stellte sich heraus, dass er mit seinen Kumpels nur Döneressen in der Nähe des Altersheims war. Er sagte, die Alten hätten ihre Urinale aus dem Fenster geschmissen und obszöne Gesten gemacht. Dann haben sie sich vor dem Heim zusammengerottet und haben die armen Jungs mit ihren frisierten Rollstühlen durch die Straßen gehetzt. Mein Junge ist nun mal nicht der sportlichste und ist so unter die Räder gekommen.
Wenn harmlose Jugendliche sich nicht einmal mehr in der Nähe von Altersheimen aufhalten können, ohne von Greisen gleich halb tot geprügelt zu werden, dann ist in diesem Land etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Und wenn die Alten nicht hören wollen, dann werden wir sie in die Camps einweisen und Ihnen durch Sport und harte Erziehung die Marotten austreiben.“
„Guten Tag, Schulze, Nachmittagszeitung. Herr Innenminister, Sie hatten neulich im Bundestag noch Gesetzesvorschläge eingebracht, bestimmte Waren nur noch mit behördlicher Genehmigung oder gar nicht mehr verkaufen zu dürfen. Finden Sie nicht, dass das ein erheblicher staatlicher Eingriff in die Privatwirtschaft ist?“
„Ich fordere auch die Privatwirtschaft auf, zur Reduzierung der Alterskriminalität ihren Beitrag zu leisten. Wenn nicht freiwillig, dann eben per Gesetz! Ich bitte Sie, wer braucht nietenbeschlagene Krücken aus Edelstahl oder Titan? So was sollte einfach nicht verkauft werden, nicht zu vergessen altersgefährdende Musik oder diese widerlichen Computerspiele. Es ist einfach unverantwortlich von der Wirtschaft, solche Produkte herzustellen oder zu verkaufen, wenn man weiß, dass damit eh nur Schindluder getrieben wird. Wissen Sie, wie einfach es ist, im Internet eine Anleitung zu finden, die zeigt, wie aus einer Krücke im Handumdrehen eines dieser gefährlichen Butterflyschwerter wird? Und wenn einer dieser Tattergreise ein Rollstuhlgeschäft betritt und sich erkundigt, ob Stahlspikes an den Rädern vom TÜV erlaubt sind oder nicht, weiß man doch Bescheid.“
„Schmidt, Journal am Späten Nachmittag. Was glauben Sie sind die Ursachen dieses neuerlichen Gewaltausbruchs?“
„Ich erzähle Ihnen noch eine Geschichte: Mein Schwiegervater kam vor Kurzem mit dieser Musik an. Er erzählte mir irgendwas von einem Elvis und dass er der King sei. Dann bin ich mal in sein Zimmer, als er mal wieder mit seinen Kumpels unterwegs war, und was ich da sah, gefiel mir ganz und gar nicht: Etliche dieser, wie heißen die…eh…Schallplatten von diesem Elvis, unsittliche Bilder von einer blonden Frau, die sich Marylin Monroe nennt. Ich habe meinen Schwiegervater sofort zur Rede gestellt und ihm Stubenarrest gegeben und diesen Pornoschund von der Wand gerissen, die Platten habe ich sofort verbrannt, bevor noch mehr Schaden angerichtet werden konnte. Und das Handy hab’ ich ihm auch weggenommen. Nicht auszudenken, wenn mein Sohn sich dieses Zeug reinziehen würde.
Ich sage Ihnen, diese gewaltverherrlichende Musik dieses selbsternannten Kings und schlechter Umgang sind die Hauptursachen für die Verrohung unserer Rentner. Die Ollen sollen sich mal ein Beispiel an der Jugend nehmen. Sittlichkeit und Anständigkeit sind Tugenden, die das Rentnertum anscheinend völlig verlernt hat. Und mit der Verehrung eines Königs stellen sie eine nicht zu vernachlässigende Gefahr für unser demokratisches System dar. Nicht nur dass sie gewalttätig sind, neeiin, sie entwickeln auch noch einen gefährlichen politischen Extremismus. Die Altersintegrationspolitik der alten Bundesregierung ist kläglich gescheitert. Glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche. Und wir werden jetzt den ganzen Dreck wegräumen. Guten Tag!“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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