Sandy Green

Italien - so oder so

Die Sonne hing blutrot am Himmel und beeilte sich, im Meer zu versinken. Es war ein Bild wie auf einer der zahllosen kitschigen Ansichtskarten, gedruckt in Polen, aufgenommen weiß Gott wo, Hauptsache, man sieht die rote Sonne, die sich im abendlichen Meer spiegelt. Wunderbare Idylle - 30 Cent das Stück.
Wetter: super! Meer: toll! Essen: klasse!
Viele Grüße aus Italien!

Die Sonne hatte sich abgeseilt. Am einsamen Strand tummelten sich zahlreiche Menschen, stilvoll gekleidet in Bermudashorts und zum Schreien unpassenden T-Shirts. Einige besonders traurig herabhängende und mit Abbildungen des schiefen Turms von Pisa bedruckte Exemplare verrieten nur allzu deutlich, dass es deren Besitzer nicht an billigen Souvenirläden vorbeizugehen schafften. Das Klicken der Fotoapparate vertonte die hektischen Versuche, diese unglaubliche Romantik des Augenblickes zu verewigen, eingezwängt in das Format 10 x 15. Ein Segelboot schob sich gemächlich über die Bildfläche, hob sich dunkel vor dem leuchtend roten Himmel ab und entlockte der versammelten Schar ein entzücktes „Ahhhh!“ Das folgende Stakkato der Fotoapparate, untermalt durch das träge Rauschen der Wellen, wollte kein Ende nehmen. Ein jäh einsetzendes Stampfen, das entfernt an Musik erinnerte, degradierte den Sonnenuntergang binnen eines Momentes zur Nebensache. Das hervorragende Hotel, direkt am Sandstrand gelegen, jagte sein Animationsprogramm in die Umgegend, um auch den letzten All-inclusive-Urlauber einzufangen und an die heimische Poolbar zu ziehen, wo bereits der Chianti wartete. Sofort kam Bewegung in die Strandbesucher. Von der vielen Romantik durstig geworden strebten sie wie ferngesteuert dem bunt erleuchteten Hotel zu. Ich sah ihnen nach. Das Segelboot war inzwischen fast vorbeigezogen. Jetzt musste ich mich aber beeilen. Ich hob den Fotoapparat, visierte das Farbenspiel an und drückte auf den Auslöser. Klick. Noch mal. Im Display überprüfte ich die Bilder. Perfekt. Fast wie auf den Postkarten. Zufrieden hängte ich mir den Fotoapparat um den Hals, steckte die Hände in die Taschen meiner Bermudashorts und freute mich auf den Chianti.
Morgen würde ich nach Pisa fahren. Mal sehn, vielleicht gab es da ja ein schönes T-Shirt in meiner Größe, nur so, zur Erinnerung.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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