Irmgard Mizani

Tagebuch der Stockente Pauline




 
ANMERKUNG:

Alle Rechtschreibfehler,
Grammatikfehler und Fehler der Interpunktion sind  n i c h t  zufällig, sondern wurden von mir als Mittel
der „Dramatik“ eingesetzt oder sind einfach aus Unaufmerksamkeit oder Dummheit
entstanden und bedürfen keiner Diskussion.
Viel Freude beim Lesen
wünscht  Irmgard Mizani

 LESEN – SCHMUNZELN – WEITERREICHEN!
 

 

 
 Tagebuch der Stockente Pauline


(Beobachtet und ins „menschliche“ übersetzt von I. M.)


Mein Name ist Pauline Stock-Ente
und mein Mann heißt Paul Stock-Erpel. (Doppelnamen finde ich irgendwie schick).
 Unsere Kinder werden, je nach
Geschlecht, den Familiennamen meines Mannes oder meinen übernehmen.
Aufgefallen war mir Paul schon im
August auf dem Gewässer der freiwilligen Feuerwehr von Groß Timmendorf. Das
Eigenartige war, dass er das gleiche Federkleid trug wie ich. Nur sein Schnabel
war deutlich gelb. Im Laufe der Zeit wechselte er sein Gefieder und entpuppte
sich zu einem farbenprächtigen Erpel.
Richtig kennengelernt haben wir
uns aber erst im September. Wir hatten beide diese ungemütliche Zeit der Mauser
hinter uns und waren froh, dass wir wieder flugfähig waren, und alles seinen
normalen Rhythmus hatte.
September, das ist bei uns die
Zeit der Turnierbalz. In dieser Zeit geht es zu wie in einem Swinger-Club.
Jeder macht’s mit jedem. Ich bin immer froh, wenn diese wilde Zeit vorbei ist.
Ein Geschnattert und Gegurre bis in die Nacht. Man kommt nicht zur Ruhe.
Wie beglückt war ich, dass Paul
mich aus all den Entendamen wählte. Er schwamm während der Reihzeit immer
hinter mir her. Er war natürlich nicht der Einzige und musste sich erst gegen
seine Konkurrenten durchsetzen
Dann haben wir uns verlobt Von da
an waren wir unzertrennlich; flogen, schwammen und spazierten gemeinsam in der
Gegend herum. Er gefiel mir gleich, der stattliche Herr Stock-Erpel. Besonders
der  eleganten Schwung am Ende seiner
Schwanzfeder, seine Erpellocke.
Wahrscheinlich hat er auch noch
ein wenig japanisches Blut in den Adern, wie fast alle hier. Aber das macht ihn
für mich nur noch attraktiver. In seiner Ahnenreihe könnte eine japanische Laufente
sein. Seit ein paar Jahren wohnen viele Gastarbeiter aus Japan am Teich. Sie
wurden von den Menschen zum Schneckefressen angestellt. Ich muss sagen, dass
wir diesen Job ebensogut erledigen könnten. Auch uns schmecken die dicken
spanischen Nacktschnecken. Aber es muss ja immer etwas Besonderes sein!
Auf dem Teich sind die Männer in
der Überzahl, weil wieder einige   Frauen im letzten Jahr die gefährliche Zeit
des Brütens nicht überstanden haben. Als Frau hat man es wirklich nicht einfach.
Zu viele Füchse, Marder und Ratten trachten uns in dieser Zeit nach dem Leben.
Das ist jedes Frühjahr ein ganz schöner Stress!

Paul hatte am Anfang noch eine
andere Flamme, eine Blondine! Das war ganz gewiss kein Rasseweib. Bei ihren
Vorfahren muss einer mal was mit einer Hausente gehabt haben. Oder ist sie vielleicht
gefärbt!? Na, wie auch immer.
Ich konnte es jedenfalls nicht
verhindern, dass wir in der ersten Zeit zu dritt spazierenwatschelten. Gepasst
hat mir dieses Dreiecksverhältnis natürlich nicht. Richtig sauer war ich innerlich.
Aber man muss immer gute Mine zum bösen Spiel machen. Eigentlich war sie auch
ganz nett, aber das konnte und wollte ich nicht zugeben. Ich war die ganze Zeit
so ängstlich, dass er sich gegen mich entscheiden würde. Viele Männer stehen
auf blond, das ist ja bekannt. Aber er hat sich nicht bezirzen lassen! Ich
glaube zum flirten sind die Blondinen   ganz gut, aber zum heiraten nehmen die Männer
dann doch lieber das Altbewährte, eine Brünette.
Ich verstehe auch gar nicht, wie
man als Blondine durchs Leben kommt. Wenn die auf dem Nest sitzt, sieht man sie
doch gleich! Mein Federkleid ist so dezent gehalten, dass man mich manchmal gar
nicht ausmachen kann.
 „Tarnung ist der Schlüssel zum Überleben“,
sagte meine Großmutter väterlicherseits immer.

Nach der Hochzeit im Januar
schnatterte Paul, dass es ihm zu unruhig auf dem kleinen See sei. Die
Gastarbeiter und die anderen   Verwandten
machen immer noch   Tag und Nacht einen Heidenlärm.
Ende Februar machte er sich
endlich auf die Suche eine etwas individuellere Wohngegend für uns zu finden. Mir
war es nur recht. Dann lief ihm nicht täglich das blonde Gift über den Weg. Man
weiß ja nie, was den Männern so einfällt.

Wir wollten nicht, dass unsere
Kinder in diesem Gewühle zur Welt kommen. Es dauerte nicht lange, und er gurrte
mir von einem winzigen Privatteich ganz in der Nähe vor. Zusammen flogen wir
hin. Man hätte es auch zu Fuß erreichen können, unser neues Domizil, aber wofür
haben wir diese äußerst praktischen Flügel. Wenn ich tüchtig Gas gebe schaffe
ich über 100 Km/Std. Dieses war nur ein Kurzflug. Die Landung gestaltete sich
etwas kompliziert, da die Landebahn nicht gerade komfortabel ist.
Als ich mich umschaute, war ich
augenblicklich begeistert. Das Wundervollste war, dass ich den Teich von alten
Fotos her kannte Wenn das kein Glücksfall ist! Ein Jahrgang meiner Vorfahren
war hier 1993 geschlüpft. Allerdings hatten sie damals noch in der Mitte des
Teiches ein richtiges Holzhaus. Das war nun nicht mehr vorhanden. Trotzdem, ich
war sehr zufrieden.

Einen Teich ganz für uns allein
war schon immer mein Traum. Bezaubernd gelegen und mit einer Unzahl von
Goldfischen und Kois als Untermieter. Nur ein Plastik-Erpel dümpelt etwas
dümmlich auf der Wasseroberfläche herum. Ich habe keine Ahnung, aus welcher
Familie der kommt. Stockentenähnlich, aber an Pracht nicht mit Paul zu
vergleichen. Damit er mir nicht auch noch unters Federkleid will, ist es wohl
das Beste, ihn zu ignorieren!
Am Teich wachsen einige Sträucher,
und ich probierte gleich aus, wo das Kinderzimmer hinkönne. Habe an verschiedenen
Stellen mannigfaltige Sitzpositionen eingenommen und bald die ideelle Stelle
gefunden. Paul lobte mich sehr, dass ich mich so bemühte. Es werden ja
schließlich auch seine Küken sein.

Neben dem Teich steht ein Haus in
dem ein Mensch und eine Menschin wohnen. Zuerst haben die beiden uns doch
ziemlich gestört, aber inzwischen sind wir dicke Freunde. So lange sie nicht so
hektische Bewegungen machen und nicht zu nahe an uns heran kommen, ist alles in
Ordnung. Vielleicht bin ich voreingenommen, aber man hat schon so manches über
diese Spezies gehört. Einige von denen trachten uns sogar nach dem Leben! Kaum
zu glauben!

So ganz einverstanden waren der
Mensch und die Menschin mit uns als Nachbarn erst wohl auch nicht. Na ja, ich
gebe zu, dass unsere Manieren in Bezug auf Sauberkeit nicht gerade die besten
sind. Aber Paul und ich haben es von zuhause aus nicht anders gelernt. Wenn wir
„müssen“, müssen wir eben.

Man könnte sich ja theoretisch
auf eine Ecke des Gartens beschränken, aber mein Kurzzeitgedächtnis funktioniert
nicht so richtig gut. Ich weiß nie, wo ich das letzte Mal meine „Ladung“
entsorgt habe. Inzwischen haben die beiden sich wohl daran gewöhnt. Sie laufen
jetzt allerdings immer so komisch im Zickzack über das Grundstück.

Unser Wasser war auch am Anfang
sauberer. Was soll ich machen? Paul taucht nun mal so gern und sucht nach
Leckerbissen auf dem Teichgrund. Es macht auch keinen Sinn hinterher
aufzuräumen, d.h. die Gräser und Blätter von der Wasseroberfläche zusammenzusammeln.
Man kennt es ja, die Männer sind fast alle ein wenig unordentlich. Wenn es ihn
glücklich macht, bin ich auch zufrieden. Zugegeben, ich gründel auch manchmal,
aber man versucht doch als Frau nicht gleich die ganze Wohnung in Unordnung
zubringen! An den Fischen   sind wir beide nicht interessiert. Die würden
wir nicht einmal freitags verzehren.

Sexuell läuft bei uns auch so einiges.
Ich mag es aber nicht, wenn er mich an Land nimmt. Dann liege ich immer zum
Schluss platt wie eine Flunder auf der Erde, und er turnt munter auf mir herum.
Wenn er manchmal dabei runterfällt, muss ich heimlich schmunzeln. Laut lachen
ist nicht drin. Dann wäre er ziemlich beleidigt.
Angenehmer ist es im Wasser. Dort
spüre ich nicht so sehr sein Gewicht. Wenn er auf mir hockt mit seinen 1 ½
Kilos, habe ich natürlich ziemlichen Tiefgang. Aber ich wollte ja einen
Kräftigen! Damit ich dabei nicht ertrinke, hält Paul mich zärtlich mit seinem
Schnabel an den Federn vom   Hinterkopf fest, um zu vermeiden, dass mein
Kopf unter Wasser kommt. Er ist schon ein außerordentlicher Liebhaber. Das
Beste beim Sex im Wasser ist das ausgiebige Bad hinterher. Dann planschen wir
gemeinsam noch eine Weile albern herum. Wohl auch um den etwas peinlichen
Moment „danach“ zu überspielen. Dann fühlen wir uns rundherum glücklich,
zufrieden und wieder sauber.
Mit dem Menschen machen wir
manchmal Spaß. Er kann es nicht leiden, wenn ich jedesmal, wenn er in den Grill
geht, sofort hinterherlaufe, ihn fragend anschaue und um Futter bettele. Paul
folgt mir natürlich im gebührenden Abstand. Dann steht der Mensch auf und
scheucht uns sachte ins Wasser. Doch sobald er sich umdreht, sind wir schon
wieder an Land und verfolgen ihn. Und das Spiel beginnt von vorn.

Mein Gott, vor ein paar Tagen ist
mir etwas sehr peinliches passiert. Ich habe mitten auf den Platten, die um
unseren Teich liegen, mein erstes Ei verloren. Ich konnte es einfach nicht mehr
halten, und da lag es nun. Paul meinte, dass ich es einfach in das neue
Kinderzimmer rollen sollte! Was den Männern so alles einfällt! Glaubt er
wirklich ich würde das Risiko eingehen und es eventuell in den Teich trudeln lassen?
Oh, Gott, wenn die Männer die Kinder bekämen, wären wir wohl schon
ausgestorben!
Ich hoffte, und wie fast immer
lag ich richtig, dass einer der Menschen mir helfen würden. Und tatsächlich!
Die Menschin handelte sogleich. Sie nahm mein Erstgelegtes vorsichtig in die
Hand und platzierte es in das Kinderzimmer. Frauen halten eben zusammen. Ich
glaube, dass sie auch Kinder hat.
Allerdings muss ich auch den
Menschen lobend erwähnen. Er spendierte einige Grasssoden und ein paar trockene
Blätter. Das Kinderzimmer sah schon richtig einladend und gemütlich aus. Am
großen Teich hätten wir es nie so vornehm gehabt. Da kümmert sich kein Mensch
um unseren Nachwuchs. Ich muss gestehen, viel Aufsehen machen wir normalerweise
nicht von der Kinderzimmereinrichtung. Es sind ja auch nur ca. vier Wochen, wo
man dieses Nest benutzt, danach sind die Kleinen doch sofort aus dem Haus.
Eierlegen ist ganz schön
anstrengend. Wenn ich morgens in der Frühe zum Legen auf dem Nest sitze, höre
ich Paul immer gurren: “Hecheln, hecheln, pressen!“ Als ob er irgendeine
Vorstellung vom Eierlegen hätte! Überall will er mitreden; glaubt immer alles
besser zu wissen.
Gott sei Dank, dass ich die
Kinder nicht stillen muss nach dem Schlüpfen! Das hätte mir noch gefehlt. So intensiv
für 7 bis 15   Küken zu sorgen, das geht
doch wirklich über die Kraft einer Wöchnerin. Hab’ da Sachen von anderen Lebewesen
gehört, mein Gott, ist das schrecklich! Bei uns geht es eigentlich mit der Belastung.
Sicher, das Eierlegen ist ermüdend. Jeden Tag, den Gott werden lässt, muss ich
eines legen. Es dauert einige Tage bis ich das Nest voll habe. Gott lob sind
sie schön rund und nicht eckig! In der Zeit, wo ich noch nicht brüte, müssen
wir höllisch drauf achtgeben, dass die Elstern, Ratten oder Marder nicht kommen
und die Eier klauen.
Von meiner Mutter habe ich einen
ganz praktischen Trick gelernt. Die ersten vier Eier lege ich einfach ins Nest
und decke sie nicht ab. Wenn diese Eier nicht gestohlen werden, weiß ich mit
ziemlicher Sicherheit, dass die Gegend einigermaßen ungefährlich ist   Ich zähle kurz durch und lege dann einfach
weiter. Vorsichtshalber zupfe ich jetzt immer ein paar trockene Blätter über
das Gelege. Damit sind sie ziemlich getarnt. Paul ist sehr aufmerksam damit
nichts passiert. Aber man sollte das Schicksal nicht herausfordern!
Gestern Morgen habe ich, wie
üblich, ins Wohnzimmer der Menschen gespäht. Das mache ich fast jeden Tag. Dann
sitzen die Beiden meistens beim Frühstück. Ich gucke so lange, bis der Mensch
nervös wird und um mich loszuwerden, ein paar Körner auf die Bank vor dem Teich
schüttet. Wenn mich niemand wahrnimmt, klopfe ich mit dem Schnabel gegen die
Scheibe. Das wirkt immer.
Bei diesem Frühstück habe ich
etwas Unvorstellbares entdeckt. Die Menschen aßen E I E R!!!
Völlig verwirrt glaubte ich
meinen Augen nicht zu trauen. Es waren zwar keine Enteneier, sie waren anders
gefärbt und kleiner, aber es waren Eier. Ich habe es sofort Paul erzählt. Der
meinte nur lakonisch, solange es nicht unsere wären, interessiere ihn das Ganze
nicht. Wie kann man nur so gleichgültig sein. Eier sind Eier; und alle Eier
haben eine Mutter!!! Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Es hatte mich
doch sehr mitgenommen. Weil ich mich einfach nicht beruhigen konnte, klärte
Paul mich später dann über den Sachverhalt auf. Er weiß sehr viel; das macht
mich so stolz. Also, es sei folgendermaßen: Dumme Hühner hätten die Eier gelegt
und sich danach nicht mehr darum gekümmert, so dass die Menschen sie, quasi
notgedrungen, aufsammeln. Da diese sie nicht ausbrüten können, und in der Natur
nichts umkommen sollte, würden sie gekocht und verspeist. Na, dann man guten
Appetit! Ich möchte einfach nichts weiter darüber hören. Es schüttelt mich,
wenn ich darüber nachdenke!
Inzwischen habe ich mir eine ganz
schöne Wampe angefressen. Wenn die beiden Menschen morgens rauskommen,
watscheln wir sofort hinterher. Immer hat einer der Beiden ein wenig Brot
dabei. Die Menschin hat es tatsächlich geschafft, dass ich aus ihrer Hand
fresse. Ich habe  f a s t  keine Angst mehr. Eigentlich finde ich es
blöde, dass sie so viel Wert darauf legt, dass ich ihr so nah kommen muss.
Warum schmeißt sie die Sachen nicht einfach ins Gras und lässt mich in Frieden?
Ewig dieser Stress beim Frühstück! Andererseits spricht sie immer sehr
beruhigend auf mich ein. Nur streicheln lass ich mich nicht Ich bin doch nicht
vom Zirkus! Am liebsten ist es mir, wenn der Mensch Körner auf die Bank am
Teich legt. Endlich haben die Beiden auch verstanden, dass ich zum Fressen
keinen Teller benötige! Ewig hing ich mit einem Bein im Geschirr. Ich stolperte
dann, und es klapperte laut. Wir brauchen so einen Schnickschnack nicht!
Vor ein paar Tagen hatte ich ein
richtiges Festessen. Der Mensch hatte alle Gehwegplatten nach einander
angehoben und zur Seite gelegt. Wenn er dann in den Grill ging und seine Pause
machte, konnte ich prima die Erde nach Maden, Larven und Würmer durchwühlen.
Das war lecker und hat mir auch richtig Spaß gemacht.
 Die Schwangerschaft hat auch ihre Vorteile.
Paul rührt kaum einen Krümel an. Er passt nur auf, dass es mir gut geht. Er
behauptet immer, dass er keinen Appetit hätte. Hoffentlich magert er nicht so
ab. Bisschen was auf den Rippen sollte ein Mann schon haben. Er ist wirklich ein
Gentleman. Wenn ich Glück habe, kann ich ihn mir die nächsten 10 bis 15 Jahre warmhalten.

Gestern habe ich ganz gründlich
mein Federkleid gewaschen und neu mit dem Fett der Bürzeldrüse eingefettet. Ich
habe etwa 10.000 Federn, wenn man die kleinen Daunen dazuzählt. Da hat man ganz
schön viel zu tun Nur zweimal im Jahr bekomme ich ein neues Kleid.
 Man sollte stets versuchen, etwas aus sich zu
machen. Die Konkurrenz schläft nicht! Habe auch immer noch wegen der Blonden
ein wenig Angst um Paul.
Leider waren die Federn hinterher
völlig durcheinander. Konnte meine Flügel gar nicht in die richtige Position
falten. Irgendetwas störte. Die Menschin hat es gleich bemerkt. Sie konnte nun
einen Teil meines Unterkleides sehen. Das ist zwar sehr schick, weil bunter als
das Oberkleid, aber wohl fühlte ich mich nicht. Dem Paul war nichts   Ungewöhnliches an mir aufgefallen. Ich
wippte immer mit den Flügeln in der Hoffnung auf männliche Hilfe. Er stellte
sich weiterhin dumm. Nach einiger Zeit habe ich das Problem dann selbst gelöst.

Paul ist zur Zeit irgendwie
ziemlich lustlos. Auf Sex kann ich sowieso erst wieder im Herbst hoffen. Er hat
doch nun wirklich nicht viel zu tun. Er passt auf, ja, ok. Aber das ist auch
schon alles. Ab und an macht er ein wenig Tai-Chi, d.h. er steht auf einem Bein
und streckt das andere synchron mit dem Flügel nach hinten. Sehr elegant, aber wenn
er glaubt, dass das reicht, um in Form zu bleiben. Ansonsten fallen ihm schon
am hellen Tag die Augen zu. Er tut fast so, als hätte er die Eier gelegt!
Nur wenn die Kameraden vom
Feuerwehrteich rufen, dann ist er hellwach. Sofort haut er ab zu seinem Stammtisch.
Manchmal darf ich mit. Wenn ich drängele, geht er ein wenig mit mir in der
Nachbarschaft spazieren. Aber da muss man immer so auf die Autos, den Hund der
Nachbarin und die vielen Katzen aufpassen. So richtig entspannend ist es nur an
unserem Teich.
Jetzt geht es wieder los. Die
Wochenbettdepressionen machen mir zu schaffen. Ich bin lustlos, laufe kaum noch
hinter den Menschen her und möchte einfach den ganzen Tag schlafen. Heute
Morgen habe ich sogar die Menschin angefaucht. Dabei wollte sie mir nur Körner
geben. Ich hoffe, dass sie mir das nicht krumm nimmt! Ich kann für diesen
Zustand doch nichts. Vielleicht kennt sie diese Situation noch von ihren
eigenen Schwangerschaften.

14.04.08


So, ab jetzt ist das Datum
wichtig.
Das Eierlegen habe ich
abgeschlossen. Es müssen etwa dreizehn oder vierzehn Eier sein. Bis zehn kann
ich sie noch gut zählen, aber ab dann läuft mir immer alles durcheinander. Paul
wollte mir nicht helfen beim Zählen. Er meinte, erstmal sehen was rauskommt
Wieder einmal hatte er recht. Es kann nämlich sein, dass ein paar Eier taub
sind. Dann war die mühselige Zählerei umsonst. Wenn die Küken geschlüpft sind,
kann ich sie auch besser zählen, da sie oft in einer Reihe hintereinander schwimmen.
Gestern Abend sind wir noch einmal
zu den Verwandten auf den Feuerwehrteich gegangen. Während ich mich unterhielt,
hat Paul drei seiner besten Freunde mit an unseren Teich genommen. Ganz stolz
zeigte er ihnen unser Nest und das Grundstück. Er ist auch schon ein wenig
aufgeregt, wegen der Brüterei und hofft, dass alles klappt.



15.04.08


Seit heute sitze ich mehr oder
weniger regelmäßig auf dem Nest. Wenn Paul kommt, nutze ich die Zeit für ein
Bad und um ein wenig zu fressen. Dann passt er auf. Die Menschen streuen jetzt
die leckeren Körner auf die Platten und nicht mehr auf die hohe Bank vor dem
Teich. Ich habe auch schon Schwierigkeiten auf die Bank zu springen. Irgendwie
bin ich ziemlich erschöpft.
Langsam gehen beim Putzen die
weichen Daunenfedern aus. Die sollte ich zwischen die Eier legen, aber sie
bleiben mir immer am Schnabel hängen und kitzeln so. Die Menschin hat mich
ausgelacht, weil es aussah, als ob ich einen Bart trüge. Paul und ich fauchen
sie noch immer an. Das sind leider die Hormone, die verrückt spielen. Ich meine
es nicht böse!
Ich habe nicht den ganzen Tag
gebrütet. Mir schlafen immer die Beine dabei ein. Als ich wieder einmal vor der
Menschin stand und um Futter bettelte, hat sie ziemlich mit mir geschimpft,
dass ich die Eier so lange auskühlenlasse. Aber ich mag immer noch lieber im
Gras neben Paul dösen. Das mit den Eiern ist im Moment noch nicht so dringend.
Da hockten wir also beide gegen
Abend auf dem Rasen und hatte es recht angenehm.
Dann geschah etwas Unglaubliches.
Ich hörte plötzlich ein Rauschen, und vom Himmel stürzten sich drei, ja, man
kann es kaum glauben, drei Erpel auf mich. In panischer Angst floh ich aufs
Wasser. Nun saßen sie alle drei auf mir. Ich schätze, das waren zusammen ca.
vier Kilo, und das hält das dickste   Luftpolster nicht aus. Ich drohte zu
ertrinken! Paul tat sein Bestes um mir zu helfen; aber sein Bestes war einfach
nicht genug. Die beiden Menschen saßen gerade mit ihrem jüngsten Sohn beim Essen.
Sie hatte sofort den Ernst der Lage erkannt und riss die Terrassentür auf, um
die Übeltäter zu verjagen.
Was die wollten? Sex natürlich!
Ihre eigenen Enten sitzen jetzt, und die Bande hat nichts anderes zu tun, als
in der Gegend herumzufliegen um schwangere Frauen zu belästigen. Das Übelste
war, dass es die „Freunde“ von Paul waren. Ihnen hatte er doch gestern unser
Heim gezeigt! Ich war empört! Da macht man sich große Sorgen, mit was für „Freunde“
sich der eigene Mann so abgibt. Völlig von der Rolle setzte ich mich erstmal
aufs Nest. Hätte ich bloß auf die Menschin gehört und es schon früher gemacht,
dann hätten die Burschen mich vielleicht gar nicht gesehen. Paul haute ziemlich
kleinlaut ab. Ich hoffe nur, dass er den Kerlen mal tüchtig seine Meinung sagt.
Das hätten sie wirklich verdient. Habe dann die ganze Nacht gebrütet.



16.4.08


Um 9.15 Uhr haben wir unser
morgendliches Körnerfrühstück von der Menschin bekommen. Sogar Paul fraß ein
wenig.
Im Laufe des Tages stand die Tür
zum Wohnzimmer   offen. Wir nahmen uns
die Freiheit und spazierten mal kurz hinein. Als die Menschin das sah, hat sie
uns aber gleich sanft, jedoch energisch rausgejagt. Ich kann mir schon
vorstellen, dass sie Angst um ihren schönen Perserteppich hat. Wenn wir dort
eine Ladung verlören, ….oh, weia.


17.4.08


Heute hat man uns fotografiert.
Die Tage vergehen ziemlich
eintönig. Körnerfrühstück, kurz schwimmen und Federpflege. Dann wieder sitzen.
Zwischendurch Besuch von Paul.

19.4.08


Gestern Abend verlief etwas anders.
Die Menschin war etwa um Mitternacht noch einmal rausgekommen und hatte das
Licht auf der Terrasse angeknipst. Davon war ich aufgewacht. Und stellt Euch
vor, was ich neben mir, kaum einen halben Meter entfernt, sah. Eine weitläufige
Verwandte hatte es sich dort gemütlich gemacht! Ich war empört! Dieses
Grundstück gehört uns und zwar uns ganz allein! Ich hatte mich so aufgeregt
über diese Dreistigkeit, dass die Menschin mein Geschnatter hörte und gleich
ankam. Als sie die andere Ente sah, hat sie sie augenblicklich verscheucht.
Gott lob haben wir bei solchen Überfällen immer Hilfe vor Ort. Den Rest der
Nacht konnte ich in Ruhe meine Eier wärmen.
Paul kam immer mal vorbei und
fragte, wie es mir ginge. Doch meistens ist er nicht zu sehen und zu hören. Ich
bin ihm im Moment ja auch keine unterhaltsame Gefährtin. Ich denke, er versteht es.


20.04.08


Nachmittags kam plötzlich wieder die
Verwandte von mir, die   mich gestern
Nacht so erschreckt hatte. Nun, am hellen Tag, habe ich die Sache ein wenig
gelassener genommen. Wir sind ein paar Runden auf unserem Teich zusammen
geschwommen, und sie stellte sich kurz vor. Berta ist ihr Name. Ansonsten
schnatterte sie nicht viel. Ich weiß nicht, warum sie keinen Mann abbekommen
hat. Zu jung, zu alt, zu hässlich?
Sie ließ sich von der Menschin
nicht stören, und ich ließ sie auch in Ruhe. Irgendwie tut sie mir leid, so
ohne Partner.
Heute sah ich die erste Schwalbe.
Das ist ein gutes Zeichen.


21.04.08


Berta blieb die ganze Nacht bei
mir; aber im gebotenen Abstand. Morgens gab es wieder Körnerfrühstück. Ich
schoss sofort aus dem Nest in den Teich. Das brachte meine Verdauung augenblicklich
in Schwung. Mit einem ziemlich peinlichen Geräusch unter Wasser und einem
großen, weißen Fleck auf dem Wasser hatte ich das dann auch erledigt Das Nest
würde ich nie beschmutzen!
Nun raus aus dem Wasser zum
Fressen. Berta lief immer zwischen meinen Beinen herum, aber ich ließ mich
nicht aufhalten. Dadurch dass sie tüchtig mitfraß, bekam ich nur die halbe
Ration und musste Nachschlag anfordern. Der kam auch prompt.
Dann habe ich noch schnell
gründlich gebadet und meine Federn   eingefettet. Das muss jeden Tag sein. Dann
können mir Wasser und Kälte nichts anhaben. Als Paul vorbeischaute, hat sich
Berta verdrückt.


22.04.08


Heute habe ich Berta beim Baden
beobachtet. Die hat vielleicht eine eigenartige Technik! Sie stürzte sich
kopfüber ins Wasser und tauchte fast einen Meter weit Das gab richtige Wellen. Man
wird viel sauberer als bei unserem Baden. Paul und ich sputteln bloß immer mit
den Flügeln und tauchen den Kopf ein wenig ein. Das waagerechte Tauchen werde
ich, wenn ich mit dem Brüten fertig bin, auch einmal probieren. Kann doch nicht
so schwer sein!


23.04.08


Berta hat wohl doch einen Freund.
Verheiratet ist sie nicht, sonst würde sie ja brüten. Er schwimmt jetzt auch
immer bei uns. Vorgestellt hat er sich leider nicht, dieser Rüpel. Ich nenne
ihn einfach Bertram. Paul scheint ihn zu kennen, denn er nimmt keinen Anstoß an
seiner Anwesenheit. Langsam wird es eng auf unserem privaten Gewässer. Und wie
das Wasser inzwischen aussieht! Total grün! Die schönen roten, weißen   und
schwarzen Fische kann man nicht mehr erkennen. Hoffentlich stören wir sie nicht
allzu sehr.


24.04.08


Heute musste ich mich mal wieder
aufregen. Paul und Bertram dümpelten auf dem Wasser, und ich saß auf den Eiern.
Es sah alles so friedlich aus.
Bertram hatte sich richtig bei
Paul eingeschleimt
Immer schwamm er ganz nah bei ihm,
und ich dachte, alles wäre ok. Aber kaum hatte mein Mann sich umgedreht, schoss
dieser andere Kerl auf mich zu, zerrte mich aus dem Nest und rein ins Wasser. Dann
versuchte er das „Übliche“. Da hätte man Paul sehen sollen. Der hat ein Theater
gemacht, dass das Wasser nur so spritzte. Aber erst als die Menschin kam und
mit dem Pantoffel drohte, ließ er von mir ab und flog davon.
Was sind das bloß für Erpel, die
so etwas tun! Man kann wirklich niemandem trauen. Paul würde sich nie so gehenlassen.


Die Menschin hat auf dem Rasen
eine Erdkröte gefunden und in den Teich gesetzt. Jetzt habe ich also noch einen
Untermieter. Er sitzt den ganzen Tag in der Mitte des Gewässers zwischen den
Schwertlilien und quakt. Ich habe meistens meinen Schnabel im Gefieder
versteckt und döse vor mich hin. Langsam gewöhne ich mich an das Geräusch.


25.04.08


Berta und Bertram sind wirklich
nervig. Immer wieder benutzen sie unser Grundstück und den Teich. Wenn Paul es
sieht, verscheucht er die Beiden, und auch die Menschen scheinen die
Eindringlinge nicht zu mögen. Es ist einfach nicht genügend Platz für zwei
Paare. Außerdem haben wir alle noch Bertram’s Überfall im Gedächtnis. Das
möchte ich nicht noch einmal erleben!


26.04.08


Es war alles ruhig. Keine
besonderen Vorkommnisse.


27.04.08


Das Wetter ist toll, die Erdkröte
quakt ab und zu, und Paul erscheint alle paar Stunden, um nach dem Rechten zu
sehen. Berta und Bertram waren nicht mehr da. Haben wohl endlich verstanden,
dass sie nicht willkommen sind.
Von meinem Nest aus kann ich eine
Drossel beobachten, die über der Küchentür ihr altes Nest vom Vorjahr
ausbessert. Die gibt sich ganz schön Mühe. Ihre Küken werden eine ganze Zeit
dort drinbleiben; bis sie flügge sind. Zu beneiden sind die Drosseln auch
nicht. Zwei bis drei Schwangerschaften im Jahr, und dann die ganze Zeit die
Kinder mit Futter versorgen. Dafür hat sie eine nicht so große Anzahl an
Kindern auf einmal. Na ja, jeder hat so seine Probleme. Ich bin jedenfalls froh,
eine Ente zu sein.


28.04.08


Paul war seit ein paar Tagen
nicht da. Dadurch hat sich mein Tagesablauf auch etwas verändert. Ich stehe
jetzt erst am frühen Nachmittag einmal vom Nest auf, fordere meine Portion
Fressen, bade ausgiebig mit anschließender Federpflege und setze mich sofort
wieder aufs Nest. Das erledige ich alles in großer Eile, damit die Eier nicht
so kalt werden.


01.05.08


Gestern sah ich die dicke Erdkrötin
mit ihrem kleinen Mann auf dem Rücken zum Teich schleichen. Die hat es schwer,
im wahrsten Sinne des Wortes. Dann wird in nächster Zeit wieder viel Laich im
Wasser schwimmen. Leider schmeckt er nicht. Er ist so bitter, dass nicht einmal
die Fische ihn fressen.
Gut für die Kröten!


02.05.08

Habe den ganzen Tag nur auf dem
Nest gesessen. Nicht gefressen und auch nicht gebadet.


03.05.08


Heute hatte ich richtigen Hunger
nach dem gestrigen Fastentag.
Paul schaute mal vorbei. Er hat
mich also noch nicht vergessen. Gut so!


08.05.08


Alles läuft nach Plan. Das Wetter
ist wunderbar. Bald habe ich es geschafft. Zähle schon die Tage. Paul kam
vorbei und lobte mich, dass ich so pflichtbewusst brüte.
Ich glaube Paul liebt mich sehr.
Er scheint mich zu vermissen, denn normaler Weise verlassen die Erpel die Enten
sobald das Brüten beginnt. Aber mein lieber Mann schaut immer wieder nach, wie
es mir geht. Ich bin sehr stolz und glücklich.


11.05.08


Es ist Pfingstsonntag und
gleichzeitig Muttertag.
Nach den letzten sehr
erträglichen Tagen war der heutige Tag wieder einmal sehr ereignisreich.
Es fing damit an, dass ich
morgens die Augen aufschlug und neben mir, in nicht einmal zwei Meter
Entfernung ein riesiger Reiher stand. Zuerst hatte ich mich ziemlich
erschrocken. Ich ließ es mir aber nicht anmerken. Schon wegen der Eier unter
mir. Dann erinnerte ich mich, dass ich diesem wunderschönen Vogel auch öfter am
Feuerwehrteich begegnet bin. Er sollte eigentlich für mich keine Gefahr sein.
Er hatte es nur auf die armen Fische abgesehen. Ich weiß nicht, ob er sich
schon an meinen Untermietern vergriffen hatte. Jedenfalls stand er da mit
seinen herrlich langen Beinen, dem anmutigen Hals und dem makellosen Gefieder.
Mein Gott, hat der Beine! Könnte sich sicher mit viel Erfolg bei Heidi Klum
melden. Und wie er schreitet! Da kann man neidisch werden. Weder meine kurzen   Beine,
mein eintöniges Gefieder, noch mein watschelnder Gang können da mithalten. Aber
womit tröstet mich Paul immer, wenn ich mein Spiegelbild an der
Wasseroberfläche betrachte und ein wenig traurig bin, dass ich von der Natur so
wenig prächtig ausgestattet wurde? Er meint, es komme doch schließlich mehr auf
die inneren Werte an. Wir wären schließlich sehr friedliebende Wesen, die fast
nur Körner fräßen und höchstens mal einer Schnecke oder einem Wurm den Garaus
machten. Na. ja, wenn er meint. Er ist immer so schrecklich vernünftig! Ein
bisschen längere Beine hätte ich aber doch schon gern….
Die Menschin erschien, und der
Reiher suchte das Weite. Vor ein paar Jahren hatte so ein Vogel hier ziemlich
gewütet und fast den ganzen Teich leer gefressen. Deshalb ist sie auf diese
Vögel nicht so gut zu sprechen. Als Warnung stellt sie jedes Frühjahr einen
Papp-Reiher an das Wasser. Bisher hatten die großen Vögel auch Respekt vor der
Attrappe, aber dieser ließ sich nicht zum Narren halten und machte einfach
Station am Teich.
Ich habe gehört, dass das Teichwasser,
wenn ich ausgebrütet habe, erneuert wird. Dann werden meine Menschen sehen, ob
noch alle Fische vorhanden sind. Ich bin dankbar, dass diese Aktion erst nach
dem Schlüpfen starten soll. Das finde ich sehr rücksichtsvoll. Dafür habe ich
auch nichts dagegen, dass man meine Brut begutachtet, wenn ich mein tägliches
Bad nehme. Ich habe vollstes Vertrauen zu meinen Menschen.
Gerade hatte ich mich von dem
Schrecken erholt, da sah ich voller Entsetzen, dass das Nest der Drossel über
der Küchentür überfallen worden war. Vom Täter war natürlich keine Spur mehr zu
finden. Drei Eier mit fast fertigen Küken lagen zerbrochen am Boden. Dazu noch
die halbe Einrichtung des Nestes. Wer bringt so etwas nur fertig. Und dann noch
am Muttertag! Die arme Drosselin. Ich habe stark die Elster in Verdacht. Doch
man sollte mit solchen Anschuldigungen vorsichtig sein, wenn man nichts gesehen
hat. Wie die Menschin sagte, war nur noch ein ganzes Ei im Nest verblieben. Es
macht mich sehr traurig. Hoffentlich passiert bei mir nichts mehr in dieser
letzten, heißen Phase.
Mir scheint, dass ich ein ganz leises Piepen
unter mir hören kann. Dann   wären es nur
noch drei Tage bis zum Schlüpfen der Kleinen.


12.05.08


Tatsächlich, die Kleinen piepen
schon. Die Menschin kann es nicht hören, aber ich bin ja ganz dicht am
Geschehen.
Wieder stand der perfekt schöne
Reiher früh am Morgen. am Teich und starrte auf das Wasser. Wenn das man gut
geht mit den Fischen. Das Wasser ist, zum Glück, so grün, dass man selbst die
prachtvollen roten Fische nicht sehen kann.


13.05.08


Berta war hier. Sie weiß, wann
die Küken kommen sollen und war einfach nur neugierig auf meine Brut. Ich
möchte eigentlich jetzt keinen Besuch haben. Höchstens von Paul, aber der kam
nicht.
Aber etwas ganz entsetzliches hat
sie mir berichtet. Der Reiher hatte am Feuerwehrteich einige Küken umgebracht
und gefressen! Das hätte ich von ihm nun doch nicht erwartet. Fische ja, aber
Küken? Jedenfalls bin ich gewarnt und der Berta   dankbar für die Information. Da steht mir ja
noch so einiges bevor, bis die Kinder groß sind!


14.05.08


Heute, pünktlich nach 30 Tagen,
war es so weit.
Mittags bohrte sich das erste
Küken mit dem Eizahn durch die Kalkschale und verließ die schützende Umhüllung.
Das nächste folgte bald.
Die Menschin war ganz aus dem
Häuschen. Immer wieder machte sie Fotos, wenn das Erstgeborene neugierig unter
meinem Federkleid hervorlugte. Dann ging es Schlag auf Schlag, oder besser: Ei
auf Ei. Nachmittags waren alle geschlüpft. Zuerst noch mit feuchtem Gefieder,
verwandelten sie sich in kurzer Zeit in wonnige Federbällchen, die mich ganz
schön in Trab hielten. Noch brauchten sie meine Körperwärme. Es war ein
bisschen windig, wenn auch sonnig. Setzen konnte ich mich kaum noch; zuviel
Gewühle zwischen meinen Beinen   unter
mir. Ich stand also meistens und ließ die Flügel hängen, so  dass die Kleinen vor dem Nord-Ost-Wind
geschützt waren. Die leeren Eierschalen nahmen auch noch viel Platz ein. Aber
ich hatte einfach keine Zeit aufzuräumen. Abends waren wir alle ziemlich
erledigt und schliefen erschöpft die Nacht durch.


15.05.08


Um 5 Uhr 30 stand die Menschin
schon am Teich. So früh hatte ich sie nicht erwartet. Sie hatte Angst, dass ich
verschwinde mit der Brut. Ganz still saß sie im Sessel am Teich und beobachtete
  uns verzückt. Immer wieder schoss sie ein
Foto, bis der Apparat ein eigenartiges Geräusch machte, und sie sah, dass
ausgerechnet jetzt die Batterie leer war. So ein Pech. Gleich nachdem die Läden
geöffnet hatten, fuhr sie in den Ort und kaufte eine neue.
Nun konnte ich endlich mit meiner
Vorführung beginnen. Das war ich ihnen irgendwie auch schuldig, da man mich
wahrlich fabelhaft versorgt hatte in all den Wochen.
Bald gesellte sich der Mensch
ebenfalls zu uns. Auch er zeigte große Freude über meinen zahlreichen
Nachwuchs.
Mit den ersten warmen
Sonnenstrahlen auf dem Teich verließ ich das Kinderzimmer und begab mich aufs
Wasser. Nach und nach folgten die Kleinen.
 „Klick, klick“, hörte ich die Kamera. Jetzt wollte auch ich erstmals
meine Kinder in Ruhe ansehen und zählen. „Hurra, es sind elf!“ Einer stattlichen
Anzahl hatte ich das Leben geschenkt. Nur zwei Eier waren taub. Acht Küken
sehen uns Eltern ziemlich ähnlich. Aber was war das? Drei der Kleinen sind
quitschgelb! Das werden Blondinen!!! Oh, Gott! Ich konnte mich eigentlich kaum
erinnern, dass ich zwischendurch etwas mit einem weißen Erpel hatte! Oder will
ich es nur verdrängen? Mir ging rasendschnell so einiges durch den Kopf:
- Bin gespannt, was Paul dazu
sagt. Ich muss mir noch eine halbwegs plausible Erklärung für ihn ausdenken.
Möglichst kompliziert, von wegen Vererbungslehre und so weiter, um ihn zu
beruhigen. Hoffentlich schluckt er es! Hoffentlich ist sein Stolz größer als
sein Misstrauen! Und hoffentlich hat es keine weitreichenden Konsequenzen für
mich! Viele Männer sind ja farbenblind. Bitte, bitte, Paul, sei es auch! -
Es sind doch   a l l e   meine
Kinder, und ich liebe sie natürlich.
Da das Wetter sommerlich warm und
einfach ideal für die Küken war, tummelten wir uns bis zum Nachmittag auf dem
Wasser und dem Rasen rund um den Teich. Immer unter den wachsamen Augen der
begeisterten Menschen. Die Kleinen waren alle gesund und sehr lebhaft. Sofort schafften
sie es ins Wasser und auch den schwierigen Ausstieg die steile Böschung wieder hinauf
auf den grünen Rasen mit all den herrlichen Gänseblümchen. Manchmal verloren
sie das Gleichgewicht und fielen auf den Rücken, die
zappelnden Beine in der Luft. Immer wieder suchten sie meine Nähe, hatten aber
auch schon reges Interesse an den Geschwistern. Zupften an den Gräsern und
waren sehr aufgeweckt und neugierig. Ich zeigte ihnen das Eine oder Andere,
aber ich hatte den Eindruck, dass kaum Eines meinen Erläuterungen der näheren
Umgebung aufmerksam folgte. Na, ja, eben Kinder! Ich fand, dass sie besonders
schön, kräftig und außerordentlich mutig waren. Oder waren es nur die Eindrücke
einer liebenden Mutter? Nein, ich war ganz sicher: Bei  m i r entsprach es den Tatsachen!
Jetzt war es aber an der Zeit
Abschied von den Menschen und unserem Zuhause auf Zeit zu nehmen. Ich konnte es
kaum erwarten Paul unsere Brut vorzuführen.
Ich stand also auf.
Alle elf Kinder folgten mir artig
durch den Garten. Wir passierten das Grundstück des Nachbarn, und dahinter lag
die   aufregende, neue Welt, das Wasser
des Feuerwehrteiches der freiwilligen Feuerwehr zu Groß Timmendorf.
Allmählich wurde das Klicken der
Kamera leiser, bis es ganz verstummte.




 
Nachtrag der Menschin:


 
Ich bin so dankbar, dass ich das
erleben durfte. Man mag es eigenartig finden, aber ich vermisse Pauline. Sechs
intensive Wochen haben wir miteinander verbracht.
Zwei Tage später wechselten wir endlich
das reichlich verschmutzte Teichwasser. Alle Fische waren gesund und munter.
Wiederum zwei Tage später das
Entsetzen! Der Reiher hatte jetzt klare Sicht auf seine Beute und unseren
Fischbestand um einiges reduziert.
So ist nun mal die Natur; manchmal
einfach wunderbar und   dann wieder sehr
grausam.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Irmgard Mizani).
Der Beitrag wurde von Irmgard Mizani auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Irmgard Mizani als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Riss im Herz von Anschi Wiegand



Gedanken über das Leben und die Liebe, Träume und Sehnsüchte finden sich in den vielfältigen Texten dieses Lyrikbandes wieder und möchten den Leser einladen, sich auf eine besinnliche Reise zu begeben hin zur Herzensinsel, die jeder von uns braucht, um sich dem Leben stellen zu können.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Tiergeschichten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Irmgard Mizani

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Courage von Engelbert Blabsreiter (Tiergeschichten)
Der Kurschatten von Margit Kvarda (Humor)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen