Heike Clarissa Conundrum

Innere Unruhe

Cynthia´s Tag begann wie jeder andere auch.
Es war ein schöner Tag. Die Sonne blinzelte durch die Bäume direkt hindurch in ihr Schlafzimmer. Die Wärme des nun kommenden Tages machte sich jetzt schon wohlig breit. Dieser Tag würde ganz sicher ein wundervoller Sonntag werden.
Sie hüpfte aus dem Bett und bewegte sich Richtung Badezimmer.
Dabei kam sie an der Küche vorbei, wo bereits ihr Mann saß. Sie flötete ihm ein müdes langgezogenes „Kaffeeeeeee“ entgegen, welches sein Stichwort war, Cynthia`s Kaffeemaschine in Gang zu setzen.
Ein morgendliches Plappermaul ist Cynthia wahrlich nicht. Sie kann nicht aufstehen und direkt gute Laune haben. Nach etwa dreißig Minuten, sprich nach der ersten Tasse Kaffee sieht die Welt schon so erwähnenswert aus, dass Cynthia nun anfing Tagespläne zu schmieden.
Das Wetter war so wie Cynthia es mag.
Auf einen gemeinsamen Schönwettersonntag hoffte Cynthia allerdings nicht. Weder Ehemann noch fast erwachsene Tochter hatten Lust auf einen Ausflug.
Wer nicht will hat Pech, dachte Cynthia und begann ihren Rucksack vollzustopfen. Hinein kamen eine Decke, eine Flasche Wasser, ein Buch, Fotoapperat und das Handy. Der mp3-Player wurde an Frau verstaut und los konnte es gehen.
Die Familie wünschte ihr viel Spaß, sie solle auf sich aufpassen und nicht zu sehr in der Sonne bleiben.
Es war elf Uhr vormittags eines wunderschönen Sonntages, wo Cynthia nun losstakste.
Ziellos, planlos und leer.
Sie würde den Tag auch alleine verbringen und in allen Zügen genießen, es wäre schließlich nicht das erste Mal.
Sie lief drauf los, dorthin, wo sie eigentlich immer landete.
Im Wald.
Sie atmete die frische Luft ein, genoss die Wärme und die Ruhe.
Sie mochte diese Ruhe.
 
Nach etwa vierzig Minuten war sie dort, wo sie schon so oft war.
Auf einer großen Wiese mitten im Wald, wo sich selten jemand hinverirrte.
Sie lief in die Mitte der Wiese, breitete ihre Decke aus, strich sich die Schuhe von den Füssen, zog ihre Kleidung aus und legte sich auf die Decke.
Keine Menschenseele, einfach nur himmlische Ruhe.
Es gab nur sie, die große Wiese, das Zwitschern der Vögel, das Zirpen der Grillen und ab und an sauste nicht weit entfernt mal ein Zug hinter den letzten Baumreihen vorbei.
Es vergingen keine zehn Minuten und sie schaute das erste Mal zur Uhr. Sie fühlte eine innere Unruhe.
Diese Unruhe hatte sich schon vor geraumer Ewigkeit eingeschlichen und sie konnte sie sich nicht erklären.
Sie hatte alle Zeit der Welt an diesem Tag und konnte das, was sie so sehr mag einfach nicht genießen. Cynthia drehte sich um auf den Rücken und schaute in den Himmel. Weit oben flog ein Flugzeug.
Sie überlegte ob es wohl in den sonnigen Süden fliegen würde. Urlaub, Strand, Sonne und Erholung.
Insgeheim fing sie an die Passagiere zu beneiden.
Doch woher wusste sie wohin das Flugzeug fliegen würde? Ob nicht doch nur Leute drin saßen, die einfach nur irgendwo einen wichtigen Geschäftstermin zu erledigen hatten oder jemanden besuchen wollten, vielleicht sogar noch aus einem traurigen Anlass?
 
 All das wusste Cynthia nicht. Würde das Flugzeug niedriger fliegen und es wäre möglich, dass die Leute dort in diesem Flugzeug sie nun sehen könnten, würden vielleicht sie anfangen Cynthia zu beneiden.
Dort unten auf der Wiese, bei schönstem Wetter ganz allein und in himmlischer Ruhe.
 
Cynthia drehte sich wieder um, diesmal auf die Seite. Sie beobachtete einige Insekten, die  neben ihrer Decke umherschwirrten und stellte fest, das es doch für eine Vielzahl von denen geben musste. Wie unbeschwert sie dort auf der Wiese in den Tag hinein lebten, völlig gedankenlos.
Sie schaute instinktiv zur Uhr.
Es sind wieder zehn Minuten vergangen, Cynthia´s innere Uhr lief tadellos. Wieder einmal drehte sie sich und schloß sie die Augen.
Es war sicher nicht alles perfekt, das keinesfalls. Aber hatte sie einen Grund zu klagen?
Was lief falsch in ihrem Leben? Warum war sie so ziellos? Was beunruhigte sie innerlich?
 
Noch einmal drehte sie sich wie eine Bratwurst auf dem Grill. Wieder schaute sie zum Himmel.
Sie beobachtete ein paar Wolken, wie diese gemütlich am Himmel entlang schlenderten, und wollte es ihnen eben tun.
Sie setzte sich auf ihre Decke, nahm die Sonnenbrille ab und schaute die Wiese entlang und dachte nach. Eine Riesenlibelle kam fast auf sie zugeflogen und ließ sich knapp neben Cynthia auf einem Grashalm nieder. Nur für einen kurzen Augenblick, dann flog sie flügelklappernd weiter und Cynthia tippte auf die Möglichkeit, hier eine Leidensgenossin entdeckt zu haben.
Einer Libelle mit innerer Unruhe.
Gibt es so etwas?
Möglicherweise hatte sie es einfach nur unbegründet eilig.
Genau wie Cynthia auch.
 
Sie stand auf, zog sich an, packte wieder ihren Rucksack zusammen und machte sich auf den Heimweg.
Es wird einen anderen Tag geben müssen, an dem sie richtig entspannen wird. Vielleicht, so hoffte sie, dann einmal völlig unbeschwert und frei.
 
Nach keinen drei Stunden steckte sie den Schlüssel der Wohnungstür ins Schloss und betrat ihre Wohnung. Von ihrer Tochter hörte sie aus ihrem Zimmer ein „Hi mom“ rufen, ihren Mann fand sie im Wohnzimmer vor. Von ihm ertönte ein müdes langezogenes „Kaffeeeeeeee ist schon fertig“. Dabei lächelte er sie an.
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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