Simone Alby

Reif für die Insel

Reif für die Insel... Ja, genau das dachte ich mir nach der letzten Hammertour durch quer Europa. Ich war sowas von gestresst und ausgebrannt, dass ich es gerade mal an den PC schaffte, um mir online eine Urlaubsreise zu buchen. Einfach nur weg. Egal wohin. Egal wie teuer. Das hatte ich mir verdient.

Gesagt, getan. Ohne groß zu zögern war bald mein Flug und mein Hotel gebucht. Der Ort sagte mir zwar nichts, aber egal. Hauptsache Urlaub! Sonne, Strand, Meer, und einfach nur die Ruhe und Freizeit auskosten. Herrlich! In Windeseile packte ich meinen Koffer. Dass die Sachen dabei zerknitterten, war mir egal. Mir war sowieso alles egal, Hauptsache ich würde so schnell wie möglich hier weg kommen.

Als ich drei Stunden später eingecheckt hatte, stellte sich eine gewisse Zufriedenheit ein. Und nachdem ich mir einen großen Schluck des Whiskey's gegönnt hatte, den ich kurz zuvor im Duty-Free-Shop erstanden hatte, wurde ich langsam ruhiger.

Der Flug verlief gut, und Dank der Müdigkeit, die mich mit Schlaf übermannte, auch schnell. Ich bekam rein gar nichts davon mit. Erst als mir unsanft an der Schulter gerüttelt wurde, bemerkte ich, dass die Maschine gelandet war. Ich folgte dem Pärchen nach draußen, und wurde erstmal von der sengenden Hitze umgehauen. Passenderweise befand sich meine Sonnenbrille im Koffer und nicht wie üblich in meiner Hemdtasche, so dass ich mit der Hand die Augen abschirmen musste.

Verwundert stellte ich fest, wie klein der Flughafen war, und ein Blick zurück bewies mir, dass das Flugzeug ebenfalls nicht gerade als groß bezeichnet werden konnte. Ich schüttelte den Kopf. Dass ich das nicht eher bemerkt hatte? Aber es war ein weiterer Beweis dafür, wie fertig ich war. Auf wackligen Beinen tat ich einige Schritte und sah mich um.

Das Pärchen aus dem Flugzeug war nicht mehr zu sehen. Egal, ich war eh nicht unbedingt auf Gesellschaft und eine damit verbundene Unterhaltung aus. Aber wo war der Shuttle-Bus, der mich zum Hotel bringen würde? Ich drehte mich einmal im Kreis, und sah weit und breit nichts, außer öde, durch die Hitze vertrocknete Landschaft, den Flieger, an dem sich bereits ein Techniker zu schaffen gemacht hatte, und einen Koffer, der einsam und verlassen in der Gegend herum stand. Ich stutzte. Das war mein Koffer! Mir entfuhr ein entsetztes Stöhnen, welches die Aufmerksamkeit des Technikers auf mich lenkte.

Von da an ereignete sich alles Schlag auf Schlag, und war eindeutig zu viel für meinen ausgelaugten Körper und von der Hitze ganz matschigen Kopf. Der Mann gab mir zu verstehen, dass es hier üblich war, sich selbst um sein Gepäck zu kümmern, und dass es weder einen Shuttle-Bus, noch ein Taxi zum Hotel geben würde. Es wäre nicht weit entfernt, und gut zu Fuß zu erreichen.

Mein Entsetzen musste sich deutlich in meinem Gesicht wider spiegeln, doch der Herr zuckte nur mit den Schultern und ließ sich auf keine weitere Diskussion ein. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich allein auf den Weg zu machen. Mit schweren Beinen lief ich in die Richtung, die der Mann mir gewiesen hatte. Ein Gebäude, welches dem Flughafen angehörte, war das einzige weit und breit. Allerdings führte auch nur eine Straße davon weg, also konnte ich nicht falsch sein.

Bereits nach wenigen Meilen bekam ich nichts mehr von der eintönigen Gegend mit. Mein Blick war stetig auf die staubige Straße gerichtet, auf der mir während der gesamten Zeit kein Auto begegnete, welches ich hätte um Hilfe bitten können. Aber kein Wunder. Es war schließlich die einzige Straße, die vom Flughafen weg führte, wo wahrscheinlich der Techniker der einzige Mensch war, der sich zu dieser Zeit dort befand. Jedenfalls hatte es dort ziemlich verlassen ausgesehen.

Ich stieß eine laute Fluchtirade aus. In was für einem Kaff war ich hier bloß gelandet? Und wieso um alles in der Welt hatte ich so getrödelt? Schließlich hatten die anderen Passagiere, die Piloten und die Stewardess auch von diesem einsamen Fleckchen wegkommen müssen. Und dass sie allesamt gelaufen waren, das konnte man mir nicht weis machen.

Die Minuten wurden zu einer Stunde, und ich lief immer noch, ohne mein Ziel erreicht zu haben. Mit mir der Schweiß, der nicht nur mein T-Shirt an den Körper kleben ließ. Und ich war eindeutig noch nie so froh darüber gewesen, dass mein Koffer Rollen besitzt. Allerdings verfluchte ich mich, dass ich am Flughafen nur Whiskey gekauft hatte. Was hätte ich jetzt für eine Flasche Wasser gegeben?

Mechanisch zwang ich mich dazu immer wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen, und hielt das Gebäude, welches urplötzlich hinter einer Biegung vor meinen Augen auftauchte für eine Fata Morgana. Die offensichtlich phantastische Gegend, trug dazu ihren Teil bei. Umrahmt wurde das helle Gebäude von saftig grünen Palmen, im Hintergrund war azurblaues Meer zu erkennen.

Träumte ich? Ich rieb mir die Augen, doch das Bild blieb und bewies mir, dass es tatsächlich Wirklichkeit zu sein schien. Unwillkürlich fiel mir das Gehen leichter, und je näher ich kam, desto geringer wurde mein Ärger. Wenn das nicht mal ein Traum von Hotelanlage war. Wenn sie genauso viel her gab, wie sie aus der Ferne versprach, dann würde ich sicherlich über den beschwerlichen Weg, hinwegsehen können.

Ich brachte die letzten paar Meilen im Eilschritt hinter mich. Denn das, was mich voran trieb, waren mein ventilator-gekühltes Hotelzimmer und eine kalte Dusche, die ich vor Augen hatte.

Die Dame an der Rezeption begrüßte mich freundlich, obwohl sie etwas ungläubig drein schaute. Wahrscheinlich hatte ich neben Schweiß auch noch Staub oder Dreck im Gesicht. Nachdem sie sich meine ausgedruckte Bestätigung durch ihre dicken Brillengläser angeschaut hatte, griff sie hinter sich und brachte einen Schlüssel zum Vorschein. Ich bedankte mich mit einem Lächeln. Jetzt hatte ich es gleich geschafft! Die Tortour sollte ein Ende haben.

So dachte ich jedenfalls, denn der erste Eindruck des Hotels erwies sich als purer Wunschglaube. Im Innern war es stickig und eng, und das Zimmer ließ mich aus den Latschen kippen. Im negativen Sinn wohl bemerkt. Es war klein und so dermaßen zugestellt, dass man sich kaum bewegen konnte. Zudem kam noch, dass der Putz von den Wänden bröckelte und es nur so von Fliegen wimmelte. Und wo war mein heiß ersehnter Ventilator? Ich konnte ihn nirgends entdecken. Na bravo! Und das bei der Hitze! Es half alles nichts, ich musste raus aus den verschwitzen Klamotten. Sie klebten eklig am Körper und strahlten einen leicht unangenehmen Geruch aus.

Kurz drauf tapste ich nackt ins Bad. Jetzt konnte es nur noch besser werden hoffte ich, doch bevor ich in die Dusche stieg, durchzuckte meinen linken Fuß ein Schmerz. Ich heulte auf, versuchte auf dem anderen Bein das Gleichgewicht zu halten und sah, dass ich in eine Glasscherbe getreten war. Blut tropfte auf die Fliesen und tat seinen Teil dazu bei, dass mein Magen noch mehr rotierte, als er eh schon tat. Nun aber nichts wie schnell unter die Dusche.

Ich biss die Zähne zusammen, schrie aber auf, als der Strahl - wenn es die paar Tropfen überhaupt wert waren, als Strahl bezeichnet zu werden - meinen Körper traf. Das Wasser war sowas von heiß, und dabei hatte ich allein kaltes Wasser aufgedreht. Darauf bedacht nicht auf die verletzte Stelle zu treten, drehte ich diesen Hahn also wieder zu, und betätigte den anderen. Das selbe Spiel wiederholte sich noch mindestens drei mal, bis ich resigniert aufgab und ungläubig vom Wasserhahn zum Duschkopf blickte. Wie konnte das möglich sein?

Laut fluchend verließ ich die Duschkabine. Nun würde ich wohl oder übel mit dem Waschbecken vorlieb nehmen müssen, und mich in guter alter Manier mit einem Waschlappen begnügen müssen. Wie gut dass ein solcher wenigstens vorhanden war. Doch eins hatte ich nicht bedacht.

Die Wasserleitung war natürlich ein und dieselbe, so dass aus diesem Wasserhahn eben solch heißes Wasser hinaus geschossen kam. Richtig, hinaus geschossen. Denn der Druck, der in der Dusche gefehlt hatte, war hier zweifellos vorhanden. Notdürftig wusch ich das Blut von meinem Fuß und den Schweiß von meinem Körper, obwohl es alles andere als angenehm war, bei dieser Hitze kein kaltes Wasser zur Verfügung zu haben. Heute war echt nicht mein Tag!

Nach diesen ganzen Unannehmlichkeiten war mir nun nach einem kalten Drink im Schatten einer Palme. So begab ich mich immer noch leicht humpelnd und mit frischen luftigen Klamotten bekleidet in den Hinterhof des Hotels. Es war weit und breit kein anderer Gast zu sehen. Fehlte nur noch, dass die Bar nicht besetzt war, kam mir kurz in den Sinn, doch das Schicksal spielte mir in dieser Hinsicht ausnahmsweise keinen Streich. Jedoch anscheinend meine Augen.

Die Dame hinter dem Tresen war im Vergleich zu der Frau am Empfang um Längen jünger, und alles, was mich von ihr anlachte, war ihre pralle Oberweite, die in einer Korsage steckte, und somit mehr als deutlich zusammen gedrückt wurde. Röte schoss mir ins Gesicht, jedoch konnte ich meinen Blick nicht davon abwenden. Wo um alles in der Welt sollte auf dieser abgelegenen Insel ein Modehaus zu finden sein, welches derartiges verkauft? Und vor allem, wie hielt die Frau es bei dieser Affenhitze so eingeschnürt aus?

Als ich mich schließlich in einem Liegestuhl wieder fand, wusste ich um ehrlich zu sein nicht mehr, wie ich mich von der Bar hatte losreißen können. Wahrscheinlich hatte mein Hirn für kurze Zeit ausgesetzt, und mich von dem Anblick weggezerrt. Ansonsten würde ich wahrscheinlich noch immer dort sitzen, und in diesen Ausschnitt starren. Himmel, ich musste mich unbedingt anderweitig ablenken und auf andere Gedanken kommen, wer weiß wohin das sonst noch führen würde.

Langsam aber sicher fing ich an mich zu entspannen, die Ruhe und vor allem den Urlaub zu genießen, der alles andere als angenehm begonnen hatte. Aber solange nichts weiter schief laufen würde, könnte es im Großen und Ganzen recht vielversprechend werden. Über das schlechte Zimmer konnte ich hinweg sehen, war es schließlich nur zum Schlafen da. Den Rest der Zeit würde ich eh im Freien verbringen. Okay, gegen die Fliegen müsste ich was unternehmen, und wegen des heißen Wassers würde ich mich später an der Rezeption beschweren. Naja, und für den Rückweg zum Flughafen würde sich sicherlich jemand finden lassen, der mich mit dem Auto dorthin fahren könnte...

Ich wollte mich gerade genießerisch räkelnd zurück lehnen um ein Nickerchen zu halten, als mich ohrenbetäubender Lärm zusammenzucken ließ. Ein Blick gen Himmel ließ mich erkennen, dass es sich um einen Schwarm Kampfflugzeuge handelte, die scheinbar nichts besseres zu tun hatten, als ihre Runden genau über diesem Fleckchen Erde zu drehen. Alles Einreden, dass sie bald verschwunden wären half fatalerweise nichts, denn Minuten später waren sie immer noch dort, und gewiß nicht leiser.

So erhob ich mich wohl oder übel von meinem Platz und ging zu der Bar rüber, hinter der nun ein Mann stand. Vielleicht zum Glück für mich. Die Antwort auf meine Frage, ließ mein Gesicht versteinern. Das sollte normal sein? Jeden Tag würden sie ihre Übungsflüge ausrichten? Gerade eben hier? Ich fragte ihn, ob er mich verarschen wolle, doch er lachte nur, und entgegnete trocken, dass man sich dran gewöhnen würde. Außerdem gäbe es ja Ohrstöpsel.

Somit musste ich mich erneut meinem Schicksal ergeben, ob ich nun wollte oder nicht. In meinem Kopf ratterte es. Ich nahm dieses Mal allerdings verärgert den Schattenplatz im Liegestuhl ein und versuchte meine Ohren auf Durchzug zu stellen. Über dem Ganzen musste ich eingeschlafen sein, denn als ich durch ein Kitzeln an den Beinen geweckt wurde und die Augen aufschlug war es bereits dunkel. Ja, der Tag war anstrengend und eindeutig zu viel für meine Nerven gewesen.

Aufgeregtes Stimmengewirr umgab mich, und als ich mich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, erkannte ich eine Gruppe Jugendlicher, die eine Party am Lagerfeuer veranstalteten. Sie schienen bester Stimmung zu sein, was mich alles andere als freute. Nun war es auf ein Neues aus mit der herbeigesehnten Ruhe. Mir blieb auch nichts erspart.

Missmutig beobachtete ich sie eine Weile. Als aber ein maskiertes Etwas mit Indianergeheul auf mich zusprang, mir den Mund zuhielt und meine Hände zusammenbinden wollte, war es aus mit der Beherrschung. Ich entriss mich dem Überfall, sprang auf, schlug zu und rannte davon. Nein, so was ließ ich mir nicht gefallen. Sollten sie ihre Spielchen doch mit jemand anderem spielen.

Ich war schließlich hierher gekommen, um Ruhe zu haben, mich zu entspannen, und meinen Urlaub zu genießen. Und dann so was! Nahezu alles war bisher schief gelaufen... Das konnte doch nicht wahr sein! Aber ein Kniff in den Arm, machte mir auf schmerzliche Weise bewusst, dass dies die Realität war. Horrende Realität!

Mit diesem Urlaub hatte ich mir eindeutig ein Eigentor geschossen. Aber wie hätte ich das ahnen können? Stimmt, gar nicht! Tja, und nun? Nun war ich mehr denn je Reif für die Insel!

 
© Simone (07/2004)
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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