Paris Bijou

Kolumne: Wir und ich

In einer stadtbekannten Cocktailbar war ich verabredet. Es war  eine bestimme Art von Verabredung. Nicht im Sinne eines Dates mit einer besonderen Frau oder ein Abend zusammen mit Freunden. Es war eine Verabredung mit zwei Freunden, oder besser gesagt einem Pärchen. Anja und Mark. Mark gehört zu den Menschen, die ich schon sehr lange kenne. Mit ihm verbrachte ich früher viel Zeit. Wir machen zusammen Sport, gingen feiern und überhaupt war er ein guter Freund. Seit über einem Jahr befand sich Mark in einer festen Beziehung mit Anja. Und genau seit diesem Zeitpunkt hörte ich kaum noch etwas von ihm, vom Sehen ganz zu schweigen. Anja und Mark waren für einander geschaffen. Sie ergänzten sich in jeder Hinsicht. Sie verbrachten jede freie Sekunde beisammen und schienen dabei auch immer glücklich zu sein.
An jenem Abend erschien ich pünktlich zu meiner Verabredung. Anja und Mark waren bereits da. Schon zu diesem Zeitpunkt als ich die beiden dort Händchen haltend sitzen sah, wäre ich am liebsten gegangen. Den ganzen Abend schwärmten sie von einander. Als Mark mich dann fragte, ob ich mich denn auch in einer Beziehung befinden würde und dass ich sie ja hätte mitbringen können, musste ich ihn enttäuschen. Ich sagte ich sei Single und auf einmal funkelten Anjas Augen auf. Sie hätten da auch eine Freundin, die Single sei und dass sie sie mir doch gerne mal vorstellen wollen würde. Wir würden gut zueinander passen. Es ginge ja nicht, dass ich Single sei. Mark nickte währenddessen überzeugt.  
Als dann auch ich endlich mal zu Wort kam, war es nun Anja, die ich enttäuschen musste. Ich teilte ihr mit, dass ich momentan nicht auf der Suche nach einer Frau wäre, mit der ich zusammen sein möchte. Ich wäre im Moment mit meinem Singledasein zufrieden.
In diesem Moment war sowohl Anja als auch Mark nicht nur die Enttäuschung anzusehen, sondern vielmehr die Verachtung mir gegenüber. Nicht mir als Person, sondern mir als Single. Sie konnten es nicht fassen, dass ich gerne Single sei. Ich lächelte nur verlegen, kam mir aber völlig beschissen vor. Anja und Mark gehörten zu den Pärchen, die Singles als Verlierer ansahen. Verlierer, die es nicht schaffen eine Beziehung zu führen. Verlierer, die nicht in der Lage sind, jemanden für eine Beziehung zu finden. Das Singledasein als Vorstufe der Beziehung.
Dass das Singledasein auch eine Parallelstufe zu einer Beziehung sein kann, und dass man auch gerne Single sein kann, war für Anja und Mark unfassbar, wenn nicht sogar absurd.
Mir fiel auf, dass Mark sich verändert hatte. Nicht nur dass er seine alten Freunde komplett vernachlässigt hatte und Anja überall dabei war. Nein, es war viel mehr. Jeder von sich erzählende Satz, der früher bzw. bei anderen nicht Single-hassenden Menschen, mit ,,Ich" gebildet wurde, wurde nun durch das Wörtchen ,,Wir" ersetzt. ,,Wir haben da eine Freundin", ,,Wir kochen gerne zusammen", ,,Wir waren gestern in diesem neuen Streifen".
Aus zwei Personen wurde eine. Das Wörtchen ,,wir" ersetze das ,,ich". Das ,,Wir" als neue Singularform.
Nun wurde mich auch klar, warum sie mich nicht verstehen konnten. Sie waren mittlerweile so zusammen gewachsen, dass sie der Meinung waren, dass man nur so glücklich sein könne. Das man erst dann ein vollkommener Mensch sei.
Der Abend neigte sich dem Ende zu, worüber wohl auch alle froh zu sein schienen. Bei der Verabschiedung war ihnen das Missverständnis noch anzusehen.
Später telefonierte ich noch mit einem Freund und berichtete ihm von dem Abend. Er sagte mir, dass er nicht den Anstand gehabt hätte zu bleiben, sondern wäre schon viel früher gegangen, weil er das Verhalten von Anja und Mark als reine Unverschämtheit ansehen würde.
Nun, als reine Unverschämtheit sehe ich das nicht. Es ist vielmehr eine Frage von Verständnis. Pärchen wie Anja und Mark haben für Singles wie mich nun einmal kein Verständnis, auch wenn sie mich mögen und es nicht böse gemeint ist.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Paris Bijou).
Der Beitrag wurde von Paris Bijou auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.08.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Paris Bijou als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Ein Teil von mir von Karin Schmitz



Sinnlich, erotische Lyrik

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Autobiografisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Paris Bijou

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Kolumne: Ein mieser Tag von Paris Bijou (Lebensgeschichten & Schicksale)
Meine Bergmannsjahre (fünfter Teil) von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)
Pilgerweg VI. von Rüdiger Nazar (Abenteuer)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen