Daniela Rabenstein

Am Fenster

Ich stehe am Fenster und sehe hinaus. Es ist meine Wohnung; eine Dachwohnung in einem mehrstöckigen Haus. Es ist ein warmer Frühlingstag, die Sonne scheint und der Himmel ist wolkenlos. Ich starre einfach nur aus dem Fenster, und ich erinnere mich. Ich lag auf meinem Bett und sah sie am Fenster stehen. Sie hatte immer gesagt, sie hätte Höhenangst und doch stand sie an diesem Tag am Fenster. Es war genau hier, wo ich jetzt stehe. Sie kam oft in meine Wohnung, aber nie ist sie ans Fenster gegangen. Eben wegen ihrer Höhenangst. An diesem Tag war alles anders.
Normalerweise trug sie die Haare zusammen oder band ein Tuch hinein, wannimmer sie zu mir kam. Aber als sie dort am Fenster stand, fielen ihr die Haare ins Gesicht. Ich mochte ihre Haare. Und dann sagte sie, sie wäre nicht glücklich in der Stadt. Ich wußte, was sie meinte. Sie liebte das Meer, die Natur - die Stille. Heute liebe auch ich das Meer. Ich konnte nichts tun, und ich fühlte, daß sie anders war. Plötzlich setzte sie sich aufs Fensterbrett und ließ die Füße. raushängen. Sie sagte, sie hätte Angst, doch ich glaubte ihr nicht. Leise - kaum hörbar - sagte sie, alles täte ihr so leid. Dann ließ sie sich nach vorn fallen.
Ich sprang auf und rannte zum Fenster. Ich schrie und weinte, und ich sah sie da unten liegen. Aber ich konnte ihr nicht helfen. Nicht mehr. Mir laufen Tränen über die Wangen, als ich an all das denke. Es ist jetzt drei Jahre her, aber ich kann es nicht vergessen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.08.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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