Carsten Hinze

Der kurze Feierabend

 Die Durchsage zum Ladenschluss ertönte um Punkt 20:00 Uhr aus den Lautsprechern. Einige Kunden waren noch im Laden und kramten langsam ihre sieben Sachen zusammen. An der Kasse brach langsam die Hektik und Panik aus, weil man noch einen wichtigen Termin hatte. Schließlich hatte sie ihre Schulfreundin seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Doch die paar Menschen kamen nicht so wirklich in Endzone vor der Kasse.
„Tschau!“ – „Schönen Feierabend!“, ertönte es aus den Mündern ihrer Kollegen, die sich auf den Weg in Bürotrakt machten. Einer hatte ein Herz und sprach die Leute in der Tonträgerabteilung an, dass der Laden jetzt schließen würde. Entgeisterte Gesichter kamen zum Vorschein. In den Köpfen schien man, „Wie kann das denn jetzt sein, ich habe den Laden doch gerade erst betreten!“ zu lesen. Also wurden einige CDs wieder zurückgestellt. Das Telefon fing am Informationstresen zu klingeln an. Also wurde die Kasse immer nervöser. Zwei finster dreinschauende Kunden verließen kopfschüttelnd die Abteilung und gingen in Richtung der Fernsehabteilung. Mit einem Grinsen auf den Lippen legte der Mann von den beiden, die in der Hand gehaltene Ware irgendwo in ein Regal. Jetzt dachte er sich bestimmt, „Die werde ich hier schon noch ärgern!“ Im folgten einige weitere Kunden, die aber sowieso nichts in der Hand hatten. Der Verkäufer war, der letzte in der Reihe und ergriff mit einem gekonnten Griff, die in dem Regal abgelegte Ware. Mit zügigen Schritten ging er bis zur Kasse, überholte dabei noch die anderen Kunden. Dabei hielt er die gefundenen Stücke hoch in der Hand.
„Hallo, sie haben ihre CDs vergessen oder wollten sie sie nicht mehr!“, sagte er, zu dem kurz vor der Ausgangstür befindlichen Pärchen. Das schon finstere Gesicht des Mannes wurde schlagartig rot und dann noch finsterer. Mit einem, „Nein, danke!“ verließ er das Geschäft. Die anderen Kunden folgten ihnen ohne weitere Worte. Die Blicke des Verkäufers und der Kassendame trafen sich. Er zuckte mit den Schultern und schüttelte seinen Kopf. Nun waren sie die Letzten im Verkaufsraum. Die Türen im Eingangsbereich waren schon zu Hälfte geschlossen. So blieben nur noch drei von den Schiebeflächen, welcher er mit Leichtigkeit schloss. Sie gab ihm den Schlüssel für die Haupttür und packte ihre Sachen zusammen. Mit piependen Tönen meldete sie die Kasse ab. Währenddessen schloss er die Tür ab und sagt, „Endlich sind die Idioten raus! Puh, war das wieder ein langer Scheißtag!“ „Ja, da gebe ich dir recht. Alle so hektisch und unfreundlich. Obwohl Ferien waren. Naja, hoffe es wird morgen besser!“ So verabschiedeten sich die beiden. Mit Eiligen schritten ging sie zum Personaleingang. Schwungvoll drückte sie die Klinke der schweren Metalltür herunter und stieß sie auf. Als die Tür ins Schloss fiel, war er auch schon heran. Nun atmete er einmal tief durch und drehte mit einer kleinen Handbewegung die Lautstärke der HiFi Anlage höher. Eines seiner Lieblingslieder lief gerade. Sofort schoss ein Grinsen in sein Gesicht. Er würde sich gleich bei einem schönen Weizen in der Kneipe von den Strapazen des Tages ausruhen können. Er ging wippend und mit summend um die Ecke, welche zum Bürotrakt führte. Vorbei an dem Schaltkasten und der Prospektwand, öffnete er die Tür. Mit dem rechten Fuß verkeilte er sie gekonnt, damit die laute Musik in den Flur dringen konnte. Seine Blase meldete sich erneut. Da er die letzten zwei Stunden allein in der Abteilung stand, war es ihm auch schlecht möglich auf die Toilette zu gehen. Trotzdem hatte er noch einige Aufgaben zu erledigen. Schlüssel einschli! eßen und die Alarmanlage checken. Dieses wollte er noch vorher machen, also erhöhte er seinen Schritt. Laut mitsingend durchschritt er den Flur. Schloss dabei ein Fenster, klickte die Kaffeemaschine aus und stand im Büro. Dort lagen schon die anderen Schlüssel der anderen Abteilungen. Sie wurden von ihm kurz gezählt und der Erhalt wurde unterschrieben. Dann nahm er alle in die Hand und ging in das Chefbüro. Dort war ein kleiner Kasten angebracht, welcher mit einer Codezahl geöffnet werden konnte. Mit einer Leichtigkeit tippte er die Nummer ein und schon ließ sich die Tür öffnen. Er sah einen Tresorschlüssel und einen Motorradschlüssel. Dazu legte er die Abteilungsbünde und schloss den kleinen Wandtresor wieder.
„Mmmmmh, die Alarmanlage wird schon stimmen. Ich muss dringend aufs Klo“, sagte er sich. So machte er gleich kehrt und ging in den Flur zurück. Vorbei am Spintraum und einigen vom Chef aufgehängten Postern. Nach einigen Besuchen der Feuerwehrinspektoren musste der Flur leergeräumt werden. So sah er sehr leer und trostlos aus. Aber das war momentan nicht so wirklich sein Problem. Mit einem quietschenden Geräusch öffnete er die Tür zum Männerklo. Grelles Neonlicht erhellte den gekachelten Raum. Es roch nach Unrat. Er schritt Schnurstraks zum Pinkelbecken an der Wand und öffnete seinen Hosenstall. Der geübte Griff holte seinen kleinen Freund heraus und schon schoss auch der gelbe Strahl in das Becken. Erleichterung machte sich breit. So konnte er sich auch ein lautes „Aaaaahhhhhh!“ nicht verkneifen. Nachdem der heiße gelbe Strahl verebbte, wurde kurz geschüttelt und alles wieder sauber verpackt. Ratsch, machte der Reißverschluss. Er war ja allein, also wurde auch mal das Händewaschen vergessen. Nein, so ein Typ von Mensch war er nicht. Er wusste zwar von einigen Kollegen, die selten Wasser und Seife nach dem Geschäft an ihre Hände ließen, aber gehörte nicht dazu. Also wusch er sich noch mit der komischriechenden Seife, aus dem Spender seine ausgetrockneten Hände. Trocknete sie anschließend mit den harten Papiertüchern aus dem Zentrallager und riss die Tür zum Flur schwungvoll auf.
Im Verkaufsraum schallte die Musik noch immer lautstark in den Flur. Ein weiteres Lieblingslied von ihm lief gerade. Hände reibend und pfeifend ging er um die Ecke. Sein Blick prüfte nebenbei die Fenster, ob sie auch alle verschlossen waren. Bei der Feststellung alles Okay atmete er tief durch. Schaute zu seinem Sakko, welches an der Wand an einem Bügel hing. Griff kurzerhand in die rechte Außentasche und nahm sein MP3 Player heraus. Er drückte auf den Start-Knopf und verstaute die Ohrstöpsel in seinem Ohr und das Gerät in seiner Hosentasche. Heavy-Metal Musik dröhnte aus den kleinen Lautsprechern. Schwang sich geschwind in sein Sakko und holte den Filialschlüssel hervor. Mit einem klappernden Geräusch hielt er ihn in der rechten Hand.
Schritt um die Ecke in den langen Flur und schaute mit prüfenden Blicken auf die Fenster. Sie Ware alle verschlossen. Mit der linken Hand schaltete er in den Toilettenräumen die Lichter aus. Kontrollierte mit einem schnellen Griff, ob die Lagertür verschlossen ist. Dann stand er vor der schweren Metallsicherheitstür. Diese Brandschutztür musste tagsüber immer verschlossen sein, so wurde es den Leuten in den letzten Tagen von der Feuerwehr gesagt. An manchen Tagen wurde sich allerdings nicht unbedingt daran gehalten.
Der Ruck kam aus dem linken Arm, um die schwere Tür zu öffnen. Sie knallte an die Wand und er schritt hindurch. Links von ihm befanden sich Prospektständer, welche in den letzten Jahren immer leerer wurden. Dann stand er vor dem großen Sicherungskasten. Der hatte, seiner Meinung nach, auch schon seit Jahren ausgedient. Doch Geld zum Auswechseln war in dieser Firma nicht wirklich vorhanden. Die beiden Flügeltüren quietschten, als er sie öffnete. Surrende Geräusche füllten den kleinen Gang, doch durch die Heavy Metal Musik waren sie nicht zuhören. Er griff nach dem ersten kleinen Schalter und das Deckenlicht ging aus. Klapp war die eine Tür wieder zu. Mit schnellen griff klappte er so nach und nach die anderen vier Sicherungsschalter herunter. So ging auch überall im Laden das Licht aus. Die Fernseher liefen nicht mehr. Die CD Player und Computer gingen aus. Nur noch der kleine Gang, in dem er sich befand, war noch beleuchtet. Die andere Sicherungskastentür wurde zugeklappt. Dann schritt er in die Dunkelheit und drückte auf einen Lichtschalter oberhalb der Personaleingangstür. So erlosch auch das Licht im kleinen Gang. Jetzt war nur noch, einschritt zu machen. Diesen wollte er so schnell es geht hinter sich bringen. Denn das Gefühl in einem dunklen Laden zu stehen, wo auch in den letzten Tagen erst ein Kollege bei einem größeren Diebstahl erwischt wurde, war auch nicht wirklich sehr angenehm.
Mit einem kräftigen Druck auf die schwere Klinke und dem Gegenlehnen der rechten Schulter stieß er die Tür in das Treppenhaus des Centers. Licht erfasste seine Gestalt. Noch waren ja Leute am arbeiten. Die brauchten auch auf dieser Seite des Gebäudes noch Licht. Die Tür schnellte auf, doch allerdings nicht soweit wie sonst, bei seinem kräftigen Druck. Das fiel ihm aber so schnell nicht auf. Er wunderte sich nur, als plötzlich ein Schatten im Augenwinkel erschien. Schon spürte er den Schmerz in der Magengrube. Er krümmte sich, konnte sich aber nicht wirklich bewegen, als er das kühle Metall der an Schläfe bemerkte. Auch seine Gedanken schnellten in alle Richtungen. „Was ist hier los??“, war das Erste, was er sich fragte. Sein Blick fiel auf Springerstiefel. Nicht nur ein Paar war zusehen. „Was wollen die denn?“, schoss es ihm in den Sinn. Er rang bei dem Ganzen immer noch nach Luft. So langsam erholte er sich wieder von dem Schlag.
„Komm langsam nach oben. Aber wirklich langsam. Keine hastigen Bewegungen!“, hörte er eine tiefe kehlige Männerstimme von rechts. Er würde ja auch keine Anstalten machen sich schneller zu bewegen. Die knappe Luft in seinen Lungen ließ es sowieso nicht zu. Also erhob er sich, mit einer Hand den Bauch haltend. Sein schockierter Blick erfasste fünf in schwarz gekleidete Gestalten. Die Gesichter waren nicht verhüllt. Keine Strumpfmasken, wie man sie aus den schlechten Krimis aus dem Fernseher kannte. Nein, sie waren gut zu erkennen. Im ersten Moment dachte er auch nicht, daran sich die Gesichter einzuprägen. Doch der breitere Mann, anscheinend der Anführer, fügte zu seiner Anfangsrede noch einen Nachsatz hinzu, „Verpetzt Du uns, werden wir Dich finden!“
Er schüttelte eingeschüchtert den Kopf. Was wollten diese Männer von ihm? Wieso gerade heute? Warum immer ich? Nur antworten würde darauf nicht bekommen. Auch würde er nach diesen nicht suchen wollen. Jetzt war nur noch Feingefühl angesagt. Keine schnellen Bewegungen und am besten das machen, was diese Leute sagen. So stand er leicht zitternd im Treppenhaus des Centers und schaute in die einzelnen Gesichter. Doch erblickte er nicht wirklich unsympathische Personen. Der breite Mann, welcher anscheinend der Chef war, schaute in seiner Miene wirklich sehr düster aus. Seine breiten Schultern, seine muskulösen Oberarme und seine Pranken die einen Revolver hielten, waren wirklich sehr angst einflößend. Der Kleinste von ihnen war auch Gleichzeit der Älteste. Er sah schon etwas klapprig auf den Beinen aus. Aber auch er hielt einen Revolver in der Hand. Die anderen drei waren gleich groß. Wobei sie keine Waffen trugen. Zumindest waren keine sichtbar. Der älter nickte kurz und zwei Mittlere ergriffen seine Achseln. Er zuckte leicht zusammen. Denn die Griffe waren doch sehr hart und brutal. „So dann gehen wir mal wieder hinein!“, sagte der Boss. Das Zittern in seinem Körper wurde größer. Bisher hatte er ja die Hoffnung gehabt, dass jemand im Treppenhaus erschien. Doch dieses passierte nicht. So standen sie in wenigen Sekunden zu sechst in der dunklen Filiale. Als die schwere Metalltür hinter ihnen ins Schloss fiel, musste er schlucken. Jetzt gab es keine Hilfe mehr. Je nachdem was die Männer von ihm wollten.
Sie schritten durch die Dunkelheit. Irgendwo leuchteten noch der Bildschirm und eine Leuchtreklame. Ansonsten war kaum etwas auszumachen. Er ging in der Mitte der Männer. Sie keilten ihn regelrecht ein. So war ein entkommen und verstecken in der Dunkelheit der Filiale nicht möglich. „Soll ich Licht machen?“, fragte er mit einer eingeschüchterten Stimme. Der Mann hinter ihm schlug ihm mit der Faust in die Seite. Sofort sah er Sterne vor seinen Augen aufleuchten. „Du redest nur, wenn wir dich was fragen! Ist das klar?“, wurde er angeschrien. Er nickte und gab ein Leises stöhnen von sich. Schwer rang er nach Luft. Seine Augen füllten sich mit salziger Flüssigkeit. Sie waren indessen im Gang zum Bürotrakt. Woher wussten die Männer den Weg dorthin. Bisher hatte keiner irgendwelche Fragen gestellt, bezüglich der Filiale. Als wäre es ihr täglicher Gang, schritten sie durch die schwere Feuerschutztür. Der lange Flur lag in einem seichten Dämmerlicht. Das Mondlicht schien auf einige Stellen an der Wand. Unter anderen umständen wäre es sogar richtig romantisch gewesen. Doch dieses Gestalten hatten ernste und brutale Absichten. Nur welche das konnte er sich bisher nicht wirklich ausmalen. Dafür war er auch noch immer sehr geschockt über dies ganze Situation. Richtig klare Gedanken kamen ihm nicht in den Sinn. Also war der beste Weg wirklich das Zumachen, was sie von ihm wollten. Dann sollte eigentlich alles gut ablaufen. Sie gingen um die Biegung zum Vorzimmer. Die Türen waren nicht verschlossen und so standen sie im Büro der Sekretärin. Der Große bekam ein breites Grinsen, als er hinter die Tür schaute. Da stand er, der kleine Tresor. „Was für eine Hässliche tunten Farbe!“, grölte er und lachte. Die anderen stimmten mit ein. Recht hatte er. War halt mal eine Idee eines Filialleiters. Nun war ihm bewusst, was sie wollten.
Geld! Das war das Ziel. Doch was würde passieren, wenn sie es bekämen? Schließlich kannte er ihre Gesichter. Warum sollten sie ihn dann am Leben lassen? Es gäbe ja nicht wirklich einen Grund. Schweißperlen liefen bei den Gedanken von der Stirn. Er musste schlucken. Doch der Mund war ausgetrocknet. Nichts als ein staubiges Gefühl und ein leichter Brechreiz kam zustande. Was sollte er jetzt machen? Den Tresor öffnen und sich dann erschießen zulassen oder dumm tun und sich erschießen lassen?
Eigentlich wäre es das gleich Ende für ihn! Einen wirklichen Ausweg wollte ihm nicht in den Sinn kommen. Wenn er um Gnade winseln würde, ging es vielleicht schneller, oder würden sie ihn verschonen. „Mach den Tresor auf!“, dröhnte es im Raum. Er erschrak aus seinen Gedanken. Also doch. Sie wollten Geld. „Ich habe keinen Schlüssel dafür. Den hat wenn nur der Chef. Ich bin doch nur der Schließer!“ „Das kannst Du einer Nutte erzählen. Aber nicht mir. Ich weiß, wie Eure Arbeitsabläufe sind. Also mach den verdammten Tresor auf, sonst gibt’ s Prügel!“ Er schrie nicht. Sein Tonfall war zwar sehr markant und bestimmend. Doch er war nicht laut. Er schwitzte mittlerweile am ganzen Körper. Doch wollte er sein Schauspiel nicht abbrechen. „Ehrlich. Die Abläufe haben sich geändert. Wir hatten einen größeren Diebstahl. Deswegen wurden sie in den letzten Tagen geändert. Ich wäre sonst auch keine Schließer. Die Kassen werden schon nachmittags abgerechnet, sodass man abends nicht mehr an den Tresor muss. So glauben sie mir das doch! Es ist die Wahrheit!“, winselte er, mit einer leicht verheulten Stimme. Ohne es zuwollen, hatte er zuweinen angefangen. Schließlich ging es ja um sein Leben. Kinder hatte er zwar keine. Aber ein liebe nette Frau daheim. Die wollte er auch gerne wiedersehen. „Hey du kleiner Wichser. Verarschen kannst du Deine Kollegen oder Deine verfickten Kunden! Doch uns nicht. Ihr bunkert hier irgendwo einen Zweitschlüssel. Dies ist auch kein Tresor mit einem Zeitschloss. Das Scheißding is uralt. Also hol den verwichsten Schlüssel und mach das Pissding auf!“, sein Tonfall erhöhte sich von Wort zu Wort. Pissding schrie er schon. Dabei schaute er ihn an. Leichte Speichelfäden klatschten in sein Gesicht und vermischten sich mit der Tränenflüssigkeit. Er fiel auf die Knie und schaute die dunklen Gestalten nach und nach an. Ihre Gesichter waren nur schemenhaft zu erkennen im einfallenden Mondlicht. Seine anfangs gute Taktik schien nicht aufzugehen! . Also s chlug er eine noch leidlichere Version an. „Die Umsätze sind mies. Kommen kaum Kunden. Da ist nicht viel drinnen“, jaulte er. „Aber ich habe wirklich keinen Schlüssel. Auch weiß ich nicht wo er is. Ich brauche nie das Ding. Nur schließen. Weiter nichts. So, bitte, glaubt mir doch! Ich sage die Wahrheit.“ Seine Stimme war verheult. Er schluchzte nach jedem zweiten Wort. „Nehmt ihn doch einfach mit oder brecht ihn auf. Aber lasst mich gehen. Ich lasse euch den Hauptschlüssel hier!“ War es wirklich richtig so sein Leben zuverkaufen. Man hatte ihn nie auf so eine Situation vorbereitet. Hauptsache man war da zum Auf- oder Abschließen. Doch das man vielleicht auch mal überfallen werden könnte, daran dachte bestimmt nie irgendeiner. Aber was sollte noch Weiteres tun? Es war nun geschehen und daran war nichts mehr zurütteln. Das Hauptziel war nur noch seinen kleinen Arsch zuretten.
Die Männer schauten sich nacheinander an. Sein Blick wanderte hin und her. Langsam spürte er ein Zittern in seinen Gliedmaßen. Bisher lief alles schief, was nur falsch laufen konnte. Doch was sollte noch machen? Sollte er den Tresor öffnen und das Geld herausgeben? War überhaupt etwas im Tresor? Er wusste es nicht. Schließlich war ja G+W heute erst recht spät gekommen. Einer der Männer zog seine Nase hoch, gurgelte anscheinend damit und spuckte es dann mitten in sein Gesicht. „Du bist ein Stück Scheiße. Du Pisser!“, schrie er mit sich überschlagender Stimme. Der kleine Typ neben ihm trat plötzlich mit voller Wucht auf das Knie. „Du Scheißer.“ „Lüg uns nicht an! Du dreckiges Verkäuferschwein!“, ertönte es von den Anderen. Der anscheinende Chef schaute sich um. Stieß die Tür zum Nachbarraum auf und schritt hinein. Die anderen drei rasteten in diesem Moment regelrecht aus. Der mittlere Typ hatte plötzlich ein Butterfly in der Hand. Das Metallerende Klappern schallte durch den Raum. Eine massive Klinge blitzte auf. Sie durchschnitt die im Raum stehende Luft und zog eine blutende Furche an seiner rechten Wange. Sofort lief der rote Saft. Er schrie auf vor Schmerzen. Dann spürte eine Faust an der linken Schläfe. Sein Kopf flog zur Seite. Gefolgt von einem Fußtritt in den Rücken brach er zusammen. Diese kleine Folter dauerte nur einige Sekunden. Sie hörten schlagartig auf, als der Chef wieder den Raum betrat. „Hey. Was soll der Scheiß? Lasst ihn noch am Leben. Wir brauchen ihn noch!“, schrie er seine Kumpanen an. Die sich mit verwirrten Blicken gegenseitig ansahen.
„Ich habe da einen kleinen Kasten in der Fensterbank entdeckt. Da ist ein Zahlenschloss dran. Was ist da drinnen?“, fragte er und hob die Hand mit seinem Revolver. Mit zwei kleinen Schritten stand er neben ihm und drückte sie auf seinen Kopf. Metallendes Klicken war zuhören, als er den Hahn spannte. Langsam hob er seinen Kopf. Blut rann ihm an der Wange herab. Schwer atmend schaute er die Männer nacheinander an. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt. Schmerzverzerrt war sein Gesicht. „Da hebt unser Chef die Schlüssel der Abteilungen auf!“, stammelte er recht leise. Sein Blick war gebrochen. Er spürte die Angst am ganzen Körper. Sie saß tief in seinen Gliedern. Sein Körper zitterte und seine Lippen bebten, als er noch was sagen wollte. Doch der Boss war schneller. „Wie ist der Eingabecode? Oder willst Du uns nun auch weiß machen, dass Du den auch nicht kennst?“
Doch was sollte er jetzt darauf antworten? Sollte er ihnen die Nummer nennen? Bisher brachte ihn sein Weg nur Prügel ein. Also wäre es doch am Besten jetzt mitzuspielen und sie mit dem Geld ziehen zulassen. „Rede. Oder willst Du noch mehr Prügel. Wir können dich, wenn wir wollen auch die ganze Nacht foltern. Wir haben Zeit!“, schrie der kleine Alte. „Stimmt, er macht so was gerne. Erst die Finger dann die Zehen. Also sag uns den Code!“, bestätigte der eine von den Mittleren. Der Revolver drückte nun fester an seinen Schädel. Wäre er sie wirklich dann los? Er wusste ja nicht. Also nahm er seinen ganzen Mut zusammen und sagt: „12087A“. Ein Grinsen machte sich bei allen breit. Der Boss schaute den zweiten Mittelgroßen an und nickte. Der setzte sich auch prompt in Bewegung und ging in den Chefraum. Dann hörte man leise piepende Geräusche, als er die Ziffern eintippte. Doch nach der letzten Taste war nur ein schneller Piepton zuhören. „Das Scheißding geht nicht auf. Der Pisser muss uns den falschen Code gegeben haben, Boss!“ schrie er. Sofort griff der alte Mann zu. Hart war der Druck an der Kehle. „Du willst uns echt noch verscheißern, nachdem was wir mit Dir gemacht haben?“ und verstärkte den Griff am Hals. Die auch schon vorher knappe Luftzufuhr wurde noch weniger. „Ne-ee-ii-ii-inn!“, röchelte er. „Lass ihn sprechen!“
Der Griff lockerte sich ein wenig. Lies ihn aber nicht wirklich los. „Vielleicht haben sie die Nummer geändert.“, er schluckte und fuhr fort: „Ich habe lange nichts mehr daran gemacht!“ Ein knallendes Geräusch kam aus dem anderen Raum. Der Mann darin schien völlig auszurasten. Er hatte das kleine Teil von der Wand getreten und warf es, als er von der Fensterbank sprang, an einen der großen Metallschränke. Der Drehschalter an der kleinen Tür prallte genau gegen die harte Kante und zerbrach ihn. „Heeeyyyyyy. Ich glaub ich habe das Scheißteil geknackt! War kinderleicht!“ Der Lauf des Revolvers verschwand von seinem Kopf. Aber der feste Würgegriff verstärkte sich. Der Boss drehte sich um und ging in das Nebenzimmer. Was er sah, ließ ihn laut auflachen. Dort mitten in Schlüsselbünden und einigen Umschlägen lag er. Der kleine Tresorschlüssel. Er ging in die Hocke und griff ihn sich. „Lass den Scheißer los!“, befahl er dem alten Mann im anderen Zimmer und drehte sich langsam um. Der Mann tat, was man ihm befahl. Sofort sackte er zusammen. Versuchte sich abzustützen und nach Luft zuschnappen. Japsend hockte er da. Schaute verängstigt in die Runde. Sein Hals schmerzte beim Schlucken. Der Griff war doch recht hart gewesen. „Jetzt haben wir, was wir haben wollten!“, sagte eine Stimme im Türrahmen. Der breite Körper hob den rechten Arm mit dem Revolver. Bei den Worten: „Jetzt brauchen wir Deine Anwesenheit nicht mehr!“, ertönte ein Schuss. Die Kugel schlug mit voller Wucht in seine Stirn. Eine Blutfontäne spritze heraus und sein Körper sackte zuckend zusammen. Aus der kleinen Wunder strömte der rote Lebenssaft. Seine Gliedmaßen zuckten. Seine Hose wurde nass, als der Körper erschlaffte. Das Lachen der Männer hörte er nicht mehr. Sein Blut würde sich auf dem Büroboden verteilen und am nächsten Morgen eingetrocknet sein, wenn man ihn fand. Es war jetzt kurz nach 21 Uhr. Noch eine Stunde, dann würde sich seine Frau, einen weiteren Teil der Serie 24! ansehen und dabei ein Bierchen trinken. Doch einen Schlüssel würde sie nie mehr im Haustürschloss hören.
Draußen begann es zuregnen.

Diese Kleine Story spukt mir schon seit Jahren im Kopf herum. Also wurde sie an 4 Abende im meiner kleinen Stammkneipe verfasst...
Hoffe sie gefällt !!!!
Carsten Hinze, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.08.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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