“So Herr Rogoschin, das wars, wir
werden uns bei ihnen ihm Laufe der nächsten Woche melden.”
Behägig richte ich mich auf, gebe diesen Personalfritzen die
Hand und schließe vorsichtig die Tür hinter mir. Vorbei an
der Sekräterin bahne ich mir den Weg ins Freie. Hole einmal tief
Luft, stecke mir eine Zigarette an und mache mich auf den Weg zur
nächsten Bank. “Bitte unterschreiben sie hier, Herr
Rogoschin”. Niemals zuvor hatte ich einen 500 Euro Schein in der
Hand. Beim Verlassen des Bankinstitutes vergewissere ich mich
mehrmals ob der Schein sich noch immer am richtigen Platz, nämlich
in meiner Geldbörse, befindet. Bloß kein Aufsehen erregen,
jemand könnte mich überfallen wollen, mach bloß einen
armen Eindruck, Sergej.
Aber dies fällt dir nicht
sonderlich schwer. Deine Sohlen sind notdürftig mit Heftklammern
an den Schuh getackert, dein Sakko macht nicht mehr sehr viel her,
kaum zu glauben das deine Hochzeit schon beinahe 2 Jahrzehnte her
ist, und du hast dir deinen Hut so tief ins Gesicht gezogen um von
deinen grauenhaften Zähnen abzulenken. Dein Vater hatte damals
kein Geld dafür und jetzt schleppst du dich mit Zahnlücken
durchs Lebens in denen Taschentücher hinstecken könntest,
wenn du wolltest, aber wer will schon mit einer Packung Taschentücher
verteilt auf seine Schneidezähne durch die Stadt spazieren.
Eigentlich hast du das Geld abgehoben
um morgen deine Miete zu bezahlen, aber heute ist doch so ein schöner
Tag, ich sollte mich in irgendein Cafe setzen, mir einen heißen
Tschai genehmigen und vielleicht die eine oder andere Runde am
Automaten spielen, vielleicht steht Fortuna an meiner Seite und ich
gewinne ein paar Euro um mir endlich neue Schuhe leisten zu können.
“Rogoschin du Idiot wie konntest du
nur 5000 Euro verspielen, wie in aller Welt.” Der Tschai war kalt,
die Bedienung hat in dir emotionslos auf den Tresen platziert. Du
hast von Anfang an verloren, Runde um Runde hast du 100 Euro in den
Automaten gesteckt, wolltest deinen Gewinn minimieren und stehst
jetzt da und selbst die Zigaretten die eingesteckt hast, gehören
jetzt eigentlich nicht mehr dir, sondern der Bank. Du legst das Geld
für den Tschai auf den Tresen, ziehst dir dein Sakko über
deinen Kopf, um dich vor dem Hagelkörnern zu schützen.
Nicht nur Fortuna sondern offenbar auch der Wettergott ist heute
nicht gerade dein größter Fan.
Zündest dir eine, zwei, drei
Zigaretten an, doch spätestens beim dritten Zug erschlafft der
Glimmstengel und bricht in zwei Teile. Mit Händen voller Tabak
läufst du in die nächste Kneipe. Du hast zwar keine Ahnung
wie du bezahlen sollst, aber du bestellst dir erst mal eine Flasche
Wodka. Der Wirt macht nicht den Anschein als könntest du dich
ohne zu bezahlen aus den Staub machen, aber deine Gedanken werden
sich später mit diesem, dir eher klein vorkommenden, Problem
beschäftigen. Anna wird mich zum Teufel schicken, schluck, wenn
sie das erfährt, schluck. Und erst, schluck, die armen Kinder,
die können doch nichts dafür das ihr Vater offenbar der
größte Idiot der Welt ist.
Die Flasche ist beinahe leer, jetzt
wäre ein guter Zeitpunkt um mich aus dem Staub zu machen. Vorher
aber erst mal die Blase entleeren. Während ich hier am Klo sitze
und mir einen Plan zur recht lege, höre ich wie sich draußen
Leute streiten. Sergej, das ist deine Chance, die werden gar nicht
merken das du weg bist. Langsam schlängelst du dich um den
aufgebrachten Pöbel, machst dich dünn und draußen
bist du. Es gibt es also doch, das perfekte Verbrechen, Raskolnikow
war im Vergleich zu mir ein Stümper.
Gerade als du bemerkst das sich die
Wolken am Himmel verzogen haben, spürst du einen Schlag am
Hinterkopf und dann lange nichts. Als du von Polizisten aus deinem
unsanften Schlaf gerissen wirst, übergibst du dich auf den
Schuhen von einem der beiden Polizisten. Wenigstens konnte mir der
Täter kein Geld mehr stehlen, denkst du dir und fällst
erneut in Ohnmacht.
“Also noch einmal Herr, Roschin,
richtig?”, “Richtig”, “Sie sind also von einem Unbekannten
Täter niedergeschlagen worden, ihnen wurde nichts gestohlen und
bis auf ein paar Schrammen scheinen sie unverletzt. Wollen sie eine
Anzeige erstatten?”, “Nein”, “Wieso nicht?”, “Ich habe es
mir verdient.”, “Kein Mensch verdient es einfach so auf der
Straße niedergeknüppelt zu werden.”, “Sergej Rogoschin
ist kein Mensch”, “Sondern?”, “Ein Monster”.
“Wir können sie gerne noch in
Krankenhaus bringen, Herr Rog..”, “Nein danke, ich will einfach
nur nach Hause, ich hatte einen harten Tag, wie man sehen kann,...”
Blut rinnt dir aus der Nase, dein Kopf
ist angeschwollen doch die wirklich Verletzungen werden keine Krusten
auf deiner Haut, sondern auf deiner Seele bilden. Blickst in einen
Spiegel, kannst den Blick nicht lange halten, dein Anblick schockiert
dich einfach zu sehr. Nachdem du den notwendigen Papierkram
unterzeichnet hast, verlässt du die Polizeiwache dieses Mal
sogar auf deinen eigenen zwei Beine.
Lampen leuchten auf, ich höre
Münze klirren, dies ist ein schönes Gefühl. Ich bin
wie verloren in einem Meer von Münzen, großer glänzender
Münzen. Bade in Münzen, werfe sie über meine Schulter,
um anschließend noch eine Runde durch meinen Geldspeicher zu
schwimmen. Dagobert hatte recht, es ist ein schönes Gefühl
reich zu sein, es ist unvergleichlich.
Die Nacht zieht ins Land, überflutet
sie mit Kälte. Wenn ich könnte würde ich drei
Zigaretten gleichzeitig rauchen. Es zerreißt dich innerlich, du
bist ein gebrochener Mann, mit einer gebrochener Nase. Wie konnte es
bloß so weit kommen, ich hatte doch nichts, wie konnte ich
überhaupt etwas verspielen.
Dein Sakko ist voller Brandlöcher,
die wiederum mit Blut, vermutlich deinem eigenen, gefüllt sind.
Was soll ich noch hier, ich will laufen. Doch mir fehlt die Kraft,
und das Ziel. Wenn ich kein Ziel habe, könnte es ja durchaus
sein das ich beginne in die falsche Richtung zu laufen, deshalb lass
ichs bleiben. Mein Kopf hängt träge zwischen meinen
Schultern, oft kann ich erst im letzten Moment einem Hydranten,
Telefonmasten oder sonstige unbewegliche Teile ausweichen.
Was ich jetzt brauche ist eine Waffe,
entweder um jemanden zu überfallen oder meinen erbärmlichen
ein Ende zu setzen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.08.2008.
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75 Tage Donnerstag (Gedichte)
von Edith van Blericq-Pfiffer
Der Liebe kann man immer und überall begegnen, auch donnerstags; sie kündigt sich nicht an.
Sie ist von einer auf die andere Sekunde da. Sie kennt weder Gesetze noch Grenzen. Sie stellt augenblicklich alles und jeden auf den Kopf. Alter hat für sie keine Bedeutung. Allerhöchstens die von ihr Getroffenen fühlen sich mitunter in ihre Teenager-Zeit versetzt, verstehen sich selbst am wenigsten und fragen mit einem
Kribbeln im Bauch und ziemlich verwirrt: „Warum?“
Die poetische Antwort der Autorin, die hierbei auf Erlebtes zurückgreift, lautet hingegen: „WARUM NICHT!“
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