Jacqueline Wendt

Überlebt

1. Wie alles begann Ich wurde 1973 als Tochter eines Kesselflickers und einer Putzfrau in der DDR geboren. Schon da war die Welt nicht mehr in Ordnung. Ich wurde als „Ersatz“ für meinen Bruder Enrico geboren , der mit ein paar Monaten starb, da meine Erzeugerin ihn mit Kartoffelbrei fütterte und er daran erstickte. Schon als Kind dachte ich manchmal, das er der glücklichere von uns allen ist, da ihm all das Leid erspart blieb, das wir noch erdulden sollten. Ich habe es zwar überlebt, aber es hat tiefe Verletzungen hinterlassen und viel Angst, sowie unbeantwortete Fragen. Z.B. hat er uns nur gezeugt um seine Machtphantasien auszuleben oder hat er uns einfach nur gehasst? Warum hat er mir all das angetan? Ich werde es nie erfahren und schon gar keine Entschuldigung bekommen. Denn er war mehr als überzeugt davon das richtige zu tun. Wahrscheinlich wundern sich einige , warum ich die Begrifflichkeit Erzeuger und nicht Eltern verwende. Zur Erklärung, Eltern sind wohlwollende, sich sorgende, Liebe gebende und versorgende Menschen. Sie demütigen und misshandeln ihre Kinder nicht. Sie haben uns erzeugt, aber sich nicht wie Eltern verhalten. Ich fühlte mich so allein. Schon damals gerieten wir in das Visier der Behörden. Fast jedes Jahr wurde ein neues Kind geboren. So wurden wir letztendlich 9 Geschwister. Meine Erzeuger waren völlig überfordert. Aber sie haben uns ohnehin nur wegen der staatlichen Förderungen gezeugt. Das Geld wurde für alles mögliche ausgegeben aber nicht für uns. 1979 wurden wir aus der DDR ausgewiesen. Mein Erzeuger erzählte uns später das dies so gewesen sei, da er als Boxer im Ring jemanden tot geschlagen haben soll. Danach begann eine Odyssee , immer auf der Flucht vor dem Jugendamt. Wenn uns das Jugendamt zu sehr auf die Pelle rückte, zogen wir um. Das hieß für uns, das wir kaum die Chance hatten Freundschaften zu knüpfen, da wir ja immer unterwegs waren. Aber es wäre auch so schwierig gewesen sie aufzubauen, da mein Erzeuger die ganze Familie nach außen abschottete. Ich kam mir manchmal etwas einsam vor. Auch wenn ich meine Geschwister hatte. Freunde wären schließlich mehr gewesen als nur Spielgefährten. Irgendwann wurden wir dann in Nordstrand sesshaft. Und da begann das Martyrium . 2. Die ersten Verletzungen Bevor wir nach Nordstrand zogen, war die Welt zumindest noch einigermaßen in Ordnung. Doch dann kam die Wende. Ich erinnere mich noch genau an den Augenblick, als mein Erzeuger das erste Mal so richtig zuschlug. Vorher gab es zwar auch schon mal einen Klaps auf den Po, aber mehr nicht. Meine Erzeugerin war wieder einmal in der Klinik um ein Kind zu entbinden. Ich war damals gerade sechs Jahre alt, und musste mich um den Haushalt kümmern. Was mir aber nur mittelmäßig gelang. Auch wenn ich gerne half, so war ich doch völlig überfordert. Mein Erzeuger war darüber so wütend, das er mir befahl die Hose herunter zu ziehen und mich über einen Stuhl zu beugen. Mit seinem Gürtel schlug er mir zehnmal auf mein Hinterteil und zählte laut dabei. Während er mich schlug versuchte er mir klar zu machen, das ich nichts tauge, das ich ein totaler Versager bin. Das war schlimmer als die Schläge, hat sich mir bis heute in die Seele eingebrannt. Danach drückte er meine Hand auf eine heiße Herdplatte Ich fühlte mich so klein und wusste nicht wie mir geschah. Ich war völlig verwirrt, versuchte danach verzweifelt es besser hinzubekommen. Meine Schwester Piroschka, sie war gerade einmal fünf Jahre alt, musste auch mithelfen. Wir putzten und kochten unseren Geschwistern das Essen. Zu dieser Zeit lernten wir auch ein Baby zu wickeln und zu füttern. Unser Erzeuger tat nichts. Außer vor seinem Funkgerät zu sitzen und sich zu amüsieren. Zwischendurch kam er immer mal wieder, um nach dem rechten zu sehen und herum zu brüllen. Weil alles nicht so klappte wie er sich das vorgestellt hatte. In dieser Zeit fing er auch an, sich Religionsgemeinschaften zu zuwenden. Er hatte gehört, das dort bedürftige Unterstützung erfahren könnten und trug wohl den Gedanken in sich, das eine kinderreiche Familie in jedem Fall unterstützenswert sei. Und er sollte recht behalten. Wir waren im Laufe der Zeit bei den Katholiken, Alt- Katholiken, Evangelischen, Adventisten, Zeugen Jehovas, Kinder des Lichts und noch drei anderen Glaubensgemeinschaften. Getauft waren wir zweimal, einmal evangelisch und einmal altkatholisch. Als ich letzteres getauft wurde, war ich ca. acht Jahre alt. Einer meiner Brüder wurde getauft auf den Namen „ Menjuchim Clemens“. Bei den Alt Katholiken mussten wir, weil unser Erzeuger das so wollte sogar die Messdiener spielen. Wir, das waren meine Schwester Piroschka mein Bruder Claudio und ich. Man sah ich albern aus in dem Messdienergewand. Aber schlimmer war, das ich es tun musste, obwohl ich nicht dahinter stand. Ich sollte im Laufe meines jungen Lebens noch öfter gezwungen werden Dinge zu tun die ich nicht wollte. Dieser Glaube war schon irgendwie merkwürdig. Einige meiner Geschwister wurden einer Teufelsaustreibung unterzogen. Herr Heese, der Pastor rannte mit dem Weihrauchgefäß um sie herum und schrie immer, raus mit dem Teufel. Warum das sein musste habe ich bis heute nicht verstanden. Bei den Glaubensgemeinschaften bekamen wir finanzielle Unterstützung und andere Zuwendungen. Immer wenn die Unterstützungsbereitschaft abebbte, wechselte er die Religionszugehörigkeit. Im übrigen hielt er sich für den Stellvertreter Gottes, aber dazu später mehr. Nach ein paar Tagen kam meine Erzeugerin endlich aus der Klinik zurück. Sie hatte Mitbringesel dabei, kleine blaue und rosa Stifte. Wir haben uns fast ein Loch in den Bauch gefreut. Ein Geschenk, nur für uns. Und ich freute mich so sehr über das neue Geschwisterchen. Doch mit ihrer Rückkehr kam auch mehr Arbeit auf uns zu. 3. Kleine Erwachsene Meine Erzeugerin äußerte von der Geburt noch zu erschöpft zu sein. Darum müssten wir die Haushaltspflichten weiterhin übernehmen. Das dies ein Dauerzustand werden sollte, ahnte ich damals noch nicht. Also, mühte ich mich ab. Die Mahlzeiten waren sehr einseitig, zumal mir auch nur Bohnen, Eier, Nudeln, Kartoffeln und Hundefutter zur Verfügung standen. Das Hundefutter war natürlich nur für die Hunde und uns Kinder. Es schmeckt übrigens besser als Dosengulasch. Er kaufte sich halbe Hähnchen, Über meine mangelnden Kochkünste war er sehr erzürnt. Da er wortwörtlich, keine Lust hatte jeden Tag den selben Scheiß zu fressen. Sich selber in die Küche stellen wollte er aber auch nicht. Also kochten, putzen und versorgten wir weiter. Versuchten den Massen von Dreck Herr zu werden. Unsere Hunde sorgten für zusätzlichen Dreck. Hundekot in allen Ecken, da sie nicht regelmäßig ausgeführt wurden. Ich konnte dieser Aufgabe nur bedingt nachkommen. Konnte vorerst nur in den Garten mit den Hunden, da sie zu groß waren als das ich sie hätten halten können. Wir hatten zwei Schäferhunde und einen Irischen Wolfshund, der war so groß wie ein Pony. Der Müllberg wuchs genauso schnell wie die Unzufriedenheit meines Erzeugers. Inzwischen erkannte er jedoch das wir es nicht allein schaffen konnten, und hielt meine Erzeugerin zur Arbeit an, Diese sah aber irgendwie nicht ein, das der Haushalt ihre Sache war. Mein Erzeuger war darüber so wütend, das er meine Erzeugerin das erste mal zusammenschlug. Wir waren total entsetzt und ängstlich. Wir versuchten dazwischen zu gehen und flehten ihn an, aufzuhören sie zu schlagen. Dafür bekamen meine Schwester und ich dann Schläge. Ich war total hilflos und traurig Es sollte im Laufe der Jahre zum traurigen Ritual werden. Er schlägt sie, wir betteln und flehen. das er aufhört, und bekommen dann Schläge. Ohnehin sollten Schläge bald zu unserem Alltag gehören. Er wurde im Laufe der Jahre immer brutaler und sadistischer, aber auch dazu später mehr. Da ich die Haushaltsaufgaben erledigen mussten, durfte, konnte ich nur selten zur Schule. Auch wenn manch anderes Kind denken mag, das es geradezu himmlisch sei nicht zur Schule gehen zu müssen, sah ich das anders. Was hätte ich darum gegeben sie besuchen zu dürfen, um den ganzen zu entfliehen. Natürlich gab es Ärger mit dem Schulrektor . Meinem Erzeuger interessierte dies aber wenig. Da er glaubte über allen Dingen zu stehen. Er ignorierte alle Briefe. Also war uns das Jugendamt bald wieder auf den Fersen. Derweil versuchte ich in der Schule mit Ausreden und Erklärungen unseren Erzeuger zu schützen. Ich hatten riesige Angst, das herauskommen könnte, was bei uns zu Hause wirklich vor sich geht. Ich tat so, als wäre nichts ungewöhnliches an unsere Familie. Und konnte das auch überzeugend rüberbringen. Nicht verbergen konnte ich, das es bei uns finanziell nicht so gut bestellt war. Meine Kleidung war abgetragen, alt und viel zu groß. Ich tat den Lehrern und Mitschülern so leid, das ich hin und wieder ein Kleidungsstück geschenkt bekam. Das war mir sehr unangenehm, auch wenn ich gleichzeitig dankbar war. Meinen Erzeuegern machte es nichts aus, das wir von anderen Leuten Almosen bekamen, im Gegenteil, sie nahmen sie nur als zu gerne an. Mein Erzeuger gab das Geld lieber für teure Elektrogeräte und antike Bibeln aus als für uns. Dann ließ er sich von anderen aushalten. Z.B. von verschiedenen Religionsgemeinschaften. Er war ein Schmarotzer. 4. Wir werden religiös Mein Erzeuger war ein Religionsfanatiker. Er war eine gefährliche Mischung zwischen Glaube und Wahnsinn, gepaart mit totaler Selbstüberschätzung. Er hielt sich doch tatsächlich für den Stellvertreter Gottes auf Erden, Gott würde mit ihm sprechen. Man stelle sich das vor Gott sprach nicht zu ihm, was ja schon etwas absurd ist, sondern mit ihm. Er hielt sich für ebenbürtig gegenüber Gott. Er nahm dann Kontakt zu den Adventisten auf. Wir wurden herzlich aufgenommen, schließlich bekam die Gemeinde gleich mehrere neue Schäflein. Und weil sie so groß in Sachen Nächstenliebe waren bekamen wir finanzielle Unterstützung und Sachwerte. Wie Bekleidung, Bettdecken etc. Wir trotteten jede Woche zur Bibelstunde und in den Gottesdienst. Aber als die Hilfsbereitschaft irgendwann abebbte ,verließen wir die Gemeinschaft. Und Gott sprach zu meinem Erzeuger und tat ihm kund, das die Lehre der Zeugen Jehovas nun das richtige für uns sei. Also pilgerten wir fortan in den Königsreichsaal. Und natürlich bekamen wir auch dort wieder Unterstützung in finanzieller Form und Sachwerten. Hier blieb die Spendenbereitschaft länger erhalten, also mussten wir mit den verqueren Ansichten leben. Und dem doppelmoralischen Verhalten. Sie predigen das Du Deinen Nächsten lieben sollst, und lasset die Kinder zu uns kommen und dann schauten sie weg, wenn genau diese Werte verletzt werden. Ich war mit meiner Familie im Gottesdienst, die Predigt langweilte mich, also begann ich mit einem meiner Geschwister zu reden. Dies sollte ich sofort teuer bezahlen. Mein Erzeuger ging mit mir in den Bibelstunderaum und befahl mir mich über den Stuhl zu beugen. Dann verpasste er mir zehn Hiebe. Danach zeigte er mir das Gott mich noch liebt. Ich fühlte mich so leer und schuldig .Als er fertig war nahm er mich an die Hand und wir gingen wieder in den Königsreichssaal. Jeder wusste das er mich gerade verdroschen hatte, aber es hat keinen interessiert. Im Gegenteil, es gehörte dazu. Wer sein Kind liebt muss es gelegentlich züchtigen um es auf den rechten Pfad zurück zu führen. So steht es im Buche Jehovas. 5. Gott hilft ihm sehen Was ich bis jetzt noch nicht erwähnt habe ist, das mein Erzeuger eine starke Sehbehinderung hatte. Er trug eine dicke, braune Hornbrille, mit dicken Gläsern. Irgendwann sagte er, das er erblindet sei. Noch ein Punkt mehr auf der Mitleidsscala. Er bekam nun Blindengeld und eine Arbeit als Besenbinder. Fortan stand ein Ungetüm von Besenbinder in unserem Haus. Auch meine Erzeugerin und wir älteren mussten mitarbeiten. Schafften wir nicht genug, setzte es wieder Schläge. Aber wie sollte ich mit meinen kleinen Händen so eine Maschine so schnell bedienen wie er sich das Vorstellte. Ich musste mir den Besenrohling zwischen die Beine klemmen um die Kraft aufzubringen den Besendraht samt Pferdehaar in den Besen zu bringen. Natürlich dauerte das länger. Er hatte dafür kein Verständnis. Als ich endlich wieder die Schule besuchen durfte bekam ich eine Arbeit zurück. Es war eine fünf in Mathe. Ich hatte riesige Angst nach Hause zu gehen. Zu recht wie ich später erfahren sollte. Ich kam mit einer fünf nach Hause und legte das Heft auf den Tisch, er nahm es in die Hand und brabbelte etwas vor sich hin. Als er plötzlich sagte, das Gott ihm gerade gesagt habe, das ich eine fünf habe. Meine schulische Unzulänglichkeit musste sofort hart bestraft werden. Also zitierte er mich in den Garten, umringt von Tannen. Selbst wenn es einen interessiert hätte, was dort vor sich ging, so hätte er es nicht sehen können. Ich musste mich entkleiden und er schmiss mich mehrfach in die Brenneseln. Dabei versuchte er wieder mir klar zu machen was für ein totaler Versager ich doch sei. Die Schmerzen waren unerträglich, aber seine Worte trafen mich noch viel mehr. Als er genug hatte, befahl er mir mich wieder anzuziehen. Ich musste lächeln, als Zeichen dafür das ich sein Handeln als richtig empfand. Wir gingen wieder ins Haus. Dort ließ er mich für kurze Zeit, bis er nach mir schickte. Ich sollte ins obere Badezimmer kommen. Er saß auf dem Toilettendeckel. Bekleidet mit einer kurzen blauen Addidas Turnhose und einem weißen Unterhemd. Und sagte, das er mir zeigen wird, das Gott mich noch liebt, Ich fühlte mich danach so schuldig, leer, verletzt und beschmutzt. Er schickte mich danach einfach nur nach draußen. Es war ihm völlig egal wie ich mich fühlte. 6.Ein Leben für einen Blumenstrauß Meine Schwester Fatima fing mitten in der Nacht an zu schreien und hörte nicht mehr auf. Schließlich fuhren wir mit ihr ins Krankenhaus. Ich durfte im Krankenwagen mitfahren, da sie sich von mir zumindest einigermaßen beruhigen ließ. Als wir dann angekommen waren hieß die Diagnose Darmverschluss. Meine Schwester, dieser kleine und hilflose Mensch musste operiert werden. Meine Erzeuger stimmten zu, aber nur unter der Bedingung, das sie keine Bluttransfusion bekommt. Das ist bei den Zeugen nämlich verboten. Aber sie hätte in jedem Fall eine Transfusion gebraucht. Als wir an diesem Tag den Gottesdienst besuchten, berichtete mein Erzeuger vor versammelter Gemeinschaft von unserem Leid und sagte das er bereit ist seine Tochter in Jehovas Hände zu geben. Vorher hatte er das schon mit dem Obersten besprochen. Als er mit seiner Rede fertig war, bekam er einen Blumenstrauß als Dank für seine Ergebenheit überreicht und viel Applaus. Mir wurde ganz schlecht und ich dachte damals nur das, dass alles nicht wahr sein kann. Ich wollte meine Schwester nicht verlieren, auch nicht, wenn sie dann zu Jehova kommen könnte. Aber äußern durfte ich meine Gedanken nicht dann hätte es gleich wieder Schläge gegeben. Schließlich hatte mein Erzeuger in seiner Rede kundgetan, das wir alle so fühlten und dachten wie er. Und das wir stolz sind Jehova ein Opfer zu bringen. Um so auf den Weg zu gelangen, zu den oberen Zehntausend zu gehören. Ich fand das schon damals total krank. Wenn ich hätte wählen müssen zwischen einen Platz im Himmelreich und meiner Schwester, hätte ich meine Schwester gewählt. Was war mein Erzeuger nur für ein Mensch, der bereit war seine Tochter für ein bisschen Anerkennung zu opfern. Ich verstehe das bis heute nicht. Die Klinik wollte das Leben von Fatima nicht aufs Spiel setzten und schaltete das Jugendamt ein. Vom Vormundschaftsgericht wurde verfügt, das sie eine Transfusion bekommen soll. Das hat mich sehr erleichtert und so hat Fatima überlebt. Wir waren nach dieser Aktion meiner Erzeuger weiter ins Visier der Behörden gerückt, also zogen wir um. 7. Ein neuer Wohnort, neues Leid Wir bezogen 1983 in Witzwort ein Haus, das meine Erzeuger wie auch immer in Raten abzahlen wollten. Es gehörte noch zum Einzugsbereich des Jugendamtes Husum, aber wir waren die lästigen Nachbarn und Lehrer los. Zu vermuten ist, das er wegen der Zeugen Jehovas in Landkreis blieb. Es wäre wohl zu mühsam gewesen sich wieder neu anzubiedern, zumindest zu diesem Zeitpunkt. Auch hier durften wir keine Kontakte nach außerhalb haben. Nur zur Gemeinde. Aber auch da durften wir nichts über unsere Familie nach außen dringen lassen. Er sagte immer das dies nur Gott und uns etwas angeht. Es ist schwer für ein Kind solche Geheimnisse in sich zu tragen, Auch dieses Haus war innerhalb kürzester Zeit verdreckt. Überall Berge von Müll und Kot. Dafür war die Ecke mit dem Altar aber schön sauber. Der Dreck im Haus interessierte meine Erzeugerin wenig, ärgerte meinen Erzeuger aber um so mehr. Er sagte ihr, das sie es entweder schaffen müsse das Haus selbst sauber zu halten ,oder uns dazu zu bringen müsse das wir das erledigen.. Das war das erste Mal, das auch meine Erzeugerin gewalttätig wurde. Sie prügelte wie von Sinnen mit einem Elektrokabel auf mich ein. Und versuchte mir dabei klar zu machen, das ich das Haus sauber zu halten habe. Vor lauter Panik rannte ich durch eine geschlossene Glastür. Dafür bekam ich dann noch Prügel von meinem Erzeuger. Ich musste die Hose herunterziehen und laut bis zwanzig zählen während er auf mich einschlug. Er schlug dazu im Takt. Ich hasste es wenn er das tat, ich bekam dann immer den Eindruck, als würde es ihm Spaß machen. Sagen durfte ich das natürlich nicht. 8. Weil ich ein Junge werden sollte Mein Erzeuger hatte sich nach dem Tot meines Bruders Enrico eigentlich wieder einen Jungen gewünscht, aber dann kam ich. Unglücklicherweise ein Mädchen. Zu allem Überfluss hatte meine Erzeugerin auch noch eine Gürtelrose. Eigentlich wollten mich beide abtreiben lassen. Aber da mein Erzeuger schon damals religiös war taten sie es nicht. Ich dachte später oft das sie es lieber hätten tun sollen, dann wäre mir viel erspart geblieben. Aber nun war ich da Als ich neun Jahre Alt war fing mein Erzeuger an mich im Boxen zu unterrichten. Und ich musste Gewichte stemmen und Liegestütze machen. Das machte mir sogar irgendwie Spaß. Getrübt wurde das ganze aber durch seine Aussage...wenn Du ein Junge wärest dann könnte was aus Dir werden. Er meinte damit das ich auch Boxer hätte werden können wie er einer war.. Er war sehr enttäuscht darüber das dies nicht ging. Er lehrte mich Schmerzen auszuhalten und das in vielerlei Hinsicht. Und er lehrte mich, wie ich mich verteidigen konnte. Das war eines der wenigen Dinge die er richtig und gut gemacht hat. Ich musste mit ihm auch Sparringübungen machen. Eines Tages sagte er zu mir, das ich mal richtig, doller zu hauen soll. Als ich das dann tat, krümmte er sich vor Schmerzen. Denn ich hatte ihn genau in den Magen geboxt. Als mein Erzeuger sich wieder gefangen hatte, holte er seinen Gürtel und schlug auf mich ein. Er schrie mich an und meinte, das ich es nie wieder wagen sollte ihn zu hintergehen und anzugreifen, sonst würde er mich umbringen. Mir war sofort klar, das er das ernst meinte. Ich war total verwirrt, da er mir doch befohlen hatte härter zu zuschlagen. Auch wenn ich große Schuldgefühle hatte, so hatte es doch auch irgendwie gut getan, ihm auch einmal Schmerzen zu gefügt zu haben. Obwohl er hätte wissen müssen wie es ist geschlagen zu werden, machte er es bei uns immer wieder. Er berichtete, uns das er früher im Heim war. Und das die Heime in der DDR besonders hart waren. Dort wurde er auch geschlagen. Und es hätte im nicht geschadet sagt er. Er sei dadurch hart geworden. Wollte er aus mir auch einen Stein machen? Für mich war das schon damals keine Entschuldigung. Auch wenn mir leid tat was er erlebt hatte. Er hatte kein Recht uns so zu behandeln. Niemand hat das Recht mit einem anderen Menschen so umzugehen. Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, das er mich töten würde, sollte ich es noch einmal wagen ihn anzugreifen, würgte er mich. Er würgte mich so, das ich gerade noch etwas Luft bekam. In diesem Augenblick dachte ich, das er doch richtig zu drücken soll. Aber dann kam mir dieser Gedanke fast schon egoistisch vor. Wer sollte sich um meine Geschwister kümmern und sie beschützen wenn ich nicht mehr da wäre? Sie konnten sich doch nicht wehren. Ich mich zwar auch nicht, aber ich konnte oft die Schläge für sie auf mich nehmen, damit sie nicht so viel leiden mussten. 9. Endlich dürfen wir Kind sein Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als meine Erzeugerin ausnahmsweise auf unserer Seite, also der, der Kinder stand. Wir sollten wieder den Haushalt erledigen. Doch meine Erzeugerin sagte zu meinem Erzeuger, das es doch schön für uns wäre, wenn wir einmal, wie normal Kinder spielen dürften. Er war natürlich dagegen. Kinder brauchen nicht zu spielen sie werden durch beten, Glaube und Arbeit stark. Beim Spielen würden wir nur auf dumme Gedanken kommen. Das war sein Standpunkt. Wir waren von der Idee spielen zu dürfen natürlich begeistert, aber es sollte dann wohl doch nichts werden. Mein Erzeuger legte sich hin um einen Mittagsschlaf zu machen. Unsere Erzeugerin kam zu uns, und sagte, das wir raus spielen gehen dürften. Wir sollten einen Hund als Alibi mitnehmen. Falls unser Erzeuger aufwachen sollte, bevor wir zurück sind, sollten wir sagen, das wir zu viert losgehen mussten um den Hund halten zukönnen. Dann durften wir los, vorher mussten wir ihr versprechen nichts anzustellen und das wir nur unter uns spielen, nicht mit anderen Kindern. Das versprachen wir ihr. Wir gingen dann nach draußen zum Siel. Dort bauten wir uns aus einem kleinen Stück Ast, Paketband und einem Wandharken eine Angel. Natürlich fingen wir nichts, aber es war spannend. Später fingen wir dann kleine Fische mit einer Plastiktüte. Und setzten sie, nach dem wir sie gezählt hatten wieder ins Wasser. Für einen kurzen Augenblick konnten wir unseren Alltag vergessen. Als wir später nach Hause kamen, hörten wir schon an der Gartenpforte Geschrei und die Hilferufe meiner Erzeugerin. Er hatte mitbekommen, das sie uns doch zum Spielen gelassen hatte. Sie tat mir in diesem Augenblick unendlich leid. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, das sie jetzt Schläge bekam, nur weil wir spielen wollten. Als wir dann das Haus betraten, war er gerade über meine Erzeugerin gebeugt und würgte sie. Als er uns sah, stürmte er auf uns zu und entriss mir die Hundeleine. Er war außer sich vor Wut. Er zitierte uns ins Wohnzimmer, dort bekam einer nach dem anderen Schläge. Ich bekam etwas mehr ab, da ich als die älteste hätte vernünftiger sein müssen. Damals fand ich das er recht hatte. Er drohte mir, das er mich umbringen würde, wenn ich ihn noch einmal hintergehen sollte. Ich musste die zehn Gebote herunterbeten, und auf die Bibel schwören, das ich ihn nie wieder hintergehen würde. 10. Unser Hund muss sterben Einer unserer Schäferhunde hatte nach meinem Erzeuger geschnappt, als er ihn getreten hatte. Das hat meinen Erzeuger extrem erzürnt. Er schrie herum, und packte den Hund am Halsband. Dann schleifte er ihn in den Heizungsraum. Danach ging er ins Arbeitszimmer und holte Besenbinddraht. Den legte er den Hund um den Hals. Claudio und ich flehten ihn an, dem Hund noch eine Chance zu geben, aber er war unerbittlich. Er schmiss den Hund dann hinter die Mauer von dem Heizungskessel und zog zu. Der arme Hund winselte und jaulte. Mir zerriss es das Herz. Wie konnte ein Mensch nur so grausam sein und ein wehrloses Wesen töten? Als ich anfing zu weinen verpasste er mir eine Ohrfeige und meinte, das ich mich zusammen reißen soll, da der Hund es nicht Wert sei, das man um ihn trauert. Als der Hund seinen letzten Atemzug getan hatte mussten mein Bruder Claudio und ich hinter die Mauer steigen und ihn meinem Erzeuger anreichen. Wir waren blutverschmiert, da der Hund sich die Kehle durchschnitten hatte. Mein Erzeuger packte ihn in einen blauen Müllsack und entsorgte ihn in der Mülltonne. Von diesem Augenblick an hatte ich große Angst in den Heizungsraum zu gehen, da dort einmal der tote Hund war. Wie grausam kann ein Mensch nur sein. Ich wünschte mir damals stärker gewesen zu sein um ihn davon abhalten zu können, aber ich war einfach nur total hilflos, traurig und verzweifelt. 11. Antrittsbesuch von der Klassenlehrerin Ich hatte aus versehen das Hundefutter verschüttet. Mein Erzeuger war darüber sehr erzürnt. Er nahm das Radio aus der Küche und zog den Kabel heraus. Dann legte er das Kabel doppelt und befahl mir die Hose herunter zu ziehen und mich über einen Stuhl zu beugen. Dann schlug er mir 20 Mal auf meinen Hintern. Er zählte wieder laut und im Takt dabei. Dann, als er fertig war trat er mich vom Stuhl und sagte nur, das ich das nächste Mal besser aufpassen soll. Hundefutter kostet schließlich viel Geld. Ich versprach ihm besser acht zu geben. Zwei Tage später durfte ich endlich mal wieder zur Schule. Wir hatten Sport. Meine Klassenlehrerin entdeckte blaue Flecken an mir. Sie fragte wo sie denn herkommen würden. Ich war total erschrocken als sie mich ansprach. Zuerst sagte ich, das ich mich gestoßen hätte. Und als sie mir das nicht glaubte, gab ich zu geschlagen worden zu sein. Schob aber sofort hinterher, das ich es verdient hatte. Meine Lehrerin begleitete mich daraufhin nach Hause um mit meinem Erzeuger zu reden. Der war verständlicher weise wenig erfreut, als meine Lehrerin vor der Tür stand. Seine ersten Worte waren: „ Was hat sie angestellt, sie wird entsprechend bestraft“. Als meine Lehrerin sagte, das ich nichts angestellt hatte, schien er fast enttäuscht. Dann kam sie auf die blauen Flecken zu sprechen, die sie an mir entdeckt hatte, und sagte das ich zugegeben hätte, das ich geschlagen würde. Mein Erzeuger sah mich an in einer Art und Weise, die mir sagte, das ich gleich schlimmes auszustehen hätte. Ich bekam Angst. Er bat meine Lehrein kurz zu warten, da er mit mir reden müsse. Sie musste vor der Tür stehen bleiben. Er befahl mir meiner Lehrerin zu sagen, das die Flecken vom Toben mit meinen Geschwistern kämen. Und das ich nur gesagt hätte, ich würde geschlagen um, Aufmerksamkeit zu bekommen. Da ich riesige Angst hatte, tat ich was er mir befahl. Meine Lehrerin schien nicht ganz zu glauben was ich sagte, aber ihr bleib nichts anderes übrig als unverrichteter Dinge zu gehen. Wie ich später erfahren sollte hatte die Schule den Verdacht auf Misshandlung gemeldet. Mein Erzeuger war extrem wütend darüber, das meine Lehrerin aufgetaucht war. Er holte die „Siebenschnürige“, ( sieben Elektrokabel zusammen gebunden und an jedem Ende ein Knoten). Ich musste mich über einen Stuhl beugen und er schlug mich. Dabei zählt er die zehn Gebote auf ( Du sollst Vater und Mutter ehren, Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wieder deinen nächsten..., in diesem Takt schlug er). Die Schmerzen waren unerträglich. Und schwerer machte es, das ich wusste, das ich diesmal nichts falsch gemacht hatte aus meiner Sicht. Als er fertig war, trat er mich vom Stuhl und sagte das ich es nicht noch mal wagen soll irgendjemand zu erzählen, ich würde geschlagen Ich versuchte ihm zu erklären, das ich doch nur die Wahrheit gesagt hätte, man soll schließlich nicht lügen, das steht ja auch in der Bibel. Als ich es aussprach war mir klar, das es ein Fehler war. Er schrie, das ich die Bibel da raushalten soll und schlug wieder auf mich ein. Ich hatte solche Schmerzen, fühlte mich so hilflos, klein und verwirrt. Am Abend weinte ich mich leise in den Schlaf. Da meine Geschwister nichts mitbekommen sollten. Schließlich schliefen wir im selben Bett. Fünf Kinder in einem Ehebett. Drei am oberen Ende und zwei am unteren. Aber immerhin war es warm. 12.Das Jugendamt kommt Nach dem Vorfall in der Schule kündigte sich das Jugendamt schriftlich zu einem Besuch an. Mein Erzeuger wurde richtig wild. Er ließ nach mir schicken. Als ich ins Wohnzimmer kam stand er vor dem Altar und hatte seinen Gürtel in der Hand. Vor dem Altar stand ein Stuhl. Mir war klar, was gleich geschehen würde und ich bekam Angst. Er befahl mir die Hose herunter zu ziehen und mich über den Stuhl zu beugen. Dann begann er mich zu schlagen. Ich musste dabei auf das Kreuz schauen. Dabei schrie er immer wieder, das ich Vater und Mutter ehren soll. Das tat ich doch, aber ich hatte nur die Wahrheit gesagt. Mein Erzeuger erklärte mir hinterher das solche Dinge nur die Familie etwas angingen. Da darf man dann auch mal eine Notlüge benutzen , aber nur dann. Die Welt da draußen sei schlecht und würde uns nicht verstehen. Damals glaubte ich ihm das, genauso wie ich sein Verhalten als richtig empfand, jedenfalls meistens. Danach zeigte er mir wieder das Gott mich immer noch liebt und mir war nur noch übel. Wie kann ein Mensch unentwegt von Gott sprechen und dann so etwas tun und für richtig verkaufen und befinden? Dann wurde der Familienrat einberufen. Es wurde jeden einzelnen von uns genau eingetrichtert was er dem Jugendamt zu sagen hätte, falls wir befragt würden. Es lag aber natürlich im Interesse meines Erzeugers das zu verhindern. Aber für den Fall das wir doch befragt würden, sollten wir sagen, das alles ok wäre und die Nachbarn sowie die Lehrer sich gegen uns verschworen hätten. Mein Erzeuger würde uns nie schlagen, schließlich seien wir streng religiös. Und da würde man seine Kinder nicht schlagen usw. Das Jugendamt kam zum vereinbarten Termin, aber mein Erzeuger öffnete die Tür nicht. Wahrscheinlich traute er uns nicht, oder glaubte das wir zu schwach wären den Fragen stand zu halten. Damit hätte er wahrscheinlich sogar recht gehabt. Solange wir nicht gefragt wurden, wäre nichts herausgekommen, aber bei genauer Nachfrage wahrscheinlich doch. Schließlich steht in den zehn Geboten das man nicht lügen darf. Trotz aller Loyalität zu Familie hätten wir aus diesem Grund wahrscheinlich doch die Wahrheit gesagt. Oder wir hätten gelogen und uns ewig schuldig gefühlt. Vielleicht wäre die Angst vor Schlägen aber auch so groß gewesen, das wir geschwiegen hätten. Ich weiß es nicht. Also fanden die Mitarbeiter nur einen Zettel das wir nicht da seien. Dies sollte noch öfter der Fall sein. Wir mussten zur vereinbarten Zeit ganz still sein, und ich musste meinem kleinen Bruder den Mund zu halten als er anfing zu schreien, auch wenn ich das nicht wollte. Aber mein Erzeuger drohte damit es selbst zu tun, und dann würde er es richtig machen. Also erledigte ich es lieber selbst, damit mein Bruder nicht noch erstickt wird. Als die Mitarbeiter endlich das Grundstück verlassen hatten, durften wir uns wieder bewegen und reden. 13.Unglaublich Ich wickelte meinen Bruder Imanuel , füttere ihn und versuche ihn zu beruhigen. Doch er wollte nicht aufhören zu schreien. Mein Erzeuger war davon extrem genervt. Er sagte, das ich ihn zum schweigen bringen soll, in dem ich ihn den Mund zu halte. Ich sagte ihm, das dies doch nicht ginge, da er ersticken könnte. Er meinte daraufhin das ich es tun soll, da er es sonst machen würde. Also hielt ich Imanuel den Mund zu, so das er noch Luft bekam. Aber er schrie weiter. Mein Erzeuger wollte seine Ruhe haben. Er zog seinen Gürtel aus der Hose, kam auf mich zu, und schlug auf mich ein, obwohl ich den kleinen auf den Arm hatte. Ich versuchte ihn zu schützen, aber er bekam auch etwas ab und schrie noch mehr. Irgendwann hörte mein Erzeuger dann auf uns zu schlagen und ging geladen in seinen Funkraum. Vorher brüllte er noch nach meiner Erzeugerin, die sich gefälligst um ihr Kind kümmern sollte. Das machte meine Erzeugerin so wütend, das sie mit dem Teppichklopfer auf mich einschlug. Sie tat das ohne mich vorher den kleinen beiseite legen zu lassen. Während sie mich schlug brüllte sie mich an. Sie meinte das ich unfähig wäre meine Aufgaben zu erledigen und das ich es nicht anders verdient hätte. In Wahrheit war sie aber nur sauer darüber , da sie jetzt wieder Stress mit meinem Erzeuger hatte. Sie war außer sich. Wahrscheinlich hatte sie riesige Angst gleich selber Schläge zu bekommen. 14.Erste Zweifel Meine Erzeuger erhielten immer mehr Briefe vom Jugendamt, und es kam zu immer mehr Versuchen von Hausbesuchen. Natürlich ließ mein Erzeuger niemanden herein. Langsam wurde es ihnen zu heiß. Also machten sie sich Gedanken, wie sie dem ganzen entkommen könnten. Mit dem Jugendamt zusammen arbeiten wollten sie auf keinen Fall. Denn dann hätten die Mitarbeiter entdeckt, das bei uns in der Familie nicht alles in Ordnung ist. Damit auch wirklich keiner etwas merken konnte blieben fortan alle Gardienen geschlossen. Vor die Fenster, wo keine waren, wurden Decken gehängt. Wenn es an der Tür klingelte musste jeweils einer von uns sagen, das Papa und Mama einkaufen sind und das wir wegen der Hunde niemand einlassen dürfen. In Wirklichkeit stand mein Erzeuger aber im Schlafzimmer und passte auf, das wir auch ja das richtige sagten. Der Gürtel in seiner Hand war sehr überzeugend. Das Jugendamt musste immer wieder unverrichteter Dinge abziehen, da noch keine akute Gefährdung des Kindeswohls nach außen hin sichtbar war. Dieser Zustand sollte sich über Monate hinziehen. Meine Erzeuger machten sich unterdessen immer konkretere Gedanken, wie sie dem Jugendamt entkommen könnten. Das erste mal tauchten Fluchtgedanken auf. Ich habe damals zufällig mitbekommen, wie mein Erzeuger davon sprach. Er wollte ins Ausland. Meine Erzeugerin war vorerst dagegen. Erstaunlicher weise ließ er sich von ihr überzeugen, was sehr ungewöhnlich war, da er doch das sagen hatte. 15. Er dreht langsam durch Die Situation mit dem Jugendamt setzte meinen Erzeuger mächtig unter Druck. Er fing langsam an durchzudrehen. Hinter jedem Klingeln und Auto das am Haus vorbei fuhr witterte er das Jugendamt. Die Mächte der „ bösen Welt“. Sobald sich jemand unserm Haus näherte, mussten wir ganz still sein. Wir mussten zeitweise sogar als Beobachtungsposten am Fenster fungieren. Und Meldung machen sobald jemand in Sicht war. Einmal bin völlig übermüdet am Fenster eingeschlafen, da ich in der Nacht zuvor mit meinem Erzeuger einen Gruselfilm ansehen musste. Es ging dabei um eine riesige Spinne, ein schwarz- weiß Film. Seit dem empfinde ich Ekel vor Spinnen. Jedenfalls bin ich eingeschlafen und plötzlich stand der Postbote vor der Tür. Mein Erzeuger war so wütend darüber das ihn das unvorbereitet getroffen hatte, das ich bestraft werden musste. Er befahl mir die Hose herunter zu ziehen und mich über den Stuhl zu beugen. Dann nahm er die Hundeleine und schlug auf mich ein. Dabei schrie er herum. Und äußerte das ich es nie wieder wagen soll die Familie zu hintergehen und in Gefahr zu bringen. Ich musste ihm versprechen besser aufzupassen. Das ich wegen der Nacht davor eingeschlafen war, hatte ihn nicht interessiert. Er hatte gut reden, er konnte sich ausschlafen, während ich früh aufstehen musste um meinen Geschwistern und ihm die Brote zu schmieren. Graubrot von Aldi, Margarine und darauf Leberwurst., für jeden meiner Geschwister eines, für ihn mehrere, mit Schinken und Salami. Gerne hätte ich meinen Geschwistern auch etwas von der anderen Wurst gegeben. Aber das hatte er unter Androhung von Strafe verboten. Und die Scheiben waren abgezählt. Ganz schön krank, finde ich. 16. Dem Tode nah Ich war wieder einmal dabei die Wohnung aufzuräumen., alles war total verdreckt. Egal wie sehr ich auch putzte, ich schafft es einfach nicht die Wohnung sauber zu bekommen. Darüber war mein Erzeuger sehr wütend. Er beauftragte meine Erzeugerin mich zu züchtigen. Ich musste die Hose herunterziehen und mich über den Stuhl beugen, sie schlug mit dem Gürtel zu, während ich dabei laut bis 20 zählen musste. Ich ließ es über mich ergehen und versuchte nicht zu viel zu weinen. Das erzürnte meinen Erzeuger noch mehr, so das er zum Schrank ging und eine Pistole aus der Schublade holte. Diese hielt er mir an den Kopf und schrie dabei. Am liebsten hätte ich gesagt, drück doch ab, mein Leben ist sowieso nur Mist. Aber wer würde dann auf meine Geschwister aufpassen, sie waren doch noch so klein und konnten sich nicht wehren. Ich konnte mich zwar auch nicht wehren, aber ich war älter und konnte alles besser aushalten als sie. Er schrie und schrie, schlug mir zum Schluss mit der Waffe auf die Schulter und legte sie wieder zurück. Als er wegging, nahm ich die Pistole und versteckte sie in meiner Schultasche. Ein paar Tage später, als ich wieder zur Schule durfte schmiss die Waffe auf dem Schulweg in einen Siel, damit er niemanden etwas tun konnte .Ich war erleichtert, das er sie nun nicht mehr hätte benutzen können. Als er mitbekam, das die Waffe weg war, wurde er richtig wütend. Er sagte das Gott ihm gesagt hätte, das ich die Waffe genommen habe. Er schlug mit einem Elektrokabel wie von Sinnen auf mich ein. Ihm war völlig egal, wo er mich traf. Ich habe mich gewunden, er traf mich an Armen, Beinen und im Gesicht. Plötzlich hörte er auf mich zu schlagen, packte mich und legt das Elektrokabel um meinen Hals und zog zu. So, das ich gerade noch Luft bekam. Er fragte mich wie sich das anfühlt. Und sagte, wenn ich mich noch einmal an seinen Sachen vergreifen würde, wäre ich tot. Dann ließ er von mir ab. Ich war danach völlig verwirrt, tat aber so, als wenn nichts gewesen wäre, damit meine Geschwister nichts mitbekommen. Mir war aber klar das seine Worte sehr ernst zu nehmen waren. 17. Am Ende Ich musste wieder einmal das Essen für alle zubereiten. Meine Schwester half mir. Meinen Erzeuger hatte es aber nicht geschmeckt. Er war wütend. Ich musste zur Strafe eine rohe Zwiebel essen, damit ich mir das nächste Mal mehr Mühe geben würde. Ich habe mich so geekelt. . Seit dem wird mir schlecht sobald ich etwas mit Zwiebeln essen soll. Danach machte ich die Betten von meinen Erzeugern, darüber legte ich eine hellblaue Tagesdecke mit großem Steppmuster. Mein Erzeuger kam herein und meinte das wir beide jetzt einen Spaziergang machen würden. Wir gingen auf der Brücke über den Siel und dann unter die Brücke. Er sagte, das mir heute Gott seine aller größte Liebe zeigen wird. Ich bekam Angst. Mir war danach totalschlecht und ich wollte nur noch sterben. Dann gingen wir wieder nach Hause. Ich nahm ein kleines Messer mit roten Griff und geriffelter Klinge und versuchte mich umzubringen. Was mir leider misslang, da ich nicht wusste wo genau ich schneiden muss. Als mein Erzeuger das mitbekam, rastete er total aus und sagte, das nur er das Recht habe zu bestimmen wie lange ich lebe. Und sollte ich so etwas noch mal versuchen, würde er meinen Geschwistern etwas antun. Ich diesem Moment war ich froh, das es nicht geklappt hatte, da meine Geschwister sonst hätten leiden müssen. Das Martyrium sollte also weitergehen. 18. Der erste Fluchtversuch Als ich zwölf Jahre alt war bekamen meine Erzeuger einen Brief vom Vormundschaftsgericht. Es war Anfang Januar1986. In dem Brief stand, das es eine Verhandlung um das Sorgerecht geben sollte. Meinen Erzeugern wurde die Situation langsam aber sicher zu heikel. Darum machten sie sich daran die Wertgegenstände zu verkaufen. Funken, Weltempfänger , wertvolle, antike Bibeln usw. Alles Dinge die sie auf Pump gekauft hatten. So bekamen sie ca. 7000 bis 8000 Mark zusammen. Mein Erzeuger wollte sich auf keinen Fall alle Kinder wegnehmen lassen. Er hatte vor ins Ausland zu fliehen. Meine Erzeugerin wollte, das alle Kinder mitkommen. Aber das ging nicht, da es zu auffällig gewesen wäre mit so vielen Kindern zu reisen. Außerdem hätte das Geld nicht gereicht. Also einigten sie sich auf meine Schwester Piroschka, da meine Erzeugerin mindestens ein Kind mitnehmen wollte. Darauf ließ sich mein Erzeuger ein. Meine Schwester wusste nicht, warum sie mit meinen Erzeugern verreisen sollte. Ich hatte verschiedene vorbereitete Zettel bekommen um lästige Besucher abzuwehren. Auf diesen stand, sind auf einer Beerdigung, sind einkaufen und andere fadenscheinige Ausreden. Meine Erzeuger fuhren vom Husum aus mit der Bahn nach Hamburg, kehrten dann aber noch einmal zurück. Weil meine Erzeugerin Skrupel hatte so viele Kinder im Stich zulassen. Meine Schwester sollte erst Jahre später, bei der Gerichtsverhandlung erfahren, was sie erlebt hatte. Bei uns kehrte dann für kurze Zeit der Alltag wieder ein. 19. Die Flucht Die Fluchtgedanken meines Erzeugers wurden immer konkreter. Und er sollte sie auch bald in die Tat umsetzten. Vorher mussten aber noch ein paar Vorbereitungen getroffen werden. So erzählten sie in der Gemeinde das eine Oma im sterben liegen würde und wir darum verreisen müssten. Unser Fehlen sollte ja keine Fragen aufwerfen. Schließlich waren wir bisher bei jedem Gottesdienst, zu dem wir abgeholt werden konnten. Verwunderlich fand ich schon damals, das sich keiner daran gestört hatte, das sie nur mit drei Kindern verreisen wollten. Während die anderen sechs zu Hause blieben, beaufsichtigt von einem erst zehn Jahre alten Mädchen. Sie schienen das für normal zu halten. Meiner Schwester Piroschka wurde das Zettelsystem erklärt. Dann tätigten meine Erzeuger noch einen größeren Einkauf, damit für ein paar Tage zu Essen da wäre. Brot, Margarine, Nudeln, Kartoffeln, Bohnenkonserven, Eier; Windeln, Babynahrung, und natürlich Tierfutter. Schließlich sollte es den Tieren gut gehen. Und dann kam der Augenblick, wo sie sagten das Juhanita, Luziane und ich mitkommen sollten, da Oma Hilde uns noch einmal sehen wollen würde. Das dies nicht stimmen sollte merkten wir einige Stunden später. Meine Schwestern nahm er mit, da sie in ihrer Entwicklung retardiert waren. Er hatte Angst das sie an schlechte Menschen geraten. Welch ein Hohn. Mich nahm er glaube ich mit, da er Sorge hatte, das ich zu früh das Schweigen brechen und Hilfe holen könnte. Und damit das ganze Unternehmen gefährden würde. Sie ließen meinen Geschwistern Essen für ein paar Tage da, so wie etwas Kleingeld um in ein paar Tagen, am 15.3.1986, telefonieren zu können. Und zwar mit dem Jugendamt. Dann sollte meine Schwester sagen das meine Erzeuger weg sind. Meine arme Schwester, welche Verantwortung und Last hatte sie zu tragen. Am 7.3.1986 fuhren wir los. Wir fuhren von Husum aus mit dem Zug, quer durch Deutschland und Jugoslawien , und nahmen einen Nachtzug. . Das war schon aufregend. Ich wollte gar nicht schlafen, weil die Fahrt so spannend war.. Als wir in einem Bahnhof halt machten ging meine Erzeugerin kurz weg, um zu Hause anzurufen. Als sie kurze Zeit später wider kam, meinte sie, das alles ok sei und das, dass meine Geschwister bald vom Jugendamt geholt werden würden.. Wie ich später erfahren sollte, hatte dieses Telefonat nie stattgefunden. Zwischendurch machten wir am 8.3.1986 in München einen Zwischenstopp . Wir übernachteten in München in der Bahnhofsmission. Arme, gestrandete die Hilfe brauchten. Bevor wir weiter fuhren, hing meine Erzeugerin mir den Brustbeutel mit dem Geld um den Hals. Ich sollte ihn bei mir tragen, damit das Geld keiner klauen könnte. Ihr Gedanke war wohl, das man es bei einem Kind nicht vermuten würde. Kurz vor der Grenze überkamen meine Erzeugerin Skrupel, all die anderen zurückgelassen zu haben. Hatte sie etwa doch ein Gewissen? Sie sagte meinem Erzeuger das wir umkehren müssten, da das Geld gestohlen worden sei. Mir hatte sie vorher unter Androhung von Schlägen eingetrichtert, das ich zum Thema Geld zu schweigen habe. Mein Erzeuger ließ sich aber nicht umstimmen. Als er mitbekam das meine Erzeugerin gelogen hatte war er extrem erzürnt. Er konnte seiner Wut aber nicht gleich Ausdruck verleihen, da es jeder im Zug mitbekommen hätte. Also wartete er bis zum nächsten Bahnhof. Dort ging er mit uns an eine abgelegene Stelle. Erst bekam meine Erzeugerin Schläge dann ich. Ich war total hilflos, da ich doch nur das gemacht hatte, was meine Erzeugerin mir befohlen hatte. Wie ich es machte, es war immer falsch und es setzte Schläge. Dann fuhren wir weiter und kamen schließlich mit dem Zug am Ziel Athen an. 20. Weg vom Festland Als wir Athen angekommen waren suchten wir erst einmal einen Unterschlupf. Diese Stadt war so riesig und voller neuer Eindrücke. Die Fremde Sprache, anderes Essen und sogar die Sonne schien hier in anderem Gelb zu leuchten. Zwei Tage später flogen wir nach Kreta. Die Hauptstadt , Heraklion war das Ziel. Mein Erzeuger wählte Griechenland, da die Menschen dort freundlicher sein sollten. In Heraklion angelangt war ich überwältigt, trotz der Umstände, die mich dort hin verschlagen hatten. Mandarinenbäume und Palmen, soweit das Auge reichte. So etwas schönes hatte ich noch nie gesehen und gerochen. Es war zu schön um wahr zu sein. Doch sollte mir auch in diesem Land Leid wiederfahren. Meine Erzeuger hatten nichts dazu gelernt und sich kein Stück verändert.. Bald suchten wir uns eine dauerhafte Bleibe. Meine Erzeuger, die Geschwister und ich fanden Unterschlupf in einem kleinen Zimmer über einem Friseursalon. Dort stand ein Hochbett. Meine Schwestern Juhanita, Luziana und ich sollen im oberen Bett schlafen, meine Erzeuger im unteren. Meine Schwestern schliefen am oberen Ende und ich am unteren. Vor dem Fenster waren hellbraune Vorläden aus Holz. Wir gingen als erstes an den Strand. Dort waren überall Stände und Bars. Was mich total faszinierte war die Vielfalt der Eindrücke. Das Meer, die verschieden Bäume, die Menschen und die fremdartigen Gerüche. Das ließ mich für einen kurzen Augenblick alles Leid vergessen und ich tauchte ab in eine andere Welt. Diese dient mir auch heute noch als Zufluchtsort. Sie war so real und schien doch so unwirklich Dann machten sich meine Erzeuger auf die Suche nach einem Job. Ich machte einen Tomaten- Paprikasalat. Dann kamen sie zurück, sie hatten für uns alle Arbeit als Erntehelfer für Gurken und Tomaten gefunden. Mein Erzeuger meinte, das man das feiern muss. Schicket aber Luziane und Juhanita nach draußen. Dann verlangte er von mir, das ich meiner Erzeugerin zeige, wie sehr ich Gott liebe. Mir war total übel dabei. Ich fühlte mich so dreckig und leer.. 21. Das Leid der anderen Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war wie schlecht es unseren anderen Geschwistern ging. Ich dachte damals das es ihnen ohne meine Erzeuger besser ergehen müsste. Aber das war, wie ich später erfahren sollte nicht der Fall. Meine arme Schwester war total überfordert, was ja auch nicht verwunderlich war. Obwohl mein Bruder Claudio, damals 6 Jahre alt, ihr half, war es nachvollziehbarer Weise, zu viel was sie leisten musste. Tagelang hielten sie bis nachts Ausschau nach uns, in der Hoffnung, das wir zurückkommen würden. Aber wir kamen nicht. Meinen kleinsten Brüdern ging es sehr schlecht .Sie waren unterernährt und hatten Entzündungen. Einer, nämlich mein Bruder Menjuchim, hatte übrigens nur einen Arm. Er hatte nur einen Arm, da sich im Mutterleib die Nabelschnur um seinen Arm gewickelt hatte. Mein Erzeuger empfand ihn als Bestrafung Gottes. Wahrscheinlich ließ er ihn auch deshalb zurück. Nach ein paar Tagen, als die Vorräte langsam aufgebraucht waren, ging meine Schwester zu einer Nachbarin, um nach Brot zufragen. Als sie gefragt wurde, was denn los sei, brach sie schließlich zusammen und das Schweigen. Sie erzählte unserer Nachbarin was los war. Diese ging dann mit ihr nach Hause. Als sie sah was los war informierte sie sofort die Polizei. Die kamen dann mit dem Jugendamt und holten meine Geschwister. Vorher gab die Nachbarin ihnen noch etwas zu Essen. Die Wohnung war total verwahrlost, Berge von Müll, Essensresten, Windeln und Tierkot. Die Tiere konnten nun ja nicht mehr nach draußen, da meine Erzeuger nicht mehr da waren. Auch meine Geschwister waren total verwahrlost. Mein Bruder Imanuel wäre beinahe gestorben. Er musste ins Krankenhaus, genau wie mein Bruder Menjuchim. Der durfte allerdings schon nach einem Tag das Krankenhaus wieder verlassen. Meine Geschwister kamen dann ins Sankt-Franziskus- Kinderheim in Nordstrand. Dort ging es ihnen endlich gut. Die Hunde, Katzen und Vögel kamen ins Tierheim. Sie hatten es nun auch besser. 22. Das Martyrium geht weiter Nach einiger Zeit wurde das Geld langsam knapp. Mein Erzeuger stand extrem unter Druck, da wir das Zimmer bezahlen mussten. Unser Lohn als Erntehelfer waren Essen und Geld, aber wir mussten jeden Tag einige Kilometer zu Fuß zurücklegen um an unseren Arbeitsplatz zu gelangen. Mein Erzeuger war mit der Situation extrem unzufrieden. Das ließ er an mir aus. Ich hatte wirklich nichts gemacht, außer still auf dem Bett zu liegen und vor mich hinzustarren. Aber schon dadurch fühlte er sich provoziert und schlug auf mich ein. Ich durfte nicht schreien und nicht zu laut weinen, da uns jemand hätte hören können, schließlich war im Laden unter uns gerade Kundschaft. Es fiel mir schwer, da die Schmerzen so groß waren. Danach ging er mit mir spazieren, an einen entlegenen Teil des Strandes und zeigte mir wie sehr Gott mich liebt. Ich wollte nur noch sterben. Aber das durfte ich ja nicht. Dann gingen wir wieder ins Zimmer als wäre nichts geschehen. Wir aßen regelmäßig mit den Plantagenbesitzern zu Mittag. Dabei lief für ihre jüngeren Kinder die Sesamstrasse. Es hat mich damals total fasziniert, das es die auch in Griechenland gab. Ich weiß, albern, aber damals habe ich das so empfunden. Eines Tages hatte mein Erzeuger die Idee, das die Leute ihn komisch anschauen würden. Und er glaubte, das man uns auf den Fersen sei. Darum verschwanden wir aus Heraklion, im übrigen ohne den Rest der Rechnung zu begleichen, da wir das Geld noch brauchten. Wir machten uns auf den Weg nach Irapetra. Den Großteil der Strecke legten wir zu Fuß zurück. Der Weg führte uns vorbei an Bächen, Olivenhainen, Obstplantagen und durch Bergdörfer. Auch wenn die Gesamtsituation schrecklich war, so konnte mich die Schönheit der Natur trösten. Und ließ mich abtauchen in eine andere Welt, in der mein Erzeuger mir kein Leid zu fügen konnte. Wir waren mehrere Tage unterwegs, und nächtigten sogar im Freien. Eines Nachts war es besonders kühl. Darum legten wir uns alle ganz dicht zusammen.. Meine Schwestern sollten auf mir liegen, damit sie nicht auf der kalten Erde liegen mussten. Schließlich waren sie viel jünger, und es war ihnen nicht zu zumuten auf dem kühlen Boden zu liegen. Meine Erzeuger legten sich auf eine Decke, und deckten sich mit einer anderen zu. Wir hatten nur unsere Jacken um uns zu wärmen. Am nächsten Morgen als wir uns notdürftig wuschen hatte ich einen Frosch im Waschlappen. Das war einer der wenigen Augenblicke wo wir etwas zu Lachen hatten. Dann ginge wir weiter. 23. Eine neue Bleibe Als wir in Irapetra ankamen fuhren wir mit einem Taxi an einen kleinen, in der nähe liegenden Ort. Mein Erzeuger hatte von einem Deutschen gehört, das man dort günstig wohnen könnte. Wir mieteten ein Haus. Es war ganz weiß gestrichen, und hatte einen Schlafraum mit zwei Fenstern, in dem vier Betten standen. In der Küche ohne Fenster standen rote und grüne Plastikbecher auf dem Tisch, über dem eine kleine Lampe hing. Der Raum wirkte deshalb sehr dunkel. Außerdem gab es noch ein kleines Badezimmer mit Dusche. Diese Räume waren für uns. Die übrige Räumlichkeiten durften wir genauso wenig betreten wie den Garten, der durch eine große, braunes Holztür versperrt war. Wir gingen als erstes an den Strand, die Wellen schlugen gegen die Felsen und am Horizont waren Frachter zu sehen. Er lächelte mich an und sagte, das Gott mich liebt. Mich überkam ein schreckliches Gefühl. Wir gingen dann ins Haus und er sagte, das ich ihm zeigen soll, wie sehr ich Gott liebe. Ich hatte schreckliche Angst, empfand Eckel und Trauer. Er sagte anschließend, das ich schweigen müsse, da meine Geschwister sonst sterben müssten. Ich wünschte mir in diesem Augenblick das ich sterben würde, da ich mich so beschmutzt und verletzt fühle. In der nähe des Hauses befanden sich eine Taverne, ein Supermarkt, eine Hotelanlage und ein Elektrizitätswerk. Vor uns lag das Meer und hinter uns eine Bergkette. Es war einfach Atemberaubend schön, und ließ mich für einen kurzen Augenblick vergessen, und wieder in eine andere Welt flüchten. Meine Erzeuger und ich bekamen jeweils ein Bett, meine beiden jüngeren Geschwister teilten sich eines. 24. Ein Wunder ist geschehen Wir gingen alle an den Strand. Mein Erzeuger tastete sich mit seinem Blindstock vorwärts und ließ sich von mir führen. Beinahe wäre er gestolpert, da ich ihn zu spät vor einem Hindernis gewarnt hatte. Darüber war er so wütend das er mir einen schlag mit der Faust in die Seite verpasste. Ich bekam kaum noch Luft, musste aber weiter gehen. Er sagte zu uns, das er spürt, das Gott heute großes mit ihm vor hätte. Wir schauten uns nur an, da wir nicht wussten wie er das meinte. Plötzlich fasste er sich an den Kopf und ging zu boden. Wälzte sich auf der Erde und schrie, das seine Augen brennen würden. Dann rief er ein paar Minuten lang immer nach Gott, bis er plötzlich aufsprang, den Blindenstock wegwarf und schrie, das ein Wunder geschehen sein. Er könnte plötzlich wieder sehen. Damals schwankte ich zwischen Zweifel und Glaube. Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen, das er das ganze gut inszeniert hatte. 25. Wir erkunden die Umgebung Am nächsten Tag erkundeten wir die Umgebung und fuhren mit einen Einheimischen in ein näher gelegenes Bergdorf. Er hatte so ein Fahrzeug mit drei Rädern, einen Pritschewagen. Wir saßen hinten auf der Ladefläche. Die Natur war Atemberaubend schön. So viele Gerüche und Geräusche die wir nicht kannten, einfach traumhaft. Genau das richtige um der Realität zu entfliehen. Wir fuhren vorbei an Oliven- und Orangenbäumen. Und schraubten uns durch Serpentinen an den Gipfel des Berges wo ein kleines Dorf war. Dort gab es eine Kleine Kapelle, ein Gastwirtschaft, die gleichzeitig als Supermarkt diente und ein paar Häuser. Wir bestellten Rührei und Orangenlimonade in kleinen Flaschen. Nachdem wir alles verzehrt hatten, fuhren wir mit dem Mann mit dem wir gekommen waren wieder nach Hause. Das war einer der extrem wenigen, schönen Tage an die ich mich erinnern kann. Ein Tag ohne Schläge, Geschrei und ohne Gottes Liebe. 26. Wir brauchen Geld Unser Geld ging langsam aber sicher zur neige und wir brauchten dringend neues. Da mein Erzeuger nun wieder zu denn sehenden gehörte, suchte er sich einen Aushilfsjob im nahe gelegenem Hotel. Doch das Geld reichte trotzdem nicht. Obwohl uns die Nachbarn aushalfen hatten wir nicht genug zu essen. Wir fuhren nach Heraklion zurück. Wir gingen in den Hafen .Dort standen wir, meine Erzeuger, Luziane, Juhanita und ich auf einer Mauer. Mein Erzeuger sagte, das wir Geld bräuchten um zu überleben. Darum sollte ich losgehen und stehlen. Ich wollte das nicht, schließlich steht in den 10 Geboten das man nicht stehlen soll. Er sagte, das Gott in diesem Fall Verständnis dafür hätte, da wir das nur tun würden, weil wir in Not sind. Er packte meine Schwester und hielt sie über die Mauer und drohte damit sie ins Meer fallen zu lassen. Da ich große Angst um sie hatte tat ich was er von mir verlangte. Ich fühlte mich so schuldig, als ich abends die 370 Drachmen bei ihm ablieferte, die ich in einem Geschäft aus einer Handtasche gestohlen hatte. Ich dächte das wir nun genug Geld hätten. Aber er schickte mich am nächsten Tag wieder los. Ich ertrug das Schuldgefühl nicht mehr und ließ mich absichtlich erwischen. Die Polizei kam. Einer der Polizisten sagte zu mir“ klepta, klepta“ und legte mir Handschellen an. Ich verbrachte die erste Nacht in einer Zelle, ich hatte solche Angst. Ich wusste ja nicht, was mir alles geschehen könnte. Am nächsten Morgen kam mein Erzeuger, er verleugnete mich und sagte, das er mich nicht kennen würde, und ließ mich allein im Gefängnis zurück. Am zweiten Tag gab er zu das ich sein Kind bin. Jedoch leugnete er mich zum stehlen angehalten zu haben. Er sagte das ich vielleicht gestohlen hätte um mir Liebe zu kaufen. Diese Aussage verletzte mich sehr und mir wurde übel, da ich an die Dinge denken muss, die er mit mir gemacht hatte. Dann sagte die Dolmetscherin mir, das ich wieder in die Zelle muss. Am dritten Tag wurde ich entlassen, da die Polizei gesehen hatte, das meine Erzeuger per Interpol gesucht werden. Das Jugendamt kam um uns abholen und meine Erzeuger in Haft. Ich fühlte mich schuldig, so als hätte ich meine eigene Familie verraten. 27. Wir kommen zu unseren Geschwistern Es war März ,nach ca. acht Wochen hatte die Flucht ein Ende. Wir wurden von einer Dolmetscherin begleitet und fuhren mit dem Bus zum Flughafen, wo wir uns mit den Mitarbeitern vom Jugendamt am Flughafen trafen. Sie hießen Herr Schäfer und Herr Wege. Zwei sehr sympathische Menschen. Dennoch waren wir anfangs sehr Misstrauisch. Wir fragten als erstes nach unseren Erzeugern, wollten zu ihnen. Es wurde uns gesagt, das dies nicht gehen würde. Unsere Erzeuger müssten noch auf der Insel bleiben da noch ein paar Formalitäten zu klären wären. Also sollten wir drei, ganz allein, ohne unsere Erzeuger ins Flugzeug steigen. Ich war irgendwie erleichtert, hatte aber gleichzeitig auch große Angst und Schuldgefühle. Ich hatte meine Erzeuger verraten. Wegen mir saßen sie nun in Untersuchungshaft. Es ging ihnen bestimmt schlecht. Sie taten mir plötzlich leid. Herr Wege sagte, das wir nun zu unseren Geschwistern kommen. Während wir auf den Flug warteten wurden wir plötzlich fotografiert, Herr Schäfer ging zu dem Mann und sagte ihm, das er sofort gehen solle, sonst würde er die Polizei holen. Es war ein Reporter. Herr Wege erklärte uns dann, das unser Fall in Deutschland das Medieninteresse geweckt hätte. Eltern die sechs Kinder im Stich lassen , seien interessant für die Medien. Ich empfand das als unangenehm. Das es noch unangenehmer werden sollte, konnte ich damals nicht ahnen. Wir machten uns dann schließlich mit dem Flugzeug auf den Weg nach Deutschland. Im Flugzeug gab es etwas zu Essen. Ich aß einen Schokopudding mit etwas Sahne und einer Kirsche obenauf, in einer kleinen, eckigen, hellbraunen Schale. Danach war mir total übel. Ich konnte es nicht mehr halten, und übergab mich auf das Hemd von Herrn Wege. Aus Angst davor, was gleich passieren könnte, kauerte ich mich zusammen. Zu meinem Erstaunen gab es weder Schläge noch Geschrei. Auch wenn es gerechtfertigt gewesen wäre. Herr Wege stand einfach nur auf, ging auf die Toilette und wusch sich das Hemd ab. Ich war sehr erleichtert, aber gleichzeitig auch verwirrt. Als wir in Deutschland landeten, war mir ganz schön komisch zu mute. Wir sollten unsere Geschwister wieder sehen. 28. Wiedersehen Mitten in der Nacht kamen wir in Nordstrand, einem kleinem Ort bei Husum an. Wir wurden ins Sankt- Franziskus- Kinderheim gebracht. Dort warteten schon unsere Geschwister auf uns. Sie hatten erfahren das wir kommen würden. Darum durften Piroschka und Claudio aufbleiben. Luziana und Juhanita wurden herzlich begrüßt. Zu mir war die Atmosphäre etwas unterkühlt. Waren meine Geschwister sauer auf mich, weil ich meine Erzeuger ausgeliefert hatte? Oder waren sie enttäuscht von mir, weil ich sie im Stich gelassen hatte? Ich habe es bis heute nicht erfahren. Vielleicht waren sie ganz einfach genau so unsicher wie ich? Wir haben bis heute nicht darüber gesprochen, vielleicht war es ihnen nicht so wichtig wie mir. Schwester Iremella zeigte uns dann wo wir schlafen sollten. In dem Raum standen vier Betten, jeder hatte sein eigenes , das war ungewohnt, aber schön. Als wir noch zu Hause lebten mussten wir uns ein Ehebett zu fünft teilen. Sobald wir uns fertiggemacht hatten, kam sie und sang uns ein Schlaflied ( lallilu...), das kannten wir gar nicht. Seitdem verbinde ich mit diesem Lied viele Erinnerungen. Meine Geschwister Jeremia, Imanuel, Menjuchim und Fatima sollte ich am nächsten Tag wieder sehen. 29. Der erste tag im Heim Am nächsten Morgen wurden wir von dem Erzieher, er hieß Stefan geweckt. Ich war total unsicher. Wie sollte ich mich hier verhalten. Zumindest waren Schwester Iremella und der Erzieher nett, das merkte ich schnell. Trotzdem blieb ich misstrauisch und in“hab-acht-Stellung“. Ich konnte ja nicht wissen was sie im Schilde führten. Endlich waren wir wieder alle vereint, um das zu feiern, gingen wir mit Stefan ins heimeigene Hallenbad. Dort lernte ich unfreiwillig schwimmen. Während ich mich im flachen Wasser aufhielt war Piroschka weiter ins tiefe Wasser gegangen. Plötzlich drohte sie unter zu gehen. Wie in Trance versuchte ich irgendwie zu ihr zu kommen. Gott sei dank war Stefan vor mir da, ich hätte ihr wahrscheinlich gar nicht helfen können. Ich war Stefan so dankbar das er meine Schwester gerettet hatte. Ich hätte es nicht ertragen, wenn ich sie gleich wieder, und vielleicht für immer verloren hätte. Als wir wieder zurückkamen wurden wir von den Bewohnern der anderen Gruppen neugierig beäugt. Das gab es dort auch nicht jeden Tag, das eine ganze Gruppe nur aus Geschwistern bestand. Einige hatten Mitleid, andere wollten nur provozieren. Dann gab es Mittagessen, Labskaus und saure Gurken, ein Essen das ich bisher nicht kannte. Aber es schmeckte, und vor allem war es etwas richtiges zu Essen, es gab sogar Pudding zum Nachtisch. Im Essraum war eine Sitzecke an der ein Esstisch stand, auf der Gegenseite noch ein paar Küchenstühle. Zur rechten eine grüne Küchenschrankwand mit einer Durchreiche zur Küche. Das Mittagessen kam aus der Großküche des Heims. Die Gruppenküche wurde nur für die Zubereitung des Frühstücks und Abendessens verwendet. Es gab auf der Gruppe noch ein Wohnzimmer. Der Ferneseher stand gerade über der Tür auf der rechten Seite. Über ihn hing ein Kreuz. Auf der linken Seite stand ein Sofa und ein Sessel. Vor dem Fenster waren weiße Gardienen und Grüne, um Abends das Zimmer abzudunkeln. In einem großen Flur, von dem vier Zimmer abgingen, in einem wohnte Schwester Iremella, waren Spielsachen aufgebaut. Und dann gab es noch ein Badezimmer. Das Heim war riesig, es gab dort mehrere Gruppen. Die Betreuer dort schienen sehr nett zu sein. 30. Die Erzieher haben es nicht leicht Wir waren es gewohnt gehorsam zu sein, also taten wir, was man uns befahl. Das sollte auch so bleiben. Doch trotz alle dem hatten es die Erzieher und Schwestern zu Anfang nicht so ganz leicht. Für meine Geschwister war klar, das ich nun an die Stelle meiner Erzeuger trete, und somit das Sagen habe. Ein Erbe das ich nur ungern antrat. Denn sie hatten die Befürchtung, das auch ich sie schlagen würde. Dies kam für mich aber nie in Frage, auch weil ich manchmal Angst hatte, so zu werden wie meine Erzeuger. Wir hatten alle Angst. Meine Geschwister hatten Sorge, dass ich meinen Erzeugern erzählen könnte, wenn sie nicht gehorsam waren. Und ich hatte Angst, das sie ihm erzählen könnten , das ich nicht für Ordnung gesorgt habe. Egal was die Erzieher sagten, zuerst sahen meine Geschwister mich an, um zu sehen, ob sie das verlangte tun dürfen, bzw. sollen. Ich stimmte natürlich immer zu. Diese Rolle war mir zu wieder. Und ich war froh, das andere meinen Geschwistern sagten, was sie tun sollten. 31. Zweifel und neue Pflichten Ich konnte einfach nicht aufhören an, und über meine Erzeuger nach zu denken. Tag und Nacht dachte ich an sie. Hatte Alpträume und konnte nicht richtig schlafen. Stellte mir tausend Fragen. Was hätte ich anders machen können? Hätte ich still halten sollen? Hätte ich mich weigern können, mit meinen Erzeugern zu fliehen? Um mich etwas abzulenken, bekam ich eine neue Aufgabe. Schwester Iremellla erzählte mir, das die Schwester Oberin jeden Tag die Gräber auf dem nahe gelegenen Friedhof pflegen geht. Dabei sollte ich ihr helfen. Also ging ich fortan jeden Abend mit ihr auf den Friedhof, goss die Blumen und zupfte Unkraut. Außerdem bereitete ich die Kapelle für die hausinternen Gottesdienste vor. Sie lag unter dem Dach und hatte große, bunte Fenster. In dem Raum standen mehrere Stuhlreihen. Ich brachte jeden Tag frische Blumen in den Saal und verteilte die Gesangsbücher. Außerdem gingen wir inzwischen wieder zur Schule und das regelmäßig. Ich fand das schön, und genoss jede Stunde, nur Mathe war nicht so mein Fall. Ich ging in die fünfte Klasse der Hauptschule Nordstrand. Eines Tages fand ein Schulfest mit verschiedenen Wettkämpfen statt. Ich machte zu meinem Erstaunen viele Punkte, da es mir soviel Spaß machte. Ich wurde unerwarteter weise Hauptschulkönigin. Das erste und letzte Mal .Endlich war ich mal gut in etwas , und hatte etwas richtig gemacht. Die Betreuer freuten sich sehr darüber. Und kauften mir gleich ein Kleid, auch wenn ich das nicht wollte. Ich musste dann dieses schreckliche, rosa Kleid anziehen, da die Schulkönigin ein Kleid tragen musste. Das Abschlussfest fand dann im Saal einer Gastwirtschaft in Nordstrand statt. Es gab, Cola, Saft, Popkorn und vieles mehr. Es machte einen Riesen Spaß, und ich musste einen kurzen Augenblick nicht an die Vergangenheit denken. Nur das ich das Kleid tragen musste beschäftigte mich etwas. 32. Die Welle der Hilfsbereitschaft und reißerische Schlagzeilen Unser Schicksal war ein gefundenes Fressen für die Presse. Die Zeitungen waren gefüllt mit reißerischen Schlagzeilen. Besonders die Bildzeitung ließ ihrer Fantasie freien Lauf. Schlagzeilen waren z.B – „ Die Rabeneltern von Husum“, „Wir wollen Papi und Mami nie wieder sehen“, „Eine chaotische Familie“, „ Die Husumer Rabenmutter, jetzt weint sie um ihre Kinder“., „Säugling fast verhungert“. Um nur einige zu nennen. Sie waren auch eifrig bemüht Fotos und Interviews zu bekommen. Jedes noch so kleine Detail wurde von ihnen aufgesogen und benutzt. Die Zeitungsartikel machten unser Leben nicht gerade einfacher. Natürlich wurden wir von unseren Mitschülern und den anderen Heimbewohnern angesprochen. Mir war das immer total unangenehm und ich wäre manchmal am liebsten gestorben. Aber ich konnte meine Geschwister gerade jetzt nicht allein lassen. Einige Menschen waren einfach nur neugierig und wollten mehr wissen. Das konnte ich zwar damals schon irgendwie verstehen, aber ich wollte, und konnte ihre Neugier nicht befriedigen. Andere hatten nur Mitleid, und wieder andere machten sich einfach nur über uns lustig. Das war manchmal sehr hart, und die Hand ballte sich in meiner Hosentasche oft zur Faust, weil ich tief verletzt war. Aber ich zeigte es nicht, und habe alles in mich hineingefressen. Die Kinder konnten so grausam sein. Viel härter war aber manchmal, das übertriebene Mitleidsgetue mancher Erwachsener. Sie machten mich und mein Selbstbewusstein manchmal kleiner als es ohnehin schon war. Doch ein positives hatte der Presserummel. Es wurde eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. „Ein Herz für Kinder“ startete eine große Spendenaktion. Das Ergebnis war , das jeder von uns ein Sparbuch von 2600 DM bekam. Ein gutes Startkapital für die Zukunft. Außerdem bekam jeder von uns größeren ein Fahrrad. Das war schon eine tolle Sache. Wir waren den Menschen sehr dankbar. Auch wenn wir dafür für die Presse für ein Foto posieren mussten. Wie wir später erfahren sollten, hatte das Jugendamt eine Ausschreibung nach Pflegeeltern für uns alle neun geschaltet. Wir sollten das Bundesland in jedem Fall verlassen. 33. Wir werden auf den Abschied vorbereitet Nach einiger Zeit hatte sich tatsächlich ein Ehepaar gefunden, das uns alle aufnehmen wollte. Wir waren total aufgeregt wer diese Menschen wohl seien würden. Außerdem hatten wir immer noch im Hinterkopf, das wir vielleicht doch noch zu unseren Erzeugern zurückkommen könnten. Gerade bei mir hatte sich diese Angst manifestiert. Zu Anfang wehrte ich mich gegen den Gedanken zu anderen „Eltern“ zu ziehen. Dann kam aber der Tag, an dem wir sie kennen lernen sollten. Es war ein Ehepaar. Sie hießen Cordula und Theo. Sie waren noch ziemlich jung, gerade einmal knapp über dreißig Jahre, und wirkten sehr sympathisch. Aber dennoch war ich misstrauisch. Ich konnte mich innerlich noch nicht darauf einlassen zu anderen Menschen Vertrauen aufzubauen. Aber meine Geschwister schienen sie zu mögen, also spielte ich die Rolle der ebenfalls begeisterten. Schließlich wollte ich, das es meinen Geschwistern gut geht. Beim Ersten Treffen machten wir einen Spaziergang auf einen nahegelegenen Spielplatz. Die beiden waren sehr bemüht. Sie sagten das sie alles tun würden, das wir uns wohl fühlen sollten. Aber sie machten uns keine leeren Versprechungen. Im nachhinein sollte sich herausstellen, das sie genau so unsicher waren wie wir. Sie hatten auch nicht den Anspruch unsere Erzeuger zu ersetzten. Sie wollten einfach nur für uns da sein. Das überzeugte dann sogar mich. Ich konnte ihnen noch nicht vertrauen, aber wollte ihnen eine Chance geben.. Als das Treffen beendet war, kam schließlich die Frage, ob wir uns vorstellen könnten bei ihnen zu leben. Meine Geschwister schauten mich fragend an, so als ob sie meine Zustimmung suchen würden. Da ich wusste, das sie gern zu den Pflegeeltern ziehen wollten, gab ich mein ok. Wir sollten also in eine neue Zukunft starten. Das hieß aber auch, das wir das Heim und die Betreuer verlassen mussten. Diese Tatsache machte uns allen Angst. Wir hatten uns so an unser neues zu Hause gewöhnt, und die Betreuer in unser Herz geschlossen. Sie waren schließlich die ersten Menschen die uns Geborgenheit und Sicherheit gegeben haben. Hier hatten wir eine andere Welt kennen gelernt. Ohne Schläge und Demütigung durch Erwachsene. Dafür Vertrauen und so etwas wie emotionale Nähe erfahren. Dieses aufzugeben für eine neue ungewisse Zukunft war schwer. 34. Der Abschied Nun war es also Gewissheit wir sollten zu unseren Pflegeeltern ziehen. Wir freuten uns, waren aber auch gleichzeitig unsicher. Anfang September 1986 war es dann soweit, das Jugendamt holte uns ab. Sie kamen mit einem blauen VW-Bus. Es war ein ungewöhnlich warmer Tag. Die Luft roch nach frisch gemähtem Gras und Meer. Einer nach dem anderen stieg ins Auto, das unter der Last ächzte. Als alle eingestiegen waren ging es los. Die Erzieher und Schwestern standen Spalier und winkten uns zum Abschied zu. Es war ein trauriger Augenblick. Kaum einer konnte die Tränen halten. Sogar ich, die harte Jacqueline musste weinen. Die Sozialarbeiter versuchten uns zu trösten. Es muss schwer für sie gewesen sein einen Bus voller weinender Kinder zu steuern. Wir fuhren vorbei an Sielen, Feldern und Weiden. All das sollten wir jetzt vorerst zum letzten mal sehen. Ich fragte mich ob alles gut gehen würde. Oder ob wir eines Tages an diesen Ort zurückkehren würden. 35. Die Ankunft im neuen zu Hause Am Nachmittag kamen wir an unserem neuen Wohnort an. Es war ein Kinderdorf vom Albertschweitzer – Familienwerk. Ein Dorf, im Dorf Alt Garge. So hieß der Ort und lag ca. dreißig Kilometer von Lüneburg entfernt. Lüneburg liegt in der Nähe von Hamburg. Wir schauten uns das Haus an, in dem wir leben sollten. Es war schön und so groß. Und vor dem Haus jede Menge Platz zum Spielen. Zum Haus gehörte ein riesiger Garten. Da das Haus aber noch nicht fertig war für unseren Einzug war, zogen wir vorerst in die alte Schule. Auch dort war genug Platz zum Spielen. Geduscht haben wir in den Umkleideräumen der Sporthalle, in der wir auch spielen durften. Das war klasse. Diese Unterkunft war zwar nur vorübergehend, aber dennoch hatte jeder sein eigenes Bett. Und durch die Wärme die, die Cordula und Theo uns entgegen brachten, fühlte es sich schon fast an wie zu Hause. Und ich bin ihnen noch heute unendlich dankbar für das, was sie für uns, besonders meine jüngeren Geschwister getan haben. So viele Kinder auf einmal aufzunehmen erforderte sehr viel Mut, gerade bei unserer Vorgeschichte. Es hätte ja auch alles scheitern können. 36. Aller Anfang ist schwer Meine Pflegeltern waren sehr bemüht. Man merkte das sie es gut und ernst mit uns meinten. Dennoch gestaltete sich der Anfang etwas schwierig. Da meine Geschwister immer noch zuerst meine Zustimmung suchten, bevor sie etwas taten, das man ihnen sagte. Das war nicht einfach für meine Pflegeeltern. Auch wenn mir diese Rolle nicht gefiel, und ich damit eigentlich auch überfordert war, konnte ich sie nicht ablegen. Meine Pflegeltern versuchten mir zu versichern, das es völlig in Ordnung wäre, wenn ich die Verantwortung für meine Geschwister an sie abgebe. Doch das war nach all den Jahren nicht so einfach. Schließlich hatte ich diese Verantwortung mehr als sechs Jahre getragen. Davon konnte ich mich nicht so einfach befreien. Und meine Geschwister auch nicht. Aber wir waren alle bemüht es meinen Pflegeeltern recht zu machen. Schließlich wollten wir, das sie uns mögen, damit wir bei ihnen bleiben könnten. Denn innerhalb so kurzer Zeit ein drittes Mal in eine neue Zukunft zu starten, hätte uns vermutlich aus der Bahn geworfen. Erschwert uns einzuleben, wurde es uns auch, durch das immer noch bestehende Medieninteresse. Unsere Pflegeeltern versuchten zwar dies von uns fernzuhalten, aber es gelang ihnen natürlich nicht vollständig. Nach ein paar Tagen ebbte das Interesse vorerst Gott sei dank ab. Aber die Zeit bis dahin war hart. Immer wurde man von irgendjemanden angesprochen, befragt und bekam mitleidsvolle Bekundungen. Das war manchmal sehr unangenehm und machte uns den Anfang nicht gerade leichter. Ich besuchte die fünfte Klasse der Orientierungsstufe in Bleckede. Dort war ich natürlich auch den Fragen der Mitschüler und Lehrer ausgesetzt. Einen Lichtblick für mich gab es allerdings doch. Eines Abends nach dem Duschen, sah ich in der Turnhalle Menschen in Schlafanzügen, so glaubte ich damals. In Wirklichkeit waren es Judoka in ihren Judogis. Was diese Menschen dort machten hatte mich total fasziniert. Also erlaubten mir meine Pflegeeltern in den Verein ein zutreten. Das Training machte großen Spaß und ich konnte mich etwas ablenken, von all den trüben Gedanken. 37. Endlich im neuen zu Hause Dann kam endlich der Tag an dem wir unser neues zu Hause beziehen konnten. Alle packten mit an. Es machte großen Spaß. Und ich konnte meine negativen Gefühle und Gedanken für einen Augenblick vergessen. Die größeren von uns bekamen jeder ein eigenes Zimmer. Das war so ungewohnt für uns. Ich kam mir anfangs fast einsam darin vor. Schließlich kannte ich das nicht. Die Zimmer waren mit viel Liebe eingerichtet. Man konnte sich dort eigentlich nur wohlfühlen. Aber ich hatte irgendwie das Gefühl, das alles nicht verdient zu haben. Es war einfach zu schön um wahr zu sein. Ich hatte Angst davor, das ich aus einem Traum erwachen könnte und wir wären doch noch bei unseren Erzeugern. So unglaublich war das alles. Ich baute mir einen kleinen Altar in meinem Zimmer auf. Aber nicht etwa weil ich so gläubig war. Sondern es war eher eine Art „Alibialtar“. Wenn mein Erzeuger mir zum Beispiel schreiben würde , könnte ich ihm sagen, das ich seine Tradition aufrecht erhalten hatte. Meinen Pflegeltern bereitete das Gebaren etwas Sorge, aber sie ließen mich gewähren, da sie glaubten das es wichtig für mich sei. Irgendwie war es das auch. Ich betete jeden Abend vor dem zu Bettgehen und schloss meine Erzeuger, warum auch immer in mein Gebet mit ein. Ich bettete das es meinen Geschwistern immer gut gehen möge, und das meine Pflegeltern gesund bleiben, damit wir bei ihnen könnten. Nach ein paar Wochen baute ich den Altar aus eigenen Antrieb ab, ich merkte, das ich ihn nicht mehr brauchte. Meine Pflegeeltern waren darüber sehr erleichtert. In diesen Augenblick schwor ich mir, mit vierzehn aus der Kirche auszutreten. Jeder von uns bekam seine eigene Tasse. Etwas das nur uns gehörte, das war ein ganz neues Gefühl. Bisher hatten wir immer alles geteilt. Dann kam der vierundzwanzigste September mein dreizehnter Geburtstag. Meine Pflegeeltern hatten den Frühstückstisch schön gedeckt. An meinem Platz stand eine Kerze. Und es gab ein Geschenk nur für mich. Aus Gewohnheit teilte ich die Süßigkeiten mit meinen Geschwistern. Auch wenn Cordula mir sagte, das ich das nicht müsse. Bei unseren Erzeugern gab es zu Weihnachten eine Tafel Schokolade die wir uns alle teilten. Warum sollte ich also jetzt nichts abgeben, da ich doch so viel mehr bekommen hatte? Nachmittags gab es dann ein Kaffeetrinken für mich, mit all meinen Geschwistern. Das war der schönste Tag in meinem Leben. 38. Das erste Weihnachten Es begann die Weihnachtszeit. Jeder von uns bekam einen Schokoladen Adventskalender. Und wir backten Kekse. Das war ganz neu für uns. Aber es war schön und machte sehr viel Spaß. Dann kam der sechste Dezember, meine Pflegeeltern hatten einen Nikolaus bestellt. Wir mussten Gedichte aufsagen und singen. Mir war das etwas peinlich, schließlich fand ich das ich dafür schon zu alt war. Aber meine Geschwistern gefiel es, also machte ich auch mit. Schließlich hatten sich meine Pflegeeltern viel Mühe gegeben. Und ich wollte sie nicht enttäuschen. Eigentlich drehte sich mein ganzes Leben schon immer darum, andere nicht enttäuschen zu wollen. Als dann endlich der heilige Abend kam waren wir ganz aufgeregt. Wir hatten uns vorher alle etwas wünschen dürfen. Es waren nur Kleinigkeiten, aber würden wir sie bekommen? Am Abend gingen wir mit Cordula in die Kirche während Theo das Essen zubereitete. Als wir zurückkamen gab es ein opulentes Mahl. Nach dem Nachtisch verschwand Theo kurz, und eine Glocke ertönte, das Christkind war da. Und wir durften ins Wohnzimmer, wo einer nach dem anderen sein Geschenk auspacken durfte. Die Freude war übergroß. Der Verlauf dieses Abends sollte zum schönen Ritual an Heiligabend werden. 39. Das erste Silvester Nun war er da, der erste Silvesterabend bei unseren Pflegeeltern. Sie hatten ein Büffet aufgebaut und das Wohnzimmer geschmückt. Es waren Freunde und ein paar andere Pflegeeltern mit ihren Kindern eingeladen. Wir größeren durften aufbleiben, die kleineren sollten später geweckt werden wenn sie wollten. Das war ganz neu für uns, wir waren es gewohnt zum Neujahr eine Bibelstunde unter der Leitung unseres Erzeugers abzuhalten. Dann beteten wir und baten um Vergebung, für all unserer Sünden. Wir sollten rein ins neue Jahr gehen. Mein Erzeuger erteilte uns stellvertretend für Gott die Absolution. Er hatte natürlich nichts zu beichten, er war rein und frei von Schuld, zumindest sagte er das immer. Claudio und ich gingen um die Häuser und sammelten Silvesterknaller von der Strasse ein, und brannten sie ab. Danach gingen wir wieder nach Hause, und gesellten uns zu den Erwachsenen. Eine Bekannte von Cordula , Frau Bachtaler, wollte mich zum Tanzen animieren, aber ich wollte nicht. Also fasste sie mich bei der Hand und wollte sich an mich heranziehen. Ich wusste, das sie es nicht böse meinte. Dennoch fühlte ich mich bedroht. Mir wurde heiß und kalt, es war mir als würde ich mich von oben beobachten. Ich wollte nur noch weg. Mir blieb nichts weiter als zu sagen, das sie mich nicht anfassen soll. Sie war über meine Reaktion so irritiert, das sie mich sofort los ließ, und sich bei mir entschuldigte. Sie tat mir irgendwie leid. Aber man fast andere Leute nicht an, wenn sie das nicht wollen. Wir feierten dann weiter, das heißt ich saß in der Ecke und wartete das es Mitternacht wurde. Der Vorfall hatte mich ganz schön runtergezogen und mir gingen die Bilder der Vergangenheit im Kopf herum. Ich konnte sie vor mir sehen wie kleine Filme und es gelang mir nicht sie zu verdrängen. Ich war irgendwie in einer anderen Welt. Dann war es Mitternacht und wir gingen alle nach draußen. Für uns Kinder hatten meine Pflegeltern Kinderfeuerwerk gekauft, so das wir auch etwas zum abfeuern hatten. Nach dem Feuerwerk gingen wir müde und erschöpft zu Bett.. Ich hatte in dieser Nacht Alpträume und wachte ein paar Mal schweißgebadet auf. Am Neujahrsmorgen räumten wir die Wohnung auf um unsere Pflegeeltern zu überraschen. 40. Neues Leid Es war Januar 1987 als uns das Leid wieder einholte. Nur konnten wir es diesmal etwas leichter ertragen, da wir uns durch die Fürsorge unserer Pflegeeltern etwas gefestigt hatten. Es war der Beginn der Gerichtsverhandlung gegen meine Erzeuger. Und mit diesem Beginn setzte auch der Presserummel wieder ein. Es waren nicht nur die Printmedien die sich für uns interessierten sondern auch das Fernsehen. Das war sehr hart. Da wir wieder in der Schule auf die Zeitungsartikel angesprochen wurden. Diesmal waren es Schlagzeilen wie, „Das erschütternde Bild einer Familie“, „Neun Kinder sind der Hölle entronnen“, „Die Rabenmutter, die ihre sechs Kinder verließ“, „Ich habe mich gewehrt, aber ich musste“, „Das erschütternde Bild einer Familie“, Schicksal des Jahres““ Rabeneltern- Kinder mussten um Brot betteln“. Natürlich war nicht alles was in den Zeitungen geschrieben stand, genau so passiert. Aber der grossteil entsprach der Realität. Und es war unerträglich, das plötzlich so viele Menschen über familieninterne Sachen bescheid wussten. Die Bilder der Vergangenheit holten mich gerade in dieser Zeit verstärkt wieder ein. Ich hatte viele Ängste. Würden wir zu unseren Erzeugern zurück müssen? Würde das Martyrium weiter gehen? Würden sie mich bestrafen weil ich illoyal war und sie verraten hatte? Vor dem Tod hatte ich keine Angst. Aber was würde mein Erzeuger sich einfallen lassen um mich zu treffen? Was würde er mit meinen Geschwistern anstellen und was würde es mit ihnen machen, wenn wir zurück müssten? Ich bin halb verrückt geworden wegen der ganzen Ängste. Aber ich sprach mit niemanden darüber sondern fraß es in mich hinein, was das ganze noch unerträglicher machte. Ich zog mich auch mehr zurück, da ich dachte, das man sehen könnte, was in meinem Kopf vor sich ging. Es war eine harte Zeit. Glücklicherweise verstand ich es meine Gefühle und Gedanken gut zu verbergen. Nach außen lächelte ich, doch in mir schrie und weinte es. Ich hatte ich große Angst, da wir vor Gericht aussagen sollten. 41. Die Verhandlung beginnt Die Gerichtsverhandlung gegen meine Erzeuger begann. Das war nach langer Zeit das erste Mal das sie das Gefängnis verlassen durften. Sie saßen in Untersuchungshaft. Zu den Verhandlungstagen waren Gutachter, Ärzte die uns einst behandelt hatten ( wenn auch nur sehr selten). ,unsere ehemaligen Lehrer, Polizisten und die Sozialarbeiter geladen. Alle hatten etwas über unsere Familie zu sagen. Sogar einige Nachbarn aus Nordstrand und Witzewort, meinten plötzlich, schon immer etwas verdächtiges bemerkt und geahnt zu haben. Aber keiner hatte etwas gesagt oder getan. Alle hatten weggesehen. Das verstehe ich bis heute noch nicht. Uns hätte so viel Leid erspart bleiben können, wenn nur einer den Mund aufgemacht , und seine Vermutungen gemeldet hätte. Das Martyrium wäre um Jahre kürzer gewesen. Jeder einzelne Nachbar wollte nichts mit der Polizei zu tun haben und keiner wollte meine Erzeuger denunzieren. Mein Erzeuger kam zu den Verhandlungstagen grundsätzlich mit einer blauen Bibel, auf der ein Kreuz und ein Bild, aus der Zeitung von uns lag. Er gab vor Gericht immer noch den streng gläubigen. Wahrscheinlich glaubte er auch noch was er sagte. Den Fragen der Richter und der Staatsanwaltschaft wichen beide mehr oder weniger gekonnt aus. Beide schoben sich gegenseitig die Schuld zu. Und jeder versuchte dem anderen etwas anzuhängen, womit er glaubte nichts zu tun zu haben. Beide logen um einen Vorteil für sich heraus zu holen. Es wurde viel schmutzige Wäsche gewaschen. Wir waren an den Verhandlungstagen nicht anwesend. Konnten jedoch den Verlauf der Presse entnehmen und später der Abschrift der Gerichtsakte. Es war eine Schlammschlacht. Mein Erzeuger beschuldigte meine Erzeugerin die treibende Kraft im Bezug auf die Flucht gewesen zu sein . Meine Erzeugerin drehte das ganze um. Und sie hatte recht, ich hatte damals selbst mitbekommen wie er als erster davon sprach. Im Grunde war es aber völlig egal wer die Idee hatte, beide sind gegangen und haben meine Geschwister im Stich gelassen. Wenn meine Erzeugerin nicht gewesen wäre, dann hätte es eine neunfache Kindesaussetzung gegeben. Denn er wollte ursprünglich gar keine Kinder mitnehmen. Wäre es so gekommen, hätte ich meinen Geschwistern zur Seite stehen können, das wäre besser gewesen. Zumindest hätte ich mich etwas besser gefühlt. Mein Erzeuger beschuldigte meine Erzeugerin uns geschlagen zu haben. Er hätte immer versucht uns zu schützen. Welch ein Hohn. Ja, unsere Erzeugerin hatte uns geschlagen, aber er hatte uns nie geschützt, im Gegenteil. Er hatte sie angehalten härter zu zuschlagen. Er selbst war der, der am häufigsten und am brutalsten zu schlug. Er räumte dann irgendwann ein uns geschlagen zu haben, aber das nur, weil wir so ungehorsam gewesen sein sollten. Außerdem hätte Gott ihn beauftragt uns zu züchtigen um uns auf den rechten Weg zurück zu bringen. Warum muss man ein kleines Kind, das mit dem Haushalt überfordert ist, oder übermüdet beim Bibelstudium einschläft auf den rechten Weg zurückbringen. Verstehen Sie das? Ich nicht! 42. Wir müssen vor Gericht Dann kam der Tag an dem wir vor Gericht aussagen sollten. Wir fuhren mit unseren Pflegeeltern zur Verhandlung und übernachteten in einem Hotel. Am nächsten Tag fuhren wir zum Gericht. Bis wir unsere Aussage machen mussten, spielten wir mit den Jugendamtsmitarbeiten ein Würfelspiel um uns abzulenken. Unsere Erzeuger waren bei der Befragung nicht anwesend. Auch wenn man mir das sagte, hatte ich dennoch Angst, das sie plötzlich auftauchen könnten. Es war ein komisches Gefühl zu wissen, das mich vielleicht nur eine Tür von ihnen trennte. Mich überkamen ambivalente Emotionen. Sollte ich fragen ob ich meine Erzeuger sehen darf, oder hörte ich auf meine übermächtige Angst vor ihnen? Heute weiß ich das ich sie nicht hätte sehen dürfen. Aber damals hatte ich das Gefühl, ich müsste danach fragen. Für den Fall das wir zu unseren Erzeugern zurück gemusst hätten, hätte es meinen Erzeugern gezeigt, das ich zu meiner Familie wieder loyal war. Mir war ganz schön mulmig zu Mute, als an die Reihe kam. Während der Befragung, fühlte ich mich, als würde ich mich von oben beobachten. Ich fühlte mich elend, versuchte aber es nach außen zu verbergen. Ich antwortete auf Fragen nach dem Verlauf unseres Alltags zu Hause, und zur Flucht. Konnte jedoch nicht alles sagen aus Angst und Scham. Im nach hinein kann ich nur sagen, das Gutachter sich auch mal irren können. Der Gutachter war der Meinung, das ich gefestigt genug sei alles zu beantworten und zu erzählen. Aber dem war nicht so. Weil ich nicht alles sagen konnte wurden sie nur wegen der sechsfachen Kindesaussetzung bestraft. Heute wünsche ich mir manchmal, das ich damals hätte stärker sein können. Dann wäre die Strafe vielleicht etwas gerechter ausgefallen. Falls es so etwas wie die gerechte Strafe überhaupt gibt. Mein Erzeuger bekam drei Jahre und einen Monate Haftstrafe, meine Erzeugerin nur zwei Jahre auf Bewährung. Da er die treibende Kraft war, wurde er härter bestraft. Meiner Meinung nach hätten beide härter und gleich bestraft werden müssen. Das sie ihm hörig und nicht in der Lage war ihm sich entgegen zu stellen, war und ist für mich keine Entschuldigung. Immerhin wurde ihnen das Sorgerecht für alle neun Kinder entzogen. Sie sollten uns nie wieder weh tun können. So glaubte ich damals. Da wusste ich aber noch nicht, das auch die Vergangenheit schmerzen kann, und das es Dinge gibt, die man nie vergisst. 43. Das Leben geht weiter Nachdem wir die Verhandlung überstanden hatten sollte das Leben normal weitergehen. Wir gingen wieder unserem Alltag nach. Mich hatte das ganze aber innerlich noch ziemlich im Griff. Ich hatte Alpträume, und auch am Tage holten mich die Bilder ein. Ich hatte immer noch Angst vor meinem Erzeuger, auch wenn ihnen das Sorgerecht entzogen wurde und er im Gefängnis saß. Ich konnte einfach noch nicht so richtig glauben das wir der Hölle für immer entkommen sein sollten. Ich hatte Angst, das mein Erzeuger eines Tages auftauchen und mich für meinen Verrat bestrafen könnte. Aber ich sprach mit niemanden darüber. Trotz aller Ängste konnte ich endlich anfangen mich mehr auf meine Pflegeltern ein zu lassen. Es musste aber auch so sein.. Schließlich sollte und wollte ich bei ihnen wohnen bis ich volljährig werde. Es wurde Zeit, das ich versuchte die Bilder zu verdrängen und mich voll und ganz auf die Schule konzentrierte, und die Dinge die meine Pflegeltern von mir wollten. Schließlich wollte ich, das sie stolz auf mich, oder zumindest zufrieden mit mir sind. 44. Mein Scheinfreund Meine Pflegeeltern fragten sich, warum ich mit fünfzehn noch keinen Freund/ Partner habe. Das hatte sie stark beschäftigt. Zumindest hatte ich das so wahrgenommen. Und auch in diesem Punkt wollte ich sie nicht enttäuschen. Also stellte ich ihnen einen Freund vor. Er hieß Hauke, und war in mich verliebt. Bis heute kann ich nicht verstehen, was er an mir fand. Ich hatte ihn auf einer dreiwöchigen Englandreise kennen gelernt. Er besuchte mich und kam mit dem Rad neunzig Kilometer aus Soltau gefahren. Irgendwie musste er mich tatsächlich mögen um so einen Weg auf sich zu nehmen. Wir saßen in meinem Zimmer, meine Schwester Piroschka hatte ich als Anstandsdame mit im selbigen sitzen, damit er nicht zudringlich werden konnte. Als er mich schließlich versuchte zu küssen, verpasste ich ihm eine Ohrfeige. Es tat mir im selben Augenblick leid, aber ich konnte diese Art der Annährung nicht ertragen. Meine Schwester hatte sich damals königlich darüber amüsiert. Hauke, der arme Kerl war einfach nur verwirrt. Ich sah, das der Zeitpunkt gekommen war, ein ernsthaftes Gespräch mit ihm zu führen. In dem Gespräch sagte ich ihm das ich ihn wirklich sehr mag, aber das eher auf platonischer Ebene. Ich sagte ihm auch, das ich ihm nicht das geben kann, was er sucht, und das er sich eine andere Freundin suchen soll. Ich dachte damals das er nun nichts mehr mit mir zu tun haben wollen würde. Aber das war zu meinem Erstaunen nicht der Fall. Er fand das zwar schade, akzeptierte es aber. Wir sollten noch jahrelang sehr gute Kumpel bleiben. Sein Art zu reagieren hat mir damals sehr viel bedeutet. 45. Ich hole das Kind sein nach Bei meinen Erzeugern durfte ich nie wirklich Kind sein. Meine Pflegeeltern erlaubten es mir, ja sie ermutigten mich sogar es auszuleben.. Ich hatte viel nach zu holen. Bei meinen Erzeugern musste ich immer schon so erwachsen sein. Es fiel mir zu Anfang schwer das alles zu genießen aber mit der Zeit wurde es besser. Auch wenn ich innerlich irgendwie immer noch eine kleine Erwachsene geblieben war. Ich spielte stundenlang mit meinen Bruder und dessen Kumpel Fußball oder wir gingen Angeln. Ich spielte mit Bauklötzen und in der Sandkiste. Auch wenn ich schon älter war, so war es mir nicht peinlich. Brauchte es auch nicht sein, zumal ich ja auch mit meinen kleinen Geschwistern spielte. Das alles waren ganz neue Erfahrungen für mich , die mir rückwirkend betrachtet sehr gut getan haben. Ich bin meinen Pflegeltern dankbar dafür, das sie mich sozusagen gezwungen haben Kind zu sein. Ich glaube das dies für meine Entwicklung sehr wichtig war. 46. Tiefer Fall Es war einige Zeit vergangen ich war sechzehn und besuchte inzwischen die neunte Klasse der Realschule in Bleckede. Im Kinderdorf gab es einen Jugendraum, der von Petra, einer Sozialarbeiterin geleitet wurde. Ich fand diesen Menschen sehr sympathisch. Als dann die Zeit kam da ihr Annerkennungsjahr beendet sein sollte, fiel ich in ein tiefes Loch. Was sollte ich ohne den Menschen machen, der mir so viel bedeutete, zu dem ich Vertrauen aufgebaut hatte. Das war eine schwere Zeit. Erschwerend kam hinzu, das mich die Bilder der Vergangenheit wieder verstärkt eingeholt hatten. Ich befand mich in einem Zustand der totalen Verlustangst gepaart mit einem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Ich konnte meine Gefühlswelt nicht mehr ertragen. Ich hasste mich selbst. Also fing ich an mich selbst zu verletzen. Ich trank z.B Terpentin, und fügte mir mit einer Rasierklinge Schnittverletzungen zu.. Eines Tages versuchte ich mir die Pulsadern aufzuschneiden. Ich konnte und wollte so nicht weiter leben. Leider war ich nicht in der Lage es richtig zu Ende zu bringen. Ich hatte einfach nicht die richtige Stelle getroffen und es kam mir auch noch jemand unerwarteter weise dazwischen. Meine Pflegeltern, machten sich große Sorgen. Das war mir sehr unangenehm . Ich sollte und wollte dann eine Therapie beginnen. Meine ersten Sitzungen zu denen mich Petra brachte, waren bei einem Therapeuten. In dieser Zeit lernte ich auch den Liedermacher Klaus Hoffmann kennen. Ich fühlte mich durch seine Texte sofort angesprochen. Und die Musik sollte mir im Laufe meines Lebens noch öfter helfen die Täler etwas leichter zu durchschreiten. Die Diagnose des Therapeuten hieß psychoreaktives Syndrom. Die Chemie zwischen uns stimmte nicht. Ich hatte einfach kein Vertrauen zu ihm. Außerdem fing er immer an von sich zu erzählen sobald ich ein paar Minuten schwieg. Da die Therapie so keinen Sinn machte, wechselte ich zu einer Therapeutin. 47. Die Ersten Sitzungen Zu der Therapeutin hatte ich Vertrauen. Ich hatte das Gefühl das mir die Sitzungen etwas bringen. Es war mir sehr unangenehm über meine Gefühle und Gedanken zu sprechen. Aber bei ihr hatte ich das Gefühl es tun zu können, ohne mich gleich noch schlechter zu fühlen, als es mir ohnehin schon ging. Es war mir fast unmöglich all diese Dinge zu erzählen. Aber es war ein geschützter Rahmen. Und wenn ich nicht dort über alles sprechen könnte wo dann. Die Sitzungen waren hart, da die Gespräche sehr in die Tiefe gingen. Ich wurde nicht gezwungen etwas zu erzählen was ich nicht wollte. Aber auch das was ich erzählen konnte und wollte war schon hart genug. Mir wurde heiß und kalt, und manchmal versagte auch meine Stimme, da es mir die Kehle zuschnürte. Ich schämte mich so wegen der Dinge die ich nur bruchstückhaft erzählen konnte. Ich fragte mich, was wohl die Therapeutin über mich denken würde. Ich wusste, das es ihr Job war, sich meine verkorksten Geschichten anzuhören, und wertungsfrei damit umzugehen, Doch trotz alle dem war sie ja auch nur ein Mensch. Ich ging fortan jede Woche zu ihr, um meine Seele zu erleichtern. Und um meine Vergangenheit aufzuarbeiten. 48. Das Erwachsenleben beginnt Ich hatte meinen Realschulabschluss geschafft und sollte eine Lehre zur Kfz- Mechanikerin beginnen. Ich wollte das auch, nur viel lieber wäre ich Erzieherin geworden. Ich sollte aber erst mal etwas anderes ausprobieren da eine Erzieherausbildung zu klischeehaft wäre, meinten meine Pflegeeltern. Sie hatten ja auch irgendwie recht. Ich begann also die Lehre, dazu fuhr ich jeden Tag fünfzehn Kilometer hin und zurück mit dem Rad nach Dahlenburg. Die Lehre machte mir Spaß, das handwerkliche arbeiten lag mir. Weniger umgehen konnte ich aber mit den frauenfeindliche Witzen der Männer und ihren Platzhirschgehabe. Außerdem waren die Gesellen zu meinem Mitlehrling sehr hart. Ich versuchte unentwegt zwischen den Beteiligten zu vermitteln, die wollten aber gar keine Hilfe. Sie nannten mich einfach nur noch die Sozialtante. Auch wenn mir die Arbeit an den Autos Spaß machte , entschied ich mich nach ca. 2,5 Monaten die Lehre abzubrechen. Das war eine schwere Entscheidung, die mir sehr viel Mut abverlangte. Auch wenn ich inzwischen achtzehn Jahre alt war. Schließlich traf ich eine Entscheidung gegen etwas das meine Pflegeeltern sich gedacht hatten. Zu meinen Erstaunen akzeptierten sie meinen Wunsch, da es mein Leben war, für das ich allein die Verantwortung tragen musste. Ich besuchte dann die Sozialpflegeschule und machte danach ein Vorpraktikum in einem Sonderkindergarten. Und da merkte ich, das es das richtige für mich ist mit Menschen zu arbeiten. 49. Die Abnabelung Es wurde Zeit das ich begann mein eigenes Leben zu führen, darum zog ich in eine Jugendwohngruppe in Lüneburg. Die Betreuer hießen Margit und Bernd. Bernd war zwar irgendwie nett, aber Margit war mir sympathischer. Ich bekam mein eigenes Zimmer und teilte mir Küche und Bad mit einem weiteren Mitbewohner. Ich bekam das Geld für Essen, Bekleidung und Hygiene ausgezahlt, sowie das Taschengeld. Ich musste meinen Alltag selbst gestalten, wobei die Betreuerin auch außerhalb der Bürozeiten im Notfall für uns Ansprechpartner war. Sie wohnte mit im Haus. Die Atmosphäre in der Wohngruppe war sehr angenehm, da ich auch sehr nette Mitbewohner hatte. Als ich dort einzog hatte ich riesige Angst, die legte sich aber schnell. Trotz alle dem war die Anfangszeit sehr hart, da mich die Bilder der Vergangenheit zu diesem Zeitpunkt wieder voll im Griff hatten. Ich hatte wieder begonnen mich selbst zu verletzen. Ich konnte und wollte nicht mehr. Meine Geschwister waren nun ja in Sicherheit und meine Pflegeeltern sorgten gut für sie. Ich hatte das Gefühl das sie mich nun auch nicht mehr so stark brauchen würden wie früher. Das erleichterte mich etwas. Ich war ein wenig von der riesig großen Verantwortung los geworden. Die Bilder, die wie Filme vor meinem geistigen Auge abliefen waren einfach zu übermächtig. Also ging ich in die Apotheke und holte mir sechzig Aspirin, die ich alle auf einmal in Wasser aufgelöst zu mir nahm. Ich dachte doch tatsächlich, das ich davon sterben könnte. Stattdessen war mir nur hundeelend und übel, ich musste mich übergeben. Im Nachhinein war ich doch irgendwie froh, das es nicht geklappt hatte, da es für die Betreuer auch nicht gerade schön gewesen wäre einen Todesfall in der Jugendwohngruppe zu haben, ganz unabhängig von meiner Person. Gott sei dank hatte keiner der Betreuer etwas mitbekommen, sonst wäre ich wohl in die Psychiatrie eingewiesen worden, und das hätte ich nicht verkraftet. So konnte ich aus eigener Kraft und mit Hilfe der Therapie gesunden. Das war besser für mich als jeder Psychiater. Außerdem half mir die Arbeit im Sonderkindergarten von Suizidversuchen Abstand zu nehmen, da die Kinder mich brauchten und sich jeden Morgen auf mich freuten. Auch wenn ich das nicht nachvollziehen konnte. Es war aber schön wieder gebraucht zu werden und eine Verantwortung zu haben. Das ich mich tief im Inneren für meine Geschwister immer noch verantwortlich fühlte wurde mir erst später in der Therapie klar. Bis dahin dachte ich, das ich sie mit meinem Auszug meinen Pflegeeltern übergeben hätte 50. Mehr Therapiestunden Die Therapie lief nun schon ein paar Monate und sollte auch noch lange weitergehen. Genau gesagt fünf Jahre. Wir tauchten immer tiefer in die Abgründe meiner Seele vor. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen fehlten mir oft die Worte. Also bauten wir eine Maltherapie in den Vorgang ein. Und das obwohl ich gar nicht malen konnte. Ich malte Mauern, verschlossene Türen, vergitterte Fenster und verwendete viele dunkle Farben, überwiegend schwarz. Außerdem fing ich wieder an Gedichte zu schreiben. Wie z.B. Ich lebe in einem tiefen Tal, das Leben ist für mich nur noch Qual. Von hohen Bergen bin ich umgeben, ich will so nicht mehr weiterleben. Die Berge sind die Bilder der Vergangenheit, ich ertrag sie nicht mehr, und bin zu sterben bereit. Das Tal sind die Schmerzen, das Dunkel in meinem Herzen. Ich sehe keine Sonne mehr, alles ist grau, ein Wolkenmeer Wozu soll ich weiterleben, es würde niemand interessieren, würde es mich nicht geben. Die Angst ist mein ständiger Begleiter, mir scheint, das Grauen geht weiter. Gedanken drehen sich im Kreis, stehen niemals Still, die Erinnerungen sollen verblassen, das ist es was ich will. Solche Gedichte schrieb ich eine ganze Menge, eines wurden bei einer Fachtagung ausgestellt, natürlich anonym. Ich konnte die Dinge noch nicht beim Namen nennen. Nur über die Misshandlungen und den Religionsfanatismus meines Erzeugers konnte ich etwas freier sprechen. Aber ich konnte immer noch keine Wut empfinden. An allen gab ich mir die Schuld und suchte nach Entschuldigungen für ihn. Auch auf meine Erzeugerin konnte ich nicht wütend sein. Trauer konnte ich auch nicht so richtig empfinden und zeigen. Ich versuchte das ganze eher auf der rationalen Ebene zu erklären, damit es nicht noch schmerzhafter wurde. 51. Besuch der Erzieherschule Nun begann der ernste Teil der Erzieherausbildung. Ich ging auf die Fachschule Sozialpädagogik. Mein Leben hatte ich noch nicht so richtig im Griff. Nach außen sah man das aber nicht. Ich war angepasst, strebsam, immer freundlich und hilfsbereit. In mir war das Chaos. Meine Betreuer, die mich kannten, konnten, so glaube ich etwas erahnen. Ich stürzte mich voll in meine Ausbildung um mich abzulenken. Das gelang mir allerdings nur bedingt. Ich hatte immer noch den Zwang mich selbst zu verletzen und zu bestrafen. Inzwischen fügte ich mir mit einer Rasierklinge Schnittverletzungen an den Oberarmen, Oberschenkeln und dem Oberkörper zu. Damit die Verletzungen für niemanden sichtbar waren. Ich fühlte mich danach immer etwas befreit. Der innerliche Druck wurde etwas weniger und leichter zu ertragen. Kurz danach fühlte ich mich wegen der Selbstverletzungen wieder schuldig. Es war ein Teufelskreis. Aus der Entlastung wurde schnell wieder eine Belastung. Eines Tages als wir im Unterricht das Thema Suizid bei Kinder und Jugendlichem behandelten, wurde mir heiß, kalt und schwindelig. Ich hatte das Gefühl, das jeder sehen könnte was in meinem Kopf vor sich ging. Und wie um diese Angst zu bestätigen wurde ich für ein Referat ausgewählt. Ich konnte nur still nicken und schlucken. Einen Augenblick lang dachte ich, das ich es nicht halten könnte. In der Bücherei besorgte ich mir viel Fachliteratur, die ich später als Quellen angeben könnte. Ich wollte von vorneherein ausschließen das der Eindruck entstehen könnte, das ich selbst Erfahrung mit solchen Gefühlen und Gedanken hatte. Als es dann an der Zeit war das Referat zu halten, war mir, als würde ich mich von oben beobachten. Mir war heiß und kalt, mein Herz raste. Ich hatte das Gefühl, das mir jeden Augenblick die Stimme versagen könnte. Also konzentrierte ich mich auf die gegenüberliegende Wand um niemanden ansehen zu müssen. Ich sprach frei, ohne auf meine Notizen zu sehen, ich konnte jeden Satz auswendig. Als ich endlich fertig war, sehnte ich das Pausenklingeln herbei, um den Fragen zum Referat ausweichen zu können. Doch die Stunde sollte noch lange nicht vorbei sein. Der Lohn für all die Angst und anderen negativen Gefühle war eine eins. So richtig freuen konnte ich mich darüber aber nicht. Was dachten jetzt die anderen über mich und was sagte eine eins für dieses Thema über mich aus? Würden die anderen denken das ich gut recherchiert hatte, oder vermuteten sie eigene Erfahrungen? All diese Fragen sollten für immer offen im Raum stehen bleiben. 52. Fall ins bodenlose Ich besuchte inzwischen die zweite Klasse der Fachschule Sozialpädagogik und hatte mein Leben nun einigermaßen im Griff. Die Therapie dauerte nun schon vier Jahre und wir waren Schritt für Schritt vorwärts gekommen.. Es waren sehr kleine Schritte und ein sehr schmerzhafter Weg. Ich hatte oft das Gefühl nicht mehr weiter machen zu können. Ein paar mal dachte ich sogar daran aufzuhören. Aber eine innere Stimme sagte mir, das ich es aushalten müsste, um mein Leben meistern zu können. Ich versuchte den Therapieverlauf immer noch auf rationaler Ebene zu behandeln, um es aushalten zu können. Ich fühlte mich noch nicht stark genug Emotionen zu zulassen und zu ertragen. Dennoch tauchten Gefühle auf. Es waren Unsicherheit, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Trauer. Aber statt sie zu zulassen versuchte ich immer wieder rationale Erklärungen zu finden. Ich hatte unbeschreibliche Angst vor den aufkommenden Gefühlen und deren Folgen, wollte, konnte sie nicht empfinden. Außerdem fiel es mir immer noch unglaublich schwer die Dinge beim Namen zu nennen. Ich benutzte immer noch ein Synonym für das was mein Erzeuger mir außer den Misshandlungen angetan hatte, ich konnte es nicht aussprechen. Es war einfach zu schmerzhaft. Ich brachte es nicht über die Lippen, die Kehle schnürte sich mir zu. Eines Tages klärte meine Therapeutin mich darüber auf, das Missbrauchsopfer die Möglichkeit haben, ihren Peiniger noch bis zu zehn Jahre nach dem achtzehnten Geburtstag anzuzeigen. Wir beschlossen, das ich das tun würde, in der Hoffnung, das ich mich danach besser fühlen würde. Sie verschwieg mir aber auch nicht, das der Prozess selbst, sehr kräftezehrend sein würde. Und das der Verteidiger meines Erzeugers versuchen würde nachzuweisen das er unschuldig sei. Das könnte sehr demütigend werden. Ich ließ mich trotzdem darauf ein, auch wenn ich davon nicht so ganz überzeugt war. Ich hatte das Gefühl es tun zu müssen. Also ging zu einer Opferanwältin. Ich musste ihr mein Anliegen schildern. Ich erzählte ihr, das mein Erzeuger sich mehrfach an mir vergangen hatte. Das kostete mich große Überwindung, und dauerte mehrere Termine. Zum ersten mal musste ich die Handlungen beschreiben und beim Namen nennen. Mir war wieder als würde ich mich von oben beobachten, als sei das nicht ich, die all diese Dinge aussprechen musste. Es fiel mir unendlich schwer, es als „die liebe Gottes zeigen“ zu benennen war mir etwas leichter gefallen, es klang nicht so eindeutig. Sie fragte mich schließlich, ob es irgendwelche Zeugen gab. Die gab es aber nicht, es war ein stilles Verbrechen. Die Anwältin beantragte dann eine Abschrift der Gerichtsverhandlung gegen meine Erzeuger. Die bekam ich später auch zu lesen. Dort las ich dann das, was ich schon immer gespürt hatte. Nämlich, das ich ein unerwünschtes Kind war. Obwohl ich es schon immer geahnt hatte, traf es mich wie ein Schlag. Ich fiel ins bodenlose. Fühlte mich so klein und unwert. Ich sah keinen Grund mehr zu leben. Ich war ein Mensch, der seine Gefühle nicht so gut zeigen konnte, sondern sie eher verbarg. Aber jetzt konnte ich meine Gefühle nicht mehr verbergen und die Tränen nicht mehr zurückhalten. Erstaunlicher Weise war ich nicht wütend auf meine Erzeuger. Sondern fragte mich nur, warum sie mich nicht abgetrieben hatten. Warum konnten sie mir diesen Gefallen nicht tun? Ich verstehe bis heute nicht, warum mich das ganze so aus der Bahn warf, da ich es doch schon immer gespürt hatte. Aber ich war am Boden zerstört. Konnte nur noch daran denken, das ich unerwünscht war. Daran muss ich auch heute noch oft denken. Es ist schon immer so eine Art Lebensgrundgefühl gewesen. Nur das Verantwortungsgefühl gegenüber meinen Geschwistern konnte mich davon abhalten erneut einen Suizidversuch zu unternehmen. Ich bekam Angst vor den Gefühlen, die durch einen Prozess entstehen könnten. Ich merkte, das ich noch nicht bereit war, diesen riesig großen Schritt zu tun. Also entschloss mich meinen Erzeuger doch nicht anzuzeigen. Ich spürte, das ich noch nicht stark genug war das auszuhalten und durchzustehen Ich hatte Angst das mich der Prozess in die Psychiatrie bringen könnte. In dieser Zeit schrieb ich folgendes Gedicht. Ich fühle mich so klein, bin unter Menschen und doch allein. Ich spreche, doch ich kann nichts sagen, kann mich selbst nicht mehr ertragen. Mein Herz es ist vor Trauer schwer, es tut so weh, ich glaub ich kann nicht mehr. Meine Seele weint leise in sich hinein, ich kann nicht, doch ich möchte schreien Die Angst zerfrisst mir meine Seele, tausend Gründe warum ich mich so quäle. Tausend Fragen drehen sich im Kreis, so viele Antworten als Beweis. Das ich es nicht wert bin zu leben, das es besser wäre, würde es mich nicht geben. Ich konnte den Prozess auch nicht beginnen, da ich meine ganze Kraft für das Anerkennungsjahr zur staatlich anerkannten Erzieherin brauchte, das in ein paar Wochen beginnen sollte. Diese Arbeit hätte ich in diesem Zustand nicht machen können. Also konzentrierten wir uns in der Therapie darauf, mich zu befähigen diese Arbeit anzutreten. Ich baute meine Schutzmauer höher und undurchlässiger als sie ohnehin schon war. Nach außen wirkte ich selbstbewusst doch innerlich war ich unsicher, klein und traurig. 53. Veränderungen Ich hatte meine schriftlichen Prüfungen bestanden und durfte mich nun Erzieherin nennen. Ich war froh das es endlich geschafft war. Und das trotz all der Tiefs die ich während der Ausbildungszeit durchlebt hatte. Meine Betreuer freuten sich mit mir. Im September 1995 zog ich dann in meine erste eigene Wohnung. Es war ein Einzimmer Appartement auf zwei Ebenen, fünfunddreißig Quadratmeter groß. Die Wohnung war klein, aber sie gefiel mir, und vor allem war sie für mich erschwinglich. Ohne die Betreuung hätte ich die Ausbildung vielleicht nicht geschafft. Aber nun wurde es Zeit, das ich mein Leben voll und ganz selbst in die Hand nahm. Schließlich sollte ich in Zukunft Kinder und Jugendliche betreuen. Also sollte und wollte ich endlich ganz selbständig sein. Um mich langsam von der Jugendwohngruppe abnabeln zu können , fanden vorerst noch wöchentliche Termine statt, in denen ich über Probleme reden konnte. Dann war er endlich da, September 1995,der erste Tag an dem ich als Erzieherin arbeiten durfte. Ich wurde von den Kollegen nett aufgenommen. Ich fühlte mich dort sofort wohl. 54.Die ersten Tage Ich war von der Atmosphäre im Team von Anfang an angetan. Es gab kein Mobbing und keine Hackordnung. Alle standen auf der selben Stufe und verfolgten ein gemeinsames Ziel. Jede Meinung war wichtig. Ich merkte schon damals das ich großes Glück hatte ausgerechnet in diesem Team gelandet zu sein. Die Kinder und Jugendlichen waren schwierig. Ich bekam gleich einen Praxisschock. Hier herrschte ein so respektloses Verhalten der Kinder gegenüber den Betreuern und auch untereinander, wie ich es bisher nicht erlebt hatte. Damit umzugehen hatte man mir auf der Erzieherschule nicht beigebracht. Auch aus eigener Erfahrung kannte ich solch ein Verhalten nicht. Es fiel mir schwer dieses Verhalten zu akzeptieren und damit umzugehen. Aber mit Hilfe meiner Kollegen schaffte ich es zu meistern. Schwer fiel mir besonders mit den persönlichen Verletzungen zu leben, auch wenn mir klar war, das sie nicht mich als Mensch sondern als Erzieherin meinten. Dann kam die erste Teamsitzung, in der es um ein misshandeltes Kind ging. Mir war als würde ich mich von oben beobachten. Ich hatte das Gefühl das meine Kollegen mir ansehen könnten das ich damit Erfahrungen hatte. Das war mir sehr unangenehm und mir wurde ganz schwindelig. Ich versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, doch das gelang mir nicht. Also versuchte ich mir klar zu machen, das dass Schicksal dieses Kindes nichts mit mir zu tun hatte. Dank der rationalen Ebene konnte ich es dann besser aushalten. 55.Zweifel Das Schicksal des misshandelten Kindes ließ mich einfach nicht los. Ich musste immer daran denken. Ich hatte Verständnis für sie. Trotzdem versuchte ich ihr klar zu machen., das, dass Erlebte keine Entschuldigung für all ihr Verhalten sei. Sie hatte es selbst in der Hand ihr Leben zu gestalten. Sie musste ihre sogenannten autogenen Faktoren mobilisieren. Das sah sie aber anders, sie war noch nicht soweit das zu erkennen. Hinzu kam ein Verdacht auf einen Missbrauchsfall. Der mich ziemlich mitnahm. Mir wurde heiß und kalt, ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Und ich hatte das Gefühl das meine Kollegen sehen könnten, was in mir vorging. Es war ein fast unerträglicher Zustand. Also versuchte ich etwas vom Thema abzulenken. Glücklicherweise gelang mir das auch. So sollte es Jahre weitergehen. Die Themen tauchten auf und ich versuche davon abzulenken. Da ich das aber nicht zu auffällig machen konnte, versuchte ich das ganze bewusst von mir abzutrennen. Die negativen Gefühle blieben aber dennoch. Ich fragte mich in diesem Augenblick ob ich wirklich zu Erzieherin geeignet bin, da solche Situationen unweigerlich immer wieder auftreten würden. Sie gehörten zu meinem Arbeitsalltag dazu. Wenn ich jedes Mal in einen solchen Zustand geraten würde, wäre das weder für die Kinder noch für mich gut. Zum Glück gelang es mir im Laufe der Jahre das ganze auf die rationale Ebene zu bringen. Und mir zu sagen, das dass Schicksal der einzelnen Kinder nichts mit dem zu tun hatte was ich erlebt hatte. So konnte ich das ganze dann doch ertragen. Dennoch hatte ich manchmal Angst vor Teamsitzungen und ganz besonders vor den Familienaufstellungen ( nach Hellinger).Schon Tage vorher wurde ich unruhig und hektisch, da ich genau wusste das wir die Problematik des Kindes in allen möglichen Einzelheiten bearbeiten würden. Ich konnte schon Tage vorher nicht mehr richtig schlafen und hatte Alpträume. 56. Jahre später Es war März 2007. Es sind einige Jahre vergangen, die Kinder und Jugendlichen wurden immer schwieriger. Sie hatten keinen Respekt mehr, weder vor sich noch vor anderen. Obwohl ich mit Leib und Seele Erzieherin bin und meine Arbeit über alles Liebe, fiel es mir zunehmend schwerer damit umzugehen , da ich eher der harmoniestrebsame Mensch bin. Ein Mädchen, gerade dreizehn Jahre alt hielt sich an keine Regeln mehr, sie machte nur noch was sie wollte. Sie war verbittert, traurig und einsam. Und hatte das Gefühl ohnehin schon alles verloren zu haben. Ich hatte Verständnis für sie, jedoch nicht für ihr Verhalten. Sie wurde verbal sehr ausfällig und griff uns auch körperlich an. Das machte allen Kollegen zu schaffen. Auch wenn das arme Mädchen viel erlebt hatte, hatte sie nicht das Recht, andere wie den letzten Dreck zu behandeln. In dieser Zeit hatte ich für jemand anderen etwas aus dem Fernsehen aufgenommen. Als ich es zusammenschnitt, stockte mir plötzlich der Atem und ich wurde starr vor Entsetzten. Ich sah einen Tagesschauausschnitt von 1987. Und dort waren meine Erzeuger zu sehen. Mir schnürte es die Kehle zu und mir wurde ganz schwindelig. Wie in Trance spulte ich zurück, um zu sehen, ob ich das wirklich gerade gesehen hatte. In mir stiegen Tränen auf, die ich gewaltsam herunter schluckte. Schließlich weinte ich nicht, auch nicht allein. Ich hatte zu viel Angst davor. Außerdem erlaubte ich mir noch nie große Gefühlsregungen. Es drängten Bilder aus der Vergangenheit an die Oberfläche. Geschehnisse die schon 21 Jahre her waren. Als ich an diesem Tag zur Arbeit ging kam mir alles so unwirklich vor. Und es begann ein Nervenzusammenbruch auf Zeit. Das Mädchen spürte zielsicher meine momentane Verletzbarkeit. Sie schoss sich auf mich ein und legte es immer mehr darauf an mich zu provozieren und aus der Fassung zu bringen. Zu Beginn ihrer Attacken versuchte ich meine Gefühle zu überspielen, dies gelang mir aber zunehmend schlechter. Und das spürte sie. Sie warf mit Gegenständen nach mir, schlug mich mit Stöcken und trat mich. Sie wollte mich ausrasten sehen, das sagte sie auch. Zu ihrem Leidwesen hielt ich sie aber nur fest, und schlug sie nicht, wie sie das wollte. Ihre körperlichen Angriffe machten mir nicht so viel aus, gegen diese konnte ich mich wehren. Aber ihre verbalen Angriffe machten mir schwer zu schaffen. Wenn sie Dinge sagte wie „Fick Deinen Vater“ und „Dein Vater soll Dich ficken“, war mir als würde ich mich von oben beobachten. Mir schossen nach und nach immer mehr Bilder der Vergangenheit in den Kopf, sogenannte Flashbacks .Ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Und hatte immer mehr Alpträume und auch tagsüber hatte ich die Bilder im Kopf. Sie liefen vor meinem geistigen Auge wie kleine Filme. Ich versuchte die Bilder zu verdrängen und mich abzulenken. Zu Beginn gelang mir das auch noch einwenig, aber mein Körper setzte sich gegen diesen Zustand zur Wehr und ich wurde krank, ich bekam einen schlimmen Husten der über Monate anhielt. Meine Hausärztin wusste schon gar nicht mehr was sie tun sollte. Also wurde ein Röntgenbild von der Lunge und ein Lungenfunktionstest gemacht um eine bösartige Erkrankung auszuschließen. Es war nichts zu finden. Ein paar Wochen später bekam ich noch eine Kehlkopfentzündung und konnte nicht mehr sprechen. Was war so unaussprechlich? Heute weiß ich es. Es waren die Bilder der Vergangenheit die mich im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos machten. 57. Der Zusammenbruch Es fiel mir zunehmend schwerer mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ich bekam Magenkrämpfe, sobald ich zur Arbeit musste und hatte keinen Appetit mehr. Ich war in Gedanken schon lange nicht mehr auf der Arbeit, dennoch schaffte ich es irgendwie zu funktionieren und meine Aufgaben gewissenhaft zu erledigen. Dem Mädchen gegenüber reagierte ich zunehmend gereizter. Eines Tages kam es zur Eskalation. Sie hatte sich an diesem Tag vorgenommen alles daran zu setzten mich aus der Reserve zu locken und brachte die anderen Gruppenmitglieder dazu mitzumachen. Ich merkte wie sich mir die Kehle zuschnürte, und ich resignierte. Ich war inzwischen einfach zu müde um auf ihre Spielchen einzugehen. Ich fühlte mich klein und machtlos. Aber sie inszenierte eine Situation in der ich reagieren musste. Sie rastete völlig aus, als sie merkte das sie keine Chance mehr hatte. Wir mussten schließlich die Polizei rufen, und sie wurde in die Kinder-und Jugendpsychiatrie gebracht. Ich musste sie bis zu Eintreffen der Polizei festhalten, sie biss mich und schlug mit dem Kopf gegen meinen. Ich versuchte sie zu beruhigen. Irgendwie tat sie mir leid. Danach war Ich total fertig. Ich hatte das Gefühl gleich umzufallen. Mir war heiß, kalt und schwindelig. Ich konnte nicht mehr klar denken. Mir war alles zu viel. Als ich am nächsten Tag zur Arbeit musste, war mir als würde ich mich von oben beobachten, mein Herz raste und ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich spürte wie meine Mauer, die ich mir über all die Jahre aufgebaut hatte immer mehr begann zu bröckeln. Ich war ein einziges Nervenbündel. Meine Gedanken drehten sich zwanghaft im Kreis. Scham und Ohnmacht waren so übermächtig, das ich das Gefühl hatte es nicht mehr aushalten zu können. Zwei Tage später wachte ich nach einem heftigen Alptraum auf. Ich hatte geträumt, das mein Erzeuger sich an mir vergangen hatte und das danach ein riesiger Wal Menschen verfolgte, die mir wichtig waren. Ich versuchte alles um ihn abzulenken, doch es gelang mir nicht. Erst als ich mich selber erschoss ließ er von ihnen ab und es ging ihnen wieder gut. Solche Alpträume sollte ich in nächster Zeit noch sehr oft haben. Als ich aufwachte konnte ich die Tränen nicht mehr halten , ich konnte gar nicht wieder aufhören zu weinen. Ja ich weinte, deshalb hatte ich Schuldgefühle. Ich sagte mir selber das ich mich gefälligst zusammen reißen muss, aber ich hatte gegen die Übermacht der Gefühle keine Chance mehr .Meine Mauer war vollends zusammen gebrochen, was blieb waren die Trümmer. Ich war nun völlig Schutzlos. Das machte mir große Angst. Wie sollte ich ohne Selbstschutz meiner Arbeit nachgehen können. Wie sollte ich ohne diesen Schutz weiterleben? Also tat ich etwas was ich nur selten tat und ging zum Arzt. Meine Hausärztin schrieb mich krank., es war der 29.6.2007. Mein Blutdruck war viel zu hoch und mein Herz raste. Wie schlecht es mir ging, sollte sie aber erst in der Woche darauf bemerken. Sie schrieb mich weiter krank, das dieser Zustand länger andauern sollte, habe ich da noch nicht geahnt. Ich dachte, das ich die ganze Situation schon wieder in den Griff bekommen würde. Aber das sollte mir so schnell nicht gelingen. Einerseits wollte ich unbedingt wieder zur Arbeit, um der Jugendlichen nicht die Genugtuung zu geben mich zerstört zu haben. Anderseits merkte ich immer mehr das es ein Fehler sein würde jetzt zurück zu gehen. Ich war in einem Zustand in dem ich nicht arbeiten konnte, und den Kindern nicht hätte die Aufmerksamkeit geben können die sie verdienten und brauchten 58. Das Dunkel Die Bilder in meinem Kopf nahmen mich immer mehr in Beschlag. Ich wollte nicht an sie denken und auch nicht über sie nachdenken. Aber sie waren immer gegenwärtig. Ich hatte keine Chance ihnen zu entfliehen auch nicht im Schlaf. Ich hatte keinen Hunger mehr und lag den ganzen Tag nur im Bett und schlief oder weinte. Ich hatte keinerlei Interesse mehr an irgendetwas. Noch nicht einmal mehr an Menschen die mir wichtig waren. Das machte mir zusätzliche Schuldgefühle. Meine Krankheit hielt ich gegenüber wichtigen Menschen wie meinen Geschwistern erst einmal geheim. Ich war einfach zu müde irgendetwas zu erklären. Um das auch nicht tun zu müssen, vermiet ich Telefonate und Treffen. Ich wollte mit niemanden über den Grund meiner Krankheit sprechen. Außerdem sah ich selbst es nicht als Krankheit. Als dann durch Zufall doch herauskam das ich krank war, hieß die offizielle Diagnose Burnout Syndrom und Magenprobleme was ja auch stimmte. Aber ich wusste, das da sehr viel mehr war. Meine Hausärztin machte sich große Sorgen, noch nie hatte sie mich in einem solchen Zustand erlebt. Sie riet mir psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich sagte zu darüber nachzudenken, auch wenn ich es im ersten Augenblick für wenig sinnvoll hielt, da ich ja schon vor Jahren eine Therapie gemacht hatte. Und ich ja genau wusste, was mich so aus der Bahn geworfen hatte. Mein Chef und die Kollegen machten sich auch große Sorgen, das war mir sehr unangenehm. Ganz besonders dann, als ich die Tränen vor meinem Chef nicht ganz verbergen konnte. Ich wäre am liebsten tot umgefallen. Ganz besonders als er mir sagte, das er sich so große Sorgen mache, da ich ,die ich sonst „Fels in der Brandung“ war, nun selbst einmal Hilfe brauchte. Er bot mir an mit ihm oder unserer Mediatorin zu sprechen, damit ich mit meinen Problemen nicht so allein wäre. Das konnte ich aber nicht. Ich wollte nicht das man mich in eine Schublade steckt und nur noch auf meine Vergangenheit reduziert. Ich konnte und wollte mit niemanden darüber sprechen was mich belastete. Zu groß war die Scham und die Schuldgefühle. Was ich da noch nicht wusste, aber später erfahren sollte, war, das der ein oder andere Kollege aufgrund meines Verhaltens schon seine Vermutungen hatte, was mir in meiner Kindheit wiederfahren sein könnte. Und dennoch haben sie mich nicht danach beurteilt, sonder einfach als vollwertige Kollegin angenommen. Meine Kollegen und mein Chef verhielten sich ohnehin sehr verständnisvoll und wollten das ich mein Burnout Syndrom richtig auskuriere. Sie drängten mich zu nichts. In dieser Zeit wurde mir wieder einmal mehr bewusst, wie wichtig meine Kollegen für mich waren, und das sie so eine Art Ersatzfamilie für mich waren und sind. 59. Offenheit Mein Zustand wurde immer schlimmer. Eines Tages als ich wieder bei meiner Hausärztin war und völlig verzweifelt, geschah es. Ich brach mein Schweigen. Ich sprach tränenerstickt über die Jugendliche und ihre verletzenden Aussagen, als meine Ärztin ganz offen ihre Vermutung aussprach. Sie fragte mich, ob mein Erzeuger mich missbraucht hätte. Mir wurde heiß und kalt. Ich fühlte mich so schuldig, so als stünde ich vor Gericht. Aber ich war zu müde und schwach um irgendetwas zu leugnen. Ich konnte nur bejahen. Es fiel mir unendlich schwer. Und ich fragte mich, was sie jetzt wohl von mir denken würde. Sie würde mich nun bestimmt verachten dachte ich. Doch das tat sie nicht. Diese Offenheit war es, die mich später dazu bewegen sollte die angebotene psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie empfahl mir einen kompetenten und einfühlsamen Kollegen. Mit ihrer Hilfe bekam ich auch schnell einen Termin. 60. Erste Sitzungen Die Flashbacks hatten mich immer mehr im Griff. Alles drehte sich im Kreis. Ich hatte das Gefühl, meine Vergangenheit noch einmal zu erleben. All die Schamgefühle, der Ekel, der Schmerz, die Trauer und die Ohnmacht waren wieder in mir. Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Ich fühlte mich wieder, als wäre ich das kleine Mädchen von damals, das keine Macht hatte sich gegen all das erlebte zur Wehr zu setzten. So saß ich bei meinem Psychiater und konnte die Tränen nicht halten. Ich versuchte krampfhaft sie herunter zu schlucken und zu verbergen, aber ich war machtlos. Mir war es mehr als unangenehm das ich meine Gefühle nicht kontrollieren konnte. Darin war ich doch sonst ein Meister. Außerdem war es neu für mich, von solch einer Flut von Gefühlen überspült zu werden. Bisher hatte der Verstand alles in einiger Maßen geregelten und sicheren Bahnen gehalten. Das anderen so etwas passiert habe ich schon oft erlebt. Aber mir? 61. Schwere Zeiten Inzwischen nahm ich Antidepressiva und Beruhigungsmittel, da ich die Gesamtsituation sonst nicht ertragen hätte. Endlich erkannte ich meinen Zustand, die Depression , und Posttraumatische Belastungsstörung als das an, was es war, als Krankheit. Das war ein Schritt, der mir nicht leicht gefallen ist. Ich hatte Probleme als krank zu gelten, da ich ja kein sichtbares körperliches Gebrechen hatte. Mein Psychiater war sehr rücksichtsvoll, dennoch schnürte es mir regelmäßig die Kehle zu, wenn wir miteinander sprachen. Die Bilder wurden immer aufdringlicher. Sie wollten an die Oberfläche nach draußen. Ich versuchte mich mit aller Macht gegen sie zur Wehr zu setzen. Es waren so viele Bilder die auf mich einstürzten. Sie waren so real. Ich hatte das Gefühl das alles nicht mehr aushalten zu können. Ich wollte nur noch weg. Und wieder war es meine Hausärztin die offen aussprach was in mir vorging. Nämlich das ich Suizidgedanken hatte. Wir schlossen einen Vertrag, das ich mir nichts antun würde. Und da ich sie sehr schätzte hielt ich ihn ein. Was mir nicht immer leicht fiel. Aber ich halte, was ich verspreche. In mir war so viel Selbsthass. Und ein unbändiger innerer Druck . Ich fing an mich selbst zu verletzten. Und fügte mir mit einer Teppichmesserklinge Verletzungen an den Oberarmen, Oberkörper und Beinen zu. Damit es niemand sehen konnte. Wieder das alte Muster von früher. Ich fühlte mich danach immer irgendwie befreit. Doch bekam sofort Schuldgefühle. So was tut man nicht.. Aber ich hatte ja nicht vereinbart mich nicht selbst zu verletzten. Zu allem Überfluss wollte meine Hausärztin meinen Blutdruck überprüfen. Ich habe mich etwas gewunden, ich wollte nicht, das sie die Schnitte sieht. Ich wäre am liebsten tot umgefallen, als sie die Verletzungen entdeckte. Sie reagierte aber entgegen meiner Erwartungen nicht mit Vorwürfen sondern mit Verständnis. Sie sagte, das diese Handlungen zu meinem Krankheitsbild gehören. Ich war verunsichert und erleichtert zu gleich. Ich fing an meine Bilder, die mich so quälten, in Worte zu fassen. Das machte das ganze greifbarer. Nahm mir etwas den inneren Druck. Der Psychiater wusste nun über alles was mich beschäftigte bescheid, ohne das ich es ihm persönlich erzählen musste. Das erleichterte die Arbeit für ihn und für mich. Es waren Bilder von Misshandlungen und Missbrauch. Ich war irgendwie erleichtert das er jetzt all das wusste, musste aber wieder daran denken, was wohl dieser Mensch jetzt von mir denken würde. Er war sehr einfühlsam und geduldig, ich hatte Vertrauen zu ihm, und fühlte mich dort so wohl, wie es unter diesen Umständen eben geht. Ich spürte, das er mir nicht schaden will. Dennoch ging es mir nach den Sitzungen immer etwas schlechter, und währenddessen stand ich immer sehr unter inneren Druck. 62. Der erste Arbeitsversuch Nach zirka sechs Wochen war ich der festen Überzeugung ich könnte wieder arbeiten. Mein Psychiater hatte Urlaub. Also ging ich zu meinem Hausarzt, bzw. zu dessen Vertretung und füllte mit ihm einen Schein zur Arbeitswiedereingliederung aus. Der festen Überzeugung vorrausgesetzt meine Gefühle im Griff zu haben ging ich also wieder zur Arbeit. Ich wollte unbedingt wieder arbeiten, auch um wieder als vollwertig zu gelten. Kinder waren keine da, da die auf Ferienfahrt waren. Wir renovierten in der Zeit wie immer das Haus. Doch ich war nicht ich selbst, was nicht nur an den Medikamenten lag. 1,5 Stunden versucht ich eine Schraube in ein Loch zu drehen, wo sie überhaupt nicht hinein gehörte. Dabei bin ich handwerklich sonst gar nicht so ungeschickt. Das fand ich ja noch irgendwie amüsant. Schlimm war jedoch, das mich beim vorbeigehen am Zimmer der Jugendlichen, die mir so zugesetzt hatte, alle Bilder wieder einholten. Ich war in Gedanken voll und ganz bei den Bildern und wusste weder ein noch aus, die Tränen stiegen in mir auf. Ich konnte sie nur schwer unterdrücken. Und schließlich kam was kommen musste, sie bahnten sich ihren Weg. Ich wollte zu meinem Chef gehen um ihn zu sagen, das ich jetzt abrechen muss. Doch die Tränen drohten mich zu ersticken. Ich machte mich mehrfach auf den Weg zum Büro meines Chefs und kehrte wieder um. Ich wollte nicht das er mich weinen sieht. Eine Kollegin, Gaby, die Seele des Hauses, die mich auf und ab gehen sah, bot mir an zu ihm zu gehen. Dies lehnte ich aber ab. Nachdem ich all meine Kraft und Mut zusammenbekam, zirka nach einer Stunde ging ich zu ihm, ich musste mich von ihm abwenden. Das war kein Zeichen von Unhöflichkeit, sondern es stiegen die Tränen in mir auf. Ich wollte nicht das er sie sieht. Doch ich bin mir sicher, das er meine Verzweiflung gespürt hat. Das war mir sehr unangenehm. Also musste ich wieder zum Arzt. Von meine beiden Ärzten bekam ich zu hören, das sie einer Eingliederung zu diesem Zeitpunkt nie zugestimmt hätten. Ich fühlte mich nach diesem gescheitertem Arbeitsversuch als totaler Versager. Doch meine Kollegen waren sehr verständnisvoll, anteilnehmend und wohlwollend . Dies sollte auch über den gesamten Zeitraum meiner Krankheit so sein. 63. Geständnisse Mein Psychiater hat mir geraten mich jemanden nahestehenden anzuvertrauen, wenn der Druck wieder zu groß werden würde. Meine Geschwister kamen mir dafür nicht infrage. Eines Abends als der Druck wieder so groß wurde, das ich mich wieder selbst verletzten musste, rief ich meine Kollegin Rita an um auf andere Gedanken zu kommen.. Wir redeten, und da ich zu ihr Vertrauen hatte, deutete ich an was mir passiert sei. Und sagte gleich, das ich jetzt nicht in eine Schublade gesteckt werden möchte. Sie sagte daraufhin, das sie das sie das aufgrund meines Verhaltens schon vermutet hatte und mich dennoch nicht auf meine Vergangenheit reduziert habe. Ich fühlte mich erleichtert und schuldig zu gleich. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl ihr nie wieder gegenüber treten zu können. Doch wir führten noch viele gute Gespräche .Ich kam mir irgendwie so nutzlos und schuldig vor, doch dennoch hatte ich das Gefühl das Richtige zu tun. Auch meine Kollegin Heike, die mich schon vor Jahren mal gefragt hatte, wusste das ich missbraucht worden war. Auch mit ihr führte ich noch einige gute Gespräche. Ich hatte solche Angst nie wieder meine so geliebte Arbeit ausführen zu können. Und was wäre wenn ich den beiden Kolleginnen in einer Teamsitzung gegenüber sitzen würde.? 64.Weitere Tiefpunkte Ich war so verzweifelt, das ich mich wieder selbst verletzte. Die Flashbacks waren zu übermächtig und in mir ein Gefühlschaos. Das schlimmste war das ich meine Neigung zur Selbstverletzung gegenüber meiner Kollegin auch äußerte. Ich kam mir so schuldig vor, da ich genau das ich selbe tat wie einiger unser Klientel. Das war die härteste Zeit, nach den Misshandlungen und des Missbrauchs meines Lebens. Ich wollte diesen Job weitermachen, und das um jeden Preis. Leider merkte ich sehr schnell, das gar nichts ging.. Ich verfluchte jeden Tag an dem ich jeden nicht arbeiten konnte. Ich fühlte mich hilflos und klein. 65. Ein Schritt nach vorn Ich sah also ein, das ich momentan nicht arbeiten konnte. Das ermöglichte mir, mich mehr auf meine Gesundung zu konzentrieren. Gut, zugegeben manchmal kam in mir der Drang nach oben, möglichst schnell wieder zu arbeiten. Doch dann kamen mir auch gleich viele Argumente dagegen in den Sinn. Neu hinzugekommen zu den Flsahbacks waren große Ängste. Sie schienen aus dem Nichts entstanden zu sein. Doch alles hatte seinen Grund. So hatte ich z.B. unbändige angst mein Team zu verlieren. Herr Dedow, mein Psychiater hatte eine gute Methode parat, die mir half ,und die Ängste ganz klein werden ließ. Das Verfahren hieß EFT (Emotinal Freedom Taping) . Es werden dabei bestimmte Akupunkturpunkte in einer bestimmten Reihenfolge beklopft. Ich war sehr kritisch aber es hat geholfen. Um innerlich mehr zur Ruhe zu kommen empfahl er mir „Imagination als heilsame Kraft“ vom Louise Reddemann. Eine CD mit Sprache und Musik geführt. Auch damit konnte ich kleine Fortschritte machen. Die Flashbacks konnten dadurch nicht vertrieben werden. Aber ich fand kleine Oasen der Ruhe. 66. Verzweiflung Es gab eine Zeit, da quälte mich ein Bild ganz besonders. Ich sah mich, wie ich (10) meinen Bruder Claudio 6Jahre alt bade. Als plötzlich mein Erzeuger hinzu kam. Er verlangte von mir, das ich mir die Hose herunterziehe und mit meinen Bruder genau das selbe mache wie er immer. Ich weigerte mich und wollte nicht zum Täter werden. Daraufhin schlug er auf mich ein. Ich musste die Hose herunterziehen. Mein Bruder begann zu weinen. Er hob Claudio aus der Wanne und presste ihn an mich. Zum Glück scheiterte er mit seinem Versuch. Dennoch fühlte ich mich schuldig und schmutzig. Als ich später zu ihm ging um mich zu entschuldigen, wusste er gar nicht was los war. Für ihn war das ganze nur ein Spiel. Das erleichterte mich etwas. Bis heute plagten mich die Schuldgefühle ob er wirklich nichts zurückbehalten hat. Also riet mein Psychiater mir einen Brief an meinen Bruder zu schreiben. Das tat ich dann auch. Ich las ihm den Brief am Telefon vor. Und er sagte mir, das er sich an nichts erinnern könnte, und mir darum auch nicht böse sei. Das erleichterte mich sehr. 67.Erneut gescheitert Im Mai 2008 war ich der festen Überzeugung wieder arbeiten zu können. Also versuchten wir erneut eine Wiedereingliederung. Ich merkte sehr schnell das es auf der Kippe stand, wollte es aber unbedingt weiter versuchen. In der dritten Woche sagte mein Chef mir, das ich den Versuch abbrechen sollte, bevor er es tun muss. Das war ein weiterer Rückschlag für mich. Aber ich sah ein, das es richtig war. Meine Unruhe war für die Kinder und Jugendlichen körperlich spürbar. Also war ich wieder krankgeschrieben. Ich konnte damit nur schwer umgehen. Warum verdammt noch mal konnte ich meine Emotionen nicht in den Griff bekommen? Ich fühlte mich so klein und nutzlos. Als totaler Versager. Der ich ja schon mein Leben lang zu scheinen war. Um mich zu befähigen wieder arbeiten zu können, schlug mir mein Psychiater ein wissenschaftlich anerkanntes Traumatherapieverfahren vor. Es hieß EMDR ( Eye Movement Dissoziation Reprozzessing). In diesem Verfahren stellt man sich die Flashbacks einzeln vor, während man schnelle Augenbewegungen, der REM Phase gleich vollzieht. Das soll helfen das Trauma aufzukapseln, und dann selbstständig zu verarbeiten. Nach jeder Phase werden Emotionen und Gedanken erfragt. Und ob sich an dem Bild etwas verändert hat. Ebenso erfragt wird der Anspannungszustand auf einer Scala von 1 bis 10. Die Methode wirkte, ein paar Bilder waren nun nicht mehr so bedrohlich. Mein Psychiater wollte, das ich dieses Verfahren in einer speziellen Klinik durchführe, da man dabei sehr aufgewühlt werden kann und auch neue Bilder auftauchen können. Doch ich war dagegen, da es dort nur zwei- und Dreibettzimmer gab. Ich kann nicht schlafen wenn noch jemand anderes mit im Raum ist. Er ließ sich dann glücklicherweise darauf ein, das er die Therapie mit mir macht. Wir schlossen einen Behandlungsvertrag ab. In dem stand, das ich mir nichts antue und mich selbst nicht verletzte. Und das ich ihn anrufe, wenn ich das nicht mehr gewährleisten kann. Wenn er dann entscheiden würde, das es besser wäre in die Psychiatrie zu gehen, würde ich dort ohne Diskussion hingehen. Da er wusste, das ich mich an Vereinbarungen halte, war er somit etwas abgesichert. 68. Dunkle Geheimnisse Eines Tages rief mich meine Schwester Luziana an. Sie war völlig aufgelöst und erzählte mir, das sie in einer Tagesklinik ist. Der Grund war das auch bei ihr Flashbacks aufgetaucht sind. Mein Pflegevater soll versucht haben sich ihr zu nähern. Passiert sei aber nichts, da sie ihn immer klar abgewiesen hatte. Dennoch hat das ganze tiefe Wunden bei ihr hinterlassen. Er versuchte es immer dann, wenn er betrunken war und meine Pflegemutter nicht da war. Sie hatte große Angst, das ich ihr nicht glauben würde. Aber ich glaubte ihr, das erleichterte sie sehr. Sie bat mich ihre Erlebnisse an die anderen weiter zu geben. Um zu erklären warum sie ihm nicht mehr gegenübertreten kann. Dabei stellte sich heraus, das er es auch bei drei weiteren Geschwistern versucht hatte, als er noch getrunken hatte. Als er dem Alkohol abgeschworen hatte, sei so etwas nie wieder vorgekommen. Ich konnte das ganze nicht verstehen. Wir sind zu unseren Pflegeeltern gekommen, damit so etwas nie wieder passieren sollte. Und dann versucht es der Mann, der uns schützen sollte. Ich bin froh, das es beim Versuch geblieben ist. Und ihnen so einiges Leid erspart blieb. Aber allein der Versuch hat das Vertrauensverhältnis sehr erschüttert. Schon vor Jahren hatte meine Schwester Juhanita mir erzählt, das er versucht hatte sich ihr zu nähern. Ich habe meinen Pflegevater damals zur Rede gestellt. Und ihm angekündigt, das ich anzeigen würde wenn mir noch mal zu Ohren kommt. Er schwor damals es nie wieder zu tun. Ich zeigte ihn damals nicht an, da meine Schwester das nicht wollte. Ich bin meinen Pflegeeltern dankbar für alles was sie für uns getan haben. Aber mein Pflegevater ist durch sein Verhalten in meiner Achtung vor ihm stark gesunken. 69.Chaos im Kopf Durch das EMDR sind neue Bilder in mir aufgetaucht. Eines beschäftigte mich ganz besonders. Ich war mit meinem Erzeuger in dem Zimmer wo der Besenbinder stand. Ich musste mich ausziehen und mit dem Rücken zu ihm stellen. Dann verging er sich an mir. Als er fertig war und eine Pause gemacht hatte musste ich ihn oral befriedigen. Mir war so schlecht und ich fühlte mich schmutzig, klein und ausgeliefert. Als wir dieses Bild behandelten stiegen die Tränen in mir auf. Das war mir jetzt schon länger nicht mehr passiert. Ich dachte das ich über diese Phase hinweg sei. Wir mussten abbrechen, da ich die Anspannung nicht mehr aushielt. Ich konnte nur noch an dieses Bild denken, meine Gedanken drehten sich im Kreis. Schon während der Sitzung hatte ich den Drang mich selbst zu verletzten. Als ich zu Hause angekommen war versuchte ich zu schlafen, aber ich hatte immer dieses Bild vor Augen. Ich empfand Ekel, Trauer, Schuld und fühlte mich so klein und hilflos. Die Anspannung wurde immer größer und es fiel mir immer schwerer mich nicht selbst zu verletzten. Um nicht Dr. Dedow anrufen zu müssen, rief ich meine Kollegin an um mich abzulenken. Den Druck konnte ich so einwenig abbauen, doch um den Drang zur Selbstverletzung etwas abzubauen waren mehrere Telefonate notwendig. Irgendwann schlief ich dann schließlich erschöpft ein, nachdem ich mehrere Beruhigungstabletten genommen hatte. Dies musste ich tun, um das ganze auszuhalten, auch wenn ich mich dann immer anhörte, als hätte ich zuviel getrunken. Aber das war dann eben so. Ich träumte sehr schlecht, es war dieses Bild und einige andere. Schließlich sprang ich im Traum von einem Hochhaus. Schon beim Aufwachen spürte ich einen großen Druck in mir. Und ich hatte das Gefühl mich selbst verletzten zu müssen. Ich griff mehrfach zum Hörer um Herrn Dedow anzurufen, tat es dann aber doch nicht, da ich wusste, das er mir mit Sicherheit sagen würde, das ich in die Klinik soll. Das wollte ich um jeden Preis vermeiden. Noch hatte ich mich ja im Griff. Um mich abzulenken rief ich irgendwann wieder meine Kollegin an. Außerdem schrieb ich folgendes Gedicht: . Angst In mir steigen Bilder auf, Gedanken nehmen ihren Lauf. Drehen sich zwanghaft im Kreis, es hilft nicht vor ihnen zu fliehen, ich weiß. Ausgeliefert und klein, so komme ich mir vor, öffnet der Angst ein großes Tor. Sie raubt mir fast den Verstand, wer hat mir nur diese Gedanken gesandt. Tief aus dem Inneren steigen sie empor, spiegeln mir vergangenes vor. Die alte Angst sie ist wieder erwacht, Gefühle drängen nach oben mit aller Macht. Sie sind so übermächtig und groß, wie entkomme ich ihnen bloß. Sie sind allgegenwärtig, immer da, es lässt sich nicht verdrängen was einst war. Es ist als würde ich alles ein zweites Mal erleben, er hat so viel falsch gemacht, ich kann ihm nicht vergeben. Er hat mir meine Kindheit geraubt, wer hat ihm das erlaubt. Der Gott, für den er sich selber hielt, schaute zu, wie er anderen das Leben stiehlt. Wie er sie zerstört, mächtig er allein, demütigte er Menschen, egal wie klein. Zerstörte kleine Seelen, die sich noch heute quälen. Die eine große Frage in sich tragen, auf die niemand wird die Antwort sagen. Warum hat er all das mit mir gemacht, und mich dabei verlacht. Warum hat er mich gequält wie ein Tier, wozu bin ich noch hier. Ich fühlte mich verzweifelt und klein. Konnte und wollte nicht mehr. Doch ich hatte einen Vertrag einzuhalten. Am dritten Tag ging es mir endlich wieder besser. Darüber war ich sehr froh. Die letzten beiden Tage waren sehr schlimm für mich. Ich war froh, das ich sie überstanden hatte, das war gar nicht so einfach. Hätte ich den Vertrag nicht, hätte ich mir ganz sicher wieder Verletzungen zu gefügt, dabei sind die Stellen noch heute ganz vernarbt. Werden für immer sichtbar bleiben. Das belastet mich zusätzlich sehr. Hätte ich nicht stärker sein können? Zu schaffen machte mir auch, das sich die Krankenkasse so viel Zeit bei der Bewilligung einer Therapieverlängerung lies . Ich hatte Angst, das wir die Therapie abbrechen müssten. Denn ich hätte es mir finanziell nicht leisten können die Therapie weiter zu führen. 70. Termine Ich war nun schon ein Jahr krankgeschrieben. Eine lange Zeit, die mir fast unwirklich vor kam. Und noch immer war ich nicht in der Lage zu arbeiten. Da das Ganze jetzt schon so lange dauerte musste ich zum Betriebsärztlichen Dienst meines Arbeitgebers. Ich war etwas verunsichert. Schließlich wusste ich nicht was mich dort erwartet und was der Arzt von mir wissen wollen würde. Ich war erleichtert, als er sich zu Frieden gab mit der Diagnose Posttraumtisches Belastungssyndrom. Und das er nicht wissen wollte was das Syndrom ausgelöst hatte. Auch die Krankenkasse hatte einen Termin für mich. Ich musste zum Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Vor diesem Termin hatte ich richtig Angst, da ich befürchtete, das mich die Gutachterin dazu zwingen könnte in eine Klinik zu gehen. Doch sie befürwortete, das ich die Therapie auf jeden Fall bis September 08 weiter machen könnte. Da das Therapieverfahren erfolgsversprechend war. Das erleichterte mich sehr. Unwohl fühlte ich mich dennoch, da ich der Gutachterin erzählen musste, was mich krank gemacht hat. Ich fragte mich, was sie jetzt wohl von mir halten würde. Es waren ein paar Wochen vergangen, als ich erneut zum Betriebsärztlichen Dienst musste. Ich hatte vor diesen Termin große Angst, da ich vermutete, das es darum gehen könnte , ob ich für meine Arbeit noch geeignet wäre. Es ging bei dem Termin aber nur darum, das ich nur noch vier Monate Krankengeld bekommen würde. Dies setzte mich zusätzlich unter Druck, bald gesund zu werden. Da sonst der finanzielle Abstieg drohte. Dennoch war ich erleichtert, das sich meine Befürchtungen nicht erfüllt haben. 71. Fortschritte Wir arbeiteten nun schon seid ein paar Wochen mit dem EMDR. Und es zeigten sich erste Erfolge. Die Flashbacks sind etwas weniger geworden. Auch waren Bilder die wir schon bearbeitet haben, nicht mehr ganz so bedrohlich. Obwohl immer neue Bilder auftauchten, ging es mir insgesamt besser. Auch wenn ich immer noch sehr angespannt war. Die Phasen ohne Flashbacks wurden länger. Ich war dabei die Mauer wieder aufzubauen und zu stabilisieren. Mein Psychiater meinte, das sie schon wieder zu stark sei, da ich Emotionen unterdrückte. Es wäre aber wichtig diese zu zulassen . Inzwischen suchte ich keine Entschuldigungen mehr für das Verhalten meines Erzeugers. Ich konnte endlich sagen, das sein Verhalten falsch war. Jedoch wütend konnte ich immer nicht sein. Ich fühlte Ohnmacht, Trauer und Scham. Mein Psychiater bezeichnete meinen Erzeuger als Schwein, Sadist, Verbrecher und KZ –Aufseher. Alles Bezeichnungen, die ich mir nicht erlauben konnte zu äußern. Aber erhatte Recht mit seinen Äußerungen. Das ich das so sah, löste Schuldgefühle in mir aus. Diese wurden aber mit der Zeit immer weniger. 72. Rückfall Eines Tages rief eine Dame vom Ordnungsamt Siegen an, um mir mitzuteilen, das mein Erzeuger gestorben sei. Dies wusste ich aber schon, durch eine meiner Schwestern, die das schon vor ein paar Monaten erfahren hatte. Die Frau meinte das es ja schrecklich sei, das mein Erzeuger gestorben ist. Ich konnte nichts sagen, nur schweigen, was sie wahrscheinlich als Zustimmung empfand. Aber ich empfand nichts, keine Trauer aber auch keine Erleichterung. Ich fühlte mich schuldig, weil ich kein Bedauern empfand, sondern hoffte, das er jeden Tag an das denken musste, was er uns angetan hatte, und das ihn sein Gewissen plagte. Da war nun tot, der Mann der mir meine Kindheit und beinahe mein gesamtes Leben zerstört hatte. Es war nun besiegelt, das er mir nie wieder weh tun würde. Wir haben uns Jahre nicht gesehen, und so konnte er mich auch nicht mehr verletzten. Aber nun war es endgültig, er würde nie wieder irgendjemanden weh tun können, dachte ich. Doch auch noch aus dem Grab heraus schadete er uns. Wir sollten die Beerdigungskosten in Höhe mehrer tausend Euro übernehmen. Wir sollten für unseren Peiniger bezahlen, das war unvorstellbar demütigend. Es ging nicht nur ums Geld, sondern darum was wir alles erdulden mussten. All die Qualen die er uns bereitet hatte. Das ganze zog mich wieder mehr herunter. Die Flashbacks wurden wieder mehr. Ich schrieb einen Wiederspruch gegen das ganze und teilte mit, das unser Erzeuger uns misshandelt und mich missbraucht hat. Die Reaktion der Mitarbeiterin war, das man sich das auch ausdenken könnte. Sie sagte, das man das erst mal beweisen müsste. Diese Art zu reagieren hat mich sehr verletzt. Mein Psychiater schrieb mir eine Stellungnahme, die ich ihr zuschickte, als kleinen Beweis. Gott sei dank hatte ich die Therapie schon lange vor bekannt werden des Todes meines Erzeugers begonnen. Die Sachbearbeiterin wollte die gesamte Anklageschrift betreff Aussetzung hilfloser und des Sorgerechtsentzug zugeschickt bekommen. Also setzte sich meine Schwester Piroschka mit dem Sachbearbeiter des Jugendamtes Husum, der uns früher betreute in Verbindung. Auch er empfand es als Hohn, das wir die Beerdigungskosten übernehmen sollten. Er nannte uns den Paragraphen 1611BGB. Der regelt die Unterhaltspflicht. Und wir waren nicht unterhaltspflichtig, folgerichtig müssten wir die Kosten nicht übernehmen. Aber die Dame versuchte weiterhin von uns Geld zu bekommen. Für mich war klar, das ich einen Anwalt einschalten würde, falls dem Wiederspruch nicht stattgegeben würde. Dies schrieb ich auch in meinen Wiederspruch. Ich wollte damit klar machen, das wir uns nicht mehr alles gefallen lassen. Wir fragten uns, wie ein Rasengrab so viel Geld kosten kann. Und weil es so üblich ist, wurde das ganze für fünf Jahre angelegt. Wir fragten uns auch, warum seine Frau oder seine neuen Kinder das Grab nicht bezahlten. Denn die hatte er ja. Oder war er inzwischen wieder geschieden? Ich fühlte mich schuldig, weil ich hoffte, das er hat leiden müssen. So leiden, wie wir es mussten. 73.Druck Die Flashbacks sind wieder mehr geworden. Und damit auch der Drang mich selbst zu verletzten. Es fiel mir schwer diesem Druck standzuhalten. Um den Vertrag einhalten zu können, musste ich oft mit meiner Kollegin telefonieren. Doch der Gedanke an die Erleichterung die ein Schnitt gehabt hätte war all gegenwärtig. Aber mir war auch klar, das ich dann wieder mit neuen Schuldgefühlen zu kämpfen hätte. In der Therapie wurde mir immer mehr bewusst, das mein Erzeuger jetzt wirklich und unwiederbringlich fort ist. Das gab mir eine gewisse Sicherheit. Trotz der Flasbacks konnte ich mich wieder mehr auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Auf das was es jetzt wichtig ist zu tun. Dazu gehörte auch, das ich jeden Freitag ins Heim zum Frühstück, bei dem auch eine allgemeine Übergabe stattfand gehe. Dort sollte ich herausfinden ob und wieweit ich schon in der Lage bin zu arbeiten. Ich freute mich sehr mit meinen Kollegen zusammen zu sein, doch gleichzeitig war da immer noch eine große Anspannung. Ein Zeichen, das ich noch nicht bereit war, mich den Arbeitanforderungen zu stellen. Ganz besonders betroffen war ich von einem Fall, der ein Ex- Bezugskind von mir betraf. Ihre Mutter hatte sie für zehn Euro an ihren eigenen Freund verkauft. Also den Freund der Mutter. Sie ist inzwischen zwar achtzehn, doch das ganze hat sie zu zwei Suizidversuchen gedrängt. Der Verdacht das der Lebensgefährte der Mutter sich an Natascha, so hieß das Mädchen, vergeht bestand schon, als sie noch bei uns lebte. Wie kann eine Mutter ihr Kind ausliefern und verkaufen? Wie kann man so grausam und kalt sein? Anhand der Betroffenheit bei diesem Fall war mir klar, das es noch etwas dauern wird, bevor ich wieder meiner Arbeit nachgehen können sollte. Ich konnte mir bildlich vorstellen, was das arme Mädchen durchleiden musste. Es tat mir so leid für sie. Man kann ihr nur wünschen, das sie irgendwann die Kraft hat ihre Mutter anzuzeigen, damit sie ihre gerechte Strafe erhält. Ich habe diese Chance verpasst und bereue das heute sehr. 74.Immer mehr Die Flashbacks waren inzwischen wieder sehr mächtig. Sie beeinflussten meinen Alltag zunehmend mehr. Ich hatte starke Alpträume, aus denen ich oft schweißgebadet erwachte. Es waren wieder diese Alpträume in denen ich mich opfere, damit andere, meine Geschwister unbeschadet blieben. Riesige Tiere bedrohten das Leben meiner Geschwister. Aber wenn ich mich opferte verschwanden sie. So konnte ich im Traum meinen Geschwistern helfen. Ich hatte immer wieder vor Augen, wie ich mich meinem Erzeuger geopfert habe, damit er meine Geschwister in Ruhe lässt. Doch er hatte sein Versprechen nicht gehalten, wie ich Jahre später erfahren sollte. Er hatte sich auch an meiner Schwester Piroschka vergangen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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