Fritz Rubin

Kosenamen

Kosenamen

 

Es war nur ein kurzes Gespräch mit der Hundehalterin, die mit ihrem Mann den wuscheligen

kleinen  Mischling spazieren führte.

„Muckel“, so nannte sie ihn, ihren Hund, meinte ich.

„Das ist aber ein  niedlicher Name“, rief ich spontan aus, als mir ihr Mann ebenso unmittelbar entgegnete: „Und ich bin der Schnuckel!“

Daraus entspann sich dann ein längerer „Trialog“ über Kosenamen im Allgemeinen und im besonderen, ein vergnügliches Gespräch am späten Vormittag.

 

Irgendwie spukte mir danach diese Unterhaltung im Kopf herum, und ich stieg gedanklich in meine Erinnerungstruhe, so nenne ich meinen Griff in meine Vergangenheit.

„Was hattest Du denn eigentlich für Kosenamen in deinem Leben?“, so fragte ich mich. Kosenamen sind nun mal eine besondere Art persönlicher Nähe oder aber auch Distanz, sind Ausdruck eines speziellen Gefühls für einen anderen Menschen, aber treffen sie immer zu?

 

Und so stiegen aus der Erinnerung die ersten Namen auf, mit denen mich meine Umwelt ansprach.

Meine Eltern hatten mich auf „Friedrich-Wilhelm“ getauft, damit der Name in der Familie erhalten blieb, der Namen sollte gepflegt werden.

Mein Vater hieß so, mein Großvater, mein Urgroßvater, ich weiß nicht, wie lang die Namensliste der Friedrich-Wilhelms ist.

Irgendjemand in meiner Familie wählte für mich die Kurzform: “Fritz“.

Damit konnte ich leben, musste ich leben,  aber ich habe meinen Sohn „Frank“ benannt, kurz und bündig, sehr zum Unwillen meiner Eltern.

Da erinnere ich mich an meine Tante Luzie, die mich als Kind und als Jugendlichen immer „Fritziiii!“ rief, wobei sie das Endungs-i – immer sehr lang zog. Zwar störte mich vor allem als Jugendlicher diese Anrede, aber was soll man gegen ein Tante tun, die einen so abgöttisch liebte.

Viel schlimmer war dagegen ihre Angewohnheit, mich zu küssen.

Als Kind hatte ich ja keine Möglichkeit, ein solches „Geschlabbere“ abzuwehren. Später als heranwachsender Junge konnte ich mich durch etliche Tricks diesen Gefühlsausbrüchen immer geschickt entziehen, bis meine Tante dann meine Abscheu konsterniert aufnahm.

 

Mit dreizehn Jahren stand ich dann im Tor der Handballschülermannschaft der „Großen Schule“ in Wolfenbüttel.

Wir trugen zu der Zeit unsere Spiele im Freien auf dem Großfeld an der „Meesche“ aus. Kein gepflegter Rasen, nein, ein den Handballregeln entsprechend großer Hartplatz mit je einem Tor auf jeder Seite, und dazwischen tobten sich dann  zweiundzwanzig Spieler und ein Schiedsrichter aus.

Weder Sonne noch Regen noch Schnee und Eis konnten uns von dieser Sportart abhalten. So kam ich bei einem Regenspiel zu meinem Spitznamen, der mich mein Leben lang begleiten sollte.

Im Matsch zu spielen und zu liegen ist ja nun nicht unbedingt ein angenehmer Zeitvertreib. Aber Torleute fliegen ja nun einmal gerne durch die Luft, um die Bälle abzuwehren oder sie durchzulassen, nicht absichtlich natürlich.

Schon nach wenigen Minuten sah ich aus wie eine Sau, die sich gesuhlt hatte.

Meine Krabbelei in dieser Schlammwüste ließ einen Klassenkameraden ausrufen. „ Der sieht ja aus wie eine Robbe!“

Das war die Geburt meines Spitz- bzw. Kosenamens “Robbe“, der mich durch die Schulzeit und mein weiteres Leben begleiten sollte.

Anlässlich eines „Altherren-Treffens“ in Wolfenbüttel fragte mich ein ehemaliger Klassenkamerad. „Robbe, wie heißt du denn eigentlich mit Vornamen?“, worauf ich erwiderte: „Und wie lautet dein Vorname, Butter?“

Er hieß „Butter“, weil seine Mutter einen kleinen Milchladen führte

Wir waren zweiundzwanzig Schüler in der Klasse, und jeder hatte einen eigenen Kosenamen, unsere Herren Lehrer selbstverständlich auch - ich denke dabei an die „Feuerzangenbowle“ mit  Heinz Rühmann.

Heute sage ich voller Stolz und auch Wehmut, das war eine wunderbare Zeit, vor allem auch deshalb, weil wir „Alten Herren“ uns bei den Wiederholungstreffen immer noch mit unseren Schülernamen anreden. 

Dieser Ausflug in die Schulzeit fiel verständlicherweise etwas umfangreicher aus, war er doch prägend für mein weiteres Leben.

 

Die Jahre eilten im Sauseschritt – frei nach Wilhelm Busch - Heirat, Kinder, Berufsausbildung, dienstliche Verwendungsbreite, sprich Versetzungen an verschiedene Dienstorte.

Im Familienkreis hatte ich meinen Schülernamen behalten, was  eigentlich auch so in Ordnung war, konnte ich mich doch nicht verhören, wenn ich angesprochen wurde.

 

Mitte der 80er Jahre folgte eine Zäsur in meinem Leben, das nun neue Herausforderungen für mich brachte.

Inzwischen sind schon mehr als 20 Jahre vergangen, die mich vorangebracht haben, die dazu geführt haben, dass ich schreibe.

„Fritz“, man horche auf, so nennt mich meine  Frau, wenn sie sachlich mit mir spricht, „schreib´ doch mal ein Buch über unsere Graupapageien“!

Ich werde nur hellhörig, wenn sie sagt: „Liebling, kannst Du bitte mal...!“ Dann folgt ein Auftrag, den ich als Hausmann mittlerweile gewohnt bin auszuführen.

Manchmal fällt auch der Begriff „Hase“ oder „Schatz“, dann werde ich unsicher, der wird ja so häufig auch in vielen anderen Beziehungen gerufen. Ich finde sie ein wenig farblos. Ich – ein Hase – wenn es dann noch „Schätzchen“ heißt - ich, mit 182 cm und 96 kg Lebendgewicht. 

Als ich heute aber den Namen „Schnuckel“ hörte, war ich doch erstaunt, noch einer, der so genannt wird, aber  wahrscheinlich gibt es viel mehr „Schnuckels“,  als ich annehme.

„Schnuckel“, das höre ich hin und wieder auch mal, dann  ist ein so mich leicht irritierender Unterton in der Stimme meiner Frau, und ich denke: „Was will sie denn nun schon wieder?“

Wenn man hinter „Was“ ein Komma setzt, wird der Sinn ein wenig schräg – schmunzel!

 

Was mag das wohl bedeuten, wenn unser Graupapagei Kasimier so in die Stille des Wohnzimmers hinein plappert: „ Komm her, mein Dicker, gib` Küsschen,  nicht so doll!“

 

Die mir liebste Anrede für mich  jedoch ist die meiner Enkelsöhne Justin und Mathis, wenn sie fragen:“ Opa Fritz, kannst Du bitte mal::.!“

 

Ja , ein Rückblick mit Wehmut und mit Freude, Erinnerungen an gute und auch weniger gute Zeiten, Kosenamen meines Lebens!

 

 

© Fritz Rubin, 11. Juli 2008, Othfresen

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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