Sabine Wagenknecht

Der Tach der deutschen Einheits-Kartöffelkes

Wer Käthe und Änne sind...

Käthe Schieselowski und Änne Kowalski sind zwei ruhr(s)pöttische Kohlenpottgewächse, mit Herz und Klappe am rechten Fleck. Nach dem Tod der vor Urzeiten ihnen angetrauten Ehemänner haben sich die Schwägerinnen in Käthes Wohnung „zusammengeschmissen“. Schließlich ist das Leben als Rentnerinnen nicht billig. Der größte Teil des nach Abzug der wichtigsten Kosten übrig bleibenden Geldes geben unsere „Distelrosen“ für Hörgeräte-Batterien, Herrentorte, Friseurbesuche und Zeitschriften jeglicher Art aus. Immerhin muss „frau“ informiert sein…wo erfährt man mehr als im „Cafe inne Mitte vonne Stadt“ oder beim Friseur???

 
 
Der Tach der deutschen Einheits-Kartöffelkes


 „Also“, sach ich, „Also, Käthe, weisse eigentlich, datt gestern der Tach vonne deutschen Einheit war?“

„Klar“, meint die un streicht sich mitte Hand die grau-blaue Pudelfrisur zurecht, „War ja Feiertach! Warum man aber sonnen Tach feiern muss, nee, dat kann ich dich nich erklären.“

„Käthe! Dat is ein Grund um feiern zu tun, datt die armen Leute aus der Ostzone nich mehr inne Schlange vor deren Konsum tun stehen müssen und sogar Bananen kaufen können.“

Die Käthe hat sich inne Zwischenzeit ein neues Glas mit Federweißen geholt un setzt sich wieder annen Küchentisch. „Sicher, da hasse Recht, Änneken. Aber die hätten  einfach die Steine von diese Mauer verkloppen können, an Polen oder so, die können da alles gebrauchen. Un für dat Geld hätt der olle Honecker mal eben nach Westberlin mitten paar Lastwagen rüber fahren können un hätte da dat KaDeWe leer gekauft. Zumindest die Bananenabteilung. Dat wär alle viel billiger gekommen.“

„Und dann? Die armen Menschen da durften ja noch nich mal in Urlaub fahren, wohin se wollten.“

„Dat darf ich auch nich’, weil Du immer bestimmen tu’s, wo et hingeht!“ sacht Käthe und duckt sich.

Die weiß genau, datt ich mich so wat nich bieten lasse, auch nich von ihr! Nur weil wir verwitwete Schwägerinnen in eine Bude zusammen hausen und dat Käthe die größere Rente hat, kannse sich nich alles erlauben! Schwupps, hattse schon dat nasse Geschirrtuch inne Röllekes.
„Ja, weille immer da hin wills, wo du diese spierigen, halbnackten Franzmänners begucken kanns! Ich sach dich, mich un dich geht et viel zu gut! Dat kannten die inne Ostzone alles nich. Die waren froh, wennse mal die Bildzeitung für 30 Pfennig un ausgelesen rübergeschickt gekricht haben. Un Nylonstrümpfe. Da waren die ganz wild drauf. Aber da gabbet auch noch nich die ganzen nackten Frauens inne Presse.“ sach ich.

„Nee, dafür ham die da drüben mit dem FKK angefangen, da brauchten die sowat nich. Dat gabbet alles live un in Farbe! Ich frach mich nur, warum die dann so versessen auf die Strümpfe waren, nackt mit Socken find ich nich gerade schön. Wie weit bisse mitte Bratkartöfflekens?“

Nu kenn ich meine Käthe. Et gibt nix Schöneres für die, als wennse ne leckere Pfanne Bratkartöfflekes vor sich hat und wennet ganz hoch kommt, noch ein Spiegelei obendrauf. Dafür kann die sogar die Bratwurst weglassen, ährlich! Un wennse mit so diziplinen Themen am sprachlich jonglieren is, dann braucht dat Hirn Nahrung, um richtig denken zu können. Dat kannse zwar sons noch ganz gut, aber mit Kartöffelkes geht dat einfach besser. „5 Minütkes noch, dann sind se schön braun. Ich hab extra welche ausse Ostzone gekauft bei Aldi. Gab et im Angebot! Man muss die Leute da drüben doch unterstützen. Vielleicht gibbet dann auch nich mehr so viele Nazis da.“ geb ich Bescheid.

„Änneken, Änneken,“ sacht die Käthe, „Änneken, die sind doch garnich mehr inne Ostzone. Die sind schon seit Jahre genau sonne Deutschen wie wir. Un mit die Wirtschaft is dat auch nich mehr ganz so schlimm. Da musse dir ma angucken tun, wie arm dran manche Gemeinden hier innem Westen sin, da kriegste echt dat Heulen! Un Nazis, die ham wir hier genauso!“

„Aber die sagen doch immer, datt et nur so  viele von diese Glatzköpfe inne neuen Bundesländer gibt, weil die vielen Kneipen da zumachen mussten. Lag bestimmt daran, weil der Gorbatschow nach die Wende nich mehr den billigen Wodka innet Bruderland DDR hat verkaufen lassen. Jezz wird mir auch klar, warum die in Russland  mehr saufen…irgendwo muss der Schnaps ja hin, is auch sättigend und soll sogar Vitamine un all dat Zeuch haben! Naja, wenn die Leute nich mehr auffen Stammtisch gehen können, dann kommen se halt auf dumme Gedanken.“

„Wat du meins is flüssig Brot ausse Pilsflasche. Un die Wirtschaft musse nich auf Kneipen verstehen, die meinen alles damit, watte kaufen kanns, weil et hergestellt wird. Oder sowat wie geistiges Arbeiten inne Universität, wenne an irgendwat rumforschst oder so und dat Ergebnis von die Forscherei dann verkaufen tu’s. Oder deine Kartöffelkes. Die gehören auch inne Wirtschaft. Weil se hergestellt werden.“

„Nee,“ sach ich und hau ein Ei inne Pfanne. „Die wachsen von ganz alleine! Dat weiß ich genau, weil der Oppa vonne Mechthild der ihr Neffe seinen Vatter, der hat immer innem Blumentopf versucht, die alten Kriegszeiten lebendig zu halten. Wollt aber nie die Kartöfflekes haben, sondern hat  nur dat Grünzeuch, wat oben rauskam, abgeschnitten. Dat hatter dann getrocknet und gerollt un dann hatter die ganze Wohnung mit dat Kraut verqualmt. Die hatten öfters Besuch vonne Feuerwehr und dat Umweltamt war schon bei die Stammgast. Der hatte dauernd frische Blättkes an seine Kartoffelpflanzen un als er gestorben is, da ham die zwei Putzeimer Kartoffeln aussem Balkonkasten un aus die ganzen Blumentöppe ausgebuddelt. Der hatte noch nich ma ne Geranie, nur Kartoffeln. Kannse dich dat vorstellen?“

„Nie nich“, meint Käthe, „ Dat is mir egal. Mich isset auch egal, ob die Bratkartöffelkes vonnem Niederhein oder ausse untere Lausitz stammen. Hauptsache is für mich, dattse schmecken. Und dattse billig sind. Mitte Rente is bei uns nich viel herzumachen.“

Da musst ich mich dann doch ein bissken näher über dat brutzelnde Spiegelei hängen mittem Gesicht. Sons hätt die Käthe gesehen, datt ich rot geworden bin. Weil, die Kartöffelkes hatt ich zwar bei dem Aldi gekauft,  nur - die Wieder-Vereinichungsknöllekes waren ein geschlagenen Euro teurer als die ausse Nachbarschaft. Aber ich hab mir gedacht, datt die deutsche Einheit ruhich wat kosten kann, un eigentlich spart unsereins doch jetzt…wenn ich an die ganzen Pakete mit Kaffee, Schokolade und Nylons denken tu, die ich früher nach drüben schicken musste, weil unser Oma noch Cousinen dritten Grades inne Ostzone hatte. Datt kam ganz schön teuer!

Käthe hat auf jeden Fall genüsslich die Einheits-Kartöffelkes gefuttert, und sogar noch gesacht: „Tu mich noch mal ein Schlag von auffen Teller. Un wenne mir auch noch ein Ei-ken drüber machst, Änneken, dann erklär’ ich dich gleich mal, wie dat mittem FKK geht.."
 
 
 
„Käthe und Änne“ ist eine Gemeinschaftsarbeit von Kirsten Wilzcek und Sabine Wagenknecht.                        

Wer wer ist - bleibt unser Geheimnis…

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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