Andreas Rüdig

Der Windbauer

"Im April 1848 verkaufte Justizrath Hiernoimus Velthuysen aus Rees ein Grundstück mit Wohnhaus an der Straße nach Wesel an den Ökonom Wilhelm Disch aus Rees mit der Auflage, bis zum Juni 1849 eine Kornwindmühle (diese war schon im Bau) darauf zu errichten.

Im Februar 1853 verkaufte Wilhelm Disch das Grundstück mit Wohnhaus und Mühle an seinen Sohn Robert Disch. 1870 erfolgte der Verkauf der Mühle an Johann August Hermanns aus Warbeyen. Von nun an blieb die Mühle bis heute in Familienbesitz. Da über mehrere Generationen nur weibliche Nachkommen geboren wurden, wechselten durch die Eheschließungen auch die Nahmen der Mühle von Hermanns-Mühle zur Rosenbaum-Mühle und schließlich zu Scholten-Mühle.

Die Scholten-Mühle wurde als Berg- oder Wall-Holländermühle in Ziegelbauweise mit einer Einfahrt für Fuhrwerker errichtet. Sie wurde mit Segelgatterflügel ausgestattet; die Flügelvordrehung erfolgte mittels Steert durch Hand. Die Höhe der Mühle bis Haubenspitze: 17 m. Kreuz-Durchmesser: 22 m. Erdgeschoß-Durchmesser: 6,50 m.

1963 mußte die Mühle anläßlich des Todes des letzten Müllers, Johannes Scholten, stillgelegt werden. Die Selbstvordrehung wurde in Richtung Westen blockiert und die Flügelwelle über das Kammrad festgesetzt.

Nachdem sich 1994 bei einem orkanartigen Sturm zwei Mühlenflügel gelöst hatten und herabgestürzt waren, mußte im Zuge einer ersten Sicherungsmaßnahme die Windrose demontiert werden. Das denkmalgeschützte Gebäude hatte sehr gelitten und drohte, ständig weiter zu verfallen.

Gemeinsam mit dem Mühlenbauer Manfred Naatz beschlossen die Eigentümer Alfred Scholten und Rolf Albring als Vorsitzender des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Rees, eine Bestandsaufnahme für eine mögliche Restaurierung der Mühle durchzuführen. Ihr Fazit: "Die Mühle ist es wert, erhalten zu werden. Die Bausubstanz ist renovierungsfähig."

Die folgenden Restaurierungsmaßnahmen wurden mit finanzieller Hilfe der Bezirksregierung, des Verkehrs- und Verschönerungsvereins, vieler freiwilliger Helfer und Geldgeber sowie der Stadt Rees seitdem an der Mühle durchgeführt. Am Pfingsmontag, dem 4. Juni 2001, setzten sich nach fast 40jähriger Pause die mächtigen Windmühlenflügel wieder in Bewegung," stellt sich die Scholten - Mühle in Rees selbst vor.

 

Warum ich Ihnen das alles erzähle, fragen Sie? Ganz einfach. Ich besitze selbst eine Mühle. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert; technisch und baulich ist sie in einem einwandfreien Zustand. Auch der Standort ist ideal. Die Mühle steht mitten in der Landschaft; Getreidefelder gibt es, soweit das Auge reicht. Nur das Wäldchen da drüben stört mich. Unsere Gegend ist sehr windig; das Wäldchen verstärkt den Luftzug oft genug.

Doch nun ist Schluß mit der Müllertätigkeit. Sie lohnt sich nicht mehr. Das Getreide wird heute an große Mühlenbetriebe geliefert und dort kostengünstig weiterverarbeitet. Heute werde ich das letzte Mal ausliefern. Und kann werde ich zu neuen Ufern aufbrechen.

Ich habe auch schon eine Idee, was ich in Zukunft machen werde. Die Gegend hier ist, wie schon gesagt, sehr windreich. Das kleine Wäldchen da drüben verstärkt oft selbst ein laues Lüftchen zu einem ordentlichen Luftzug. Auch das habe ich ja schon gesagt.

Ich werde meine Mühle jetzt umfunktionieren. Ich werde nicht mehr Getreide zu Mehl weiterverarbeiten. Ich werde zwar nicht Wind säen, dafür aber ernten und in Energie umwandeln. Meine Kornmühle wird also zu einer Energieproduktionsanlage werden. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist dies die sinnvollste Alternative.

So, jetzt bin ich ans Stromnetz angeschlossen. Der Einbau der technischen Anlagen ging problemlos vonstatten. Die Leute arbeiteten sehr professionell. Nur der örtliche Stromanbieter machte anfangs Probleme:

 

"Sehr geehrter Herr Graf Schniedelwitz,

leider können wir Ihrem Wunsch, Ihren selbstproduzierten Strom in unser Netz einzuspeisen, nicht entsprechen. Die technischen Anlagen, die Sie benutzen, sind veraltet und wenig effektiv. Ihr Wirkungsgrad ist zu gering. Und Windenergie, nein, die wird nicht ökologisch genau hergestellt.

Der Lärm, der an die Umgebung abgegeben wird, übersteigt das gesetzlich Erlaubte. Außerdem produziert das Drehen der Flügel wiederum so viel Wind, daß sich ein Sturm potentiell verstärken würde. Eine Energieproduktionsanlage in Form einer Windmühle ist also unter meteorologischen und physikalischen Gesichtspunkten gefährlich," heißt es in dem Brief. "Willst du dir das gefallen lassen," fragte meine Frau. Nein, ich ließ es mir nicht bieten. Ich suchte mir einen Anbieter für die Technologie, verwandelte meine Wohnung vorübergehend in eine Baustelle und harre nun der Dinge, die da kommen.

 

Du, Edelbert, komm doch mal ans Fenster.

 

Sa, Samantha, was ist denn?

 

Sieh´  doch, wie windig es ist. Die Bäume biegen sich schon.

 

Wundert dich das? Die Wettervorhersage sprach doch von Sturmböhen und heftigen Winden.

 

Ja, das mag ja alles sein... Aber sieh´  doch mal, wie schnell sich die Flügel unserer Windmühle drehen.

 

Oh! Oh! Ein Ventilator ist langsam im Vergleich dazu. Was ist das für ein Rumpeln? Fällt die Windmühle jetzt auseinander? Huch, guck mal, Samantha, Die Bilder vor unserem Fenster bewegen sich.

 

Quatsch! Die Flügel drehen sich so schnell, daß sie wie ein Rotor wirken. Die Windmühle fliegt wie ein Hubschrauber: Sie hat vom Boden abgehoben und fliegt gerade durch die Luft.

 

(Deutscher Nachrichten Dienst)

 

Edelbert ist Landwirt und Baue. Luft- und Energiebauer, um genau zu sein. Edelbert wurde bei dem Sturm gestern zu einem Pionier der Fluggeschichte. Edelbert gelang es als erstem Flugpionier überhaupt, ein ganzes Gebäude durch die Luft fliegen und auch wieder heil auf dem Boden landen zu lassen. "Wir waren schon sehr überrascht, als wir plötzlich in den Wolken schwebten. Ich wußte gar nicht, daß Fliegen so schön sein kann," berichtet Samantha, Edelberts Ehefrau. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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