Stefanie Rupp

Sehnsucht bis in den Tod

Wie sonderbar. Hilde stand auf, mit dem komischen Gefühl, dass sich etwas ändern würde. Sie ging in ihr kleines Badezimmer, in dem man sich kaum bewegen konnte und sah in den Soeigel. Doch der Spiegel schien ihr eine Fremde zu zeigen, die Frau im Spiegelbild war dreißig Jahre alt, und das konnte sie unmöglich sein. Sie fühlte sich keinen Tag älter als siebzehn. Auch ihr Herz sagte ihr, dass sie immer noch die junge Siebzehnjährige war, die ihren Träumen nachhing und der ihre Neugier so manches mal zum Verhängnis wurde. Sie sehnte sich damals danach, in einem Cabrio durch die Welt zu brausen, ihre Haare wehend im Wind. Grenzenlose Freiheit. Sie würde niemals ein Nein akzeptieren, immer nur das tun, was sie wollte.

 

Doch, was war sie heute? Eine dreißig-jährige, die keinen einzigen ihrer Träume verwirklichen konnte, sie war alleine, hatte noch nie ein Cabrio gefahren, war noch nie wirklich glücklich gewesen, wie sie es immer in ihren Träumen von der Zukunft war. Nein, ihr Alltag sah ganz anders aus. Morgens verlässt sie jeden Tag das Haus, kommt erst spät abends nach Hause. Sitzt dann nur vor dem Fernseher, schaut sich irgendeinen Film an, der sie gar nicht interessiert und den sie gar nicht wirklich wahr nimmt. Nein, sie sitzt nur da und hängt immer noch den gleichen Träumen wie früher nach, ausser, dass noch ein Traum hinzugekommen ist. Sie wollte nicht weiterhin dieses Leben führen. Sie wollte hinaus in die Welt, endlich frei sein.

Dann hin und wieder der Klatsch aus der Nachbarschaft, der mit dem, und hast du schon gehört, die hat den geheiratet. Und du alte Schachtel bist immer noch allein.

Mit diesen Dingen im Kopf fährt sie zum Supermarkt, wäscht und bügelt und das Tag für tag. Immer noch diese Eintönigkeit, keine Hoffnung auf Änderung. Wie denn auch, Arbeit und Hausarbeit, das nimmt ihre gesamte Zeit in Anspruch.

 

Doch heute sollte sich dieser Alltag endlich ändern. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Sie sie packt noch schnell das nötige zusammen und verschwindet. Den Abschiedsbrief an ihre Eltern würde sie auf dem Weg noch zur Post bringen. Die Wohnung war gekündigt, nichts hielt sie mehr. Sie steierte auf ein neues Leben zu. Sie hatte es sich so schön ausgemalt. Sie geht als erstes in ein Autohaus und kaufte sich ein Cabrio, danach kaufte sie sich noch ein paar schöne neue Kleider, zog eines davon gleich an, machte sich schön zurecht und hob all ihre Ersparnisse ab. Damit konnte sie leicht irgendwo, wo es ihr gefällt, ein neues Leben aufbauen, ein paar Monate ohne Arbeit überleben und ihre Träume leben. Vielleicht wäre sie dann auch nicht mehr so alleine.

 

Am nächsten Tag stand in der Zeitung. Dreißig-Jährige fuhr in den Tod. Sie wollte sich wohl irgendwo ein neues Leben aufbauen, jedenfalls deutete alles darauf hin. Doch sie wurde von einem schwer betrunkenen Lastwagenfahrer einfach an einer Ampel übersehen. Von dem Auto war nichts mehr übrig, außer ein Schrotthaufen und die Frau konnte nur anhand ihres Ausweises identifiziert werden.

 

 

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