Es ist ein Tag wie jeder andere! Nein sagte sich die alte Küchenuhr, die über diese merkwürdige menschliche Fähigkeit, nachdenken zu können, verfügte.Obwohl, so ganz normal tickte sie zu
keiner Zeit. Sie ging niemals nach oder vor, bekam aber immer schon Dinge mit, die sie
eigentlich nichts angingen und die eine normale Uhr nicht im geringsten interessieren. Nichts, was
in ihrer Küche passierte entging ihr. Seit ihre Besitzer sie vor beinahe dreißig Jahren in einem
Uhrenfachgeschäft erwarben, stand sie im Dienst dieser vierköpfigen Familie. Sie arbeitete
sehr gewissenhaft und mit der Präzision ihrer Brüder aus der Schweiz. Rund um die Uhr war
sie im Einsatz, sie kannte keine Pause. Lediglich alle zwei Jahre hatte sie einen kurzen Aus-
setzer, aber dann wechselte man einfach ihre Batterien aus und sie lief weiter. So müssen sich
Menschen nach einer Frischzellenkur fühlen, dachte sie dann immer. Doch morgen geht es mit mir zu Ende.
Morgen hat meine letzte Stunde geschlagen. Es ist zu spät. Die Anzeige der Zeit war ihre ur-
eigentliche Aufgabe, jedoch Macht hatte sie niemals auf sie ausüben können. Als die Tochter
des Hauses sich einmal in den Finger schnitt, hatte sie unendliches Mitleid und versuchte ihren
großen Zeiger etwa eine Minute zurück zu stellen, um sie rechtzeitig zu warnen- vergeblich.
Als es mit der Großmutter zu Ende ging, wäre sie beinahe aus dem Rhythmus gekommen.
Vor Jahren war die finanzielle Situation der Familie so prekär, dass sie am liebsten ihre
Zeiger auf fünf vor zwölf gestellt hätte, um sich der einer Uhr eigenen Ausdrucksweise zu
bedienen, die auch Menschen als symbolischen Hinweis auf Unheil interpretieren könnten. All ihre
Solidarität, ihr Mitgefühl für diese eine Familie hatte anscheinend keine Früchte getragen.
Als man die Städtische-Sperrmüllabfuhr anrief, ahnte sie ihr Schicksal. Eigentlich zählte
sie gar nicht zu den Dingen, die unter Sperrmüll firmieren- sie passte in jede Mülltonne-
jedoch man würde sie einfach dazu legen. Nun gut, sie ist alt. Ihre Besitzer sind es auch und
die Kinder längst aus dem Haus, sie müssen in eine kleinere Wohnung ziehen. So spart man
Geld. Aber wo ist hier die Logik? Warum zähle ich zu den vielen Gegenständen, die man
ohne zwingenden Grund entsorgen möchte? Das verstand sie nicht. Wunsch und Wahrheit
klafften weit auseinander, als der nächste Morgen anbrach. Sie lag auf dem Bordstein in
Gesellschaft von fiesen Möbeln und war gleich neben einer unansehnlichen Matratze platziert worden.
Ihr weisses Ziffernblatt war totenblass. Die Hoffnung auf einen ruhigen Lebensabend im Kreise
ihrer Familie war zu Ende. Traurig tickte sie weiter. Es war jetzt viertel vor sieben und in etwa
fünfzehn Minuten würden die Mitarbeiter der Sperrmüll-Abfuhr ihren Dienst antreten. Ja,
zeitliche Zuordnungen waren immer noch ihr Fachgebiet. In Kürze würde sie also von einem
Müllwagen zu einer Verbrennungs-Anlage gebracht werden und einen qualvollen Hitzetod
sterben, dachte sie, als ein kleines Mädchen, dass ihren Hund Gassi führte sie aufhob und
sich sehr erschreckte als sämtliche Metallteile, wie Federn und Schrauben aus dem Plastik-
gehäuse der Uhr fielen. Die Uhrzeiger standen still. Die Uhr war kaputt. Oder tot? Hatte sie jemals gelebt?
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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