Ich soll einen Tempel bauen. Einen buddhistischen Tempel, um genau zu
sein. Da hat sich hier vor Ort eine buddhistische Gemeinde gebildet,
die nun ein zuhause sucht.
Da
ich Architekt bin und religiösen Gruppierungen eigentlich nahe stehe,
bekomme ich sofort den Auftrag. Doch oh wehe! Von Buddhismus wußte ich
bisher nicht viel. Also mußte ich mich erst einmal einlesen. Im
Internet fand ich einen Text der „Freunde des Westlichen Buddhistischen
Ordens“.
Die erste Idee habe ich schon. In der Mitte
wird es einen Versammlungsraum geben. Quadratisch ist er und grün
gestrichen. In der Mitte wird eine riesige Buddhafigur stehen. Die
Rückseite der Figur ist ständig abgedunkelt, die Vorderseite immer
beleuchtet. Die Buddha – Figur ist eigentlich aus Kupfer gemacht. Sie
stellt einen lächelnden, rundlichen Buddha dar. Die Figur weist aber
zwei Besonderheiten auf. Der Unterkiefer ist beweglich. Und im Rachen
ist ein Lautsprecher installiert. Der Lautsprecher ist verkabelt; der
Kabel führt durch die Figur und durch den Boden in einen Nebenraum. Die
Figur kann also bei Versammlungen reden. Ansonsten weist der Raum keine
Besonderheiten auf.
Es gibt eine kleine Bibliothek. Wesentlich
wichtiger ist der Yoga – Raum. Dort sollen die Buddhisten meditieren.
Dort liegen diverse Sitzkissen. Diese Sitzkissen sind eine
Spezialanfertigung. Die Bezüge sind aus Seide. Man sitzt bequem auf
ihnen. Spüren die Sensoren, daß der Buddhist eine höhere Sphäre während
des Meditierens erreicht, setzen sie einen besonderen Mechanismus in
Gang. Dieser Mechanismus bewirkt, daß die Sitzkissen vom Boden abheben
und frei schweben. „Meditieren ist ein erhebendes Gefühlt,“ behauptet
mein Auftraggeber. Das soll er am eigenen Körper spüren.
Neben der
Küche ist ein Werkraum. Dort können die Buddhisten töpfern, malen,
schnitzen und bildhauern. Ich bin gespannt, wie sich die Leute
betätigen werden. Ich habe keine Ahnung, wie die buddhistische
Phantasie aussieht. Haben sie auch feuchte Träume? Sicherheitshalber
habe ich einige Geheimfächer in die Wände und in den Fußboden
eingebaut. Dort können die Künstler, die „unanständige“ Kunstwerke
herstellen, ihre Objekte lagern.
In einem nahegelegenen Gebäude gibt
es die kleinen Wohnungen der Buddhisten. Eine Naßzelle, ein Bett, ein
Stuhl, ein Schrank. Mehr erlaubt mein Innenarchitekt nicht. Spartanisch
sollen die Zimmer sein. Da Buddhisten keinen Alkohol trinken, sind
Minibars entbehrlich. Ein Liebesleben ist nicht vorgesehen; daher gibt
es nur Einzelbetten. Da es vernünftige Heizungen gibt, brauchen die
Leute kein Lagerfeuer anzünden. Kerzen ersetzen aber elektrische
Lampen. Der Kerzenschein wirkt – zumindest in meinen Augen –
romantisch. Gerade an langen dunklen Winterabenden sollen die Leute
über sich und die Welt nachdenken. Daher liegen auch immer Papier und
Bleistift parat. Wenn ihnen ein kluger Gedanke kommt, können ihn die
Leute gleich aufschreiben.
Das Studierzimmer kann auch als
Gesellschaftsraum genutzt werden. hier gibt es einen Tisch, auf dem
Gesellschaftsspiele herumliegen. In diesem Raum gibt es auch die
einzige Ausnahme vom Prinzip der Kargheit. Hier gibt es Tische mit
eingebauten Computern. Jawohl! Tastatur, Laufwerk und Bildschirm sind
in die Tischplatten integriert. Warum diese Tische hier untergebracht
sind und nicht in die Bibliothek? In der Bücherei soll absolute Ruhe
herrschen. Wenn schon das Blättern in den Büchern die Nutzer stört,
dann wird das Klappern erst recht stören. Ein paar Zimmerstauden
trennen die verschiedenen Bereiche des Zimmers voneinander ab.
Ich
verzichte auf Räume wie die Sauna, Gymnastikraum, Terrasse, Kegelbahn
und Bar. Ich weiß nicht, wie der Buddhismus dazu steht. Also lasse ich
es weg. schließlich sollen die Leute Geist und Charakter und nicht den
Körper stählen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.09.2008.
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