Unser Übersetzungsbüro läuft hervorragend. Es hat sich wirklich
ausgezahlt, daß ich mich auf exotische Sprachen spezialisierte.
Aramäisch, Ewe, Yeruba, Han – Chinesisch, Koreanisch, Japanisch, Thai,
Kambodschanisch – das sind nur ein paar der Sprachen, die mein
Übersetzungsbüro auf Lager hat.
Das Auswärtige Amt ist dabei unser
bester Kunde. Und das nicht ohne Grund. Vor einigen Jahren gründete das
Amt ein Tochterunternehmen. „Letter – Gesellschaft zur Förderung
ausländischer Literatur“ heißt die Firma. Das System funktioniert
folgendermaßen. In den Ländern Asien, Afrikas und Ozeaniens erhalten
die Botschaften und Konsulate jährlich einen Betrag zwischen 1.000 und
10.000 Euro. Damit müssen die Leute dann auf Einkaufstour gehen. Sie
sollen Bücher einheimischer Autoren kaufen. Belletristik darf es
genauso sein wie Sachbücher. Wir dürfen es dann übersetzen. Japan
bietet viele Sachbücher (Geschichte, Technik, Informatik, Geographie),
China politische Literatur, wie andere südostasiatische Länder (Laos,
Thailand, Vietnam, Kambodscha) aber auch religiöse, buddhistische
Literatur. Ägypten und Äthiopien bieten koptisch – christliche
Literatur. Nordafrika und Arabien bieten insbesondere islamische,
theologische Bücher. Indien bietet viel Unterhaltungsliteratur.
Wieso
das Auswärtige Amt diese Kulturoffensive gestartet hat, weiß ich auch
nicht so genau. Das Projekt läuft nun schon seit 10 Jahren. Viel Geld
konnte „Letter“ noch nicht mit den Büchern verdienen. Die meisten
Autoren sind in den Feuilleton kaum besprochen worden. Nur die
technischen und naturwissenschaftlichen Fachbücher werfen einen
bescheidenen Gewinn ab. Ich habe den Verdacht, daß die
Auslandgeheimdienste hinter dem Buchprojekt stecken. Wir sind immer
noch billiger als deren Agenten; die liefern nur unregelmäßig und
unzuverlässig Informationen und wandern bei einer Enttarnung in den
Knast. Da viele Firmen die von uns übersetzten technischen Bücher
kaufen, muß die Literatur wohl interessant sein. Wir übersetzen
zunehmend auch Geschäftsberichte, Firmenprospekte und Gesetzestexte;
also muß auch daran ein Interesse bestehen.
Wieso die Regierung
gerade auf mein Übersetzungsbüro gekommen ist? „Wir sind gut, kompetent
und politisch und religiös neutral,“ könnte ich ja jetzt sagen. Was
aber nur vordergründig stimmt. Ich selbst bin mit einer Frau aus
Thailand verheiratet. Mit 20 lernte ich sie kennen, mit 21 heiratete
ich sie und lebte die nächsten 10 Jahre mit ihr in Thailand. Natürlich
zeigte sie mir ihre Heimat, gelegentliche Ausflüge nach Laos und
Kambodscha nicht ausgeschlossen. Gastronomie und Tourismus florieren
dort aber auch nicht mehr. Also machten wir das Hotel dicht und wollten
eigentlich thailändischen Schmuck und Dekorationsstücke nach
Deutschland exportieren – kleine Buddha – Statuen und solchen
Schnickschnack. Da das ewige Reisen zwischen Thailand und Deutschland
auf Dauer schlaucht, bin ich froh, daß ich die Geschäftsidee nicht
realisierte. Ich hörte gerade noch rechtzeitig, daß die Botschaft in
Bangkok Bücherjäger suchte. Ich heuerte an und kaufte Unmengen Bücher.
Zurück in Deutschland merkte ich, daß die Bücher nur in mäßiger
Qualität übersetzt worden waren. Kurz entschlossen machte ich ein
Übersetzungsbüro auf, übersetzte die Bücher neu und gab sie im
Selbstverlag heraus.
Die Bücher floppten zwar; dafür wurde das
Außenministerium auf mich aufmerksam. Die Zahl die Aufträge wuchs
kontinuierlich Ich konnte das Personal schon bald aufstocken.
Mein
Bruder ist mit einer Frau aus Sierra Leone verheiratet. Sie kennt sich
dementsprechend gut in Nord- und Westafrika aus. Momentan sind wir gut
im Geschäft. Solange das Auswärtige Amt das Projekt weiterführt, wird
es auch so bleiben.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.09.2008.
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