Giuseppe Rinaldi

Albert

Es war ein schöner  Abend, ruhig, friedlich, so wie ich es gern habe. Plötzlich klingelte das Telefon. Albert, mein bester Kumpel, rief mich an, ich sollte sofort zu ihm kommen, er ist am Boden zerstört.
Na toll, dachte ich, hab ich richtig gehört, hat er etwa geweint ? Das war es wohl mit dem schönen Abend. Ich zog mich an, stieg in mein Auto und fuhr zu ihm. Nach 5 Minuten stand ich vor seiner Haustür, klingelte und summend öffnete sich die Tür, ich ging die vier Treppen zu ihm hoch, seine Wohnungstür war nur angelehnt, ich öffnete sie und stand im Flur. Da lagen überall Papiertaschentücher verstreut, verknüllt und wenn ich richtig guckte, auch benutzt. Ich folgte der Papiertaschentücherspur, die sich, je näher man dem Wohnzimmer kam, in eine Papierhandtücherspur verwandelte.
Ich guckte vorsichtig in das Wohnzimmer und schluckte erstmal vor Überraschung, Albert saß zusammen gesunken auf seiner Couch und heulte, neben und unter ihm lauter Rollen Papierhandtücher, benutzte und unbenutzte.
Dazu dudelte irgendwelche sentimentale Musik, es brannten mindestens 2 Dutzend Kerzen und auf dem Tisch war eine noch viertelvolle Rotweinflasche.
Ich guckte mich vorsichtig um, ob ich doch nicht etwa in eine falsche Wohnung gelandet bin und nachdem ich festgestellt habe, das ich doch richtig war, räusperte ich mich kurz.
Albert hob seinen Kopf und ich erschrak, er hatte extreme dicke blutunterlaufene Augen und die Tränen sprudelten nur aus ihm heraus.
Was ist los, redete ich ihn an, wieso heulst du hier rum ? Sag mal, antwortete er unter Schluchzen, bin ich ein Mann ? Ich war sprachlos und baff.  Nun muss ich an dieser Stelle kurz erklären, warum ich baff war, Albert ist 195 cm groß, 125 Kilo schwer, hat dunkle Augen, dunkles Haar und er ist Sportler, er hatte eine Figur wie eine griechische Marmorstatue, aus einem Stück gemeißelt und knüppelhart.
Keiner konnte ihm was, kein Mann und auch sonst keiner. Frauen konnte er bekommen, soviel er wollte, aber er hatte durch sein Training nie viel Zeit und auch kein Interesse an irgendwelchen schnellen Bekanntschaften, tja, das Leben ist manchmal ungerecht.
Nun erzähle mal, was los ist, sagte ich zu ihm und setzte mich, nachdem ich die Papiertücher weggeräumt habe, zu ihm auf die Couch.
Ich habe eine Frau kennen gelernt, fing er an zu erzählen, sie ist einfach phantastisch, meine Traumfrau, bin mit ihr viermal ausgegangen, hab ihr dann beim vierten Mal einen Kuss gegeben, haben uns das fünfte Mal verabredet und da….und …., er fing an zu stottern und heulte wieder los. Mensch, reiß dich zusammen, so ein großer Kerl und flennt, rief ich, hör auf und erzähle weiter.
Er beruhigte sich wieder und erzählte weiter, jedenfalls habe ich mich mit ihr getroffen und es war ein schöner Abend, bis sie mich fragte, was ich denn so mache, in meiner Freizeit und was ich gern esse, da erzählte ich halt,
das ich mich fettarm ernähre, gern Mohrrüben esse, Magerkäse liebe ich und mit Zückli gesüßten Quark lieb ich auch.
Und dann, fragte ich , was war dann ?
Sie fing an zu lachen, sagte er, schüttelte sich richtig dabei und sagte mir, ich bin kein Mann, eher ein Halbmann, ein richtiger Mann achtet nicht auf sein Essen, würde schon gar nicht Mohrrüben essen, würde Wurst essen, fettes Steak und solche Sachen, ich sei ja schlimmer als eine Frau, die auf Diät ist, tja, da habe ich mich umgedreht und bin gegangen.
Weißt du, sie ist absolut meine Traumfrau, ich liebe sie und dann so was, seufzte er und schnaubte noch mal in sein Taschentuch.
Ich konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen und fragte ihn,  weiß sie, das du Sport machst ? Ja, schniefte er, das weiß sie, das ist für sie auch unverständlich, warum man sich Tag für Tag abrackert, Verletzungen bekommt und so, sie ist die erste Frau, der meine Figur völlig egal ist und deswegen liebe ich sie ja.
Tja, seufzte ich nun, das ist jetzt schwer, vielleicht rufst du sie an und triffst dich mit ihr, und, kann ja sein, das sie dich auch liebt und sie weiß bestimmt nicht, das sie dich verletzt hat.
In diesem Moment klingelte das Telefon, seine Augen begannen zu leuchten, er ging ran, sein Gesicht verwandelt sich in eine leuchtende Maske, seine roten Augen wurden klar, ich nahm daher an, das sie es war.
Als er wieder auflegte, sagte er, sie will mich treffen und sie kommt hierher, hilfst du mir aufräumen ? Na klar, sagte ich, mach ich. Ich will ja nicht, das sie denkt, ich sei eine Memme, murmelte er und pustete die Kerzen aus. Die würde ich anlassen und eine neue Flasche Wein hinstellen, rief ich und mach ein bisschen romantische Musik an.
Ja, meinste , fragte er zweifelnd, ja klar, antwortete ich.
Nach einer halben Stunde waren die durchnässten Taschentücher weg, die Couch sauber und aufgeräumt, die Kerzen brannten, die Musik spielte und der Wein stand auf den Tisch.
Viel Glück, sagte ich und ging zur Wohnungstür, danke Mann, antwortete er und knuffte mich sanft in die Seite, diesen blauen Fleck habe ich noch heute, so dankbar war er.
Als ich aus der Eingangstür kam, da stand plötzlich eine wunderschöne Frau vor mir, ich dachte mir, das sie es war, murmelte guten Abend, sie trällerte mir dir ooch, wa zu und rauschte an mir vorbei. Wegen ihr würde ich auch keine Möhren mehr essen, dachte ich, lächelte und fuhr nach Hause. Inzwischen sind Albert und sie zusammen und glücklich und ich staune heute noch, was Frauen so aus gestandenen Männern machen können.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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