Patrick Gappmaier

Auf den Weg durch New Mánd: Maliks Abend...

 

Malik, um die dreißig und etwas rundlich gebaut, schlenderte besorgt durch die Gassen von New Mánd. Es war bereits Nacht und erst jetzt kroch der kriminelle Abschaum aus seinem Versteck. Sein grauer Ledermantel, der ihn vor der lästigen Kälte schützte, flog eintönig durch die Luft. Unzählige Fußspuren zierten den beschneiten Gehsteig, der sich an einer Hauswand entlang zog. Als er um die Ecke bog, blickte er gen Himmel. Anstatt dem Anblick der sich ihm sonst bot, sah er nur graue Wolken, die hastig nach Norden zogen und Unmengen von Schnee in Richtung Erde warfen. Er hasste Schnee. Diese Geräusche, die entstanden, wenn man darauf trat, wie es aussah und diese Makellosigkeit.
Zornig wandte er den Blick ab. Beinahe verlor er seinen Hut, der leicht schwabbelnd auf seinem Haupt saß. Nur durch seinen guten Reflex bewahr er ihn vor einem Sturz.
Wieder zurechtgerückt, machte er sich auf den Weg in die Allmain-Gasse. Ein düsterer Ort, nur selten durchquerten Bewohner diese Straße. Geschichten berichteten von einem Mörder, der Punkt Zwölf ( zu später Stunde ) seinen Opfern auflauerte, und ihnen schnurstracks eine Fahrkarte Richtung Himmel bescherte.
Ein Blick auf seine Taschenuhr genügte und Malik schlenderte weiter. Eine rätselhafte Gestalt, die mit seinen Opfern spielte und sie auf Urlaub schickte, das fehlte ihm gerade noch.
Lächelnd und beeindruckt von seinen fantasievollen Gedanken, schlenderte er an der nächsten Ecke vorbei. Windböen schlugen ihm ins Gesicht, wobei er schützend die Hände hob. Wütend schrie er auf. Eine riesige Schneeflocke flog ihm geradewegs ins Auge und raubte ihm die Sicht. Hastig glitt seine Rechte in die Manteltasche.Glänzend Rot, stach es ihm ins Auge, als er ein Tuch hervorzog und es damit reinigte.
Mit der Weitsicht eines Adlers, machte er sich wieder auf die Fersen.

Zwei Ecken später, als er flehend und bittend die Allmain-Gasse durchquert hatte ( er glaubte diesen ganzen Schabernack nicht ) nahte die nächste Katastrophe. Wie vorhin richtete er den Blick gen Himmel, doch diesmal fiel das Licht einer Laterne aus und er übersah die durchsichtige Eisplatte, die die Straße bedeckte. Der erste Schritt war ihm gelungen, aber als er zum zweiten Schritt ansetzte war es auch sein letzter. Immer schneller geriet er ins Wanken. Seine Arme fuchtelnden durch die Luft, sosehr war er um sein Gleichgewicht bemüht. Leise Flüche drangen aus seinem Mund, dessen Lippen bereits gesprungen waren. Für einen kurzen Moment erhielt er seine Standhaftigkeit zurück. Da fiel ihm auf, das sein glattes braunes Haar bereits die Farbe des Schnees angenommen hatte, und sein Hut etwa drei Schritt vor ihm lag. Wut schoss seinen Hals hinauf, der zu explodieren drohte. Er konnte sich aber beruhigen und sich auf diese waghalsige Rettungsaktion seines Fellknäuels konzentrieren. Vorsichtig hob er sein rechtes Bein, streckte es aus, und setzte es behutsam wieder ab. Gerade als er sein linkes Bein nachsetzen wollte, glitt sein rechtes Bein nach vorn. Bei dieser Gelenkigkeit hätten umstehende Frauen nur gestaunt. Kerzengerade saß er auf der mit Eis bedeckten Straße, jeweils einen Fuß nach vorne und einen nach hinten gestreckt. Ein riesengroßer Riss schien die, mit Kaffeeflecken verzierte, Leinenhose zu durchtrennen.
Bei dem Anblick seines roten Antlitzes begann sogar der Schnee zu schmelzen, doch war es nicht der Zorn, sondern der Schmerz der sein Gesicht zierte.
Vorsichtig griff er sich zwischen die Beine, um nachzusehen, ob noch alles am rechten Platz war. Als er bis drei zählte ( und sich gewundert hätte wenn er bis vier gekommen wäre ) schoss erneut ein Schmerz durch seine Oberschenkel. Lippenbisse halfen nichts. Die Qual wollte nicht versiegen.

Minuten vergingen.

Noch immer befand er sich in dieser recht misslichen Lage, und allmählich schlich sich das Taubheitsgefühl ein. Die Zeiger seiner Taschenuhr drehten sich unaufhaltsam im Kreise weiter und er begriff das er nicht für immer, in dieser akrobatischen Haltung verweilen konnte. Er versuchte seinen linken Fuß, der nach vorne gestreckt war, zu bewegen, lediglich berührte er aber nur seinen schneebedeckten Hut. Flüche über Flüche schossen aus seinem, mit blauen Lippen verzierten Mundwerk. Hätten jemals kleine Kobolde oder Feen für dieses Werk gearbeitet, hätten sie unweigerlich gekündigt, und dessen Besitzer zwecks: “Ausnützung der Arbeitskräfte für erhöhte Flücheproduktionen” angezeigt und ihn vor Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Hammerschlag des Richters dröhnte ihn Maliks Ohren, als seine Uhr zu bimmeln begann. Mit weit entfernten Gedanken kehrte er ins Jetzt zurück und betrachtete die glatt geschliffene Oberfläche. Unleserliche Gravuren bedeckten die Hinterseite des kostbaren Schatzes. Malik konnte den Wert nur schätzen und ließ ihn, aufgrund des schönen Anblicks, hoch ausfallen. Doch dieser hohe Schätzwert lies die Uhr verstummen. Immer leiser wurde das grausame Klanggeräusch und Malik starrte verwirrt auf das Ziffernblatt. Keine einzige Bewegung ging mehr von statten. Wieder und wieder drehte er sie um ihre eigene Achse, hoffend, das sie durch dieses Gewirr aus Bewegungen wieder zu ticken beginnt. Doch ein Sprichwort lautet: Solltest du Hoffen, dann hoffe stark. Hoffst du nicht stark genug, verlässt sie dich. Und so vergaß Malik seine tauben Beine. Wild umher fuchtelnd schleuderte er die Uhr von einer Hand in die andere, bis sie mit einem dumpfen Geräusch, vor ihm im Schnee landete. Ein leuchten lies ihn umherblicken. Wieder, und anscheinend sollte es heute Abend noch öfter zutreffen, schoss ihm Lava gleiche Hitze in den Schädel, und verwandelte ihn in einen explodierenden Vulkan. Die Laterne war wieder angegangen. Helle Strahlen leuchteten die ganze Straße aus, und boten einen Akrobaten, der wild mit seiner beißenden Uhr ums überleben kämpfte, eine Bühnenbeleuchtung. Nun gab es keinen Halt mehr. Wippend versuchte er aus den Gleichgewicht, das er vorher mühsam versuchte zu behalten, zu geraten, um endlich wieder den Boden unter seinen Füßen zu spüren. Ein Anlauf genügte und er kam in Fahrt. Schmerzen schossen von einem Oberschenkel in den anderen. Nach vier, fünf Versuchen gelang es ihm. Strahlend und mit reinsten, unbefleckten Worten bedankte er sich bei dem Herrn für dessen Güte. Erschöpft und noch immer mit weit gespreizten Beinen ( wahrscheinlich waren sie schon gefroren ) lag er nun mitten auf der Straße, die Hände, vor Erleichterung, weit von sich gestreckt. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig.

Die verloren gegangene Wärme kroch wieder zurück in seine Glieder und lies ihn erneut aufatmen. Welch tragisches Schicksal wäre es gewesen, erfroren und mitten auf der Straße, als Akrobatischer Spagatiatist ( er wusste nicht ob es dieses Wort existierte, fand es aber recht originell ) zu enden. Schwupps! Mit einem Satz stand er wieder auf den Beinen. Noch etwas wackelig und unbeholfen, aber immerhin. Sein Hut landete perfekt platziert auf seinen Kopf, als er ihn beim aufheben hoch in die Lüfte warf. Eine grazile Bewegung, ein Schulterklopfer und ein behutsamer Griff in den Schritt, das alles, vermischt mit dem Gefühl den Klauen des kalten Todes entronnen zu sein… das alles war einfach zu viel für ihn. Unkontrollierbar rannen Tränen über seine mit Fettreserven gefüllten Hamsterbacken. Beseitigt wurden sie mit dem roten Tuch. Als er sich wieder fing und die restlichen Salztropfen, die noch aus seinen Tränensäcken hervorquollen, an seiner Haut haften blieben, erblickte er die seinen Schatz. Gerade wollte er sich zu ihm begeben, da riet ihm sein Gewissen stehen zu bleiben. “ Schön vorsichtig…” meldete sich seine innere Stimme.

Kopfschüttelnd bejahte er diesen Vorschlag, wohl wissend das er von ihm stand. Funkelnd und mit leichtem Reif überzogen lag die Uhr im Schnee. Dort angekommen ( eigentlich war sie nur einen Schritt entfernt, aber er lies Vorsicht walten ) bückte er sich ächzend nach dem glitzernden Gegenstand. Ein lautes jauchzen stieß hervor, als der kalte Wind, den Weg durch den Riss in die Hose fand. Geschwind richtete er sich auf, ständig nach Leuten Ausschau haltend. Als er überzeugt war, das niemand seinen Allerwertesten bestarrte, bückte er sich erneut und hob seinen hoch geschätzten Schatz auf. Irgendetwas war anders. Da fiel ihm auf, das etwas Reif in den Gravuren haften blieb. Anders als vorher konnte er die Schrift nun entziffern. “ MADE IN TAIWAN” las er laut vor. Klatsch! Mit einem Mal warf er sie gegen die nächstgelegene Häuserwand. Laut zerschellte das Glas und die Innereien flogen förmlich durch die Luft. Hier und da waren kleine Zahnräder im Schnee zu erkennen. Außer Atem, nach dieser einen Aktion, steckte er beide Hände in den Mantel. Noch ein letztes Mal bückte er sich um sein Tuch, das er wahrscheinlich vergaß einzustecken, in seiner Hosentasche zu verstauen. Lautes Geklatsche drang zu ihm herunter. Immer mehr zunehmender Beifall erfüllte die Luft mit Lärm. Ein Fensterflügel nach den anderen schoss zur Seite.

Entlang der ganzen Straße erhellten sich die Häuser der Bewohner. Tränendurchtränkte Gesichter, von Jung bis Alt, blickten aus den Fenstern herab.Ein etwas älterer Mann, sofern Malik ihn aus dieser Entfernung erkennen konnte, drohte vor lauter lachen zu ersticken. Doch eine Frau eilte vorbei und rettete ihm das Leben, worauf er laut prustend wieder zu lachen begann, immer darauf achtend das seine Zähne stets im Munde blieben.

Röte stieg Malik ins Gesicht. Er glaubte zu wissen warum sie lachten. Doch er stieg einfach darauf ein, hoffend, das sie nie erfahren würden, das das reinste Pech in verfolgte. Mit einem leichten Knicks und einer Hand auf den Rücken, verbeugte er sich tief vor seinen ( vorher noch unwissenden) Publikum. Das Geklatsche und Gelächter wurde lauter. Jetzt begannen sie Geld auf die Straße zu werfen.

Münzen schlugen auf Münzen auf und erzeugten ein wundervolles musikalisches Geräusch, das sogar das prusten des alten Mannes übertonte.

Fortsetzung folgt wenn gewünscht…

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.10.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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