Birgit Leschanovsky

Teestunde

Regen trommelt gegen das Fenster, als ich frisch geduscht aus dem Badezimmer komme.
Ich aber fühle mich blau. Himmelblau würde es besser treffen, wenn es nicht so widersprüchlich zu dem Bild wäre, das der Blick aus dem Fenster bietet, auf einen Himmel, der bleigrau ist und schwer und der zu weinen scheint.

Mir ist nicht zum Weinen. Ganz und gar nicht. Mir ist himmelblau und federleicht und warm. Wenn ich eine Katze hätte, läge sie schnurrend auf meinem Schoß, angelockt von dem Wohlgefühl, das ich ausstrahle. Sie würde, sich wohlig räkelnd, die Pfoten von sich strecken, mit den Krallen verspielt Fäden in meinem sonnenblumengelben Bademantel ziehen und Streicheleinheiten fordernd ihren weichen Bauch präsentieren.

Ich schenke mir ein weiteres Glas meines geliebten Orangenblüten-Oolongs ein und mein Blick fällt auf die Vase mit den goldgelben Gerberas. Ich habe sie mir selbst gekauft. Wie immer. Stelle mir aber vor, sie wären von ihm. Auch wenn ich weiß, dass er keine Blumen schenkt. Egal. Man wird ja noch träumen dürfen.

Ein harmloser, unschuldiger Tagtraum.

Denn die Nächte sind reserviert für die weniger unschuldigen Träume.
Diese schwülen Nächte, in denen sich meine nichtvorhandene Katze nicht blicken ließe, weil sie streunend nach dem passenden Kater sucht. Diese heißen Nächte, die keine Abkühlung bringen, sondern die Phantasie anheizen. Diese kurzen Nächte, in denen ich seine schmeichelnden, zärtlichen, lockenden Worte mit in den unruhigen Schlaf nehme.

Als das gleichmäßig klopfende Geräusch der Regentropfen verstummt, holt mich die plötzlich einsetzende Stille zurück aus meinen Gedanken.
Der Blick aus dem Fenster lässt mich lächeln, denn selbst der Himmel konnte wohl nicht widerstehen: jetzt ist er genau so himmelblau, wie ich mich fühle.

Als ich die Verandatür öffne, um die frischgewaschene Luft hereinzulassen, springt eine graugetigerte Katze vom Fenstersims und spaziert lässigen Schrittes mit erhobenem Kopf davon. Ich könnte schwören, sie hat gegrinst.

Irgendwo muss noch die Telefonnummer vom Tierheim herumliegen… 

Konstruktive Kritik willkommen!Birgit Leschanovsky, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Birgit Leschanovsky).
Der Beitrag wurde von Birgit Leschanovsky auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.10.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Birgit Leschanovsky als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Lied der Jahreszeiten von Margret Silvester



Wie die Erde um die Sonne kreist, wie es Tag und wieder Nacht wird, wie der Winter dem Frühling weicht, so liest sich der Sonettenkranz.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Romantisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Birgit Leschanovsky

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Ich hab den gelben Daumen von Birgit Leschanovsky (Autobiografisches)
Olga der Marienkäfer von Matthias Brechler (Romantisches)
Abschied von Stefan Glaser (Wahre Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen