Birgit Leschanovsky

One-Night-Stand

Die Frage „zu dir oder zu mir“ hatte sich gar nicht erst gestellt, denn bis zu ihrer Wohnung war es nur ein Katzensprung. Und sie hatte „sturmfreie Bude“.

Die Nacht war dann auch kurz gewesen. Oder lang. Je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtete. Nachdem sie übereinstimmend zu der Feststellung gelangt waren, dass Sex in der Badewanne wohl allgemein überbewertet wird, waren sie ins Schlafzimmer gewechselt. Denn dort stand ein breites, angenehm viel Platz bietendes Doppelbett, das wesentlich mehr Spielraum ließ, wenn man dabei war, einen unbekannten Körper zu erforschen. Und das taten sie – neugierig und lustvoll, hemmungslos und intensiv. Bis sie erschöpft und zufrieden einschliefen.

Ein mit wachsender Lautstärke in sein noch schläfriges Bewusstsein dringendes „Aufwachen! Heee! Aufwaaachen!“ lässt ihn nach ihr greifen. Aber er greift ins Leere. Erst nachdem das blinde Tasten nach ihrem Körper erfolglos bleibt, zwingt er sich dazu, die Augen zu öffnen. Es kann nicht viel später als 6.00 Uhr sein. Das Zimmer liegt im Halbdunkel. Sie steht in der Tür, barfuß und frisch geduscht, den Bademantel nur lässig zugebunden, und beobachtet ihn bei seinen Bemühungen, zu sich zu kommen. „Aufwachen…“ wiederholt sie ihre Aufforderung, als sie sieht, dass er die Augen öffnet, „Zeit, aufzustehen. Du solltest langsam gehen.“

Er kneift die Augen zusammen, schiebt schmollend die Unterlippe vor, verkriecht sich dann unter der Decke und mault: „Wie? Aufstehen? Komm wieder ins Bett. Lass uns dort weitermachen, wo wir gestern…nein…heute aufgehört haben.“ Sie zögert nur kurz, bevor sie die wenigen Schritte bis zum Bett geht und ihm die Decke wegzieht. „Jetzt komm schon. Steh endlich auf. Die Kinder müssen bald hier sein und ich möchte nicht, dass sie dich hier sehen.“

Seine Augen sind noch immer zusammengekniffen, der eben noch schmollende Mund allerdings hat jetzt einen ähnlich verkniffenen Ausdruck. „Du spinnst ja!“ faucht er, rollt sich aus dem Bett und schiebt sich, sie zur Seite rempelnd, an ihr vorbei ins Badezimmer. „Willst du noch einen Kaffee, bevor du gehst?“ fragt sie, seinen Auftritt mit dem Mangel an Schlaf entschuldigend, durch die geschlossene Tür. „Nicht doch! Mach dir bloß keine Umstände meinetwegen“ kommt es bissig zurück. Kopfschüttelnd geht sie in die Küche und nimmt sich einen Kaffee. Was ist er auf einmal so zickig? Sie hatten einen schönen Abend, eine tolle Nacht und sind doch wohl beide auf ihre Kosten gekommen.

Als er fertig angezogen in die Küche kommt, hat er sich offensichtlich beruhigt. Versöhnlich legt er den Arm um ihre Taille und zieht sie an sich. „Weißt du“, sagt er lächelnd, „ich dachte… vielleicht könnten wir… was hältst du davon, wenn wir uns am Samstag sehen?“ „Sei mir nicht böse“ antwortet sie freundlich aber bestimmt, sich seinem Arm entziehend, „aber wir hatten eine klare Absprache…“

So schnell, wie er sich beruhigt hatte, schlägt seine Stimmung wieder um. „Tolle Art mit den Kerlen umzugehen, nachdem du deinen Spaß mit ihnen hattest.“ „Oh bitte, was soll das denn jetzt? Gestern Abend waren wir uns doch einig. Und deinen Spaß hattest du doch wohl auch oder?!“ Aber er steht schon im Flur, reißt seine Jacke vom Haken und dreht sich erst in der Wohnungstür noch einmal um. „Weißt du was?“ spuckt er ihr noch ins Gesicht, bevor die Tür ins Schloss fällt, „du solltest Geld dafür nehmen.“

 

Konstruktive Kritik willkommen!Birgit Leschanovsky, Anmerkung zur Geschichte

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