Es
war einmal ein richtig netter, großer, kräftiger Nashornkäfer. Er
liebte es in der sonne spazieren zu krabbeln und jagte furchtbar gern
hinter winzigen Insekten her. Eigentlich war er zufrieden mit sich
und der Welt. Aber als er älter wurde und ein Käfer nach dem
anderen sich eine Braut suchte und mit ihr von dannen ging, wurde er
immer stiller. Er dachte nach, warum mochten ihn die süßen
Käferdamen nicht? Wenn es so weiterginge würde er bald nur noch
ganz allein in diesem Waldstück hausen.
Schließlich war es so
weit: er war der letzte ledige Käfer im Unterholz. Da es dabei nicht
bleiben sollte, musste er wohl oder übel umherziehen und sich nach
einer Braut umsehen.
Die Sonne stand noch tief und die Vöglein
zwitscherten fröhlich, als er aufbrach. Elegant wie eine Spinne
bahnte er sich seinen Weg durch den Unterholzdschungel.
Als die
Sonne in ihrem Zenit stand, machte er unter einer großen Eiche Rast.
Er fing sich ein paar kleine Käfer, die unvorsichtig vor ihm
herumkrabbelten und verspeiste sie zum Mittag. Während er sich noch
sonnte, sah er sie plötzlich: das schönste Nashornkäferweibchen,
das je diesen Wald betreten hatte. Das Licht spielte auf ihrem Panzer
und es schien dem Nashornkäfer, als würde alles in ihrer Nähe
verblassen. Er erhob sich so schnell es ging und wollte zu ihr
krabbeln, als sich plötzlich die Welt verdunkelte und das
Vogelgezwitscher verstummte. Vor ihm stand der größte Käfer, den
er je gesehen hatte - bestimmt so groß wie ein Fliegenpilz - und sah
ihn drohend an. Der Nashornkäfer ging erschrocken ein paar Schritte
zurück, der große Käfer drehte mühsam seinen schwarzen Körper
und stapfte auf die Käferdame zu. Er schnappte sie sich mit seinen
Vorderbeinen und trug sie davon. Wir erstarrt stand der Nashornkäfer
da und sah ihnen nach. Als sich ein paar Vögel langsam wieder
entschlossen zu musizieren, rührte auch er sich wieder. Nach kurzem
innerem Streit beschloss er, dem Riesen zu folgen.
Die Sonne war
schon längst hinter den Baumwipfeln verschwunden, als er sich einen
Schlafplatz suchen musste und sich zur Ruhe bettete.
Sonnenstrahlen
weckten ihn und sogleich brach er auf.
Wieder stand die Sonne an
ihrem Höhepunkt, wieder machte er Rast und wieder verspeiste er
Käfer zum Mittag. Er träume, dachte er, als er sie wieder sah.
Diesmal schlich er sich, dicht an den Boden gedrückt, an sie heran.
Glücklicherweise war der Riesenkäfer nirgends zu sehn.
“Guten
Tag, mein schönes Fräulein“,
versuchte er ein Gespräch zu beginnen, „ich
habe sie in diesem Wald noch nie gesehen. Ich bin der Nashornkäfer
und ihr seid...?“
“Der
Wald ist groß und ihr solltet lieber verschwinden, ehe der
Riesenkäfer, welcher mich entführt hat, wiederkommt. Ihr könntet
wohl leider nicht gegen ihn bestehen“,
unterbrach sie ihn.
Plötzlich tauchte die Welt unter dem
Nashornkäfer ab, wurde kurz gegen den Himmel eingetauscht und raste
dann schnell auf ihn zu. Bevor er ohnmächtig wurde, konnte noch ein
schwarzes Beinpaar erkennen.
Dieses Mal weckten ihn große
Regentropfen. Taumelnd erhob er sich.
Mit schmerzendem Körper
suchte er Unterschlupf. Schließlich fand er eine Höhle im Erdboden.
Schnell schlüpfte er hinein, eventuelle Bewohner hin oder her.
Am
Ende der Höhle führte ein Gang tiefer in die Erde. Auch am Ende des
Ganges war eine Höhle. Während er die Höhle durchquerte, erhob
sich hinter ihm etwas Dunkles. Mutig wie er - leider nicht übermäßig
- war, drehte er sich um. Mehrere rote Lichtpunkte starrten ihn
an.
“Ah!
Endlich etwas Essbares!“
rumorte das Dunkle und schoss plötzlich auf ihn zu.
Der
Nashornkäfer sprang zurück und suchte nach dem Ausgang. Er
krabbelte an der Wand entlang, fand nichts, wurde aber noch immer
verfolgt. Langsam stieg Panik in ihm auf und er wurde unvorsichtig.
Er stolperte über einen Stein und fiel in ein Loch.
Dies war der
erhoffte Ausgang, dachte er, irrte aber. Schnell kletterte er hinaus.
Die roten Punkte waren nicht weit hinter ihm.
Endlich fand er den
Gang wieder. Auch dort drinnen war es nicht heller als in der Höhle.
Dieser Weg führte hinaus.
Wieder einmal erschrak er, als vor ihm
der Riesenkäfer stand, und sprang - nun vollkommen in Panik - in ein
Gebüsch. Dachte er noch, dass der Käfer der Verfolger aus der Höhle
war, war es in Wirklichkeit eine Spinne. Diese raste auf ihrem Weg
aus dem Dunkel in den Käfer und sie kämpften bis beide tot
umfielen.
Der Nashornkäfer wagte sich wieder hinaus und fand die
Käferdame. Sie umarmten sich und machten sich auf den Heimweg.
Wenn
sie nicht gestorben sind, haben sie möglicherweise viele Kinder und
leben glücklich miteinander.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Andre Schuchardt).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.10.2008.
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