Thomas Hofer

Mann gegen....

Mann gegen…

 

„Und Stinker, bist du in Form oder müssen wir uns wieder mal für dich schämen?“

„Was heisst hier Stinker und wie kannst du es wagen an meiner Form zu zweifeln?“

„Na ja, ich sag nur, Kräuterbergl, Alter, mehr sag ich nicht, weißt schon was gemeint ist.“

 

Natürlich weiss ich das, er braucht es mir  nicht pausenlos unter die Nase zu reiben.

„Hör mal, Kräuterbergl war das erste Rennen in der Saison und ich bin frisch aus Sevilla zurückgekommen, nach drei Monaten, was hätte ich da trainieren können?“

 

„Caramba, mir kommen die Tränen, welche Ausrede hast du diesmal auf Lager?  Dein Lieblingskochbuch verlegt, oder hat die Mami die wollenen Unterhosen nicht saubergekriegt, wegen zuviel gelb und braun?“

Er lacht über seinen eigenen Witz.  Weil´s dabei auf meine Kosten geht, kann ich nicht mitlachen, sondern zitiere flugs das Götz Zitat.

„Jaja, du mich auch“, er kriegt sich kaum ein vor Lachen, „aber im Ernst, am Wochenende, Joschikogel,  darfst du´s nicht vergeigen, sonst fährt der Willi in Zukunft für dich.“

Der Willi! Sie wollen mir den dicken Willi als Rute ins Fenster stellen.  Da schwillt mir doch der Kamm!

„Schöne Kameraden seid ihr, wochenlang bereitet man sich auf ein Rennen vor und nur weil man einmal einen Einbruch hat…“

„Geschenkt, Alter, steck´s dir, niemand will den Willi anstatt deiner, das ist klar, aber du musst den Jungs zeigen, das man sich auf dich verlassen kann.   Wer hat dir angeschafft, nach Sevilla zu gehen, und dazu noch dein Rad in der Heimat zu lassen?  Kein Wunder, das du ausser Form warst.“

„Ich befand mich damals in einer privaten Ausnahmesituation und das weißt du.  Mir ist es jetzt zu blöd, wir sehen uns am Sonntag halb neun im Startbereich und da könnt ihr mal zeigen, ob eure Kondition passt.   Ciao.“

„Ole, Alter.“

 

Typisch Rene´,  immer muss er das letzte Wort haben.  Dabei weiss er genau wie sehr ich am Verein hänge, nie für´s Training zu schade, ob´s stürmt oder schneit, egal, nur raus und in die Pedale getreten.  Und wofür?   Für die Anerkennung der Kumpels, für´s Team, für ein paar mickrige Ranglistenpunkte in der Meisterschaft.  In einer Randsportgruppe, quasi.  Beinahe alle Bekannten spielen Fußball, aktiv oder passiv, manche Tennis.  Kaum einer tut sich heutzutage das anstrengende Dasein eines Hobbyradlers an.  Bis auf ein paar Verrückte wie uns.

Zum Dank scheissen sie einem im ersten Moment der Schwäche auf den Kopf, die sogenannten Freunde.  Vor einem halben Jahr, nachdem Sandra mich stehenden Fusses, ohne mit der Wimper zu zucken zum Exlover degradiert hatte, ist für mich eine Welt zusammengebrochen.  Den Job als Küchenchef in einem angesagten Szenelokal hingeschmissen, tauchte ich monatelang in Spanien unter.  Erst als mir der Bart bis auf den Adamsapfel hing, und ich keine Paella mehr sehen-und kochen wollte, kehrte ich zurück in die Heimat. Rene vermittelte mir eine kleine feine Wohnung in einer Pension und die nächsten beiden Wochen  waren ausgefüllt mit Einziehen und Jobsuchen. Logisch, dass ich beim ersten Rennen eine Woche später mit Trainingsrückstand zu kämpfen hatte.  

Dafür bin ich jetzt umso besser in Form.  Ha!!

In den Arsch werd´ ich euch treten, zu Stastisten degradieren, zu Domestiken. Blinden Eifers stürze ich mich in Bodengymnastik, Dehnungsübungen, Liegestütze.  20, 30, 40, die Adern an den Armen treten wie Schiffstaue hervor, das Blut in den Muskeln gefangen, unaufhörlich, maschinengleich geht der Oberkörper nieder, rauf, runter, 60, heute schaffe ich die Hundert, dreistellig kein Problem, später können sie das Adrenalin mit LKW- Ladungen rausschaffen.

70. 80. Haach, ich bin stark, so stark, Bäume….halt, was ist das?

Ein Rascheln, Trippeln?   Ungewohnte Geräusche in diesen vier Wänden.  Rascheln tut hier nur einer, nämlich meinereiner und getrippelt wird schon mal gar nicht.

Mit zitternden Armen in der Grundstellung und gelauscht.  Nichts.

81.  82. Ha!   Trippeln, eindeutig! 

Und zwar ganz in der Nähe.

Na warte.   Uralte Trapperinstinkte erwachen,  ich mach´ mich flach wie eine Pizza, das Ohr am Boden, bereit den Feind zu orten.   Mein alter Ausbildner beim Militär würde vor lauter Stolz einen Ständer kriegen.   Waren doch keine sinnlosen  acht Monate, damals. 

Oder?

Egal.

Ha, ich seh sie, ich seh sie!

Ganz weit hinten unter dem Bett, hinter altem Dreck, alten Kondomen (ähem…) und unzähligen Staubfusseln, tarnt sie sich.   Eine Scheissmaus!  Dir tret´ ich in den Arsch.

Wo die herkommt, da sind noch mehr.  Verdammt, seit ich hier wohne gab´s  so was noch nie.   Da leistet man sich eine sauteure Mietwohnung in der besten Lage, die Vermieterin verspricht einem das Manna vom Himmel und dann das.

Na warte, nicht umsonst bin ich mit Tom und Jerry aufgewachsen.  Du sprichst besser dein letztes Gebet, Mäuschen, denn bald landest du im Ungezieferhimmel. Und deine Familie ebenso, ich mach euch platt!

Schon bin ich beim Wirtschaftskasten.  Praktisches Teil.  Was braucht der moderne Mäusefänger?

Einen langen Stab, um das Vieh hervorzulocken, und…, ja was noch?   Unschlüssig stöbere ich herum.  Autopolitur? Nein!  Wäscheklammern? Vergiss es, will sie ja nicht zum Trocknen aufhängen.  Holzlasur? Ganz falsch. 

Weitersuchen.

Ein Vogelhaus?  Bullshit.  Diverse Reinigerflaschen, Putztücher, ein Donald Duck- Heft.  Wie kommt denn das hier her?  Und wer liest hier überhaupt Comics?  Egal.  Keine Zeit verlieren. Was noch?   Ein Schminkköfferchen.  Nicht meins.  Ehrlich. Gehörte einem one night-….ach, Schwamm drüber.   Ansonsten? Werkzeug zuhauf.   Soll ich sie an die Wand nageln?  Mit dem Tacker erschiessen?  Nein, viel zu grausam.  Trotz meiner vorherigen, christlichen Aufregung bin ich kein Unmensch.  Tierlieb, eigentlich.   Es reicht schon, sie mal zu fangen, etwas ausschimpfen, auf dass sie es sich in Zukunft merkt, vielleicht in eine Tüte und dann wird man sehen.  Schlimmstenfalls kriegt sie die Freiheit geschenkt.  Nicht hier, ein paar Blocks weiter.   Raus mit dem Vieh und Ende Gelände.

Aber Plastiktüte klingt gut.  Sowas gibt es hier sogar.  Ich schnapp mir eine mittelgrosse, den Stab, zwecks Aufscheuchung und los geht´s.

Langsam, praktisch lautlos, drehe ich mich um, bereit zu Boden zu gehen, silent mode, ein Schritt und….FLATSCH!

Was ist jetzt los?   Wo bin ich denn da reingetreten, seltsam, sonst lass ich eigentlich kaum etwas rumliegen.   Weich fühlt es sich an unter meiner Socke.  Weich und matschig.  Und pelzig.   Und …..oh nein, ich glaub´ es nicht. Mir kommt das Kotzen, mag gar nicht hinsehen.  Shit!!

Vor lauter Ekel reisst es mich am ganzen Körper, Gänsehaut, alle Haare stellen sich auf.

Das arme Tier.  Eben noch Maus gewesen, fühlendes Wesen, vielleicht sogar eine Mutter und jetzt Sondermüll.  Reif für die Tierkörperverwertung.  Grausames Schicksal, du!    

Wie soll ich…, was tut man in so einer Situation? Niemand hat einen darauf vorbereitet, sowas lernt man nicht in der Schule oder im Erste Hilfe-Kurs.        Langsam, spitzfingrig pelle ich die Socke vom Fuß.  Mein Gott wie grauslich.   Erneuter Würgereiz.  Reiss dich zusammen, Mann!

Wohin damit, wo ist die verdammte Plastiktüte?  DingDong.  Die Tür will etwas von mir.  Erneutes Läuten.  Nein, falsch, nicht die Tür, da steht einer draussen. 

Grad jetzt.  Wie ärgerlich.  Plastiktütchen ist unters Bett gerutscht, nimmt eine Auszeit.  Zimlich blöd stehe ich jetzt da, einsockig.  In der einen Hand immer noch den Stab, in der anderen die zweite Socke, mit Matschmausinhalt.  Wer auch immer auf der anderen Seite der Türe steht, jetzt hat er das Klingeln eingestellt und sich aufs Hämmern verlegt. 

Himmel hilf, der trommelt mir  die ganze Nachbarschaft zusammen.

„Aufmachen, bitte, es ist dringend!“  

Schreit er. 

Jaja, ich hab´s auch mit dringend.  Den Stab auf´s Bett werfend, versteck ich die Mäusesocke hinter meinem Rücken und öffne vorsichtig die Tür.   Einen Spalt, mehr geht jetzt nicht.

„Ja bitte?“     Vor mir steht ein älterer, hofrätiger Typ, bartweiss, dichthaarig, bebrillt.

Sorgenvolle Miene.  

„Mein lieber Herr, guten Tag, bitte entschuldigen sie höflichst das ungestüme Verhalten meinerseits.  Aber ich habe gute Gründe, wirklich gute Gründe.“

Klartext Mann.  Es pressiert.  Hinterrücks näßt  mein T-Shirt ein.  Die Todessäfte meines Opfers diffundieren durch die Socke.  Die Nervosität treibt mir mir ein Stirnrunzeln in die Visage, was für eine Situation!

„Ok., ok., worum geht´s ich hab´s  eilig.“   Ungelogen.

„Gut“, sagt  er, ich mach´es kurz. Will sie nicht lange belästigen.  Mein Name ist Professor Lang. Guten Tag.“    Er reicht die Rechte zum Gruss.

Blöderweise kann ich die jetzt grad nicht erwidern.   Ich komme mir einigermassen barbarisch vor, unzivilisiert, als ich ihm bloss zunicke. 

„Äh ja“, er läßt die Hand sinken, stößt sich nicht an der vermeintlichen Unhöflichkeit.

„Also in medias res.  Ich forsche und lehre an der hiesigen Unversität.  Ich bin, so darf ich einigermassen unbescheiden behaupten, eine weltweite Koriphäe auf dem Gebiet der Tierverhaltensforschung.“

Dafür erntet er ein angemessenes Räuspern.    Langsam sickern mir die Mäusesekrete in die Unterhose.

„Jedenfalls ist es uns nach über einem Jahr gelungen, meinem Team und mir, durch unermüdliche Züchtung ein paar Exemplare der Gattung Farbmaus zu kreiiern, dessen Intelligenz ihresgleichen sucht.   Der IQ dieser Tiere liegt weit über dem von Delphinen oder gar Bonobos.  Wir betreten ein neues Zeitalter der Intelligenzforschung.     Kürzlich wurde das Zuchtpatent an das Königliche Nobelpreiskomitee gesandt und ich darf stolz behaupten, die Hoffnung lebt.        Leider, gab es gesten einen Laborbrand, vielleicht haben sie in der Zeitung…..nein?  Na macht nichts, jedenfalls wurde bei diesem Unglück sowohl die Einrichtung, wie auch beinahe die gesamte Zucht ein Opfer der Flammen.   Mein Assistent konnte das einzige Exemplar dieser beinahe unbezahlbaren Arbeit retten.  Sicherheitshalber habe ich es über die Nacht zu mir nach Hause genommen. Wie es das Schicksal will habe ich durch eine unverzeihliche Ungeschicklichkeit den Zuchtkäfig vom Tisch gestossen.  Die Tür sprang auf und das Tier floh. Ich könnte mich ohrfeigen, züchtigen. Wahrscheinlich befindet  es sich noch auf dieser Etage, aber keiner der anderen Nachbarn hat sie gesehen.  Ärgerlicherweise gibt es hier viele Haushalte mit Katzen, deshalb  tut Zeit Not, wenn sie verstehen.   Bin sogar bereit über die Universität einen hohen Finderlohn auszuschreiben, denn das Tier ist für mein Team unersetzlich und….   ;was  haben sie denn, sie werden ganz blass, ist ihnen unwohl, mein Gott, weiss wie die Wand sind sie.  Sollten sich besser hinlegen, kann auch später wiederkommen.  Übrigens irgendetwas tropft ihnen aus der Hose……“

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.10.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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