Barbara Greskamp

Just Monthy

Eingetauscht…!

Monthy
steht auf seiner Weide in Ostfriesland, umringt von Friesen und Pintos und
schaut verständnislos Wibke* hinterher, die mit einer braunen Stute an der Hand
vom Hof geht. Monthy möchte ihr hinterher rufen: „He Wibke, ich bin`s Monthy,
hast du mich vergessen? Ich möchte mit nach hause zu meiner Mama!“ Stattdessen
ertönt nur ein heiseres, verzweifeltes  Wiehern und ein kleiner, wunderhübscher
braun-weiß-schwarz gescheckter Pinto mit einer schwarz-weißen Zigeunermähne
bleibt einsam und verlassen auf der Weide zurück – eingetauscht von seiner
Ziehmutter gegen eine ältere Stute!


 

und Monthy’s  Odyssee begann!


 
In
diesem Zuchtbetrieb, dem Monthy nun überlassen wurde, hatte man nicht viel Zeit
für Pferde… schon gar nicht für kleine halbstarke zweijährige Hengste. Aber das
interessierte Monthy nicht. Monthy hatte alle Zeit der Welt, wenn er auf seiner
Weide vor sich hin graste. Seine zweibeinigen Widersacher sahen das jedoch
anders. Mit Gerten und Seilen gingen sie auf ihn los um ihn einzufangen. Monthy
galoppierte von einem Ende der Weide zur anderen um ihnen zu entfliehen. Dieses
Spiel wiederholte sich fast täglich bis eines Tages Monthy so sehr in die Enge
getrieben wurde, dass er zum Sprung über den Weidezaun ansetzte…

Auf
der anderen Seite des Zaunes lagen alte Eisengitter, die man achtlos dort
liegengelassen hatte. Monthy sprang los – und landete mit der Seite auf einem
der Gitter. Schwer verletzt, mit offenen Wunden und zahlreichen Blutergüssen an
seiner rechten Flanke, führte man ihn in den Stall. Zum Glück fand sich eine
gute Seele und versorgte den geschundenen Körper mit Salben.


 
Monthy
hatte jegliches Vertrauen in die Zweibeiner verloren. Alles was von
Menschenhand kam, seien es Halfter, Gerten, übergeworfene Decken o.ä. bedeutete
für ihn eine potentielle Bedrohung. Auch die Menschen, mit denen er dort seine
Erfahrungen gemacht hatte, ließen ihn nervös auf der Stelle treten und mit vor
Angst verdrehten Augen am Strick zerren. Er hatte sich mit seinen zwei Jahren
bereits ein Bild von den Menschen gemacht.


 
Einige
Zeit nach den Geschehnissen in diesem Zuchtbetrieb erschien  seine ehemalige Ziehmutter Wibke auf dem Hof,
um sich nach ihm zu erkundigen.


 
Die
Auskunft war: Monthy wurde unhändelbar. Er ist tot!


 

 
Meine
Tochter und ich waren sehr traurig. Wir hatten gerade unsere Stute Missi
verloren, die an einer „simplen“ Trittverletzung gestorben war.


 
Missi
war etwas ganz Besonderes. Mit Missi musste man nicht reden – man musste nur
mit ihr denken. Das genügte.

Sie
war eine Vollblut Fuchsstute, die früher Galopprennen gelaufen war. Da sie nach
ihrer Karriere als Rennpferd für die Zucht nicht geeignet war, verkaufte man sie
– und so kam sie zu uns.


 
Missi’s
Tod hatte eine leere, sehr schmerzende Stelle in meinem Herzen hinterlassen.
Mir war klar, ich könnte sie nicht ohne weiteres durch den Kauf eines neuen
Pferdes ersetzen. Das Pferd, das vielleicht einmal einen Platz in meinem Herzen
finden würde, müßte etwas Besonderes sein. Es wird kein Pferd sein, das ich mir
aus der Zeitung oder in diversen Zuchtbetrieben aussuchen werde. Wenn es sein
soll, werden wir uns finden – egal wann, egal wie und egal wo. Es wird einfach
geschehen.   


 
Während
der Zeit meiner Trauer um Missi lernte ich Karina kennen. Karina ist ein
wunderbarer Mensch der die Fähigkeit besitzt, mit Tieren zu kommunizieren.
Unsere Gespräche über Missi gaben mir sehr viel Trost und Vertrauen in die
Zukunft, dass  „Missi“ irgendwann einmal
in irgendeiner Form zu mir zurückfinden wird.


 

 
Ca.
zwei Jahre vergingen, in denen Karina und ich sporadisch immer wieder Kontakt
miteinander hatten. Eines Tages sagte sie zu mir: „He Kati*, dein Pferd wartet
auf dich.“ „Oh!“ sagte ich enthusiastisch: „Ich habe mich auf einer Paint-Ranch
in Niedersachsen zu einem Reitkurs angemeldet. Vielleicht begegnet mir dort
mein Pferd!?“ „Das ist gut, dass du reiten lernst.“ sagte Karina „Du wirst es
gebrauchen können, denn dein Pferd ist noch ganz roh. Aber du wirst es nicht
dort finden. Dein Pferd steht ganz in deiner Nähe. Irgendwo wo es sehr grün und
hügelig ist.“

Dieses
Gespräch fand ca. im Oktober/ November statt.


 
Das
Jahr ging zu Ende und mit der Ausnahme, dass ich mich weiterhin in
Pferdeställen aufhielt durch meine Tochter passierte nichts Pferdisches. Es hatte auch keine Eile – denn ich wusste
ja, es wird mir begegnen.


 
Das
Frühjahr kam, und kurz vor Ostern bat mich meine Tochter, sie ins Bergische zu
begleiten, da sich eine Freundin von ihr dort ein Pferd ansehen wollte. Gerne
tat ich ihr den Gefallen.


 
Nachdem
wir uns die in Frage kommenden Pferde angesehen hatten, wollte sie noch gerne
bei Ronni* vorbei, der auch einen „Stall“ betrieb, eine alte dunkle Scheune, in
die man Pferdeboxen eingebaut hatte.


 
Ich
betrat diesen Stall und es dauerte einen Moment, bis sich meine Augen an die
Dunkelheit gewöhnt hatten. Es waren dort zwei Boxenreihen installiert, die mit
halbhohen Boxentüren zur Stallgasse hin versehen waren- glücklicherweise ohne
Gitter.


 
Ich
ließ meine Blicke schweifen. Plötzlich stutzte ich. Ich schaute in ein
verwegenes Gesicht mit einer riesigen weißen Blesse auf braunem Fell, in wissende
braune Augen die mich unverwandt ansahen und sah auf die wilden schwarzen und
weißen Ponyfransen auf der Stirn.


 
Mir
schossen Tränen in die Augen, die sich in wahren Sturzbächen über mein Gesicht ergossen.
Meine Tochter fragte mich äußerst besorgt, ob etwas mit mir nicht in Ordnung
sei. Ich war unfähig,  ihr zu antworten!

Wie
hypnotisiert ging ich auf die Box zu und legte meine Hände auf die Tür – und
weinte weiter. Das Pferd senkte seinen Kopf und begann, meine Hände zu lecken,
so wie man es nur bei einem Hund kennt, und hörte nicht mehr auf. Ich weinte
und das Pferd leckte meine Hände – und wir wollten nicht damit aufhören.


 
Es
muß eine gespenstische Szene gewesen sein, die durch Ronni ihr Ende fand:

Er
fragte, ob er das Pferd aus seiner Box holen sollte. Ich zuckte zusammen und
trat beiseite. Ronni betrat vorsichtig die Box und versuchte noch vorsichtiger,
dem Pferd das Halfter umzulegen. Er war sichtlich unsicher. Ich nahm ihm den
Strick aus der Hand und sagte „Ich mach das schon“ und ging mit dem Pferd nach
draußen. Dort sah ich erst, wie hübsch er war – ein braun-weiß-schwarz
gescheckter Pinto mit einer schwarz-weißen Zigeunermähne!


 
Ich
fragte nach seinem Namen. Ronni schaute in die Papiere und sagte, er heißt
Monthy, einfach Monthy.


 
Da
war er - Monthy – ich wusste es – das war mein Pferd!


 
Am
nächsten Tag holte ich ihn ab! 

  


 
*Namen
geändert
Alle Rechte vorbehalten


Anmerkung: Bei evtl. Bewertungen wäre ich dankbar über eure Meinung, ob ich die Geschichte weiterschreiben soll.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.10.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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