Thomas Hofer

Netter Abend

Netter Abend

 

 

„Also?“

„Also was?“

„Gehen wir rein?“

„Na klar, wofür sind wir sonst hergekommen?“

„Jaja, mach´ bloß nicht den Lauten. Kriegst noch ´ne Hirnversteifung.“

„Affe!“

Bernd boxt mich in die Rippen.  Er hat die Muskelmasse von Pinocchio, also geht es mir am Arsch vorbei.  Viel mehr beunruhigt mich unser bevorstehender Besuch ins Angelo´s.  Einer Szenebar wie sie im Buche steht. Schweineteuer, superduperexclusiv und laut Bernd, dermassen in, dass du schon beim rausgehen wieder out bist. Berndsprech.  Schwachmatiker, aber bei den Frauen zieht´s.  Und jetzt will er mich da reinschleppen.  Der Laden scheint verdammt voll zu sein. Hört man bis nach draussen.                  

„Bernd, eigentlich will ich da gar nicht rein, lass ´ uns in einen Club gehen, bisschen Jazz hören, einen Drink, nehmen, vielleicht einen zweiten, nette Gespräche, nette Leute. Sogar die Kellner sind nett.  Da drinnen“, ich deute auf das Szenelokal, „da musst du dich für ein Getränk erst qualifizieren.  Zuerst casten sie zwanzig Gäste und nur der, der übrigbleibt, kriegt die Chance, seine Bestellung auch wirklich zu kriegen.“

„Blödsinn, das ist eine ganz normale Hütte Alter, keine Spur von versnobt, einfach angesagt der Schuppen und ich will da jetzt rein.“

Aber ich nicht!!   Wie krieg ich meinen Kumpel dazu, mich nicht da rein zu kriegen?

„Bernd!“  Das GROSSE JAMMERN überkommt mich. Bin bereit alle Register zu ziehen.

Krampfhaft auf der Suche nach einer Ausrede stöbere ich in allen Nischen der Kreativität, räume ein paar Regale leer, schiebe Gerümpel beiseite, wische ein wenig Staub-  nichts.

Bernd schaltet in den ersten Gang, läßt die Kupplung schleifen, geht auf die Türe zu.

Verdammt!  Man sollte irgendwas tun, vielleicht den Hund auf ihn hetzen.   Blöd, wir haben keinen Hund, nur den Chinchilla meiner Tochter und der schläft die ganze Zeit.   Und der Chinchilla meiner Frau hängt im Kasten. Falschpelz, sieht aber aus wie echt.  Und ebenfalls schweineteuer.  Auch keine grosse Hilfe.

 

             Plötzlich passiert es.  Ein Erlebnis der dritten Art.  Mein Geist löst sich aus meinem Körper.  Ich kann nichts dagegen tun, stehe wie angewurzelt da.   Die Zeit scheint auch stillzustehen, keiner bewegt sich, Bernd, die Hand an der Tür, mir zugewandt, stumme Aufforderung ihm zu folgen, ist ebenso eingefroren. 

Mein…..Geist? Mein zweites Ich oder wie man ihn nennen mag, sieht sich inzwischen erstaunt um.   Räuspert sich, was einigermassen dick aufgetragen wirkt, da Geister ja nicht atmen, oder?   Interessanterweise hat er Kleidung an.   Die gleiche wie ich, übrigens.  Wie kann er so angezogen sein, wie ich, blödes Klischee….Himmel hilf!    Ich bin nackt!   Adamskostüm für 19.95.  Er grinst mich an, richtet sich den Hemdkragen (meinen Hemdkragen!), poliert sich die Schuhspitzen an der Hose (meiner Hose!), tippt sich an einen imaginären Cowboyhut und betritt das Lokal.

Seltsamerweise scheint da drinnen die Post abzugehen, während draussen alle Denkmal spielen.   Mir fröstelt, wird richtig kalt.  Vielleicht kann ich mir Bernd´s Jacke…, aber nein, bin ja auch bewegungsunfähig.    Jetzt fehlt nur noch, dass ein paar Typen vorbeikommen,  wenigstens kriegen die etwas zu lachen.

 

Stunden später

 

Keiner ist vobeigekommen, Totenstille, ich hab´ mir die edelste Teile abgefroren, nichts geht mehr.   Da öffnet sich die Türe und mein Geist kommt wieder raus.   Stockbesoffen.  Das Hemd (mein schönes Hemd!) bis zum Nabel offen, sämtliche Knöpfe abgerissen, na warte nur, das bezahlst du mir!   Trotz meines Ärgers wird  die Skurrilität der Situation deutlich klar,  ich fordere allen Ernstes von meinem anderen Ich, mir das Hemd zu ersetzen.   Hoffentlich ist das alles nur ein Traum.

Umso realer wirkt die Alkoholfahne, die ihn umgibt, während er auf mich zutorkelt.

Mit offenenem Hosenstall (mein!....äh nein, nicht mein Hosenstall, so kann man das nicht sagen….), ein besoffener Ich- Geist, gleich brennen mir die Sicherungen durch!

„He du“, lallt er, sich an meiner, und diesmal wirklich an meiner Schulter aufstützend, „dass´n dolla Lad´n, ehrlich.“  Er rülpst mir ins Gesicht, also bitte.

„Dolle Weiba, supa Atmo und übahaupt. Hab´ denen gezeigt, wo da Frosch die Lock´n hat.“

„Wie bitte?“

„Na ja, bisschen Stimmung ´macht, in deim Nam´n. Fastehst? Hahahaha!“

Und kriegt sich vor Lachen kaum ein.  Kann leider nicht mitlachen.

„Aba“,   schuldbewusst schürzt er die Lippe, mache ich das etwas auch so?  Sieht aus, als hätte er sich/ ich mir in die Hosen geschi….  

 „Aba, Alta, ist leida bissl ausegu…, ausgefu.., so´n Dingens halt…!“

„Ausgeufert?“

„Sachichdoch. Ausfegudert….rülps!“   Danke, wieder ins Gesicht.   Langsam wird´s mir zu bunt. 

„Weil, ich hab lämnich einzwei Lokalrundn gespendiert, habich, gelle..., so auf die Karte.  Aber erst als das Bare aus war, keine Scheinchen mea, rülps,  den Rest hat Onkel American Express spegonsert, hehe.“

„WAS!?“

„Lustiche Runde, dodall lustich,  und deine, alzo unsare Tefelonnuma hab´  ich auch herbegegeb´n.   An eine gaaaanz heisse“, er zwinkert mir zu, „rülps, wirkli gaaanz haeisse Braut.  Die ruft ganara,…garana,…also mit Sichheit ruft die bei dir an, da hab´ich ´nen Supaeintruck hintalass´n, wirschon sehn. Bass bloz auf, daz unsere Ehefrau nix meakt Issmiaschlecht.“

In diesem Moment vereinigt er sich mit mir.  Schlüpft, gleitet mehr in mich hinein.  Ohne Vorwarnung.  Und noch einiges andere passiert.   Plötzlich trage ich wieder Kleidung am Körper, sogar meine, wenn auch ziemlich derangiert, ich spüre einen Mordsrausch, die Welt dreht sich, und ich reihere auf die Strasse.

Himmel, was habhst er/ ich da drinnen bloss getrunken?!

Bevor ich komplett k.o. gehe, registriere ich noch wie die Welt wieder in Gang  kommt und Bernd auf mich zuläuft, mit sorgenvollem Gesicht….RÜLPS..

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.10.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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